Kitabı oku: «Ekiden», sayfa 4
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Meine erste Station in der japanischen Laufszene ist das Amateurteam, das Max’ Kontakt, dem ehemaligen Profiläufer Kenji Takao, gehört. Das Team trägt den Namen Blooming.
Die Mannschaft trifft sich an einem Ort namens Dawn Centre in Osaka. Max, der selbst am Training teilnehmen will, und ich fahren gemeinsam dorthin. Obwohl er immer zu kämpfen hat, wenn wir laufen gehen, sagt er, dass es sein Ziel sei, mich am Ende der sechs Monate zu schlagen. Er sagt das nicht aus Spaß oder um mich zu ärgern, er sagt es, als wäre dies ein Fakt. Im gleichen Ton, in dem er mir erklärt, welchen Bahnsteig wir nehmen müssen, behauptet er, dass er in sechs Monaten schneller laufen wird als ich.
Ein Teil seines Selbstvertrauens rührt sicher daher, dass er mich noch aus Zeiten kennt, in denen ich nicht lief. Diese Erinnerungen haben sein Bild von mir als Läufer sicherlich getrübt.
„Ich hatte keine Ahnung, dass du dich für Sport interessierst“, sagt er. „Ich konnte mich dich gar nicht als Läufer vorstellen.“
Bei einem unserer ersten gemeinsamen Ausläufe bietet er mir ein paar Shorts an.
„Ich glaube nicht, dass die passen“, sage ich, als ich sie vor mich hin halte.
„Komm schon“, sagt er. „Ich bin mir sicher, du kannst dich da reinzwängen.“
Er kann es kaum fassen, als ich sie anziehe und sie mir viel zu groß sind.
Wir verlassen die U-Bahn-Station in Osaka und betreten die Straße an einer großen Kreuzung. Mehrere Betonbrücken spannen sich hoch über unsere Köpfe hinweg. Das Dawn Centre, ein hohes Glasgebäude, ist nicht weit von hier. Mit seinen vielen Konferenzräumen sieht es ein wenig aus wie ein Kongresszentrum.
„Vierter Stock“, sagt Max und deutet auf eine Hinweistafel an der Rezeption. Die Tafel ist voll mit für mich unlesbaren Zeichen. Ich bin froh, dass ich Max dabeihabe.
Im Versammlungsraum von Blooming stehen viele Tische, die auf eine lange Schreibtafel an der Wand gerichtet sind. Die Szenerie erinnert an ein Klassenzimmer. Kenji, ein kleiner, schlanker Mann, eilt herüber, als er uns bemerkt. Er lächelt und verbeugt sich. Dann bittet er uns, Platz zu nehmen. Der Raum ist voller Männer, von denen die meisten älter sind als ich. Trotz der Hitze, die draußen herrscht, sitzen sie in mehreren Schichten Laufausrüstung da und unterhalten sich leise, während sie die beiden großen Gaijin, die gerade hereingekommen sind, ignorieren. Auf einem weiteren Tisch ganz vorne hat Kenji einige Dinge zum Verkauf bereitgelegt. Es sind vor allem Produkte für die Behandlung von Verletzungen.
Nach ein paar Minuten öffnet sich die Tür, und zwei Frauen treten ein. Sie setzen sich auf die noch freien Plätze. Kenji macht ein paar Witze, doch alle anderen Anwesenden sitzen ruhig da. Max sieht sich um und grinst, so als fände er das alles sehr amüsant.
Kenji sagt etwas über mich, Finn-san. Max meint, wir müssen nach vorne gehen und uns selbst vorstellen. Ich stehe neben Kenji, während Max übersetzt, was ich sage. Inzwischen geht draußen die Straßenbeleuchtung an, und der Tag neigt sich langsam seinem Ende zu.
Ich erzähle, dass ich ein Buch über das Laufen in Kenia geschrieben habe und nun nach Japan gekommen bin, um mehr über das Laufen hier zu erfahren, speziell über Ekiden. Die Leute in Japan sind ganz überrascht, dass ich gekommen bin, um mehr über das Laufen zu lernen. Ihnen ist nicht bewusst, dass die Japaner zu den weltbesten Langstreckenläufern zählen oder dass Ekiden ein Sport ist, der nur in Japan existiert.
Nachdem ich fertig bin, applaudieren sie mir. Als wir uns wieder setzen, kommt ein Mann zu uns herüber, hockt sich neben unseren Tisch und spricht mit Max. Er fragt, was meine Bestzeit über 10K sei. Als ich 35 Minuten sage, scheint er beeindruckt zu sein. Der Mann sagt, ihm fehle noch eine Person für ein Ekiden-Team in ein paar Monaten, für den Biwa-zan. Und ob ich laufen wolle?
Ich packe die Gelegenheit beim Schopf. Das war genau das, worauf ich gehofft hatte.
„Arigato“, sage ich und verbeuge mich mit einem Kopfnicken.
Der Mann nickt, wobei seine Haare beinahe seine Augen verdecken. Er sieht anders aus als die anderen hier. Berechnend, distanziert. Nicht so verlegen und unterwürfig. Irgendwie erinnert er mich an Charles Bronson, den Schauspieler. Max sagt mir, dass der Name des Mannes Morita sei. Er ist der Star von Blooming, der schnellste Läufer im Team.
Bevor wir mit dem Abendtraining beginnen, hält Kenji noch eine Rede vor der Gruppe. Die Leute hier zahlen gutes Geld, um mitlaufen zu dürfen. Dafür bekommen sie von dem ehemaligen Champion allerdings auch gute Ratschläge und Insiderwissen. Kenji läuft normalerweise auch mit, doch er erholt sich gerade von einer Langzeitverletzung und einer Operation, und so humpelt er mehr, als er läuft. Doch selbst damit ist er noch recht flott unterwegs. Alle seine Bewegungen sind schnell. Auch seine Sprechweise.
Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, doch er redet mit den anderen über Ekiden. Er erzählt, dass Ekiden in Japan inzwischen populärer sei als der Marathonlauf. Es sei mehr als nur ein Rennen, sagt er, es gehe darum, dass Menschen zusammenkommen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
Kein hervorstehender Nagel, gibt Max mir mit einem Gesichtsausdruck zu verstehen, der zu sagen scheint: Verstehst du jetzt, was ich meine? „Niemand, der versucht, sein eigenes Ding zu machen.“
Der bekannteste Ekiden, so erzählt Kenji der Gruppe, ist der Hakone Ekiden, ein reiner Herrenwettbewerb, der ausschließlich zwischen Unimannschaften ausgetragen wird. Der Grund für die Popularität liegt in der Spannung dieser Veranstaltung. Dieser Ekiden ist länger als die meisten anderen und wird über zwei Tage auf einer anspruchsvollen Strecke gelaufen. Dabei wechselt die Führung ständig. Professionelle Konzernteams, so sagt er, seien zu glatt, zu organisiert, zu maschinenhaft. Sie laufen immer so, wie es erwartet wird, immer das gleiche Tempo, ohne große Überraschungen. Doch beim Hakone, an dem nur Studenten teilnehmen, kann viel passieren.
Ich mache mir viele Notizen. Das ist richtig interessant. Kenji Takaos Leitfaden für Ekiden.
Schließlich ist es an der Zeit, laufen zu gehen. Kenjis Trainerteam – er hat drei Assistenten – erklärt das heutige Training an der Tafel. Sie nennen es ein „40-Minuten Build-up“. Im Prinzip heißt das, dass wir 20 Minuten lang mit niedrigem Tempo unterwegs sind und dann immer schneller werden.
Dann geben uns die Trainer das Signal, und wir machen uns auf den Weg. Eine Schwadron altersschwacher Läufer, die sich langsam durch den beleuchteten Korridor zu den Aufzügen bewegt. Als sich die Aufzugstür im Erdgeschoß öffnet, mache ich den Fehler und steige als Erster aus. Max erklärt mir, dass ich Kenji den Vortritt hätte lassen sollen, da er die wichtigste Person der Gruppe ist.
„Ist nicht so schlimm, das konntest du nicht wissen“, beruhigt er mich. Es ist schwierig zu erkennen, ob ich jemanden vor den Kopf gestoßen habe. Doch niemand scheint es mir vorzuhalten. Alle unterhalten sich so wie vorher, als wir in die schwüle Nacht hinaustreten und eine Seitengasse hinter dem Gebäude bis zum Eingang eines Parks entlangjoggen. Aus dem dunklen Blätterwald der Bäume, nicht weit von uns weg, erhebt sich ein riesiges mehrstöckiges Gebäude in den Himmel.
„Die Burg von Osaka“, sagt Kenji stolz.
Ein prächtiger Anblick.
„Sugoi“, antworte ich. Fantastisch.
Im Park tummeln sich überall Läufer, die den gleichen Weg, der teilweise um die Burg herumführt, immer wieder vor- und zurücklaufen. Sie laufen meist in Gruppen und joggen langsam vor sich hin.
Wir mischen uns unter die Masse der Jogger, bleiben aber in unserer großen Gruppe zusammen. Das Tempo ist sehr langsam. Einige unserer Begleiter bringen den Mut auf, mir die eine oder andere Frage zu stellen, die Max sehr ausführlich beantwortet. Ich habe keine Ahnung, was er ihnen alles erzählt, doch ich höre ihre „Oohs“ und „Aahs“ und sehe, wie sie mich anblicken, so als ob ich große Dinge vollbracht hätte. Ich gebe es auf, Max darum zu bitten, immer alles zu wiederholen, und vertraue darauf, dass er ihnen das richtige Bild eines Engländers vermittelt, der ein Buch schreibt und als Erster einen Lift verlässt.
Nach genau 20 Minuten erhöht sich das Tempo, und unsere Gruppe beginnt sich auseinanderzuziehen. Der Weg führt für etwa eineinhalb Kilometer in einem Bogen um die Burg, und so laufen wir immer wieder die gleiche Strecke auf und ab. Ich fühle mich gut und laufe in der schnellsten Gruppe, die von Morita angeführt wird. Ich erwarte jeden Moment, dass sich das Tempo nun Schritt für Schritt verschärft, doch es bleibt gleich, bei etwa sieben Minuten für die anderthalb Kilometer. Ich kann mir nicht helfen, aber in der letzten Minute starte ich los und lasse die anderen hinter mir zurück. Über die Jahre hinweg war ich Mitglied in vielen verschiedenen Laufvereinen, und am Anfang ist es immer etwas kompliziert. Jeder Verein hat seine eigene Hackordnung, und das Letzte, was sie wollen, ist, dass irgendein Neuling daherkommt und alles über den Haufen wirft.
Ich erinnere mich, als ich meinem Klub in Devon beitrat, kurz nachdem ich aus Kenia zurückgekommen war. Der Vorsitzende des Vereins fragte mich, ob ich viel liefe, und ich erzählte ihm, dass ich gerade sechs Monate in Kenia verbracht hatte. Dort war ich einen Marathon in 3:20 Stunden gelaufen. Doch das war an einem ziemlich heißen Tag. Auf einer Staubstraße. Auf einer Seehöhe von über 1500 Metern.
„Gut, dann stecke ich dich in Gruppe 3“, sagte er.
Auf der Vereinswebseite hatte ich gelesen, dass sie fünf Gruppen hatten, wobei Gruppe 1 die langsamste war und Gruppe 5 die schnellste. Gruppe 3 kam mir persönlich ein wenig langsam vor.
„In Kenia habe ich mit Wilson Kipsang trainiert“, protestierte ich. „Sechs Monate lang.“
Er runzelte die Stirn und musterte mich.
„Na gut, dann kommst du eben mit mir in Gruppe 4“, lenkte er ein.
Wir liefen in einer kleinen Gruppe mit gemütlichem Tempo hinunter an die Küste von Torquay. Frisch zurück vom Höhentraining in Kenia konnte ich es nicht erwarten, schneller zu laufen. Genau an diesem Punkt wurden wir von einem Rudel schnellerer Läufer überholt, die auf die Straße auswichen, um an uns vorbeizukommen.
„Wer sind die?“, fragte ich den Vereinspräsidenten.
„Das sind die Fünfer“, erwiderte er.
Das sah mehr nach meinem Tempo aus. Zudem war es auch eine recht große Gruppe. Ich hatte das Gefühl, dass mir hier etwas entging.
„Darf ich mich denen anschließen?“
„Die werden aber nicht auf dich warten, wenn du nicht mithalten kannst“, antwortete er. „Wir schon.“
Ich zögerte für einen Moment. Ich konnte sehen, dass es ihn ärgerte, zu denken, dass ich es besser wüsste. Zugegeben, 3:20 war jetzt nicht gerade eine besonders beeindruckende Marathonzeit, doch man muss auch die schwierigen Bedingungen bedenken. Bevor die Gruppe endgültig weg war, traf ich meine Entscheidung.
„Ich riskiere es einfach“, sagte ich und sprintete den Fünfern hinterher.
Schlussendlich war es kein Problem. Die Gruppe war gut, doch es fiel mir recht leicht, ihr Tempo zu halten. Hinterher erntete ich jedoch ziemlich böse Blicke vom Vereinsboss, aber er sagte kein Wort. Es dauerte Monate, bevor er mir diese Aktion verziehen hatte.
Hier in Osaka halte ich mich zurück und laufe in der Gruppe. Es wäre wohl respektlos, gleich bei meinem ersten Training allen davonzulaufen. Doch dieser Drang, einfach loszulaufen, die Beine das machen zu lassen, was sie wollen, ist zu stark. Am Schluss stehen alle herum und schütteln ihren Kopf darüber, dass ich so schnell gelaufen bin. Max, der bereits eine Runde vor Schluss ausgestiegen ist, steht daneben und lacht. Der Einzige, der kein Wort sagt, ist Morita. Er wirft mir einen finsteren Blick von unter seinen Haaren zu.
Ich muss zugeben, dass ich darüber überrascht bin, so weit vor den anderen zu sein. Ich bin nicht einmal annähernd in Bestform und habe immer noch Probleme mit der hohen Luftfeuchtigkeit, die hier herrscht. Ich frage mich, wo all die schnellen Läufer sind. Sind das alles Profis? In Japan gibt es ungefähr 1500 Profiläufer, die bei verschiedenen Unternehmen unter Vertrag stehen, um dort für das jeweilige Ekiden-Team zu laufen. Im Vereinigten Königreich, das etwa die Hälfte der Bevölkerung Japans hat, gibt es wahrscheinlich weniger als 20 professionelle Langstreckenläufer, Sportler, die mit Laufen ihr Geld verdienen. Das heißt, dass viele der talentiertesten Sportler Großbritanniens einer normalen Arbeit nachgehen und sogar dafür bezahlen, abends im Laufverein laufen zu dürfen. Wären diese Topläufer hier in Japan Profis? Wäre ich Japaner, hätte ich dann vielleicht sogar meinen Lebensunterhalt mit Laufen bestreiten können?
Dieser Level an Professionalität in Japan erklärt zum Teil auch die Diskrepanz zwischen den beiden Nationen, wenn man einen Blick auf die Ergebnisse wirft. Britische Spitzenläufer wären wohl deutlich schneller, wenn sie mehr Zeit und Ressourcen ins Training stecken könnten, und viele andere hätten einen Ansporn, ihr Talent zu entwickeln. Stattdessen müssen die meisten Läufer ihr Training irgendwo zwischen Job und Familie hineinquetschen. In den meisten Fällen fehlt die Motivation, laufen zu gehen oder früh aufzustehen, um die eine oder andere zusätzliche Trainingseinheit einzulegen beziehungsweise Geld für Massagen auszugeben und die Tiefenmuskulatur im Fitnesscenter zu trainieren. Auch für die besten Läufer in Großbritannien ist Laufen meist nur ein Hobby. In Japan, andererseits, kann es für diejenigen, die ein gewisses Niveau haben, eine solide Karriereoption sein, mit professionellen Trainern, Sponsoring und Anerkennung.
Als wir uns schweißgebadet auf dem Weg zurück zum Dawn Center befinden, erzählt mir Max, dass er sehr zufrieden mit seinem Lauf sei. Er meint, dass es für den Anfang recht gut sei.
„Ich spüre es richtig, gerade in diesem Moment produziert mein Körper Hämoglobin. Ich war schon immer gut darin. Sechs Monate … du wirst schon sehen.“
Zurück im Konferenzraum trocknen sich die Männer den Schweiß mit Handtüchern ab, ziehen sich wieder ihre Bürokleidung an und verwandeln sich zurück in Buchhalter, Ärzte und Manager. Nur Kenji und ich behalten unsere Laufkleidung an. Als alle fertig sind, kommen die Frauen wieder in den Raum, auch sie sind nun wieder normale Zivilistinnen. Jemand teilt liebevoll verpackte Kekse aus, während Kenji seine Nachbesprechung hält. Max kann sich nicht dazu aufraffen, Kenjis Worte zu übersetzen. Ich glaube, er ist zu müde.
Während sich der Anfang meiner Nachforschungen über den Ekiden recht erfolgreich gestaltet hat, speziell mit einem Platz in einer Mannschaft, steht meinen Töchtern in Kyotanabe die schwierige Aufgabe bevor, sich in einer japanischen Schule einzuleben.
Doch sie sind beide recht optimistisch, was das anbelangt, und am ersten Schultag stehen sie auf und machen sich ohne Diskussionen fertig. Es scheint fast so, als würden sie sich darauf freuen.
„Lila sagt, dass es gut ist, in die Schule zu gehen, weil man dann etwas zu tun hat, wenn es regnet“, erklärt mir Uma.
Die Schultaschen geschultert und ausgerüstet mit neuen Schuhen und Kleidern sowie einem neuen Federpennal hüpfen sie vergnügt den kurzen Weg zur Schule vor uns die Straße hinunter, durch unsere vorstädtische Nachbarschaft. Erst als wir etwa 50 Meter vor der Schule sind, verlangsamen sich Umas Schritte.
„Komm bitte mit mir in die Klasse“, sagt sie, während sie mich an der Hand festhält.
Wir haben den Kindern bereits gesagt, dass wir das tun würden. Wir haben es auch schon mit den Lehrern besprochen. Ich vermute, dass die anderen Kinder uns zuerst anstarren und vielleicht auch versteckt kichern würden.
Doch es wird wohl nicht so eine Aufregung geben, wie sie es in der Schule in Kenia erlebt hatten.
„Natürlich“, sage ich. „Es wird schon alles gut gehen.“
Als wir den Schulhof betreten, bricht die Hölle los. Es ist der erste Tag nach den Sommerferien, und die Kinder sind schon von Haus aus aufgeregt, doch als sie sehen, wie wir Richtung Eingang gehen, flitzen sie vor uns herum, schlittern über den Holzboden, rufen und deuten auf uns. Es ist so, als würden wir ein Haus voller aufgeregter junger Hunde betreten, die alle zu uns herlaufen, verwirrt stehen bleiben und dann aufgeregt kläffend weglaufen.
Wir kämpfen uns durch das Getümmel, bis wir endlich das Klassenzimmer erreichen. Marietta und Ossian begleiten Lila und ich Uma. Sie blickt auf den Boden und hält meine Hand fest. Die Kinder führen uns zu Umas Tisch, doch selbst ich habe Probleme, mit diesem Chaos fertig zu werden. Sie tippen mich am Arm an und stellen mir Fragen, die ich nicht verstehe. Weit und breit ist kein Lehrer zu sehen.
Wir finden Umas Tisch, und sie setzt sich. Noch immer klammert sie sich an meinen Arm und wartet darauf, dass dieser Tumult endlich vorbei ist. Ich stehe etwas unbeholfen in der Gegend herum und lächle die anderen Kinder an, die weiter wie von der Tarantel gestochen herumlaufen. Ich wünschte, ich könnte sagen: „Ich verstehe euch nicht.“ Doch selbst dafür reicht mein Japanisch nicht aus.
Endlich ertönt die Schulglocke und kündigt die Ankunft der Lehrerin an.
Damit beruhigen sich die Kinder zwar, doch sie tratschen noch immer, als die Lehrerin lächelnd zu uns herüberkommt. Sie nimmt Umas Hand und spricht mit ihr auf Englisch. Zum ersten Mal blickt Uma auf, ein leichtes Lächeln in ihrem Gesicht. Ich sage ihr, dass ich nun gehen müsse, und sie schaut mich mit feuchten Augen an. Sie lässt meinen Arm los, und ich verlasse die Klasse, in der Hoffnung, dass alles gut wird.
Als ich meine zwei Töchter später wieder von der Schule abhole, scheint es ihnen ganz gut zu gehen. Ich frage vorsichtig, wie es so war, und beide antworten: „Gut“, ihre übliche Antwort, wenn sie nicht in der Stimmung sind, uns zu erzählen, was sie erlebt haben. An diesem Nachmittag spielen sie draußen mit den anderen Kindern in unserer Straße und werfen freudig Wasserballons in die Luft, damit sie platzen, wenn sie auf dem Boden aufklatschen. Und so scheint es, dass wir nun endlich angekommen sind. Unser kleines Vorstadthaus, die Kinder in der Schule, die schon ein paar Freunde gefunden haben, unsere ordentlich nebeneinander aufgereihten Fahrräder im Vorgarten. Unser Leben in Japan, so scheint es, hat begonnen.
Doch noch am gleichen Abend, als wir in unserem „japanischen Zimmer“ sitzen, mit seinen Papierschiebetüren und den Tatamimatten am Boden, vor uns die Reste des Abendessens auf einem niedrigen Holztisch, spielt Lila mit ihren Essstäbchen und schiebt die letzten Reiskörner in ihrer Schale herum.
„Uma sagt, sie will morgen nicht zur Schule gehen“, erzählt sie, während sie uns ansieht.
Dann beginnen beide plötzlich zu weinen und sagen, wie schrecklich die Schule sei, und dass die anderen Kinder sie anstarren und Fragen stellen, die sie nicht verstehen. Sie bekamen auch das falsche Mittagessen, sagen sie, die falschen Hüte und die falschen Schuhe.
„Ich will nicht anders sein“, sagt Uma und bricht mir mit ihrem Schluchzen fast das Herz.
In jener Nacht, als die beiden schlafen, sehen sich Marietta und ich an. Das war nicht der Plan. Wir fühlen mit unseren Kindern, doch wir können doch nicht jetzt schon aufgeben, nach nur einem Tag. Ich denke, dass sie, wenn sie das überstehen und sich einleben, eine Lektion fürs Leben gelernt haben. Sie werden wissen und verstehen, wie es sich anfühlt, anders zu sein. Und wenn sie lernen, damit umzugehen und sich einzugliedern, etwas Japanisch zu sprechen und sich der Situation anzupassen, dann wäre dies etwas, was sie ihr ganzes Leben lang begleiten wird. Ich stelle mir vor, dass sie eines Tages zur Schule gehen und ihre Freunde auf Japanisch begrüßen, sich vergnügt auf ihre Plätze setzen und über einen Witz, den einer der Jungs macht, lachen. Wäre das überhaupt möglich?
Am nächsten Morgen, als ich zehn Minuten in Umas Klasse verbringe, um sie zu beruhigen, fällt es mir schwer, zu glauben, dass das möglich ist. Wortfetzen fliegen wie aus Maschinenpistolen geschossen durch das Klassenzimmer. Es scheint unmöglich, irgendetwas davon zu verstehen. Nach zehn Minuten lasse ich sie allein, während sie mit stoischem Blick an ihrem Tisch sitzt. Sie protestiert nicht, als ich mich hinausschleiche. Wahrscheinlich weiß sie, dass ich ihr nicht helfen kann.
In den nächsten Tagen gibt es zwar noch weitere Proteste, doch langsam legt sich die ganze Aufregung wieder. Marietta rät mir, nicht auf Vernunft zu setzen oder die Kinder anzuflehen, zur Schule zu gehen, sondern einfach vorauszusetzen, dass sie gehen. Das heißt, auch wenn sie sagen, dass sie nicht gehen wollen, bereiten wir ihnen, ohne ein Wort zu verlieren, ihre Pausenbrote vor, legen ihnen ihre Kleidung heraus und packen ihre Schulbücher zusammen. Das scheint zu funktionieren. Während ich mich darum sorge, dass ich vielleicht die Ängste meiner Kinder ignoriere, ist mir auch klar, wie enttäuscht wir alle wären, wenn wir einfach so aufgeben würden, ohne es wirklich versucht zu haben. Abgesehen davon sind wir nur in diesen unscheinbaren Vorort gezogen, damit wir es nicht weit zur Schule hätten. Wir haben auch bereits sechs Monatsmieten im Voraus bezahlt, und das für ein Haus ohne Garten. Wenn sie nicht in die Schule gehen, bekommen wir vielleicht alle noch einen Lagerkoller.
Wegen der Probleme meiner Töchter, sich in der Schule einzuleben, lasse ich meine Entscheidung, nach Japan zu gehen, noch einmal Revue passieren. Bis jetzt habe ich noch keinen der großen Läufer getroffen, doch wenn man sich die Ergebnislisten ansieht, dann weiß ich, dass irgendwer irgendwo etwas richtig gemacht haben muss. Ich muss nur tiefer graben und es finden. Warum ist das so interessant?
Nun, einerseits macht es mich neugierig, warum Langstreckenlaufen hier ein so beliebter Sport bei den Zuschauern ist. In anderen Teilen der Welt interessieren sich wirklich nur die fanatischsten Fans für Langstreckenrennen. Die meisten Menschen, die in Europa oder den USA Marathons verfolgen, kennen nicht einmal die Namen der Läufer, die in der Spitzengruppe laufen. Sie interessieren sich fast nur für ihre Freunde oder Verwandten, die irgendwo ihm großen Feld oder weiter hinten laufen. Die Führenden sind nur als Benchmark interessant, eine Projektion davon, was möglich ist. Es ist schon beeindruckend, sie laufen zu sehen, doch ihre Namen, ihre Geschichten oder Rivalitäten sind irrelevant. In Japan sind diese Eliteläufer jedoch große Stars.
Der andere Grund, der die Kultur des Laufsports in Japan so faszinierend macht, ist meine Chance, etwas Neues zu lernen, etwas, das mir helfen kann, mich als Läufer weiterzuentwickeln. Oft werde ich gefragt, wie sich mein Laufen nach den sechs Monaten in Kenia verändert hat. Die Wahrheit ist: fast gar nicht. Kenia hat mich dazu inspiriert, öfter laufen zu gehen und die Leidenschaft und den Enthusiasmus, die dort geherrscht haben, für mein eigenes Training zu übernehmen. Doch einige dieser Schlüsselfaktoren, die diese Läufer so großartig machen, kann ich einfach nicht kopieren. In Kenia auf dem Land aufzuwachsen, jeden Tag zur Schule zu laufen, hinunter zum Fluss, zu den Feldern, und das alles barfuß und auf einer Höhe von über 2000 Metern.
Andererseits ist das in Japan ja auch nicht der Fall. Die japanische Gesellschaft ist, betrachtet man Komfort und Bequemlichkeit – Dinge wie Fernsehen, Autos, Büros, die unsere Fähigkeit zu laufen verkümmern lassen –, der in Großbritannien sehr ähnlich. Zumindest oberflächlich betrachtet. Trotzdem gibt es Tausende von superschnellen Läufern in Japan. Warum? Es ist eine faszinierende Frage, und mein nächster Stopp auf der Suche nach einer Antwort darauf ist die Ritsumeikan-Universität in Kyoto.