Kitabı oku: «Baphomet», sayfa 5

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EINFÜHRUNG IN DEN TAROT

Wenn jemandem ein Stück eines Dachziegels auf den Kopf fällt, wird er, sofern er ein „Realist“ ist, dem Hausbesitzer die Schuld an dem Vorfall geben und diesen womöglich sogar zur Verantwortung ziehen. Er kann dabei von der äußerlich feststellbaren Wirkung, etwa einer Platzwunde mit Gehirnerschütterung, auf eine äußerlich feststellbare Ursache – nämlich ein sanierungsbedürftiges Dach – verweisen. Ein „Esoteriker“ dagegen würde die umgekehrte Schlussfolgerung ziehen. Er würde von der äußerlich feststellbaren Wirkung auf eine innere, vermutete Ursache schließen. Er würde sich etwa fragen, was sein „Höheres Selbst“ ihm mitteilen wollte, indem es ihn ausgerechnet in jenem Moment an dem Haus vorbeigehen ließ, als dort der Dachziegel herunterfiel.

Welches ist nun die richtige Betrachtungsweise? Beide sind richtig – zumindest aus der jeweiligen Perspektive des Betreffenden. Das Dach war reparaturbedürftig und stellt insofern unzweifelhaft eine Ursache der beschriebenen Wirkung dar. Aber auch die Tatsache, dass der Geschädigte gerade in dem Moment, da sich der Ziegel löste, dort vorbeikam, stellt ebenso unzweifelhaft eine Ursache dessen dar, was insgesamt geschah. Wir sehen also, dass erst beide Ursachen zusammen die Wirkung des geschilderten Unfalls hervorbringen. Insofern besteht durchaus die Möglichkeit, dass es sich hier um ein Ereignis handelt, das der Psychologe C. G. Jung als Synchronizität bezeichnete. Umgangssprachlich formuliert, ist damit ein „bedeutungsvoller Zufall“ gemeint, ein Ereignis also, das wohl jeder von uns schon einmal irgendwann gefühlsmäßig bei sich zu erspüren geglaubt hat. Synchronizität der Ereignisse bedeutet: Zwei Ereignisse stehen nicht durch einen kausalen Zusammenhang, sondern auf irgendeine andere Art und Weise in Beziehung miteinander, ohne dass dies rational ergründet oder erklärt werden kann. Damit wäre die Möglichkeit gegeben, dass zwischen äußerlich nicht zusammenhängenden Faktoren doch ein innerer Zusammenhang, eben eine Beziehung der Synchronizität, bestehen kann. Diese könnte man als „Immer-wenn-dann“-Beziehung beschreiben: Immer, wenn mich die Karte Turm (Karte XVI) besonders anspricht bzw. wenn sie in meinen Legungen auffallend häufig auftaucht, bricht in meiner äußeren Welt ein Vorstellungsbild zusammen.

Wohlgemerkt: Dadurch soll der Tarot keine rationale Rechtfertigung erhalten. Dennoch ist der Versuch Jungs wegweisend, um unser lineares und kausales Denken zu erweitern. Solange man sich darüber bewusst bleibt, dass auch auf der symbolischen Ebene Bilder nur Bilder sind und man mit Goethe übereinstimmt, dass alles Sichtbare nur ein Gleichnis ist, so lange kann man die Bilder und Symbole des Tarots als eine Tür begreifen, hinter der das Numinose oder Unsagbare liegt.

Tarot als Modell unserer Hoffnungen und Ängste

Stellen wir uns den Tarot also als eine Tür vor, hinter der jedes Mal ein anderes Panorama liegt, so oft wir die Karten mischen und auslegen. Die Karten stellen einen eigenen Kosmos, ein verkleinertes Muster aller Abläufe in der Welt dar und liefern uns die Vorlage zu einer Realität, die wir dann aus unserer persönlichen Sichtweise heraus interpretieren. In jedem Augenblick bilden Welt und Mensch ein komplexes Gewebe von Ursache und Wirkung. Da die Welt für uns aber nicht einfach so ist, wie sie ist, sondern weil sie sozusagen erst durch unsere Vorstellung für uns zu dem wird, was sie ist, können wir die Realität als ein komplexes Gewebe betrachten, das aus dem Zusammenspiel aller seiner Komponenten – einschließlich des menschlichen Erkennens – erst „wird“.

Das bedeutet auf der Ebene des Realitätsmodells Tarot, dass keine Karte allein aus sich selbst heraus und nur für sich selbst allein existiert. Sie ist auch nicht als vom Betrachter unabhängig zu betrachten, denn sie existiert nur in Beziehung zu anderen Karten, und in jeder dieser möglichen Beziehungen existiert sie – je nach der Perspektive des Betrachters – anders. Umgekehrt existieren für den Betrachter selbst keine objektiven Wertmaßstäbe, und es gibt für ihn auch keine allgemeingültige Perspektive, obwohl es nur Objekte gibt, die sind, wie sie sind. Denn da wir die Objekte eben nicht so sehen, wie sie sind, sondern nur so, wie wir sie sehen können oder sehen wollen, ist jedes Sehen gleichzeitig immer nur die Perspektive unserer eigenen Vorstellung. Die Wurzeln dieser Vorstellung aber sind unsere Hoffnungen und Ängste. Denn es sind unsere Gefühle, die uns alles, was wir sehen, durch die subjektive Brille unserer inneren Ausrichtung „wieder erkennen“ lassen. Das, was wir dann letztlich sehen, nennen wir nichtsdestoweniger „Realität“.

Da wir die Karten folglich nur so sehen können, wie wir sie in der Beziehung zu unseren Hoffnungen und Ängsten erkennen können, gibt es auch keine Sicht der Karten, die sich nicht mitbewegen würde, sobald sich unsere Ängste und Hoffnungen verändern. Denn die unbewussten Sehnsüchte und Befürchtungen sind die individuellen Vorstellungen, die sich genau von jenen Vorgängen (Karten) in der Welt anziehen lassen, die sie bestätigen. Damit wird klar, dass der Tarot überhaupt nicht das Gesetz von Ursache und Wirkung in Frage stellt. Im Gegenteil: Er fügt lediglich eine weitere Sichtweise innerhalb dieses Gesetzes hinzu. Wenn wir die Karten mischen und auslegen, schaffen wir uns eine Spiegelung unseres kleinen Anteils an der Gesamtsituation. Wir gehen davon aus, dass auch der so genannte Zufall im Grunde determiniert ist, nämlich durch das Kraftfeld des Willens, der aus dem Zentrum des Empfindens kommt, das wiederum an die Inhalte gebunden ist, die sich ihm im Schicksal anbieten. Das Ewige wird durch die Raster unserer Vorstellung jetzt zum Alltäglichen. Und diese in den Alltag eingebundene Ewigkeit vermittelt immer eine Spur von Sehnsucht – von Gottessehnsucht. Das ist besonders im Tarot gut nachvollziehbar. Kenner versuchen in den Legungen der Karten gewisse Formen und Strukturen zu finden, um über die Inhalte des Alltäglichen hinaus den Geist des Ewigen zu erkennen, weil sie instinktiv erahnen, dass ihre Sehnsüchte nur die Schatten jenes Geistes sind, welcher jenseits des Erfassbaren thront.

Die Synchronizität von Innen und Außen

Es ist daher keineswegs so, dass die Karten das Schicksal „vorhersagen“, sondern vielmehr so, dass wir unsere gegenwärtige seelische Ausrichtung auf die Karten übertragen und dann aus ihnen herauslesen (in sie „zurückübertragen“), was wir an unbewusster Erwartung zuvor in sie hineinvisualisiert haben. Die Beschäftigung mit den Tarotkarten verschafft uns vielmehr die Möglichkeit, die Welt im Spiegel unserer inneren Erwartungen zu betrachten und sie dabei als ein getreues Abbild unserer Ideen und unserer Überzeugungen zu erkennen, die unsere inneren Inhalte umhüllen. Denn die Karten können niemals Schicksal sein; sie zeigen lediglich an, was unser inneres Empfinden an die Welt „heranträgt“. Sie werben, wenn man so will, für ein wenig Aufmerksamkeit denjenigen Symbolen gegenüber, die auf synchronistische Weise die Spiegel unserer inneren wie äußeren Prozesse sind. Bevor sich nämlich äußere Geschehnisse auf der materiellen Ebene realisieren, müssen sie zuerst auf der seelischen Ebene stattfinden. Die Auseinandersetzung mit den Karten ist eine von vielen Möglichkeiten, diesen inneren Strömen nachzuspüren, um sie als Urquell allen Handelns zu erkennen, als Pläne sozusagen, deren Verwirklichung dann das ist, was wir die „erlebte Wirklichkeit“ nennen.

Die innere Realität

Mit anderen Worten: Die Welt, so wie sie sich uns darstellt, entspricht immer der Summe unserer Erfahrungen, die wir bewusst nachvollziehen können. Wir schaffen unsere Realitätsebenen durch die Wirkungen unserer Handlungen, und gleichzeitig erschaffen die Wirkungen unserer Handlungen erst die Identität unseres Ichs. Jeder Mensch löst durch seine unbewussten Prägungen sein Schicksal aus, das er aber von seiner inneren Prägung abtrennt und als äußeres Ereignis wahrnimmt, damit er nicht erkennen muss, dass sein menschliches Bestreben nicht darauf zielt, die Welt kennen zu lernen, sondern sich selbst nur immer mehr in seinen eigenen Schicksalsmustern zu bestätigen. Jede Zeitqualität stellt einen Ausschnitt innerhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums dar, und unsere Gegenwart zieht dabei die noch fehlenden Erlebnismuster an, um sie in das Bewusstsein zu integrieren. So erschafft sich jedes Wesen die ihm eigene Lebensqualität, die es über seine unbewussten inneren Absichten realisiert und Schicksal nennt. Dieses „höhere“ Walten, das selbst Grundlage und Ziel unseres Weges ist, möchten wir erkennen, aber damit holen wir uns den Teufel ins Haus, denn sobald wir über unser inneres Empfinden nachdenken, liefern wir uns entweder der Enge unserer eigenen Denkmuster oder den gefährlichen Welten weltanschaulicher Modelle aus.

Der äußere Weg

Erst wenn ich weiß, dass alle Antworten in mir selbst und nicht in den Modellen liegen und dass diese Antworten über äußere Beschreibungen nicht gefunden, sondern nur ausgelöst werden können, kann ich entdecken, dass die Modelle nicht nur keine Wahrheit enthalten, sondern dass sie ganz im Gegenteil eine strukturierte Form der Suche sind, die erst in den Köpfen der Suchenden zum Gralsweg erhöht wird. Erst müssen wir uns fragen, welche innere Sehnsucht uns zwingt, aus einem in Wahrheit unendlichen Chaos ein paar Ähnlichkeiten auszuwählen und durch ihre Strukturierung und Vernetzung Cluster von Weltvorstellungen herbeizuzaubern. Dann können wir erfahren, dass sich im Denken nur das Denken selbst erkennt und wir die Symbole gleichzeitig als die Werkzeuge sehen, um unserer Kreativität Ausdruck zu verleihen, sozusagen als einen Spiegel dessen, was wir aus der unbewussten Ebene in die bewusste übertragen. Im nächsten Kapitel werden verschiedene Techniken und Legearten beschrieben, mit denen wir uns dem Unbekannten – dem, was sich durch unser pausenloses Denken in uns vor sich selbst versteckt – einen kleinen Schritt näher bringen können.

DIE LEGEMETHODEN

Unser Symbol ist das Pentagramm. Es ist auch als Drudenfuß bekannt, weil man damit Hexen und Druden vertrieb bzw. – indem man es umdrehte – anzog. In ländlichen Gebieten wird es bis heute benutzt, um das Böse von Viehställen, Türschwellen, Betten usw. fernzuhalten. Bei allen Praktiken dieser Art handelt es sich um die Aktivierung kollektiver seelischer Strukturen, die den Schutz gegen das Böse symbolisieren (das Gute beschwört seinen verdrängten Teil im Bösen herauf, um seinen Kampf gegen das Böse zu legitimieren und damit das Verdrängte im anderen unerkannt auszuleben). Deshalb stellt die bewusste Auseinandersetzung mit willentlich erzeugten Pentagramm-Visionen eine Therapiemöglichkeit der Zukunft dar. Hier klingen nicht nur die Abwehr des Schattens, sondern auch die Abwehr der „Abwehr“ an, das Hinterfragen der Abwehr und das Aufarbeiten der inneren Ängste, die dieses Abwehrverhalten überhaupt erst hervorbringen.

Zur Orakelbefragung benutzen wir zwei ineinander verflochtene Pentagramme. Das weiße, mit dem Haupt und den Gliedern der weißen Göttin versehene Pentagramm symbolisiert die weiße Magie oder den Sieg des Geistes über die Materie. Das schwarze Pentagramm, das mit den beiden Spitzen nach oben zeigt und in den Ziegenbart des Teufels mündet, stellt dagegen die schwarze Magie oder den Sieg der Materie über den Geist dar. Damit haben wir ein Werkzeug in Händen bzw. vor Augen, das alle Werte polarisiert. Außerhalb der polarisierten Werte gibt es keine Fragen, und je nach Art der Frage entscheiden wir nun, welches psychologische Erklärungsmodell wir in die Pentagramme verlegen wollen.

Gruppe 1 Persönlichkeitsfragen

I Baphomet - Wer bin ich?

(Das Geheimnis des Ego)

II Der Grüne Engel - Wer ist er?

(Das Geheimnis des Schattens)

III Der Seelenspiegel - Wer ist Ich?

(Das Geheimnis der Seele)

Gruppe 2 Sinnfindungs- bzw. Entwicklungsfragen

IV Der Schöpfungsknall - Wohin entwickelt sich die Sache?

(Was ist der Sinn?)

V Mephistos Hammer - Was verhindert die Sache?

(Was ist der Sinn der Krise?)

VI Das Nornenrad - Was treibt die Entwicklung voran?

(Was ist der Sinn des Sinns?)

Gruppe 3 Entscheidungsfragen bzw. Fragen nach dem Trendverlauf

VII Der Fünfstrahl - Wie soll ich mich entscheiden?

(Entscheidungsweg)

VIII Der Neunstrahl - Wie stehe ich zum anderen? Wie steht er zu mir?

(Beziehungsspiel)

IX Der Zehnstrahl - Wie verläuft der Trend?

(Der Joker unter den Legearten für alle Fragen)

Um die Funktion der ersten beiden Legegruppen (Legesysteme I-VI) zu erfassen, müssen wir verstehen, dass sie uns kein äußeres Abbild des Lebens zeigen. Das bedeutet, sie sagen weniger etwas zu äußeren Ereignissen aus als dazu, wer wir sind und warum geschieht, was geschehen muss. Sie zeigen uns nicht, was wir tun können, sondern sie ermöglichen uns, die Dinge in einem umfassenderen Sinn und in größeren Zusammenhängen zu sehen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass alles, was wir in der äußeren Welt erleben, eine Widerspiegelung dessen ist, was wir im Inneren sind, ist die Beschäftigung mit diesen Reihen eine Möglichkeit, uns selbst zu erkennen und dadurch ungenutzte Energien zum Fließen zu bringen, die uns dann auch im äußeren Leben zur Verfügung stehen. Hier befinden wir uns im Wirkungsbereich dessen, was die Esoterik „die innere Eingebung“ oder „das kosmische Bewusstsein“ nennt. Dieses ist jedoch keine Stimme von oben, sondern eine innere Vorstellung, die mehr ist, als wir selbst zu sein glauben – aber weniger, als wir glauben, dass Gott ist. Es ist die Schwelle, über die alles in die Seele zurückfließen kann, was wir mit allen Kräften aus uns selbst entfernten – sei es, dass wir es in den Himmel erhoben oder in die Hölle versenkten, um dann Gott und Teufel über den Umweg unserer Projektionen gegeneinander ausspielen zu können, getreu dem Motto: „Das Böse steckt immer im anderen!“

Achtung

Bevor wir mit der Legung beginnen, d.h. die Karten aus dem fächerförmig in der Hand gehaltenen oder auf einer Unterlage ausgebreiteten Bündel ziehen, vermischen wir das Ganze so, dass ein Teil der Trümpfe „verkehrt“ im Kartenpaket liegt.

Im Weiteren ist es für den Ungeübten empfehlenswert, mit der dritten Legegruppe zu beginnen (Legesysteme VII-IX). Hier liegt der Schwerpunkt darauf, was in einer bestimmten Situation gegeben ist bzw. war und was in einer gegebenen Situation getan werden kann oder muss.

I Baphomet
Fragestellung

Diese Legemethode ist sehr willkommen, wenn wir keine gezielte Frage stellen, sondern einfach unser Unbewusstes befragen möchten, welche Teile außerhalb der üblichen Sichtweise, wie wir uns selbst wahrnehmen, entwickelt werden wollen. Damit befinden wir uns im Bereich paradoxer, nicht mit den Mitteln der Logik verständlicher innerseelischer Prozesse. Sie enthüllen dem Bewusstsein unzugängliche Teile der Seele, denen man sich oft schutzlos ausgeliefert fühlt (obwohl sie zu einem selbst gehören) und die man deshalb meist in ihren äußeren Projektionen bekämpft. Hier stehen Fragen im Blickpunkt wie:

 Was bringe ich an eigenen inneren Bildern in eine Situation mit ein?

 Wie bilde (rekonstruiere) ich mir die gegebene Lage mit Hilfe meiner Sinne, und welchen Anteil habe ich am Entstehen dieser Situation?

Allegorie (Die Invokation des Baphomet)

Im ersten Aeon war ich der Große Geist.

Im zweiten Aeon kannten mich die Menschen

als den Gehörnten Gott, als Pangenitor Panphage.

Im dritten Aeon war ich der Finstere, der Teufel.

Im vierten Aeon erkennen mich die Menschen nicht,

denn ich bin der Verborgene.

In diesem neuem Aeon erscheine ich vor euch als Baphomet,

der Gott aller Götter, der bestehen wird bis zum Ende der Erde.

Pete Carroll: Psychonautik

Liber Null, Teil II, S. 37

Verlag Edition Magus


Deutung
1. Der Große Geist (Das Ich)

Diese Karte zeigt das Große Ich, das mehr ist, als du bist, und trotzdem ist es nichts, was außerhalb von dir ist. Möglicherweise ist es das, was du Gott nennst, vielleicht tarnt es sich aber auch als Schatten. Auf jeden Fall kümmert es sich um deine Interessen und kann daher von dir auch in persönlicher Weise angerufen werden.

2. Der Gehörnte (Das Du)

In dieser Karte begegnest du deinen unbewussten, tief in dir selbst lauernden Ängsten, denn in den untersten Schichten deines Gehirns bist du noch immer mit den primitiven Bewusstseinsformen aus den Uranfängen der menschlichen Evolution verwoben. Alle Drachen, Spinnen und Schlangen, auch die Vorstellungen von Ungeheuern und Dämonen sind vergangene Erlebnismuster, die aus den älteren Teilen deines Gehirns wieder aufsteigen. Sie sind nicht verschwunden, weil sie psychoenergetisch aufgeladen sind. Tief im Unbewussten bist du immer noch mit ihnen verbunden, denn sie stellen einen Teil deines psychischen Erbes dar.

3. Der Teufel (Das Es)

Dieses Bild illustriert den Teufel, der dich erschreckt, weil du verdrängst, dass er der unakzeptierte Teil deiner selbst ist und durch sein bedrohliches Verhalten gerade das Manko, das du vor dir selbst versteckst, wieder ausgleicht.

4. Der Verborgene (Das Über-Ich)

Die vierte Karte steht für dein erkanntes Unverstandenes, das sich selbst bedauert, weil es zwar die Wahrheit erkennt, aber niemand ihm zuhört. Es ist das „Mysterium magnum“, das alle Fesseln der Materie durchdringt, alle Geheimnisse versteht, Wahrheit erzwingt und Gott erkennt.

5. Baphomet (Das Licht)

Diese Karte zeigt „all-das-was-ist“, nämlich das kosmische Bewusstsein, das sich in sich selbst als Teil seiner selbst bewusst ist und deshalb auf sich selber zeigt. Sie repräsentiert das höchste geistige Erkennen, das dir zur Verfügung steht.

II Der Grüne Engel
Fragestellung

Dieser zweite Legeweg eignet sich, genauso wie der erste, wenn ich keine konkreten Fragen habe, sondern einfach im Urschlamm meines Unbewussten gründeln möchte, um zu erfahren, wer ich außerhalb von dem, der ich zu sein glaube, bin – jenseits vom Ich, mit dem ich mich nur bedingt identifiziere, weil ich ahne, dass da noch ein anderer ist. Wenn Baphomet (I) mir zeigt, was ich an eigenen Vorstellungen in eine Situation hineintrage, dann verkörpert Der Grüne Engel die Bilder, die mir das Unbewusste aus der Situation entgegenspiegelt: die tiefen unbewussten Gestaltungen, die sich durch meine Inszenierungen in die Gegenwart hinein verwirklichen.

Allegorie (Der Grüne Engel)

Für einen Augenblick bin ich wieder der, der am Schreibtisch sitzt und in den Kohlekristall starrt, – nur für einen kurzen, schnellen Augenblick, dann bin ich abermals in meinen Urahn John Dee verwandelt und irre durch die ältesten verkommendsten Viertel des mittelalterlichen Prag und weiß nicht, wohin mein Fuß mich tragen wird. Ich habe das dumpfe Bedürfnis, unterzutauchen in den Bodenschlamm des namenlosen, gewissenlosen, verantwortungslosen Pöbels, der seine stumpfsinnigen Tage mit der Befriedigung qualmiger Triebe ausfüllt und zufrieden ist, wenn Wanst und Geilheit satt sind.

Was ist das Ende alles Strebens? – Müdigkeit ... Ekel ... Verzweiflung. – Ich merke, ich bin ins Ghetto hinabgeraten. Zu den Ausgestoßenen unter den Ausgestoßenen. Erstickender Gestank eines unbarmherzig auf ein paar Gassen zusammengestellten Volkes, das zeugt, gebiert, wächst und Tote in seinem Friedhof über faulende Tote schichtet, – Lebendige über Lebendige in seinen finsteren Wohntürmen stapelt wie Heringe. – Und sie beten und harren und rutschen sich die Knie blutig und warten ... warten ... hundert Jahr um hundert Jahr ... auf den Engel. Auf die Erfüllung ihrer Verheißung ...

John Dee, was ist dein Beten und Warten, was ist dein Glauben und Hoffen auf die Versprechungen des Grünen Engels, verglichen mit dem Warten, Glauben, Beten, Harren und Hoffen dieser elenden Hebräer?! – Und Gott, der Gott Isaaks und Jakobs, der Gott des Elias und des Daniel: ist er ein geringerer, ein treuloserer Gott als sein Diener vom westlichen Fenster?! –

Mich überfällt ein heißes Verlangen, den hohen Rabbi Löw aufzusuchen und ihn zu befragen um die furchtbaren Geheimnisse des Wartens auf Gott ...

Ich weiß, irgendwie weiß ich: ich stehe leibhaftig im niedrigen Zimmer des Kabbalisten Rabbi Löw. Wir haben vom Opfer des Abraham gesprochen, – vom unabwendbaren Opfer, das Gott verlangt von denen, die er sich blutsverwandt machen will ... Dunkle, geheimnisvolle Worte habe ich da vernommen von einem Opfermesser, das nur einer sehen kann, dessen Augen aufgetan worden sind für die dem sterblichen Menschen unsichtbaren Dinge der andern Welt: – Dinge, die wirkhafter und wirklicher sind als die Dinge der Erde und dem blinden Suchenden nur angedeutet werden können durch die Symbole von Buchstaben und Ziffern. Durch Mark und Knochen gingen mir diese rätselhaften Worte aus dem zahnlosen Munde des alten wahnsinnigen Mannes! ... Wahnsinnig? – Wahnsinnig, wie sein Freund dort drüben, hoch auf der Burg, der kaiserliche Rudolf von Habsburg! – Monarch und Ghettojude: Brüder im Geheimnis ... Götter im lächerlichen Firlefanz der Erscheinung beide ... wo ist der Unterschied?

Auf meine Bitte hat der Kabbalist meine Seele in die seine gezogen. Ich bat ihn, er solle meine Seele entrücken; er hat es verweigert, hat gesagt, sie bräche zusammen, wenn er es täte. Sie müsse sich an die seinige klammern, die jenseitig geworden ist vom Leib der irdischen Welt. – Oh, wie habe ich bei diesen Worten denken müssen an den Silbernen Schuh des Bartlett Green! Dann hat der Rabbi Löw mir das Knöchlein an meinem Schlüsselbein berührt, so wie damals der Straßenräuber im Gefängnis des Tower. – Und dann sehe ich – sehe mit den tränenlosen, ruhevollen, unerschütterlichen Augen des alten Rabbis: mein Weib Jane kniet vor Kelley in der Stube, drüben im Haus am Ring. Sie ringt mit ihm um mein Glück, wie sie meint: um Gold und um den Engel. – Kelley will sich das Buch und die Kugeln aus meiner Truhe mit der Brechstange holen, weil die Schlüssel, ihm unzugänglich, in meinem Verwahr sind. Er will bei Nacht und Nebel mit seinem Raub aus Prag fort, will uns sitzen lassen in Not und Elend. Jane schützt mit ihrem Leib die Truhe. Sie verhandelt mit dem Schurken. Sie fleht, sie weiß nicht, was sie tut.

Ich ... lächle!

Kelley macht Einwendungen jeder Art. Rohe Drohung wechselt mit listigem Überlegen und kaltes Pläneschmieden mit geheucheltem Erbarmen. Er stellt Bedingungen. Jane sagt zu allem ja. Immer gierigere Blicke streifen mein Weib. Wie Jane vor ihm kniet, reißt das Tuch über ihrer Brust. Kelley wehrt ihrer ordnenden Hand. Er schaut hinab zu ihr. Feuer beschlägt ihm den Kopf.

Ich ... lächle.

Kelley hebt Jane empor. Die Griffe seiner Hände sind lüstern, schamlos. Jane macht ihm schwache Vorhaltungen: die Angst um mich nimmt ihr jeden Mut.

Ich ... lächle.

Kelley lässt sich überreden. Er macht alles Künftige von den Befehlen des Grünen Engels abhängig. Er lässt Jane schwören, dass sie – gleich ihm – Gehorsam, Gehorsam leisten wolle bis zum Tod und über den Tod hinaus dem Gebot des Engels, wie immer es auch lauten möge. Nur so, droht er, sei noch Rettung. – Jane schwört. Angst färbt ihr Gesicht totenblass.

Ich ... lächle; aber ein feiner spitziger Schmerz wie von einem haarscharfen Schächtmesser durchschneidet mir, ich fühle es, die Lebensader. Es ist fast wie Todeskitzel ...

Dann sehe ich wieder vor mir, als schwebe es frei in der Luft, das uralte, von Furchen durchpflügte, seltsam winzige Kindergesicht des hohen Rabbi Löw. Er sagt:

„Isaak, das Messer Gottes ist dir an die Kehle gesetzt. Aber im Dornbusch zappelt das stellvertretende Lamm. Wenn du einst ein Opfer annimmst, sei gnädig wie ‘Er’; sei barmherzig wie der Gott meiner Väter.“

Dunkelheit gleitet an mir vorüber wie ein Heer von blinden Nächten, und ich fühle die Erinnerung an das, was ich gesehen mit den Augen der Seele des Rabbis, verblassen und verschwinden. Es rührt mich an, als sei’s ein böser Traum gewesen.

Gustav Meyrink: Der Engel vom westlichen Fenster

(Die erste Schau im magischen Spiegel)


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22 aralık 2023
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