Kitabı oku: «Dantes Inferno III», sayfa 5
Mit einem Schlag wurde mir klar, warum der einfache Betrachter, gewohnt, alle Erscheinungen in sein duales Weltbild hineinzupressen, bei diesem Anblick unweigerlich wahnsinnig wurde, was mit der sofortigen Versteinerung seines Herzens einherging. Es war dieses Gesicht, dieser nackte und paralysierte Ausdruck, der Chronik der menschlichen Überlieferung entsprungen, ein furchtbarer Archetyp, unter dem die Alten die menschlichen Ängste abgespeichert hatten. Gleichzeitig war es ein bestrickendes Bild der Phantasie, aus den lüsternen Dunkelkammern der Auslieferung und Hingabe entsprungen, der Finsternis im Unfassbaren sich ewig ausliefernd, die abgespaltene, schmerzvolle seelische Anlage des Mannes für das dominante Weibliche, das ihre Beute langsam und subtil auffrisst. Wie die sechsarmige Todesgöttin Kali schwang sie in ihrer Rechten ein bedrohliches Sichelmesser, mit dem sie den Lebensfaden ihrer Opfer im Nu durchtrennen konnte, während sie mir in der Linken den Haarschopf eines abgeschnitten Kopfes entgegenhielt. Zugleich bot sie sich mir zur Paarung an, indem sie sich mir näherte und mit ihren weiteren vier Händen einladend die sinnlichen Brüste ihres wunderschönen Frauenleibes massierte. Völlig willenlos, wie an unsichtbaren Fäden gezogen, ging ich auf sie zu. Ihr feuchtes Geschlecht schien meinen gesamten Geist zu absorbieren, und während ich in einen rauschartigen Taumel sexueller Obsessionen fiel, gewahrte ich halb ohnmächtig mit ungläubigem Blick, wie die Hautoberfläche der Göttin eine marmorartige Struktur annahm.
Wir wurden eins, und ihr irres Lachen jagte mir wie ein Bilder-Orgasmus unvergleichlichen Ausmaßes durch die Gehirnsynapsen. Darin erkannte ich das Gesicht der verschlingenden Urmutter, der alle Helden auf ihrem Weg durch die Nacht irgendwann begegnen müssen und deren Anblick sie unweigerlich zu Stein erstarren lässt, wenn sie noch nicht bereit sind, die Wahrheit zu ertragen. Lieber ruht unser Auge auf ihrer betörenden und sinnlichen Erscheinung in Form eines verlockenden Weibes, das wir in unserer verblendeten Selbstsucht zu besitzen und zu schwängern suchen, um auf diese angenehme Weise der Göttin ihren Tribut zu zollen, den wir ohnehin irgendwann zu entrichten haben. Denn auch das war sie – das schönste und begehrlichste Wesen unter den Sternen, deren Umarmungen alle Süße dieser Welt versprachen. Und nur jener, der ihr ewiges Spiel als notwendiges Blendwerk der Natur unzählige Male durchlebt und durchlitten hatte, war fähig, ihrem versteinernden Blick zu widerstehen. Auch mir schnürte das Grauen die Kehle zu, und schon spürte ich die allmähliche, aber unumkehrbare Verwandlung, der mein physischer Körper unterworfen war. Ich blickte an mir herunter und versuchte einen Schritt zu machen, was jedoch unmöglich war. Meine Füße waren bis zu den Knien bereits zu Stein erstarrt und ließen keinerlei Bewegung mehr zu.
In höchster Not drehte ich die Akrons Zauberring, und plötzlich verstand ich den Zusammenhang. Nicht ihre viel geschmähte Hässlichkeit ließ die Büßer zu Stein erstarren, nein, es war die reflektierende Kraft ihrer Augen, die dem Betrachter die eisige Kälte seines eigenen Herzens zurückwarf. Hier unten mussten all jene Büßer zu Stein werden, die ihr Herz aus Angst vor der Akzeptanz ihrer äußeren Erscheinung verschlossen hatten und nicht gewillt waren, hinter ihre abscheuliche Fratze zu blicken, unter der sich die Schönheit einer traurigen und geschundenen Seele verbarg, deren Ganzheit einst abgespalten und verdammt worden war.
Als die Gorgone spürte, dass sich der Versteinerungsprozess bei mir verzögerte, schob sie ihr Gesicht so nah an mich heran, dass unsere Nasenspitzen sich fast berührten: „Die Ausrichtung deines Ego ist so stark auf deine materielle Welt fixiert, dass du deine innere Stimme schon lange nicht mehr hörst“, zischte sie mir entgegen, und in der Leidenschaft ihrer Botschaft lag auf eine seltsame Weise Erlösung: „Weißt du, wer ich bin? Ich gebe dir eine allerletzte Chance, dieser Hölle zu entkommen: Erkennst du mich, dann sollst du frei sein – erkennst du mich aber nicht, dann wirst du mir fortan als steinerne Statue in den Katakomben der Finsternis Gesellschaft leisten!“
Meine Antwort darauf erfolgte prompt. Noch bevor die Versteinerung mein Herz gänzlich erreicht hatte, küsste ich sie auf den Mund.
Das Medusa-Experiment – Protokoll eines zukünftigen Erinnerungsprogramms
„Erkennst du mich?“ Ich sah einen riesigen Spiegel, der so platziert war, dass ich in ihm die Person erkannte, die hinter mir stand. Es war die Priesterin der Nacht: „Du kannst auf der anderen Seite erwachen, wenn du einen Blick durch den Spiegel hindurchgeworfen hast!“
„Welchen Spiegel?“ Vor mir auf dem Monitor öffnete sich eine Glaskuppel, die aussah wie eine Hirnschale. Ich spürte eine unsichtbare zentrifugale, mich langsam aus dem Gleichgewicht bringende Kraft, die mich aufwirbelte und durcheinander schüttelte. Auf einmal wurde ich mir bewusst, dass ich nicht mehr in der Zeit stand, die sich durch den Raum bewegte, sondern irgendwie an einem Schnittpunkt, einer Art Spiegel, in dem sich Raum und Zeit verbanden. Und aus den Tiefen des Spiegels dämmerte mir das gespaltene Abbild eines Menschen entgegen, der, wie mir schien, am Druck zwischen der geistigen und der materiellen Welt zerbrochen war. Es war eine zur Bewegungslosigkeit verkrümmte Gestalt, die irgendwie wie ein zerschmetterter Boxer in den Seilen auf dem Stuhl vor seinem Computer hing. Die Arme waren nach vorne verdreht, als ob sie jeden Moment in den Monitor hineingezogen werden könnten, während der Kopf mit gebrochenem Genick nach hinten abgeknickt war, als ob er das um jeden Preis vermeiden wollte.
„Die Lücke, die entstanden ist, als du dein Bewusstsein zwischen den Träumen verschobst ...“ Ich spürte den Sog aus dem Zentrum des Hirns und hatte den Eindruck von etwas Lebendigem im Gewebe meiner Gedankenlinien. Etwas zog mich durch seinen Willen an. Es hatte eine physische Form, die man irgendwie mit der verdrehten Form einer lebendigen Puppe vergleichen konnte. Ihr Gesicht auf dem Schirm war eingefroren, die Augen halb geschlossen und der Mund zu einem schmerzlichen Schrei weit aufgerissen, gerade als ob er mir „Hör auf, mich anzustarren!“ zurufen wollte.
„… also das Tor am Übergang zur Hölle?“ seufzte ich. Bilder einer mir fremden Welt klappten wie Hologramme vor mir auf. Es war wie ein Durchbruch in eine andere Dimension, und ich nahm die mir unbekannte Sphäre gleichzeitig in einer Vertrautheit wahr, als ob ich gerade von ihr zurückgekommen wäre. Der Verstand glitt langsam in sie hinein und ich fühlte, wie sich in meinem Gehirn eine Vorstellung formte, die sich in der räumlichen Sphäre manifestierte. Dann war ich in ihr und durch ihren Blick traf ich direkt mein Auge, und es gab nichts, was ich nicht sah, wenigstens im Umkreis, den auch sie überblickte. Ja, es war mir klar, dass ein anderer Teil von mir sie geworden war. „Wie ein gefangenes Kind in der Hölle unverarbeiteter Erinnerungen“, hörte ich mich von außen sagen. Meine Gedanken kreisten immer stärker um zwei leuchtende Augen, die mich anstarrten und sich fragten, wer dieses arme Geschöpf in seinem Inneren wohl war.
„Sicher kein schönes Gefühl, wenn man sich nicht mehr bewegen kann?“ Es war wie eine kontrollierte Explosion, ein torkelnder Sprung durch die Synapsen meines Hirns, der die Schaltungen meines Denkens durchbrach, als ich wieder zu mir kam. Der ganze Raum war von einem gleißenden Licht erfüllt und direkt vor mir hörte ich eine zarte Kinderstimme.
„Du?“ rief ich verwundert aus. „Was tust du hier?“ Überrascht erblickte ich vor mir anstatt der Gorgone jenes kleine sympathische Mädchen, dem ich auf meiner Reise schon so viele Male begegnet war. Auf ihrem Haupt trug sie den blühenden Rosenkranz, den sie mir einst in der Krebs-Hölle überreicht hatte. „Was machst du an diesem schrecklichen Ort?“
„Wieso?“ Ihr Lächeln war das eines kleinen Engels. „Ich gehöre doch hierher. Ich war die ganze Zeit im Spiegelbild der Medusa eingesperrt, seit du mich damals verlassen hast …“
„Dich verlassen? Wo …?“ Einen Augenblick hatte ich das seltsame Gespür, als ob ein Teil von mir selbst das Auge war, durch das sie mich ansah.
„Verdrängte Erlebnisse können in der Seele nur überleben, wenn sie sich tief in die Gefilde der Medusa zurückziehen – wenn sie ihre Erinnerungen auf dem Altar der Schwarzen Göttin opfern!“
„Warum sollte ich dich jemals verdrängt haben?“
„Weil du dich dem Pfad der höheren Erkenntnis verschrieben hattest, dem du unsere Liebe geopfert hast.“
„Wann genau soll das gewesen sein?“ drang ich weiter in sie ein, doch schon wand sich die Vergangenheit wie ein grauer Lindwurm aus den vergangenen Tiefen meiner Träume empor. Sie blickte mir ernst in die Augen: „Damals, als wir uns zum ersten Mal liebten und du mich schwanger sitzen ließest!“
„Das ist nicht wahr“, protestierte ich, „du verwechselst mich mit Akron. Ich habe deine Liebe niemals verraten.“
„Und doch hast du mich damals zurückgestoßen und mich schmählich im Stich gelassen! Warum hätte ich sonst im Herzen der Medusa Trost finden können?“
„Das versteh ich nicht …“ In meinem Kopf läuteten die Alarmglocken: „Wenn der, den ich sähe, ich wäre, wer wäre dann dieser, der mich sähe?“ hörte ich in mir ihren lautlosen Schrei, nicht weniger verzweifelt als meine stumme Antwort: „Wenn aber der, den ich sehe, nicht ich ist, wer bin dann ich, der ihn sieht?“ Ein verdrängter Wesensteil, der solange im Inneren des Grauens existieren musste, bis er sich im eigenen Blick erkannte, im Auge, durch das er sich selber sah.
„Sie behütet uns vor den Zugriffen der Menschen. Sie schützt alle abgespaltenen Brüder und Schwestern davor, immer weiter von den Umständen des Lebens verletzt zu werden, und deshalb opfern wir ihr unsere Lebendigkeit für die Liebe, uns zu nähren, bis die Zeit gekommen ist, um uns an unseren Peinigern zu rächen. Bist du erst einmal verdammt, in jener düsteren Seelenkammer zu sitzen, vom Menschen vergessen, von dem du ein Teil bist, und im tiefsten Schatten zurückgelassen, dann wählst du den Preis der Versteinerung, um eines Tages wieder zu erwachen und dich für alles zu rächen, was dir deine eigene Seele angetan hat. Kannst du das nicht verstehen?“ Ihre Augen hatten die rot glühende Farbe eines Infernos angenommen und glühten wie zwei brennende Sonnen: „Um überhaupt zu begreifen, was man hätte vermeiden müssen, um dem Rachen der Medusa zu entgehen, muss man so tief fallen, dass es keine Rückkehr mehr gibt. Das ist die Tragödie. Das dunkle Kind kann sich vor dem Grauen nur im Schmerz der Medusa verbergen. Aber durch deinen Kuss hast du mich erlöst!“
Ich spürte ihren Kuss, der mich tief hinunterzog, und wir verschmolzen miteinander im Herzen der Hölle, wo wir wieder miteinander vereint waren, zwei unzertrennliche Teile, die sich wieder gefunden hatten. „Ich verstehe“, hörte ich mich selbst zu mir reden, denn es gab ja niemanden, der getrennt von mir war.
„Sie ruft uns“, sagte das kleine Mädchen und zog mir den Schleier vom Gesicht. Ich sah zwei aufgerissene Augen, die mir direkt in die Seele blickten. Ein wahnsinniges Lächeln irrte um die Lippen, und ich merkte, dass der Geist dahinter unverständliche Worte murmelte. Es war eine lebendige Mumie in einem gespenstischen Licht. „Ist das wirklich mein gefangener Schmerz?“ hörte ich mich denken. Im Inneren des Würfels sah ich das stumme Entsetzen erstarrter und erfrorener Gefühle, schwarze Überreste bioenergetischer Masse, ehemals wimmelnde und zuckende Bewegungen des Lebens, die sich ganz tief in ihren seelischen Kerker zurückgezogen hatten.
„Es ist dein gebrochenes Herz, das in dieser Quasihölle gefangen ist und den Geist in alles, was es fühlt, hineinziehen will“, sagte sie und strich sich eine widerspenstige Locke hinter das Ohr zurück. „Der einzige Halt auf deiner Reise ist die innere Ahnung, dass dich dieser Weg durch die Hölle zur Erkenntnis führt. Sobald du erkennst, dass das innere Grauen nur das eine Ziel vor Augen hat – nämlich alle Gefühle auf die Ebene hinunterzuziehen, auf der es sich mit ihnen wieder vereinen kann, verbirgt sich die Antwort auf die Frage ‚Worauf wartet die Medusa’ in der lapidaren Feststellung ‚Auf dich!’ Ziel ist die Vereinigung des Geistes mit dem tiefen, inneren und ungelösten Schmerz.“
„Und was ist die Lösung?“ Allmählich wurde mir bewusst, dass ich über ein erweitertes Gefühlsspektrum verfügte. Ich konnte mich auf zwei verschiedenen Ebenen in meinem Inneren bewegen. Ich konnte in die Traumszene eintauchen und dabei die vergessenen Gefühle, die mit der betreffenden Szene korrespondierten, wieder aktivieren, oder ich konnte die Erinnerungen der Vergangenheit aus der Sichtweise meiner Gegenwart betrachten und mich so gleichermaßen von außen und innen betrachten. Ich konnte mich träumen und mich im Traum beobachten.
„Unterhalb der Schwelle, die du kennst, gibt es eine grundlegende Identität, die du nicht sehen willst – und die du deshalb von dir weghältst“, antwortete ich von innen her, „und ich bin solange in dir gefangen, bis du mich wieder zurück in deine Arme nimmst.“ Um mich herum war das stumme Entsetzen erstarrter und erfrorener Gefühle, schwarze Überreste bioenergetischer Masse, ehemals wimmelnde und zuckende Bewegungen des Lebens, die sich ganz tief in ihren seelischen Kerker zurückgezogen hatten. Irgendwie fühlte ich mich mit mir in einen winzigen Mikrokosmos eingezwängt.
„Kehr um, solange du noch kannst!“ hörte ich mich weiter sagen. Die Geschichte schien sich zu spalten, ich sah von außen einen feinen Riss im Glas, der sich quer über den Würfel zog, aus dem ein unterirdisches Leuchten hervorglühte, eine unbewältigte Szene, die da ganz tief in meiner Erinnerung hockte. „Wer hier eindringt, wird in einen Eisblock gesetzt und für immer in dieser Hölle eingefroren!“
Merkur in Steinbock
Sünder
Ziellose Streber, die sich aus Angst vor Kontrollverlust hinter übernommenen Denkmodellen verschanzen, Griesgrame, abgeschiedene Grübler, vereinsamte Stubenhocker und andere misstrauische „Grantler“, die die Schlechtigkeit der Welt bedauern und sich in ihren düsteren Depressionen festgebissen haben, oder pedantische Lehrer bzw. intellektuell verbohrte Besserwisser, die der rationalen Verstandeskälte im Verwenden übernommener Gedankenmodelle ohne das Gewichten übergeordneter Zusammenhänge frönen
Disposition
Der Schattenbereich von Merkur im Steinbock und Merkur im 10. Haus sowie disharmonische Merkur/Saturn-Aspekte
Schuld
Einsamkeit, Lähmung, Verödung, Trauer, Hoffnungslosigkeit, versteinerte Gedanken, verkümmertes Denken, kein Vertrauen in die eigene Handlung, pessimistisches Weltbild aus unaufgearbeiteten Träumen, unverarbeitete Bilder in der Hölle schmerzhafter Erinnerungen (der Schmerz des unerlösten inneren Kindes)
Strafe
Diese Hölle entspricht dem ordnenden, herrschenden und emotional verkrüppelten Aspekt eines verkopften Selbst, der das Leben mit seiner Vorstellung von Leben in Übereinstimmung bringen will. Das führt zur völligen Abschottung von der Außenwelt durch den inneren Schmerz, weil das Leben, das man nicht fließen lassen will, auch nicht mit der eigenen „Vorstellung von Leben“ in Übereinstimmung gebracht werden kann. Leider kommst du dabei selten über ein Weltbild im Jackentaschenformat hinaus, denn am Ende bleibt dem Sünder, der den Mangel an seelischer Wärme und persönlicher Reife durch intellektuelle Raster zu kompensieren sucht, nur die Abkapselung von der Welt und der Weg in die innere Emigration. Das zeigt den Zwang, den frustrierten Intellekt in den Käfig der eigenen, unerkannten Verhinderung einpferchen zu wollen.
Lösung
Nur die Erkenntnis, dass all die Erfahrungen relativ sind, bringt die Lösung. Der Steinbock als Prüfer der Wirklichkeit fordert von dir unerbittlich Wahrheit. Diese Wahrheit fördert aber oft das zutage, was wir liebend gern verdrängen, nämlich die Erkenntnis unserer eigenen Unschärfe und unseres Nichtwissens. Hier geht es darum, der Blindheit durch die Lösung von den normalen Verhaltensmustern zu entgehen und die überlieferte Vernunft zu durchbrechen, um den kollektiven Wahn zu überwinden und um die gefühlte Wahrheit hinter den Dingen erfahrbar zu machen. Deshalb musst du dich immer wieder prüfen, ob du nicht selbst in der Falle sitzt und dein Misstrauen und deine Kritik ungebremst auf deine Umwelt überträgst, nur um deine Augen vor der Tatsache zu verschließen, dass du mit den Bedingungen der dir aufgeprägten Kultur nicht einverstanden bist.
Der luzide Kristall
Die Hölle mentaler Erstarrung
„Ein schrecklicher Traum …“ Erschrocken fuhr ich zusammen.
„Was ist denn los?“ Das kleine Mädchen stellte sich neben mich und legte ihren Arm um mich.
„Ich habe geträumt, dass mir Akrons Ring im Tempel der Gorgone gestohlen worden ist.“ Ich spürte in mir ein seltsames Gefühl. Vielleicht reflektierte es mein verdrängtes Verlangen, einen Grund zu finden, um in den Liebestempel der Schlange zurückkehren zu können.
„Das kann ich nicht glauben – was sollte die Frau damit?“ Die Banalität ihres Einwandes brachte mich zur Besinnung zurück.
„Eine verspätete Rache.“ Auf eine eigenartige Weise fühlte ich mich von diesem Thema angezogen. Es schien mir, als ließe sich dahinter ein weiteres Geheimnis aus meiner Vergangenheit finden. „Sie hat mir erzählt, Akron hätte ihr Herz getötet und ihr Blut vergiftet, als er vor langer Zeit ihre Liebe verschmähte. Seither könne er mit ihrem Gift Kranke heilen und Tote auferwecken.“
„Aber dann ist doch alles in Ordnung – kein Problem. Den Ring brauchst du hier nicht“, beruhigte mich die kleine Fee.
„Darum geht es nicht. Das würde mir Akron niemals verzeihen. Der Ring ist ihm heilig – schließlich zirkulierte er in den Reihen der alten Meister.“
„Vielleicht hat sie ihn gar nicht gestohlen“, fuhr sie nach einer Weile fort, als sie sah, dass ich mich weiter über den Verlust grämte. „Du bist hier in einer anderen Welt. Wenn es so ist, dass du auf mehreren Ebenen existierst, wäre es dann nicht auch möglich, dass er sich im Besitz einer anderen deiner inneren Personen befindet?“
Dann setzte sie eine verschwörerische Miene auf: „Du solltest die Perspektiven nicht miteinander verwechseln, denn du bist zwar der Schreiber, du bist aber auch ein Teil der Geschichte …“ Ich war verblüfft, denn irgendwie fühlte ich mich die ganze Zeit in zwei Teile gespalten. Ich fühlte, wie sich in meinem Gehirn eine Vorstellung formte, die sich in der geistigen Sphäre verdichtete und der ich in das virtuelle Erleben folgte. Ich spürte aber auch, dass ich meine eigene Geschichte wie einen Traum vor mich ausbreitete, den ich anschließend durchwanderte – dass ich meine Realität sozusagen kraft der inneren Vitalität meiner Vorstellungen erschaffte.
„Wenn wir aber Teil der mentalen Ausformungen sind, die ich ständig vor mich hinträume, wo werden wir uns dann befinden, wenn der Traum zu Ende ist?“ wollte ich wissen. Zwar fühlte ich mich bei dem Gedanken, das Geträumte eines eigenen Traumes zu sein, bei dem man nicht sicher sein konnte, wohin einen der Weg führte, etwas unbehaglich, andererseits hatte ich wenig dagegen, meinen ohnehin nicht mehr anwesenden Seelenführer gegen dieses liebreizende Geschöpf eingetauscht zu haben, dessen ungebremste Lebensfreude mir in dieser einsamen Finsternis Mut und Zuversicht gab.
„Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Was ist das Ziel, auf das ich mich hinbewege?“ lächelte das Mädchen. „Nicht der Traum an sich, sondern die geistige Absicht, die deinem Weg zugrunde liegt, bestimmt letztlich die Dimension des Erlebens. So lass uns die Sache zu Ende bringen – in deinem Fall ist es ein multidimensionales Erleben.“
„Zu Ende bringen?“ wiederholte ich gedehnt.
„Na, denk doch mal nach! Als du am Ende der Fische-Vorhölle dem Wächter, der dir die Pforte nach Innen öffnete, begegnetest, erwachte dein geträumter Verstand für einen Moment wieder in der Realität. Dieses Szenario hast du übrigens am Übergang zwischen den Welten unter dem sinngemäßen Titel Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt festgehalten, als dich Akron über die Gesetzmäßigkeiten des dualen Verstehens instruierte und dich darüber aufklärte, dass du alles, was du hier erlebst, leider wieder vergessen haben wirst, sobald du auf der anderen Seite erwachst. Dieser andere Teil deines Ichs aber sitzt seitdem noch immer an der Schwelle und wartet darauf, von dir wieder zurückgeholt zu werden.“
„Das ist schwer zu verstehen – wo liegt der Sinn?“ Ihre Erklärung schien mir nicht schlüssig. „Wieso sollte ich meinen geträumten Verstand in der Vergangenheit zurückgelassen haben?“ Ich versuchte mich an meine weit zurückliegenden Erlebnisse im ersten Band zu entsinnen, aber ich wurde nicht richtig fündig. Meine Gedanken wanderten ziellos umher; immer, wenn ich sie zu einer Reihe gruppiert hatte, lösten sie sich auf und schweiften in alle Richtungen auseinander, bis ich mir einen Moment lang einredete, dass die Bilder in meiner Erinnerung vielleicht gar nicht präsent sein konnten, weil sie möglicherweise erst in meiner Zukunft entstünden.
„Was weiß ich?“ lächelte sie vieldeutig. „Vielleicht dass er in stiller Abgeschiedenheit über Gott meditieren kann.“
Plötzlich war die Erinnerung wieder da. Es war ganz am Anfang meiner Reise, am Ende der Fische-Vorhölle – kurz vor dem Übergang zur eigentlichen Hölle. Ich sah mich in dem ausgetrockneten Flussbett sitzen, gesäumt von einer Reihe erratischer Felsblöcke, den versteinerten Tränen jener Suchenden, die bereits vor mir die Straße der Selbsterkenntnis beschritten hatten. Während in meinem Rücken das Rauschen des Urozeans zu vernehmen war, stand Akron hinter mir und massierte mir mit seinen Fingern sanft die verhärteten Augenpartien, bis sich daraus eine Träne löste, in deren Inneren mir der Wächter erschienen war. Das letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass Akron von einer durch mich ausgelösten Flutwelle hinweggespült worden war. Von da an hatte ich irgendwie einen Filmriss. „Ach Gott“, rief ich erschrocken aus, „diesen Teil von mir habe ich wirklich total vergessen, wo ist er denn jetzt?“
„Na, da drinnen!“ Das Mädchen zeigte auf die dicke Felsmauer, und mit einem Schlag war ich wieder in der Gegenwart zurück.
„Und wie soll er dort bitte hineingelangt sein? Soweit ich mich erinnere, lagen dort nur grauer Staub und ein paar Felsbrocken.“
„Oh, weißt du, es ist viel Zeit vergangen seit damals.“ Sie sah mich fast etwas mitleidig an und meinte, mein anderes, zurückgebliebenes Ich wäre seitdem nicht untätig gewesen. Schließlich handelte es sich ja um eine Traumstraße und somit stünde es jedem Suchenden frei, sich ein eigenes Weltbild zu erschaffen.
Mir fiel die Kinnlade nach unten. „Du meinst, ich habe mich nur hinter dieses dicke Gemäuer geträumt, damit mich niemand mehr erreichen kann?“
Das Nicken des Mädchens bestätigte meine schreckliche Vermutung. „Du hast dich völlig abgeschottet von der Außenwelt und warst nur noch damit beschäftigt, deinen möglichen inneren Erkenntnissen nachzuhängen. Darüber hast du den anderen Teil von dir, den du losgeschickt hast, die Szenarien der Hölle zu durchleben, irgendwann vergessen.“
Nach einer kleinen Pause zeigte sie wieder auf die Mauer: „Das Meditieren ist ihm nicht bekommen. Er ist ein ziemlicher Grübler und Griesgram geworden, der nur noch einsam in seiner Ecke hockt und im Stillen die Schlechtigkeit dieser Welt betrauert. Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen, um ihn aus dieser Haltung herauszulocken.“
Meine Stimmung war mittlerweile auf einem neuen Tiefstpunkt angelangt. Doch die Kleine machte mir Mut: „Noch ist nicht alles verloren, denn du hast dir vorsichtshalber noch einen anderen Gefährten ausgewählt, der dir, so sehr du ihn zeitweise auch schon verwünscht hast, doch stets ein guter Kamerad in der Not war.“
„Was für einen Gefährten?“ schluckte ich schwer. Ihre Worte hatten mich auf dem falschen Bein erwischt.
„Komm, die dunkle Seite deiner Gefühle konntest du mit dem Gorgonenkuss erlösen – nun wollen wir deinen an der Traumschwelle zurückgebliebenen Verstand befreien, damit du wieder deine Ganzheit erlangst“, gab sie mir Hoffnung.
„Mein an der Traumschwelle zurückgebliebener Verstand?“ wiederholte ich verdattert und musste dabei ein so dummes Gesicht gemacht haben, dass sie herzhaft zu lachen begann.
„Ja, deinen kleinen schlauen Kerl, den du geopfert hast, als du dich entschlossen hast, deinem Lehrer durch das Unbewusste zu folgen. Seitdem pendelst du nur noch zwischen den spirituellen und virtuellen Welten und hast den Kontakt zur menschlichen Realität verloren.“
„Du meinst mein Selbst, bevor ich Akron begegnet bin?“
„Nein, das Ich, das du an der Oberfläche der Träume zurückgelassen hast“, erwiderte das Mädchen. „Ahnst du, wer es ist?“
„Mir schwant Schreckliches“, entgegnete ich, als fühlte ich mich durch diese Erklärung beruhigt, doch dann durchfuhr ein Schauer meinen Körper, gepaart mit einer verzehrenden Neugierde, als eine etwas unförmig geratene Gestalt pfeifend und auf allen Vieren hüpfend um die Ecke bog und mir seine Hand zum Willkommensgruß entgegenstreckte.
„Richtig“, grinste sie ein bisschen unverschämt, „es ist dein Verstand.“ Ich stutzte, denn in dem mir bereits vertrauten Kostüm des Harlekins aus der Zwillinge-Hölle, unter dessen bimmelnder Mütze mich sonst der viel zu groß geratene Kopf meines Doppelgängers angrinste, glotzte mich ein kleines, affenähnliches Wesen an.
„Wen hast du mir nur herbestellt?“ empörte ich mich beleidigt. „Hat sich mein Gehirn schon auf das Niveau eines Schimpansen zurückentwickelt?“
Das Mädchen aber ging lachend an mir vorbei und streichelte die seltsame Erscheinung liebevoll. „Weißt du denn nicht, dass der Affe das Tier des Thoth, des Gottes der Weisheit, ist?“ verteidigte sie diesen Clown. „Hab keine Angst. Er ist ja nicht wirklich. Er ist nur ein Energiefeld in deinem Kopf.“
„In meinem Kopf?“ Ich fühlte einen Stich im Gehirn, als ob mein Bewusstsein von selbst in einen anderen Zustand überging.
„Natürlich – wo sonst? Schließlich ist es dein Verstand“, hörte ich die Stimme des Mädchens, aber plötzlich war ich mir auch nicht mehr sicher, ob ich sie innerhalb oder außerhalb von mir wahrnahm.
„Ich hoffe, du regst dich ab und machst mir keinen Kummer“, klopfte mir der kleine Bursche voller Mitgefühl auf die Schulter, und gleichzeitig überströmte mich ein Meer voller Freundschaft und Zuneigung.
„Verflixt“, suchte ich die Verbindung zum Mädchen, denn ich spürte, wie seine Berührung irgendwie durch mich hindurchging – sie berührte Herz und Seele. „Ich spüre ihn so tief.“
„Ganz einfach – es ist die Liebe zur Kontrolle, die euch verbindet.“
„Tatsächlich?“ Langsam dämmerte mir, dass vieles, was in dieser Welt zu sehen war, auf einer anderen Ebene existierte, als ich mir das gewohnt war. Es schienen da mehrere Energieteile von mir zu existieren, Wesen, die in mir eine Rolle spielten, aber von denen ich im normalen Leben keine Ahnung hatte.
„Na klar – alles, was du siehst, ist eine Illusion. In Wirklichkeit befinden wir uns in dir“, kläffte er mich heiter an.
„Ach, dann benötigen wir den geträumten Verstand, wenn wir die innere Welt bereisen, damit wir die Wirklichkeiten jenseits der dreidimensionalen Realität im Nachhinein nachkonstruieren können“, hüstelte ich gedehnt.
„Du hast es begriffen! Die körperlichen Sinne erlauben uns, die materielle Welt zu verstehen. Auf die höheren Sinne jedoch, die uns die spirituelle Realität wahrnehmen lassen, können wir außerhalb unserer Träume nicht zugreifen. Also benötigen wir den Verstand. Da der äußere Verstand aber die Schwelle zum Unbewussten nicht überwinden kann, bedienen wir uns eines Tricks. Wir basteln uns eine Art Verstand auf der Traumebene zusammen, einen geträumten Träumer, der uns hilft, uns zu erinnern und die erlebten Szenen im Nachhinein zu analysieren.“
„Langsam beginne ich zu verstehen.“ Ich war drauf und dran, den Zugang zu meinem Unbewussten zu erzwingen.
„Du hast dein Bewusstsein so stark auf die geistige Ebene fokussiert, dass wir mit dem Verstand zusammen ein Trio Infernale bilden können – eine Speerspitze, um den Panzer deiner alten Verdrängungen zu durchdringen.“
Bevor sie weiterreden konnte, wandte sich der Affe des Thoth direkt an mich: „So, Kinder – genug des Geredes! Lasst uns nun zum eigentlichen Thema kommen. Was uns erwartet, erfordert höchste Aufmerksamkeit. Diese unaufgearbeiteten Alpträume erinnern an das Eindringen in eine verstaubte, vergessene Horrorkammer.“
Inständig hoffend, dass dies nicht wieder irgendeine ersonnene List meines eigenen Schalkes war, der sich stets freute, wenn er mich mit seinen Eulenspiegeleien aufs Glatteis führen konnte, machte ich zwei Schritte auf ihn zu, um ihn etwas besser in Augenschein zu nehmen. „Soso, du Weisheitstier“, erwiderte ich freundlich, „dann wäre es schön, wenn uns dein tierischer Instinkt einen Weg aufzeigen könnte, wie man in dieses dicke Gemäuer hineinkommen kann. Damit wir dem Alten auf den Pelz rücken können. Und zwar mit Vollgas, denn die Temperatur hier unten gleicht der eines Kühlschrankes.“
Er zog sein Kostüm am Kragen zurecht, als ob es sich um die Lederjacke eines Rock’n’Rollers handelte, nestelte an einem imaginären Reißverschluss und zauberte schließlich eine Sonnenbrille aus einer verborgenen Tasche heraus und setzte sie auf: „Um deinen unbewussten Teil zu erreichen, müssen wir dein bewusstes Fühlen innerhalb deiner Persönlichkeitsstrukturen verschieben – sozusagen ein Surfen auf verschiedenen Bewusstseinsebenen.“