Kitabı oku: «Dantes Inferno III», sayfa 6

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Das Mädchen, dessen Lippen bereits schon leicht blau angelaufen waren und das ebenfalls am ganzen Leib schlotterte, seufzte: „Ach, ich würde so gerne wieder einmal auf einer bunten Blumenwiese spielen, in den frischen Gräsern mich wälzen und im trunkenen Blütenmeer mich suhlen …“

Tief in ihrer Seele leuchtete einen Moment der Paradiesgarten in einem Meer von Gänseblümchen, Lilien, weißen Nelken, Rosen, Veilchen und Gladiolen auf, und aus ihrem Mund strömte der berauschende Geruch von Jasmin und trunkenen Orchideen. Blühende Fliederbüsche spielten mit dem warmen Wind, deren schwer berankte Äste an die Gesten ägyptischer Königsschlangen erinnerten, die der Nachtgöttin huldigten.

„Keine schlechte Idee“, pflichtete mein Verstand ihr bei, „ich denke, von einem liebreizenden Kind lässt er sich am leichtesten beeindrucken.“

Dann verschwanden die Blumen wieder, eine nach der anderen, und an deren Stelle schoss ein rubinroter Teppich voller Asphodelen auf, die Blume der Persephone, der dunklen Seite der Großen Mutter, die die Schatten der Toten in der Unterwelt beherbergt, die sich erst nach langer Zeit verflüchtigen. Und wie mit Zauberhand zog er eine Asphodele aus dem virtuellen Grund und überreichte sie ihr mit einer höflichen Verbeugung. „So sei’s beschlossen: Wir bringen den Alten wieder ins Blumenparadies zurück …“

„Das ist ja interessant. Wieso glaubst du, dass sich der Eremit von einer Lolita so leicht um den Finger wickeln lässt?“ suchte ich neugierig in Erfahrung zu bringen.

„Na, weil die Kleine all die Anteile verkörpert, die er in seiner Vergangenheit abgespalten hat und seitdem vehement verleugnet“, antwortete der Meister des Scharfsinns etwas herablassend, „nämlich Offenheit, Neugier, Empfindsamkeit, Hingabe, na eben alles, was er aus Angst vor Kontrollverlust in die Wüste geschickt hat.“ Dann schaute er mich scharf an: „Du bist doch auch nur bereit, jene nüchternen Gedankenmodelle zuzulassen, von denen du annimmst, sie mit rationaler Verstandeskälte kontrollieren zu können.“

Ich nickte schuldbewusst. „Verstehe. Hm, wie wäre es, wenn wir versuchten, ihm, äh…, also mir, wieder etwas Hoffnung zu schenken?“

„Vergiss es!“ winkte er ab. „Auf dieser Stufe machst du einem alten Sünder nichts mehr vor, da er bereits alles weiß, was es seiner Meinung nach zu durchleiden gibt.“ Dann verdrehte er die Augen nach oben und tippte sich an die Unterlippe, „es sei denn …“


„Es sei denn was?“ rief ich ungeduldig, denn die Grabeskälte an diesem Ort drohte mir langsam mein Denken einzufrieren. „Raus damit, ich muss hinein, koste es, was es wolle!“

„Du meinst, du musst um jeden Preis hinaus“, korrigierte mich das Kind.

„Wie auch immer“, winkte ich ärgerlich ab, da ich wenig Lust auf Diskussionen um Spitzfindigkeiten verspürte.

Mein Verstand schnippte mit den Fingern. „Ich hab’s! Wir machen ihm ein solch verlockendes Angebot, das er nicht ausschlagen kann.“

„Und das heißt?“ entgegnete ich leicht verunsichert, denn mir schwante, dass der zu entrichtende Preis für mich nichts Gutes heißen konnte.

„Das heißt“, grinste mich der Affe schelmisch an, „du bietest ihm an, mit ihm den Platz zu tauschen. Darauf ist er nicht vorbereitet, und deshalb hat er auf diesen Vorschlag keine Abwehrstrategie. Ihr werdet sehen.“

Mein entrüsteter Gesichtsausdruck ließ meine beiden Begleiter in schallendes Gelächter ausbrechen. Im gleichen Moment bröckelte von der Mauer ein großes Stück Putz herab, und im nächsten Augenblick löste sich ein gewaltiger Stein aus seiner Verankerung und fiel mit einem polternden Geräusch herab.

„Na bitte“, frohlockte mein kleiner Hirnfucker, „unser Gelächter zeigt schon seine Wirkung.“ Eine kleine Öffnung war in der Mauer entstanden, nicht groß, aber dennoch breit genug, sodass ich meine Finger hineinstrecken konnte, um den Stein aus dem Mörtel zu lösen. Sogar mein Verstand ließ sich nicht bitten, Hand anzulegen, und so zerrten wir die nächsten Steine mit vereinten Kräften hervor.

„Es ist die Lücke, die entstanden ist, als du dein Bewusstsein zwischen den Träumen verschobst ...“, strahlte mich das Mädchen an und dann zwängten wir uns einer nach dem anderen durch die enge Öffnung.


Ich erblickte ein gutes Dutzend erratischer Blöcke, die aussahen, als ob gefallene Meister aus dem oberen Teil der Säulen paralysierte nackte Leiber mit verkrümmten oder zerschmetterten Gliedern herausmoduliert hätten. Dazwischen befanden sich mannshohe Eisklötze, in denen Menschen mit eingefrorenen Schmerzensschreien auf den Lippen in schrecklichen Posen gefangen waren. Das Ganze erinnerte an mittelalterliche Folterszenen, bei denen die geschundenen Körper aufs Rad geflochten waren, oder dann waren die Köpfe so unnatürlich nach hinten gebogen, als ob der Nacken gebrochen wäre. Auf irgendeine Weise erinnerten diese teuflischen Verzerrungen auch an die gestalterischen Formen in der expressiven Kunst zum Thema Folter – Reflexionen eines schrecklichen Zaubers, der sich in dieser Umgebung zu einer beeindruckenden Erhabenheit ausweitete.

Am Ende des Ganges, von einer schwachen Lichtquelle erhellt, stand ein kristallener Kubus wie ein riesiger Eisblock, auf dem eine Gestalt in brauner Kutte thronte. Der verkrümmte Leib brachte in seinem schöpferischen Ausdruck den Abgrund des Entsetzens so meisterhaft zur Geltung, als ob er die Vorgaben von Bosch oder Munch übertreffen wollte. Der Vereinsamte schien völlig in sich versunken und machte keinerlei Anstalten uns zu begrüßen, geschweige denn, auch nur seinen Blick zu heben. „Er meditiert über den Schmerz seines unerlösten inneren Kindes“, machte sich der Verstand in meinem Kopf bemerkbar, „welches wie ein Embryo in ihm eingeschlossen ist“, und gemessenen Schrittes gingen wir auf ihn zu. Es schien mir, als wären seine Körperfunktionen ausgeschaltet und sein Geist völlig vereist, und hinter seiner Erstarrung spürte ich mein eigenes psychisches Muster, Ängste und Unkontrolliertheit hinter einer Form der Meditation zu tarnen.

Im Inneren des Eises


Ich befand mich in einem gläsernen Käfig der Seele, in dem das Wort Zeit jegliche Bedeutung verloren hatte. Die entsetzliche Kälte schien all meine Gedanken und Empfindungen gelähmt zu haben, Freude, Trauer und jegliches Hoffen, alles war von mir abgefallen und einem unwiderruflichen Sehnen nach Frieden und ewiger Ruhe gewichen. Und aus den Tiefen der Erinnerung dämmerte mir wie ein abgespaltener Teil, der als eine Art Krebszelle in meiner Vergangenheit wucherte, das schreckliche Spiegelbild meines Doppelgängers entgegen, eine in einem Eisblock gefangene Gestalt. Als ich schon dachte, für ewig mit ihm zusammen an diesem düsteren Ort vergessen zu sein, in der endlosen Stille zu veröden, aus deren tiefsten Tiefen jene Weisheit zu mir zu sprechen begann, für die der menschliche Verstand normalerweise kein Gehör hat, hörte ich plötzlich Stimmen in der Ferne und leise Schritte, die sich meinem Gefängnis näherten. „Du versuchst, die Zelle aufzubrechen, in der die verdrängten Teile deiner Erinnerung eingespeichert sind, den gläsernen Abwehrpanzer, der dich vor den unangenehmen Auswirkungen deiner eigenen Wahrheit bewahrt“, hörte ich eine Stimme von außen zu mir sagen, „wie ein unverarbeitetes Bild in der Hölle schmerzhafter Erinnerungen.“

„Aha! Und jetzt?“ Ich kratzte mich am Kopf. „Was machen wir jetzt? Hat irgendeiner von euch beiden eine Idee?“

Der Affe schob mich noch ein Stück näher an den Block heran. „Pst! Lass dich nicht ablenken. Ich spüre – in dir reift ein Entschluss.“

Ich schluckte. Den Optimismus meines Verstandes sollte man haben, dachte ich. Wie sollte ich es anstellen, einem seit Jahren meditierenden und in sich versunkenen Yogi irgendeine menschliche Regung zu entlocken? So stand ich also eine Weile nur ratlos da. Doch da keiner der beiden den Anschein machte, mir zur Hilfe zu kommen, fasste ich mir schließlich ein Herz: „Verzeihen Sie, wenn wir es wagen, Ihre Meditation zu stören“, richtete ich meine Worte zaghaft an die bewegungslos verharrende Gestalt, „aber wir haben uns verlaufen. Gestatten Sie uns die Frage: Wo sind wir hier?“

Keine Reaktion – nur ein leises Knirschen im Gestein. Die entsetzliche Kälte schien all unsere Gedanken und Empfindungen zu lähmen: Jedes Bemühen um Kommunikation schien sofort einzufrieren.

Mein Verstand verdrehte genervt die Augen: „Wenn du den meditierenden Koloss aus seiner Reserve locken willst, musst du ganz anders vorgehen. Wie heißt doch der Spruch? Richtig – nur ein sich selbst bewusster Narr ist weiser als Buddha!“ Mit seinen langen Affenarmen nahm er sich seine bunte Narrenkappe vom Kopf und reichte sie mir mit einem Augenzwinkern. Und mit einem verschmitzten Lächeln schob er die Sonnenbrille hinterher: „So kann er dich nicht auf den ersten Blick erkennen!“

Mit skeptischem Blick setzte ich mir die Maskerade auf Haupt und Nase und begann etwas unbeholfen ein paar tänzelnde Schritte zu vollführen. Das Mädchen klatschte begeistert in die Hände, was mich zusätzlich anspornte. So wirbelte ich lachend um mich selbst, stieß gackernde Laute aus, zog die skurrilsten Grimassen und schlug sogar einen Purzelbaum. Schwer atmend hielt ich schließlich inne, um mich zu vergewissern, ob meine Bemühungen bei dem Alten bereits gefruchtet hatten. Doch der saß auf seinem gläsernen Würfel immer noch wie festgewachsen und dachte nicht im Traum daran, auch nur die geringste Miene zu verziehen. Mein verzweifelter Blick wanderte zu dem Mädchen.

„Das Beste scheint mir, wenn wir jetzt Körperkontakt aufnehmen“, ermutigte sie mich und gab mir in Richtung auf den Alten einen heftigen Stoß. Dabei fiel mir die Sonnenbrille vom Gesicht, direkt vor ihren Fuß. Ich vernahm ein splitterndes Geräusch. „Das gibt dir den richtigen Schwung zur Bewusstseinsveränderung“, setzte sie noch einen drauf und ich fühlte ihren zukünftigen Stiefel im Genick, „sonst dümpelst du bis zum Ende dieses Buches in deiner verbohrten Haltung dahin.“

Da tat ich, zu meiner eigenen Verblüffung, einfach einen Satz nach vorne, packte den Eremiten mit festem Griff vorne an seiner Kutte und zog ihn mit einem starken Ruck von seinem Podest. Ich sah kurz in die weit aufgerissenen Augen seines entsetzten Gesichts, in denen ich für einen Sekundenbruchteil mich selbst erkannte. Ich fühlte das Grauen hinter seiner Stirn, die erloschene Seite meiner Seele, die von hundert Enttäuschungen erdrosselt irgendwo in jener düsteren Kammer lag, in der wir uns gerade aufhielten. Und noch bevor er mit seinem Gesicht am Boden aufschlug, war ich in ihm und hatte seinen Platz auf dem Podest oben eingenommen. Es war ein vergessener Ort, an dem das Wort Zeit jegliche Bedeutung verloren hatte. Der Zweck dieses Aufenthaltsraumes, in dem ich meinem abgespaltenen Teil inmitten seiner Einsamkeit und seinen Qualen begegnete, schien darin zu bestehen, sich selbst wie die Karte Der Gehängte im Tarot aufzugeben.


„Was in Gottes heiligem Namen erdreistet ihr euch?“ empörte sich der von seinem Sockel gestürzte Greis, während das kleine Mädchen jauchzte und mein Verstand einen Freudenhopser vollführte. „Tag und Nacht, Jahr um Jahr sitze ich hier, meditiere in die Stille und versuche mich durch Verzicht und Entsagung in Gott gefälliger innerer Einkehr zu üben, und da kommt so ein rotzfrecher Rüpel daher, stößt mich gewaltsam beiseite und bringt mich obendrein dazu, mein Schweigegelübde zu brechen …“

Mein Verstand kam ihm zu Hilfe: „Gewaltsam, aber nicht unaufgefordert – denn wer könnte es auch anders sein als wir selbst, die uns auffordern, uns dahin zu stellen, wo uns das Schicksal erreichen kann? Warst du es nicht selbst, dessen mentale Geisteskraft uns anzog – uns den Zugang in das Innerste öffnete, indem sie den Stein von innen aus der Nische drückte? Oder hast du das schon wieder verdrängt?“

Doch der Alte ließ sich nicht beirren, erhob sich ächzend und fuhr mit seiner Schimpftirade fort: „Schweigt, ihr Narren! Euer unverfrorenes Gelächter war es, das hier unvermittelt einbrach. Seit Ewigkeiten hat es niemand mehr gewagt, diese heiligen Hallen mit einem Lachen zu entweihen. Ihr verhöhntet dieses Sanktum innerer Einkehr. Ein Sakrileg, das seinesgleichen sucht!“

Das Mädchen trat unbeeindruckt vor den Alten hin. „Und was gedenkst du nun zu tun?“ lächelte sie ihm forsch ins Gesicht.

„Was soll die Frage?“ Der Eremit blickte entgeistert in die Runde. „Ich setz mich wieder auf meinen alten Platz.“

„Keine Chance“, entgegnete mein Verstand unvermittelt, „der Deal war“, dabei deutete er auf mich, „dass er die Rolle mit dir tauscht. Es bleibt dir gar nichts anderes übrig, als mit uns zu kommen. Packen wir’s, Opa – mach den nächsten Schritt!“

Die Lächerlichkeit dieser grotesken Situation drohte den alten Einsiedler völlig aus der Bahn zu werfen. Sein ganzes Weltmodell schien in sich zusammenzusacken, und wie zur Bestätigung fielen in diesem Moment alle geschundenen und gequälten Leiber von ihren Sockeln und zerbarsten am Boden zu einer gesichtslosen Masse.

„Den nächsten Schritt ...“, stammelte er fast ängstlich, „… wohin?“

Die Kleine gab die unbefangene Antwort: „Na, einfach der Nase nach, an jeden Ort, wohin dich deine Schritte tragen. Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen, es ist ja einer da, der sich entschlossen hat, deine schwere Bürde zu tragen.“

„Ihr meint, ich kann einfach so mit euch mitkommen“, kam des Alten unsichere Antwort, „aber“, er zeigte mit dem Blick in meine Richtung, „was ist mit ihm?“ Und mit einem Schlag war mir das ganze Ausmaß meiner furchtbaren Situation bewusst: Zwar hatte ich die versteinerte Hülle mit Hilfe meines Verstandes und der Seele befreit, aber nur zum Preis, indem mein anderes Ich, das nun statt seiner diesen einsamen Platz eingenommen hatte, in der Leere der Finsternis zurückbleiben musste.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, schließlich hat er sich freiwillig entschlossen, deine schwere Bürde zu tragen“, gab die Kleine eine unbefangene Antwort, und der Affe des Thoth gab noch einen drauf: „Klar, Vater, so wie einst der mythische Atlas, als Herakles ihm anbot, statt seiner für eine Weile das Himmelszelt zu übernehmen, damit er ihm die Äpfel der Hesperiden pflücke. Und weil du klüger bist als der Titan, was keiner hier bezweifelt, nutzt du deine Chance, um diese Hürde ein für allemal hinter dir zu lassen. Komm, Alter, es ist soweit …“


Und bevor der Greis etwas erwidern konnte, hatten das Mädchen und der Verstand ihn bereits zu beiden Seiten an den Armen untergehakt. Vorsichtig zogen sie ihn auf dem gleichen Weg wieder hinaus, auf dem wir hergekommen waren. Innerlich versteinert und unfähig, mich zu rühren, schaute ich ihnen schmerzvoll nach, als sich das Trio aus meinem Gesichtskreis entfernte. Eine Weile noch war sein entrüstetes Gestammel zu vernehmen, dann hatte die Dunkelheit auch seine Stimme verschluckt. Es blieb mir nichts anderes übrig als mich der endlosen Stille zu überantworten, aus deren tiefsten Tiefen jene Weisheit zu mir zu sprechen begann, die sich aus zahllosen Erfahrungen heraus einst selbst aus sich geboren hatte. Das leise Knirschen von Gestein und das dumpfe Einrasten der sich wieder schließenden Maueröffnung war das letzte fremde Geräusch, das für lange Zeit an meine Ohren dringen sollte.

„Wie ein gefangenes Kind in der Hölle unverarbeiteter Erinnerungen“, hörte ich mich leise sagen. Dann verblasste meine Identität. „Verschlossen im Grauen – im versteinerten Weltbild“ waren meine letzten Worte, die aber so schwach waren, dass sie keiner hören konnte.

Venus in Steinbock
Sünder

Genuss- und hingabeunfähige Seelen, die sich der Liebe aus Angst vor der verschlingenden Dominanz der Verliebtheit verweigern und aus der dynamischen Kraft destruktiver Energien lieber negative, gegen sich selbst gerichtete Gefühle leben (da weiß man wenigstens, woran man ist!)

Disposition

Der Schattenbereich von Venus im Steinbock und Venus im 10. Haus sowie disharmonische Venus/Saturn-Aspekte

Schuld

Moralisierende Heiligtuerei, Emotionen irritierende Gefühlsabwehr und infantile, ziellose Sehnsucht, um sich nicht entscheiden zu müssen (Gefühle werden hinter Formalismen versteckt, um Emotionen zu vereisen), kann weder verzeihen noch alte Schuld loslassen, weil das sich selbst bemitleidende Gefühl des unverstandenen Liebenden die Libido ersetzt (um innere Stärke zu zeigen, werden „Gefühle-nicht-zeigen-können“ in „Über-den-Gefühlen-stehen“ umgemünzt)

Strafe

Alles, was Liebe, Geborgenheit und Wärme betrifft, wird an diesem Ort tiefgekühlt und eingefroren. Die Kälte ist der Spiegel der eigenen Seele und beinhaltet die Schuld, Gefühle niemals zulassen zu können. Deshalb ist der Rückzug ins Schneckenhaus aus enttäuschtem Liebesverlangen hier vorprogrammiert. Man hat sich von der Welt abgewandt und im trüben Dämmerzustand innerer Einkehr vor sich selbst versteckt. Manchmal machst du deine Umwelt auch zu den Wächtern deiner unbewussten Verhinderung (denn du kannst dich nur empfinden, wenn du deine Gefühle an die Verhinderung deiner Empfindungen bindest). Dann baust du dir in dieser Hölle eine kontrollierte Blockade auf, indem du Wächter und Kerker kontrollierst und steuerst, weil nur die Kontrolle über deine Einschränkung dir ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt. Trotzdem will Vergessenes ständig an die Oberfläche des Bewusstseins dringen und der Sinn des Lebens wird aus den Bildern des Unbewussten hervorgepresst, denn wer aufhört zu träumen, weil er seine verlorenen und enttäuschten Wünsche verbittert in die hintersten Grüfte seiner Seele verbannt hat, dessen Zaubergarten vertrocknet oder löst sich im Nirgendwo auf.

Lösung

Erlösung ist nur möglich, wenn du den verhindernden Mechanismus in dir selbst erkennst: dass es solange kein Entrinnen geben kann, wie wir einander als Spiegelungen unserer eigenen Sehnsucht nach uns selbst benutzen und uns enttäuscht zurückziehen, wenn das Gefäß unter dem Druck unserer Erwartungen auseinanderbricht. Venus schenkt keine Sicherheit – nur das Bild der Liebe im Tempel der Träume. Nur dort, wo wir bereit sind, die Vorstellungen von dem aufzugeben, was wir zu sehen wünschen, kann das erhellende Licht des Bewusstseins zu uns hindurchströmen – denn hier gilt das alte Wort: Nur die Liebe ist stärker als der Tod.

Die erfrorenen Träume
Die Hölle der unerfüllten Sehnsüchte

In gebeugter Haltung und nur widerwillig ließ ich mich von meinen beiden inneren Personen mitziehen, die sich von meinen lautstarken Protesten nicht im Geringsten beeindruckt zeigten. Mir taten alle Knochen weh und bei jedem Schritt drückte und zwackte mich ein anderes Zipperlein. Mit völligem Unverständnis sah ich auf meine Unterarme, die unter meiner alten, abgetragenen Kutte hervorschauten. Die Haut daran war faltig, eingefallen und hing schlaff nach unten. Mein langer, weißgrauer Bart tanzte durch die wilde Lauferei vor mir her und erst, als ich mir selbst darauf trat und dabei fast ausrutschte, hatten meine beiden Begleiter ein Einsehen und ließen meine Arme los.

„Wickel ihn dir doch ums Handgelenk“, schlug mir das Mädchen vor. Mein Verstand hingegen, immer allzu schnell bereit, sich gewachsener Dinge zu entledigen, griff sich unter die Schellenmütze und zauberte darunter eine Schere hervor. „Hier, schneid dir den alten Bart doch gleich ab, dann musst du in Zukunft auch nicht mehr darüber stolpern!“

„Jetzt reicht es mir aber mit euren Ratschlägen“, herrschte ich die beiden wütend an, „was bildet ihr euch eigentlich ein? Ihr platzt ungefragt in mein Dasein und zerrt mich gegen meinen Willen in diesen ... diesen ...“

Ich stockte und blickte mich verwundert um, denn vor uns erstreckte sich ein üppig bewachsener Garten im hellenistischen Stil, der von alten efeuüberwucherten Säulen gesäumt wurde. Der volle Mond am dunklen Sternenhimmel tauchte alles in ein romantisches Licht und der zarte Dufthauch von Rosen streifte lieblich meine Sinne. „Seltsam, wo sind wir hier?“ sagte ich eigentlich mehr zu mir selbst, denn diese neue Umgebung weckte viel Vertrautes in mir, gerade so, als ob etwas schon längst Vergessenes wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins drängte.

„Wir sind im Zaubergarten deiner Seele angelangt, wo jede einzelne Blüte den Sehnsüchten deiner einstigen Träume entsprossen ist“, tat mir die Kleine altklug kund.

„Ich kann aber gar keine Blüten erkennen“, wandte ich ein und sah mich prüfend um, wobei ich meine Nase schnüffelnd anhob, „dennoch kann ich sie riechen. Wo sind all die Blumen, die diesen zauberhaften Duft verbreiten, der meine angestaubten Sinne wonnetrunken macht und mich an etwas erinnert, das ich vor langer Zeit einmal kannte?“

„Oh, sie sind noch alle hier“, meldete sich mein Verstand, der hier zu meinem Erstaunen seine altbekannte Gestalt mit dem übergroßen Kopf wieder zurückgewonnen hatte. „Doch um sie wieder sichtbar werden zu lassen, müssen sie zunächst neu bestäubt werden, und das geschieht nur durch die Imaginationskraft ihres Schöpfers.“

„Aha“, hakte ich ungläubig nach, „ich muss sie also zuerst wieder träumen, damit sie neu erblühen können.“

Der Eulenspiegel nickte. „Sicher, wer aufhört zu träumen, weil er seine verlorenen und enttäuschten Wünsche verbittert in die hintersten Grüfte seiner Seele verbannt hat, dessen Zaubergarten vertrocknet oder löst sich irgendwann gänzlich im Nirgendwo auf. Das sind die Gesetze dieser Quasi-Hölle.“

„Oder er wird wie in deinem Falle eingefroren“, fügte die Kleine traurig hinzu und deutete auf eine Reihe den Weg säumender Pappeln, auf denen eine dicke Schicht Raureif prangte. Erst jetzt erkannte ich, dass der schimmernde Glanz, der über dem gesamten Garten lag, nur deshalb im Mondlicht so märchenhaft leuchtete, weil eine dichte Eisschicht alles überzogen hielt.

„Eingefroren? Träume können einfrieren?“ wollte ich erstaunt wissen.

Mein Verstand warf mir einen abschätzigen Blick zu: „Klar, genauso wie sie versteinern können. Das müsstest du doch am besten wissen, nachdem du dich die letzten Jahre im trüben Dämmerzustand innerer Einkehr vor der Welt abgewandt und vor dir selbst versteckt gehalten hast.“

Unwillkürlich musste ich an die Straße der versteinerten Träume denken, die ich mit Akron am Ende der Fische-Vorhölle entlanggeschritten war.

„Du hast dort eine lange Zeit verbracht“, führte das Mädchen meine Betrachtungen weiter aus, „und fast wärst du selbst zu einem dieser Steine geworden, denn du suchtest den Sinn des Lebens aus den Bildern des Unbewussten mit geistiger Gewalt hervorzupressen ...“

„Doch du hattest Glück“, übernahm mein Verstand wieder das Wort, „denn während die Straße der Steine dich direkt hinter den Spiegel deines Ichs ins Reich des Unbewussten führte, gab Akron dir den nötigen Halt. Hier nun, im Fegefeuer des zu läuternden Steinbocks, bist du selbst zum Führer geworden, der das Labyrinth seiner Schatten und Projektionen durchwandert. Deshalb ist es nun an dir, dich wieder mit dem zu verbinden, was du selbst einst ausgeschickt hast, um den Zaubergarten deiner Seele zu erkunden.“

„Dann lasst mich doch noch einmal in die Tiefen meines emotionalen Verlangens eintauchen“, bat ich meine beiden Begleiter.

„Wir unterstützen dich gerne: Erinnerungen kommen nicht von außen. Sie steigen von innen auf, können aber von außen dirigiert werden“, taten sie mir kund. „Sie können dir zeigen, was du vergessen zu träumen hast …“

„Aye, Aye, Sir! Was muss ich tun?“ murmelte ich ergeben und seufzte müde.

„Das ist nicht schwer“, sagte das Mädchen und deutete auf einen zugefrorenen Teich, der sich in der Mitte des Gartens befand, „geh einfach hinein und formulier deine Wünsche. Sag dein Begehren und vergiss auch nicht die Kraft zu erwähnen, die dich hergetrieben hat.“

„Wo hinein – doch nicht mitten ins Eis?“ Das konnte nicht ihr Ernst sein. Der ganze Teich lag unter einer dünnen Eisdecke versteckt.

„Na, wohin wohl? In den Tempel deiner eingefrorenen Träume natürlich!“


Ich spürte den Eismond über die glitzernde Sphäre gleiten, der seinen leuchtenden Schimmer über die ganze Landschaft streute. Normalerweise mochte ich die schimmernde Kugel, wenn sie hoch oben am Himmel die Wolken durchdrang und in den Köpfen der Kinder magische Gestalten aus dem Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel hervorzauberte. Aber diesmal hatte ich Schiss. Unsicheren Schrittes bewegte ich mich alleine weiter vorwärts, während der gefrorene Rasen unter meinen Schritten ein leises Knirschen von sich gab. Dann stand ich zum zweiten Male an dem kreisrunden Teich, den ich in der Krebs-Hölle schon einmal durchwatet hatte. Nun aber war er von einer kristallenen Eisschicht überzogen. Damals hatte mich Akron zum Hinknien aufgefordert, um mich durch mein inneres Sehen in ihn hineinzuträumen, was diesmal jedoch unmöglich schien. Also ließ ich mich ächzend auf allen Vieren nieder. Ich beugte mich vor und klopfte mit meinem Siegelring auf die Eisdecke. Doch nichts geschah. Darunter hörte ich ein unheimliches Schwappen, und dann war mir, als erblickte mich ein finsteres Auge aus dem umgekehrten Spiegelbild unter der kristallenen Platte. Hilflos sah ich zu meinen beiden Begleitern hinüber, die am eisenbewehrten Eingangstor des Zaubergartens zurückgeblieben waren.

„Benutze die Kraft deines Willens“, rief mir mein Verstand zu, und gleichzeitig kamen mir Schilderungen über indische Yogis in den Sinn, die sich in den Schnee setzten und ihre Körper einzig durch Zuhilfenahme ihrer Mentalkräfte am Leben erhielten. Also konzentrierte ich mich ganz auf mein inneres Sehen und zog einen imaginären Feuerkreis auf der gefrorenen Oberfläche, den ich beständig mit der Intensität meiner Willenskräfte nährte. Zunächst geschah gar nichts, doch ich ließ nicht locker und irgendwann bildeten sich kleine Tröpfchen am Rand, die in feinen Schlieren verdampften. Freudig verdoppelte ich meine Anstrengungen und endlich gab ein kleines entstandenes Loch die Sicht auf das darunter liegende dunkle Wasser frei. Wie ein Robbenfänger, der regungslos vor seinem ins Eis geschlagenen Fangloch kauert und dort geduldig auf seine Beute lauert, saß ich am Portal meiner erstarrten Traumwelt und schickte meinen Geist erneut aus, um in die Tiefen meiner Erinnerungen einzutauchen. Und da --! Plötzlich sprang der Funke über und ich erinnerte mich an einen Kindertraum. Ich spielte an einem Teich, und in den Kräuselungen des Wassers erblickte ich ein tanzendes Mädchen mit weit ausgebreiteten Armen, die mit dem Mond jonglierte. Im nächsten Moment verfing sich der Mond in ihren Haaren und zerplatzte wie eine Seifenblase, und aus der Seifenblase fiel ein Auge und aus dem Auge wiederum fiel eine Träne, die zur Erde fiel und sich genau in den Teich verwandelte, in den ich hineinschaute. Gleichzeitig erweiterte sich der Spalt unter dem dröhnenden Getöse von krachendem Packeis, eine mannsgroße Öffnung ging auf, eine unsichtbare Energie zog mich hinein und hinter mir schloßen sich die finsteren Wasser wieder über meinem Rücken.

Wie ein Betrunkener musste ich mich am Treppengeländer festklammern, um nicht auf den vereisten Stufen auszugleiten, die mich geradewegs zum Tempel hinunterführten. Das ganze Gebäude lag unter der schützenden Eisschicht verborgen und schimmerte von außen wie ein glitzernder Glaspalast. Armdicke Eiszapfen hingen von der Decke herab und die Säulen erinnerten an bizarr geformte Stalagmiten, unter deren durchsichtiger Schicht es so aussah, als ob sich der erstarrte Efeu noch immer daran empor rankte. Mein Klopfen an das verharschte Portal pflanzte sich ins Innere fort wie ein gewaltiger dumpfer Glockenschlag. Dann hörte ich leise Schritte.

„Was willst du hier?“ fragte mich die Tempeldienerin mit ihren schrägen Mandelaugen, als die Traumpforte lautlos nach innen schwang.

„Ich möchte in die Halle der Träume.“

„Was möchtest du dort?“

„Ich möchte das Mädchen wieder finden?“

„Welches Mädchen?“

„Das Mädchen aus meinem Traum mit dem silbernen Haar …“

„So folge mir!“ Sie schritt voran durch einen von sechs Fackeln in der Wand beleuchteten Gang, dessen steinerne Fließen unter unseren Schritten knirschten, während der flackernde Tanz der Flammen das verschlungene Maßwerk in gespenstischen Silhouetten aus der Finsternis schnitt. Dann blieb sie stehen: „Hinter diesem Schleier liegt die Halle der Träume, und in der Mitte liegt der Tempelschoß. Dort wirst du die Lösung finden, vor der du das letzte Mal geflüchtet bist.“


Einen Augenblick lang war ich wie betäubt. Ich stand vor einem gewaltigen Vorhang, der jetzt wie ein in der Zeit erstarrter Wasserfall unbewegt von der Decke herabzufließen schien. Als ich ihn berührte und vorsichtig zur Seite ziehen wollte, zerbröckelte er wie sprödes Glas unter meinen Fingern. Ein unmerkliches Zittern durchlief das ganze Gebäude. Erschrocken tat ich einen Satz zurück, denn schon kam das mit Glasperlen verzierte Gehänge aus seiner Verankerung geschossen und zerschellte am Boden zu einem Meer von feinen Eissplittern. Entsetzt über den Umstand, dass ich den Schleier der Göttin zerstört hatte, durchlief mich ein weiterer Schauer, als ich meinen nun frei gewordenen Blick auf ihren Thron richtete. Hinter dem Sitz befand sich noch immer die gewaltige sechsarmige Statue, die seinerzeit mit ihren ausgestreckten Armen den aufgemalten Himmel an der Decke berührte. Jetzt wirkte sie nur noch wie eine amputierte griechische Skulptur, denn anstatt der Arme ragten ein paar Stümpfe aus ihr hervor. Hatte sich damals die verführerische Gestalt meiner Mondgöttin noch lasziv auf dem Thron geräkelt, den guten Ödipus zu ihren Füssen, so traf ich diesmal auf eine verhärmte Gestalt, die aussah, als habe man sie mit flüssigem Stickstoff übergossen. Wie bei mir, hatte auch ihre Jugend dem Alter weichen müssen und jenes verführerische Lächeln, das einst ihre rosigen Lippen umspielt hatte, trug nun die tief zerfurchten Züge einer uralten Frau. Die Augen in ihrem bleichen, von zahlreichen Falten überzogenen Antlitz waren geschlossen und erweckten den Eindruck, mich vor einer einbalsamierten Mumie zu befinden. Vorsichtig trat ich näher auf sie zu und erschrak heftig, als sich ihre Augen schlagartig öffneten und mich hasserfüllt anstarrten.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
524 s. 157 illüstrasyon
ISBN:
9783905372410
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