Kitabı oku: «Vom Mars zur Erde», sayfa 4
„Das kommt von der Dichte eurer Atmosphäre her,“ meinte dieser. „Je dichter die Luftschicht ist, desto mehr bricht sie die einfallenden Lichtstrahlen. Diese Lichtbrechung ist bei der Beobachtung entfernter Weltkörper geradezu ein Beweis für das Vorhandensein einer Atmosphäre. Laß uns das Teleskop einmal nach einem unserer Monde richten. Sieh, dort geht uns Phobos heute schon zum zweitenmal auf! Siehst du etwas von einer Lichtstrahlenbrechung?“
„Nein,“ erwiderte Fridolin, „da fällt die Erscheinung ganz weg.“
„Weil die kleinen Monde in der Regel ihre Atmosphäre nicht festzuhalten vermögen, euer Erdtrabant so wenig wie Phobos und Deimos. Dort drüben steht Venus. Versuch es einmal bei jenem fernen Kinde des Lichts!“
„Die Erscheinung ist wieder da,“ rief Fridolin erfreut, „und zwar in noch höherem Maße als bei der Erde.“
„Die Venus-Atmosphäre scheint etwas dichter als die irdische zu sein.“
So brachten auch die Abende dem Erdensohne gar vieles Schöne, Neue und Interessante.
Nach wenigen Wochen schon war der ganze Berg des Schweigens kanalisiert. Die Arbeitsmaschinen hatten geradezu Wunderbares geleistet; die Kraft der Männer war sehr geschont worden. Nach und nach war die Arbeitskolonie mit sämtlichen Maschinen zu Tale vorgerückt. Aber da fanden die Ankömmlinge nicht mehr die einsame Region vor, die sie verlassen. Zu Tausenden und Abertausenden schafften hier die Marsiten, die sonst die nördliche gemäßigte oder die tropische Zone bewohnten. Überall, soweit das Auge schaute, waren bereits die neuen Kanäle ausgehöhlt, die breiten Hauptadern wie die viel hundertfachen Verzweigungen angelegt. Maschinen waren da aufgestellt, die der Erdensohn nie zuvor gesehen, und deren Zweck ihm doch jedesmal bei genauem Anschauen fast von selbst offenbar wurde, so genial einfach und praktisch war alles, was auf dem Lichtentsprossenen erdacht und konstruiert wurde. Rasch schritt das Auszementieren des neuen Kanalnetzes vorwärts. Die Arbeit drängte, stand doch der lange polare Winter vor der Tür. Vor seinem Eintritt sollte die Kanalisierung bis zur gemäßigten Zone vorgeschritten sein. Dort würde man noch lange arbeiten können, wenn die arktischen Zonen schon in Eisesfesseln lagen. Und hinderte der strenge Marswinter die Arbeit auch dort, dann kanalisierte man den Tropengürtel, der kein Eis kannte.
Aber noch aus einem andern Grunde drängte die Arbeit: das Wasser war wie alles andere auf dem Lichtentsprossenen spezifisch leichter als auf der Erde. Es kochte schon bei sechzig Grad, war folglich auch rascherem Verdunsten ausgesetzt, und dem mußte so schnell wie möglich entgegengearbeitet werden. Natürlich war das Wasser infolge seines geringeren spezifischen Gewichtes auch minder tragfähig; aber das konnte hier nicht in Betracht kommen, standen doch die Schiffe, die in raschem Laufe auf seinem Rücken dahintrieben und die Arbeitenden mit allem Notwendigen versorgten, ebenfalls unter dem Einfluß der geringeren Schwere. Charakteristisch für das Wasser auf dem Lichtentsprossenen waren auch die gewaltigen Wellen, die sich nicht nur auf dem großen Ozeane, der einen Teil der Südhalbkugel deckt, – das einzige ausgedehnte Wasserbecken auf dem Mars, – sondern auch auf den kleineren Seen der Nordhalbkugel beim geringsten Anlaß bildeten. Die im Vergleich zur Erde bei weitem leichteren Wassermoleküle unterlagen geringerer Anziehung der Masse ihres Weltkörpers und stiegen deshalb oft durch den einfachen Vorgang der Wellenbildung ohne besonders heftigen Wind oder gar Sturm zu ganz außerordentlicher Höhe empor. Diesen Vorgang beobachtete Fridolin Frommherz ganz besonders gern.
Als dann der Winter die polaren Zonen auf dem Mars in Eisesfesseln schlug, waren die hauptsächlichsten Arbeiten in diesen Gegenden vollendet, die Arbeiter bereits in die gemäßigte Zone übergegangen. Nie hätte es sich früher der Erdensohn träumen lassen, daß man solche Riesenbauten in so kurzer Zeit durchführen könnte. An einem einzigen Kanale auf Erden wurden oft zehn, fünfzehn und noch mehr Jahre gebaut; hier waren Hunderte von Kanälen in der kurzen Zeit eines polaren Marssommers – doppelt so lang wie ein irdischer Sommer in arktischem Gebiete – hergestellt worden; aber nicht nur Hunderttausende, sondern Millionen hatten da mitgearbeitet. Die Solidarität der Marsiten hatte ein Wunder vollbracht.
Ganz eingestellt wurden die Arbeiten der Marsiten in den polaren Gegenden auch im Winter keineswegs. Die Hauptsache war vollendet; doch galt es, da und dort noch die letzte Hand anzulegen. Auf vorzüglich gebauten, äußerst leichten Segelschlitten glitten die Männer über die Eisflächen bald dahin, bald dorthin. Die Schlitten waren gefüttert und mit einem Zeltdache zum Schutze gegen scharfe Winde versehen. Übrigens war die Kälte, obgleich sie bedeutende Grade erreichte und bis sechzig Grad unter den Nullpunkt sank, leicht zu ertragen, weil die Luft vollkommen trocken, frei von Wasserdampf war. Auf ihren eisernen Kufen glitten die Schlitten dahin wie auf Schlittschuheisen. Das Segelwerk, das aus einer Brigantine und einem Klüversegel bestand, gestattete die Benützung jeder Windrichtung, und wenn es so eingestellt war, daß der Schlitten mit vollem Rückenwinde fahren konnte, war die Geschwindigkeit des leichten Fahrzeuges staunenerregend. Es flog förmlich dahin und schien kaum mehr den Boden zu berühren.
Der Schwabe aber zog in diesen Wintertagen mit der Mehrzahl der Marsiten erst in die gemäßigte, dann in die äquatoriale Region, das große Werk fortführend, das in den Polgebieten begonnen worden war.
Und als die ungeheure Arbeit nach Jahr und Tag glücklich beendet und die alten sozialen Verhältnisse wiederhergestellt worden waren, da zeigte sich die segensreiche Wirkung der Arbeit aller für alle: die vielen und großen Landstrecken, die aus Mangel an Wasser seit längerer Zeit schon brach lagen, sie wurden nun wieder produktiv und lieferten Nahrung. Gärten, die schon verödet waren, erwachten zu neuem grünendem und blühendem Leben.
Überall auf dem Lichtentsprossenen waren alle damit beschäftigt, die letzten Spuren der Wassersnot zu verwischen, der Landschaft wieder ihr altes, glanzvolles Gewand zurückzugeben. Auch der Schwabe hatte an dem Werke des Gemeinwohles redlich mitgearbeitet, hatte mitgegraben, mitgemauert und mitgehämmert. Die Arbeit kam ihm anfänglich schwer und sonderbar vor, mit der Zeit aber gewöhnte er sich an seine neue Art der Beschäftigung. Und diese, verbunden mit dem lebhaften Verkehr mit Marsiten aller Klassen, hatte nach und nach in Frommherz eine große innere Umwandlung hervorgebracht. Hohe Gedanken bewegten ihn.
Das einzigartige Beispiel der Solidarität, das dem Erdensohne hier oben geboten worden, die zarte Sympathie jedes einzelnen Marsiten für seinen Mitbruder, eine Sympathie, die sich überhaupt auf alle fühlenden Wesen erstreckte, hatte ihn zu tiefem Nachdenken angeregt. Er erkannte, daß auf dem Lichtentsprossenen die höchste Stufe der moralischen Kultur tatsächlich erreicht war. Er begriff jetzt, daß in dem Maße, in dem die Gefühle der Liebe und Sympathie und die Kraft der Selbstbeherrschung durch die Gewohnheit verstärkt werden und das Vermögen des Nachdenkens klarer wird, auch der Mensch in den Stand gesetzt wird, die Gerechtigkeit der Urteile seiner Mitmenschen zu würdigen. Erst dadurch vermag dann ein Mensch, unabhängig von den Gefühlen der Freude oder des Schmerzes, die er einen Augenblick hindurch empfindet, seinem Benehmen eine gewisse bestimmte Richtung zu geben.
So war jeder Marsite, dank der sorgfältig geleiteten Entwicklung seiner Geisteskräfte und der natürlichen Moral, gewissermaßen der wirkliche und wahre Richter seines eigenen Betragens. Was den schwäbischen Gelehrten früher bei den Marsiten rein äußerlich schon so sympathisch berührt und mit geheimnisvoller Macht angezogen hatte, er hatte nun in den Jahren der gemeinsamen Arbeit mit ihnen den Schlüssel zu diesem wahren, wissenden, freien und edlen Bruderbunde gefunden. Die gesunde Harmonie zwischen Selbstliebe und Nächstenliebe, das war die Ursache der wunderbaren Moral und des Blühens des Brudervolkes auf dem Mars. Und Frommherz dankte dem Geschick, das ihn zu diesem Volke gebracht, wo er so unendlich viel zu lernen vermocht und sich selbst zu echter Menschenwürde hinauf entwickelt hatte. Langsam zog in ihm ein Sehnen ein, der Apostel wahren Menschentums auf der Erde zu werden. Dort besaß er einen Freund, der Ähnliches einst gewollt. Damals hatte er ihn nicht verstanden. Jetzt wünschte er dem Beispiele Siegfried Stillers, des ausgezeichneten Freundes und Mannes, zu folgen.
Aber zunächst trat ein Ereignis ein, das das Volk des Mars, das soeben an Körper und Geist frisch verjüngt aus dem gewaltigen Kampfe um seine vornehmste Existenzbedingung siegreich hervorgegangen war, in aufrichtige Trauer versetzte. Anan, der Älteste der Alten, der Vorsteher des Stammes der Weisen, hatte den Tribut dem Alter entrichtet und war sanft entschlafen. Ein inhaltsreiches Leben voll Licht und Segen war damit zu natürlichem Abschlusse gelangt. Vertreter aller Stämme eilten nach Angola, um Anan die letzten Ehren zu erweisen und Zeugen der Beisetzung seiner Asche in Angolas Ehrenhalle zu sein, dem Pantheon der Marsiten.
„Dem Boden keine Leichen! Rasch verlodernde Glut umfange auf dem Lichtentsprossenen die erkalteten Schläfen!“ Diese Art der Bestattung war auf dem Mars üblich. Sie galt als die allein würdige und wurde auch als bester Trost für die Hinterlassenen betrachtet. Am dritten Tage nach dem Tode Anans, als die untergehende Sonne mit ihren letzten Gluten purpurfarbene Tinten an den Himmel malte, wurde der offene Sarg mit dem Entschlafenen zur Feuerstätte getragen. Dem flammenden Abendrote gleich, sollte auch Anan leuchtend eingehen in den Schoß der Ewigkeit. Ergreifende Musik wechselte auf dem Wege mit dem Gesange von Trauerliedern.
Als die Nacht hereingebrochen und Anans Asche in eine Urne von schwarzem Marmor gesammelt worden war, wurde diese unter Fackelbeleuchtung nach der Ehrenhalle gebracht, um hier beigesetzt zu werden. „Den Geschiedenen zur Ehre, den Lebenden zum Vorbild,“ das waren die Worte, die in goldenen Lettern über der säulengetragenen Vorhalle prangten, die zu der herrlichen Stätte ewigen Friedens der hervorragendsten Marsiten führte. Eine kleine Nische nahm die Urne auf, und auf einer Marmortafel eingemeißelt befand sich ein kurzer Auszug aus Anans Leben und Wirken. Das Bruderlied der Marsiten, von allen gesungen, schloß die Feier.
Sechstes Kapitel.
Ein tapferer Entschluß
An die Stelle Anans trat Bentan. Das Leben in Angola bewegte sich wieder in den alten, vornehm ruhigen Bahnen der Gleichmäßigkeit. Der Gelehrte hatte sein Werk vollendet. In der ersten feierlichen Versammlung des Stammes der Weisen unter Bentans Vorsitz übergab der Erdensohn sein fertiges Wörterbuch der deutsch-marsitischen Sprache, eine Arbeit von über elf Jahren nach Erdenmaß. Der Dank der Weisen wurde ihm für seine anerkennenswerte Leistung ausgesprochen.
Frommherz war lange mit sich zu Rate gegangen, ob er diesen Augenblick des Abschlusses und der Übergabe seines Werkes nicht dazu benützen solle, dem ihn mehr und mehr beherrschenden Wunsche nach Rückkehr zur Erde passenden Ausdruck zu verleihen. Nach längerem Schwanken entschloß er sich dazu. Mit Bentan selbst hatte er noch nicht darüber gesprochen. Er fand es für besser, zuerst vor den versammelten Vertretern des Stammes der Weisen sein Anliegen vorzubringen und nachher mit Bentan das Nähere zu beraten.
Am Schlusse der Sitzung bat Frommherz um das Wort. In längerer Rede schilderte er, wie sich bei ihm nach und nach der Wunsch entwickelt habe, dahin wieder zurückzukehren, von wo er einst hergekommen war. Nachdem nun seine Aufgabe hier auf dem Lichtentsprossenen erfüllt sei, auf dem er so unendlich viel gelernt, habe er sich eine andere schwere Aufgabe gestellt: in seinem engeren wie weiteren Vaterlande unten auf der Erde eine aller Übertreibung ferne und daher auch allein vernünftige Nächstenliebe in der Weise zu lehren, wie sie hier oben ausgeübt werde, Jünger für seine Lehre zu werben und den Versuch zu machen, diesen praktischen und segensreichen Altruismus der Marsiten in der öffentlichen Meinung seiner alten Heimat mehr und mehr einzubürgern. Der fragwürdigen Kultur der Gegenwart mit ihrer Lüge und rohen Selbstsucht wolle er im Vereine mit andern energisch entgegentreten und gegen sie kämpfen, damit den später geborenen Geschlechtern endlich ein Leben der Wahrheit, der Nächstenliebe und des Frohmutes beschieden sein möge. Die Menschlichkeit werde dann eine wirklich vollendete Tatsache, nicht mehr bloß ein Begriff und nur in Gedanken vorhanden sein.
„Erst langsam, Schritt für Schritt erklomm ich unter eurem Einflusse den Weg zur sonnenbeschienenen Höhe abgeklärter Lebensauffassung,“ fuhr Frommherz fort. „Nun erst verstehe ich voll und ganz auch die Handlungsweise meiner Freunde, als sie von hier fortzogen, während ich damals wähnte, daß sie eine übereilte Tat, eine unentschuldbare Torheit begangen hätten. Eine späte Erkenntnis, nicht wahr? Würde ich nicht eure Gesinnungen, eure hohe Denkweise genau kennen, so würde ich die Frage einer Rückkehr niemals zur Sprache gebracht haben. So aber weiß ich, daß ihr meine Handlungsweise von heute begreift. Ich bin gewiß, daß ihr meine Bitte in ernste Erwägung ziehen und sie auch gern erfüllen werdet, falls ihr nicht Unmöglichkeiten der verschiedensten Arten entgegenstehen, die ich nicht zu beurteilen vermag.“ Mit diesen Worten schloß Fridolin Frommherz seine Rede, die von der Versammlung mit großer Aufmerksamkeit angehört worden war.
„Zieh dich für einige Augenblicke zurück, lieber Freund Fridolin. Wir wollen sofort über dein Anliegen beraten und werden dich nachher rufen lassen, um dir unsere Entscheidung mitzuteilen,“ bat Bentan freundlich.
Der Erdensohn gehorchte. Seine Stimmung war eine gehobene, fast stolze, als er den Saal verließ, um im Garten vor dem Palaste umherzugehen, bis er zur Entgegennahme der Antwort auf seine Rede wieder gerufen werden sollte. Wie ganz anders empfand er doch heute als vor mehr denn elf Jahren am gleichen Orte! Bedrückt, wirr, unsicher, zerfallen mit sich selbst und seinen Freunden, im Kampfe widersprechendster Gefühle war er damals aus dem Saale fortgegangen, und heute beherrschte ihn eine tiefe Genugtuung darüber, daß er sich endlich selbst wiedergefunden und den Vorschlag des Fortgehens vom Mars von sich aus, freiwillig gemacht hatte. Er konnte in der Zukunft den Marsiten nichts mehr von wirklicher Bedeutung bieten als Gegenwert für die an ihm geübte großartige Gastfreundschaft. Dies sah er klar ein. Die Tat seiner Freunde erschien ihm heute in ihrer vollen sittlichen Größe. Ob sie wohl damals die Erde, die Heimat wieder erreicht hatten, die Tapfern? Ob er sie wiedersehen würde?
In dem Maße, als er sich selbst mit dem Gedanken der Rückkehr vertraut gemacht hatte, beschäftigte er sich auch mehr mit den fernen Freunden. Die Gefahren und Entbehrungen der Reise durch den Weltenraum schlug Frommherz nicht mehr so hoch an. Die Erinnerung an die Leiden der Herfahrt war bei ihm im Laufe der vielen Jahre ziemlich verblaßt. Auch vertraute er der technischen Überlegenheit der Marsiten, die sie so oft schon bewiesen, daß er an einem richtigen Gelingen der Reise nicht im geringsten zweifelte.
Trotz seiner fünfzig Jahre, die der Gelehrte nun zählte, sprang er noch elastischen Schrittes die breite Treppe hinauf, die zum Saale führte, als er gerufen wurde. Feierliche Stille herrschte in dem großen Raume. Die wohlwollenden Blicke der Alten ließen den Schwaben einen günstigen Ausgang seiner Sache hoffen.
„Mein lieber Freund und Bruder,“ begann Bentan zu sprechen. „Dein Entschluß, zur Erde zurückzukehren, um dort in der uns geschilderten Weise tätig zu sein, ehrt dich und findet auch unsere vollste Billigung. Er hat uns mehr erfreut als überrascht, denn wir alle, Anan schon vor Jahren, sahen voraus, daß du dauernd bei uns doch nicht bleiben würdest. Dein Entschluß hat uns deshalb besonders gefreut, weil er uns beweist, daß du gleich deinen Gefährten, die bei uns geweilt, derselbe wackere Mann und Schwabe bist, für den wir dich immer hielten. Wir werden uns mit dem Stamme der Findigen und der Ernsten in Verbindung setzen, damit deinem Wunsche so bald wie möglich entsprochen werden kann. Du sollst zu jenem fernen Kinde des Lichtes gebracht werden in ähnlicher Weise, wie du einst von dort zu uns kamst. Und nun kann ich dir im Namen meiner Brüder hier eröffnen, daß wir beschlossen haben, dein Bild und die Gedenktafel nach deiner Abreise an der Stelle dieses Saales anbringen zu lassen, die hiefür schon so lange vorher bestimmt war.“ Ein feines Lächeln huschte bei diesen Worten über Bentans geistvolles Gesicht. „Die sieben Schwaben, die einzigen Erdensöhne, die je auf dem Lichtentsprossenen gewesen und auf ihm gelebt, sie sind dann im Bilde und in der Erinnerung für immer bei uns harmonisch vereint. Von Herzen wünschen wir dir schon jetzt, daß du die trauten Stätten deiner Kindheit und Jugend nach so langer Abwesenheit glücklich wiedersehen mögest. Glaube mir, lieber Freund Fridolin, niemand reißt sich ungestraft aus dem Boden, aus dem er entsprossen, und in dem allein die festen Wurzeln seiner Existenz liegen. Die Wahrheit dieses Satzes hast du ja auch an dir selbst erfahren dürfen. Triffst du deine sechs Freunde und Brüder unten auf der Erde gesund wieder an, was wir hoffen wollen, so überbringe ihnen unsere innigsten Grüße. Sage ihnen, daß wir ihr Andenken in hohen Ehren halten, und daß wir es einem heiligen Vermächtnisse gleich ungeschmälert unsern Nachkommen überliefern werden. Zieh hin in Frieden, mein Freund! Bewahre auch du uns nach deiner Abreise dieselbe treue Gesinnung, die wir dir stets bewahren werden.“
Nach Bentan erhob sich Eran, der die Last seiner Jahre noch mit erstaunlicher Kraft trug und von seiner Geistesfrische noch nicht das geringste eingebüßt hatte.
„In der Nähe von Lumata sind die kühnen Erdensöhne einst mit ihrem Luftschiffe angekommen,“ sprach er. „Von dort aus haben sie auch, bis auf Freund Fridolin, die Heimreise angetreten, nachdem sie lange Zeit meine lieben Gäste gewesen. Und so möchte ich nun die Bitte aussprechen, daß die Rückkehr des letzten Schwaben ebenfalls von jener historischen Stätte in Lumata aus erfolgen möge. Bis zu seiner Abreise lade ich Freund Fridolin ein, bei mir wieder sein altes Heim beziehen zu wollen.“
„Deiner Einladung, ehrwürdiger Eran, leiste ich gern Folge,“ antwortete der Gelehrte.
„Gut, so soll auch der Bitte unseres Bruders Eran entsprochen werden und die Abfahrt so bald wie möglich von Lumata aus stattfinden,“ entschied Bentan.
Am Abend des denkwürdigen Tages saß Fridolin Frommherz zum letzten Male mit Bentan auf der Terrasse von dessen Hause. Morgen wollte er Angola verlassen, um mit Eran zusammen nach Lumata zu ziehen.
„Habe ich dich nicht heute mit dem Entschlusse meiner Rückkehr zur Erde überrascht?“ fragte er seinen Gastgeber.
„Durchaus nicht!“ entgegnete Bentan ruhig. „Ich erwartete die Äußerung dieses Wunsches und finde, daß du für ihn sehr geschickt den richtigen Augenblick gewählt hast.“
„Ja, der Gedanke, den Lichtentsprossenen zu verlassen, hat unendlich lange Zeit bei mir zum Reifen gebraucht,“ erwiderte Frommherz.
„Das wirklich Gute bedarf immer einer angemessenen Zeit zur Entwicklung.“
„Gewiß! Ob ich nicht aber schon früher hätte fortziehen sollen?“
„Ich glaube nicht. Ich habe den Eindruck, daß du zur richtigen Zeit den richtigen Weg gefunden hast. Deine Arbeit hier ist vollendet. Du warst uns auch nebenbei in den Jahren der Gefahr und Not ein schätzenswerter, fleißiger Beistand. Und jetzt, wo du dich uns gegenüber durch deine Gegenleistungen von jeder moralischen Verpflichtung gewissermaßen befreit hast, konntest du deiner Bitte auch den berechtigtsten Ausdruck verleihen.“
„Es freut mich aufrichtig, daß du so denkst, ehrwürdiger Bentan.“
„Nun, mein lieber Freund Fridolin, bist du jetzt nicht selbst froh darüber, daß ich dir einst abriet, eine Ehe hier einzugehen? Sieh, damals schon ahnte ich das, was heute gekommen ist. Ich wies auf die Stunde hin, die möglicherweise erscheinen könnte, in der du gern frei über deine Person verfügen möchtest. Heute hat diese Stunde geschlagen.“
„Du warst der sie Ahnende, der Weitsichtige, dafür danke ich dir. Aber trotzdem, als Gatte Bentas würde ich wohl niemals den Gedanken einer Rückkehr gefaßt haben.“
„Nicht du ihn, er aber dich. Doch gleichviel, es ist gut so, glaube es mir, lieber Fridolin,“ erwiderte Bentan lächelnd.
„Benta, mein Kind, komm zu uns,“ bat der Alte seine Enkelin, die soeben auf der Terrasse erschien, um nach dem Großvater zu sehen. „Bringe deine Harfe und erfreue uns mit deinem Spiele. Es ist, wie du ja weißt, Freund Fridolins letzter Abend, den er hier bei uns verbringt. Verschönere ihn noch durch Musik und Gesang.“
Benta, herangereift zur voll entfalteten Schönheit des Weibes, entsprach sofort der Bitte des Großvaters. Welch wunderbare Töne die Marsitin diesen Abend ihrem Instrumente zu entlocken verstand! Noch nie zuvor wähnte Frommherz Benta so meisterhaft spielen gehört zu haben. Und der Gesang! Welch eine Summe von Gefühlen der Freude und Sehnsucht, stillen Schmerzes und unbestimmbaren Wehs löste er nicht im Empfinden des Sohnes der schwäbischen Erde aus!
Als Benta geendet hatte, stand der Gelehrte auf und reichte ihr tief ergriffen mit Worten herzlichen Dankes die Hand. „Lebe wohl, Benta! Nie werde ich deiner vergessen. Für immer wird mit der Erinnerung an meinen langen Aufenthalt hier oben auch dein strahlendes Bild verknüpft sein. Möge dir die Zukunft alles Gute in dem reichen Maße bringen, wie du es verdienst. Das wünsche ich dir zum Abschiede.“
„Auch ich werde dir stets ein freundliches Erinnern bewahren,“ antwortete Benta herzlich. „Wenn ich später Gattin und Mutter geworden bin, so werde ich meinen Kindern von dem wackern Freunde unseres Hauses, dem fernen Erdensohne, erzählen, der sich bei uns so heimisch gefühlt, und dessen Andenken wir alle dauernd in Ehren halten. Nimm dieses Andenken von mir mit dir! Reise glücklich!“ Nochmals ein inniger Händedruck, und Benta war eilenden Schrittes im Hause verschwunden.
Frommherz hielt in seiner Hand ein kleines Etui. Als er es öffnete, fand er in ihm ein meisterhaft ausgeführtes, edel eingerahmtes Miniaturbild Bentas.
„Welch große Freude macht mir dieses Bild,“ rief Frommherz beglückt. „Ich werde das kostbare Andenken zu schätzen wissen.“
„Daran zweifeln wir nicht,“ bemerkte Bentan. „Erlaube mir, daß der Großvater sich auch zur Enkelin gesellt.“ Mit diesen Worten übergab er seinem Gaste ein gleiches Etui mit seinem Bilde.
„Ihr beschenkt mich, der so wie so für immer euer Schuldner bleiben muß.“
„Sprich nicht davon! Nun laß auch mich dir Lebewohl sagen, denn morgen früh, bevor ich aufstehe, bist du schon fort von hier. Mögest du glücklich die Erde und deine Heimat wieder erreichen! Unsere aufrichtigsten Wünsche für dein Wohlergehen begleiten dich.“ Bentan umarmte den Erdensohn, küßte ihn auf die Stirn und zog sich dann still in sein Gemach zurück.