Kitabı oku: «Vom Mars zur Erde», sayfa 5
Siebentes Kapitel.
Vorbereitungen zur Rückkehr
Eine geraume Zeit schon befand sich Fridolin Frommherz wieder in seinem alten Heim in Lumata. Die Kunde von seiner bevorstehenden Abreise nach der Erde war ihm von Angola aus nach Lumata vorausgeeilt, und als er mit dem würdigen Eran dahin zurückkehrte, war sein Empfang überall recht herzlich. Aus dieser Aufnahme an dem alten Orte seines ersten Aufenthaltes fühlte der Gelehrte deutlich heraus, wie die Marsiten seinen Entschluß beurteilten. Unverhohlen wurde ihm jetzt eine Achtung gezeigt, die ihm einst, nach der Trennung von seinen Gefährten, in diesem Umfange nicht bewiesen worden war.
Mit Energie wurde an der Herstellung des Luftschiffes gearbeitet, das in jeder Hinsicht befähigt sein mußte, nicht nur den Weltenraum zu durchschneiden, sondern auch die Marsiten, die des Erdensohnes Begleitung bilden sollten, wieder auf den Lichtentsprossenen zurückzubringen. Die großartige Entwicklung der technischen Wissenschaften auf dem Mars ermöglichte die verhältnismäßig rasche Konstruktion eines den höchsten Anforderungen genügenden Luftschiffes. Trotzdem aber verstrichen mit der Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe noch mehrere Monate.
Inzwischen wurden in Fridolins Herz wieder mehr und mehr die alten Erinnerungen wach. Waren es doch nun schon vierzehn Jahre, seit er von Cannstatts Wasen unter großem Hallo der Bevölkerung, unter dem Hurra von Hunderttausenden aus nah und fern Herbeigeeilter abgefahren war. Das fünfzehnte Jahr nach Erdenmaß war angebrochen, und noch immer weilte er in Lumata. Jetzt brauchte es nur noch weniger Wochen Geduld, und die ernste Stunde des Abschiedes für immer vom Mars und seinem edlen Volke sollte schlagen. Für diese Riesenreise wurde alles in tadelloser, umsichtiger Weise vorbereitet. Täglich wanderte der Erdensohn hinaus auf die ihm wohlbekannte Wiese, auf der einst der „Weltensegler“, das Luftschiff, das ihn und seine Gefährten hierhergebracht hatte, niedergegangen war, und auf der nun auch sein Luftschiff gebaut wurde, und verfolgte den Fortschritt der Arbeit.
Wenn Fridolin Frommherz auch die technischen Schwierigkeiten bei der Herstellung eines Weltfahrzeugs von Cannstatt her nicht gänzlich unbekannt waren, so vermochten doch die verwickelten Berechnungen, die dem kunstvollen Bau zu Grunde lagen, sein Interesse nicht dauernd zu fesseln. Er hatte allen Respekt vor der Technik und der mathematischen Wissenschaft, aber kein richtiges Verständnis für sie. Ja, wenn Siegfried Stiller, sein Freund, der berühmte Astronom, noch hier gewesen wäre! Der hatte einst den „Weltensegler“ bauen lassen nach seinen eigenen Berechnungen, hatte sich alle bislang auf Erden errungenen technischen Fortschritte und Erfahrungen zunutze gemacht und hatte ein Werk geschaffen, das die Bewunderung aller Kulturnationen der Erde gewesen. Wie würde Freund Stiller gestaunt haben, hätte er das Luftschiff der Marsiten sehen und seinen raschen Bau verfolgen können!
Wie Freund Stiller so bauten auch die Marsiten nach dem starren System. Aber hier auf dem Lichtentsprossenen war alles viel einfacher, selbstverständlicher, fügte sich viel müheloser ineinander als beim „Weltensegler“ und war vor allem viel leichter als bei diesem. Denn wie alles andere, so stand auch die Technik hier auf einer auf Erden nicht gekannten erstaunlichen Höhe. Da wurden Metallegierungen hergestellt, die in Bezug auf Leichtigkeit und Widerstandsfähigkeit alles auf Erden Gekannte weit in den Schatten stellten.
Mit einer nahezu undurchdringlichen Stoffhülle aus seidenartigem Gewebe wurde der Ballon wie mit einer schützenden Außenhaut umgeben. Zwischen dieser und dem eigentlichen Ballon befand sich ein isolierender Luftraum, der gleichsam eine Vermittlung zwischen den eisigen Temperaturen des Ätherraumes und den gemilderten Temperaturen des Balloninnern herstellen und einer Abnahme des Ballonvolumens infolge zu starker Abkühlung entgegenwirken sollte.
Und wie bequem war die Gondel eingerichtet! Da war nichts vergessen, was eine wochenlange Reise durch den eisigkalten, lichtlosen Ätherraum erträglich gestalten konnte. In der Gondel befanden sich aber auch die exaktesten Meßapparate, alles zu Höhen- und Positionsbestimmungen innerhalb der Atmosphäre des Mars oder der Erde Erforderliche, auch die Vorrichtungen zur Handhabung der Höhen- und Seitensteuer, große Mengen fester, komprimierter Luft nebst einem außerordentlich handlichen Zerstäubungsapparat, aufgespeicherte Elektrizität teils zur Fortbewegung, teils zur Beleuchtung und Wärmeerzeugung; wurde doch die Temperatur im Ätherraum auf hundertundzwanzig bis hundertundfünfzig Grad unter Null geschätzt! Die an den Wänden angebrachten Lagerstätten ließen sich in die Höhe klappen, wodurch tagsüber bedeutend an Raum gewonnen wurde. Auf die praktischeste Weise waren Nahrungsmittel und andere Vorräte ebenfalls an den Wänden untergebracht.
Fridolin Frommherz hatte das Gefühl, als könne seinen Freunden vom Mars eine Weltenfahrt überhaupt nicht mißlingen, und freute sich über die sichtbaren Fortschritte, die der Bau des eigentümlichen, seiner Vollendung mehr und mehr entgegengehenden Luftschiffes machte. Ihm zu Ehren sollte es den Namen „Fridolin Frommherz“ tragen.
Als die große Arbeit endlich vollendet und der Tag der Abreise bestimmt worden war, erboten sich fünf Marsiten aus dem Stamme der Ernsten und der Findigen als freiwillige Begleiter des Erdensohnes. Es waren Sirian, der Erbauer des Luftschiffes, der nun auch sein Lenker sein wollte, Zaran, Parsan, Alan und Uschan. Zaran war ein Neffe des alten Eran. Der kühne Flug sollte am fünfunddreißigsten Tage der „Zeit der Ruhe“ angetreten werden. Fridolin Frommherz zählte nach Erdenrechnung den siebenten Februar.
Am Abend vorher gab Eran dem Scheidenden zu Ehren ein Gastmahl, zu dem von allen Seiten die Eingeladenen herbeiströmten. Auf blumengeschmückter Tafel wurde dem Erdensohne noch einmal alles dargebracht, was der Lichtentsprossene Herrliches an Früchten, Fischen und ähnlichen Dingen zu bieten vermochte. Die ersten Künstler aus dem Stamme der Frohmütigen verschönten mit Musik und Gesang und erhebenden Vorträgen den Abend. Dann erhob sich Eran, der ehrwürdige Greis. In längerer Rede warf er einen Rückblick auf den einstigen Besuch der sieben Schwaben, von denen der eine nun so viele Jahre länger unter den Marsiten geweilt und die bei ihnen bestehenden allgemeinen wie besonderen Lebensbedingungen am gründlichsten kennen zu lernen Gelegenheit gehabt habe. Daß Freund Fridolin gleich seinen Brüdern sich unten auf der Erde dem großen Werke der Menschenverbrüderung widmen wolle, das sei der Grund seiner Rückkehr, den er, Eran, in seinem ganzen sittlichen Umfange zu schätzen wisse. Möchte dem Tapfern ein schöner Erfolg beschieden werden! In Lumata aber solle nun das schon längst geplante Denkmal ausgeführt werden, das bestimmt sei, für immer die Erinnerung an den Besuch der Erdgeborenen an dieser Stelle festzuhalten.
Als der ehrwürdige Greis im Silberhaar geendet hatte, dankte Fridolin Frommherz mit wenigen, aber tiefempfundenen Worten für all das Gute und Schöne, das ihm auf dem Lichtentsprossenen zuteil geworden, und das er nie vergessen werde. Die Sehnsucht nach dem Mars-Paradiese und die Erinnerung an die schönste Zeit seines Lebens werde ihn nie verlassen, ebensowenig aber werde er jemals vergessen, welcher Höhe der Kultur die Menschheit fähig sei, und was er auf dem Lichtentsprossenen gelernt, werde er auf Erden zu verwirklichen suchen. Dann habe er nicht umsonst gelebt.
Musik und Gesang schlossen die schöne Feier.
Dann kam für Fridolin Frommherz die letzte Mondnacht auf dem Mars mit all ihrem Zauber zweier Leuchten. Noch einmal wanderte er ganz allein hinaus vor die Stadt, atmete noch einmal in tiefen Zügen die wunderbar weiche und doch würzige Luft, schaute trunkenen Auges den fast durchsichtig klaren Himmel und die vielen, unzähligen Welten, die da oben in eigenem oder erborgtem Glanze strahlten, und gelobte sich noch einmal, den Glauben festzuhalten an den endlichen Sieg des Guten. So, wie es auf dem Lichtentsprossenen war, mußte es einmal auf Erden werden. Kein Mißerfolg würde künftig diese Zuversicht zu erschüttern vermögen.
In gehobener Stimmung kehrte der Erdensohn in Erans gastliches Heim zurück, um noch ein paar Stunden der Ruhe zu pflegen.
Wie einstmals, als Fridolins sechs Gefährten schieden, so zog auch diesmal Eran mit der gesamten Bevölkerung Lumatas am andern Tage in aller Frühe mit dem Abreisenden hinaus auf die historisch gewordene Wiese. Ein Händeschütteln, laute Zurufe glücklicher Reise von allen Seiten, eine letzte Umarmung Erans, dann bestieg Fridolin Frommherz als letzter die Gondel. Die Taue wurden gekappt; das Luftschiff setzte sich in pfeilschnelle Bewegung und trug den kühnen Schwaben hinweg aus dem Paradiese des Mars der heimatlichen Erde zu.
Achtes Kapitel.
Auf der Fahrt im Weltraum
Einen langen Abschiedsblick voll Liebe und Dankbarkeit warf Fridolin Frommherz aus seiner luftigen Höhe hinab auf den Lichtentsprossenen, auf dem er so viel Gutes genossen, wo sein ganzes inneres Wesen umgeformt worden war. Den inhaltreichsten Abschnitt seines Lebens hatte er da verlebt. Nie würde er den strahlenden Bruderplaneten seiner irdischen Mutter wieder betreten. Wie in flüssiges Gold getaucht flimmerten und funkelten da unten die langen Wasserlinien der Kanäle, die er mit hatte bauen helfen. Es war, als wiche die Landschaft da unten zu des Erdensohnes Füßen immer mehr zurück, als wäre sie es, die sich fortbewegte, als stände das Luftschiff still, so sicher und ohne Schwankung trug es seine Insassen in die Höhe. Schon waren die Freunde da unten kaum noch als winzige Punkte sichtbar; Bäume und Bauten erschienen wie kurze Striche. Und bald schwanden auch sie; es blieb nur das sonnige Glitzern und Flimmern, das auf der vergoldeten Landschaft lag, bis auch dieses erlosch und beim Verlassen der Marsatmosphäre die Nacht des Ätherraumes die kühnen Luftschiffer umfing.
Künstliches Licht, künstliche Erwärmung, künstliche Luftverteilung waren in Tätigkeit getreten. Man begann, es sich in der Gondel bequem zu machen, die fünf Marsiten natürlich nur, soweit es ihnen der strenge Dienst gestattete. Fridolin Frommherz, der einzige Passagier, aber richtete sich nach Geschmack und Gutdünken ein. Seinem Wunsche gemäß sollte auch er zuweilen zur Bedienung der Instrumente Verwendung finden; doch war er naturwissenschaftlich und technisch zu wenig geschult, um regelmäßigen Dienst an verantwortungsreichen Posten tun zu können. So blieb ihm freie Zeit in Fülle.
Die Schrecknisse einer Weltenreise hatte der Erdensohn schon einmal durchgekostet. In den vierzehn Jahren, die darüber verflossen waren, war die Erinnerung daran stark verblaßt. Jetzt lebte sie allmählich kräftiger wieder auf. Besonders lebhaft standen ihm zwei Dinge vor Augen: die Langeweile, die ihn und seine Gefährten von damals geradezu krank gemacht hatte, als die Reise nach monatelanger Dauer noch immer kein Ende nahm, als der Aufenthalt in der engen Gondel unerträglich geworden, und die Sparsamkeit, die ihnen damals in Bezug auf den Wasserverbrauch auferlegt gewesen war. Die Langeweile würde sich diesmal bei Fridolin Frommherz weniger fühlbar machen, war er doch ein anderer, ein geistig Höherstehender geworden, der diese letzten Wochen des Verkehrs mit Marsiten wohl auszunutzen wissen würde; auch würde bei der außerordentlich entwickelten Technik und bei der Geschicklichkeit der Marsiten die festgesetzte Reisedauer von drei Monaten kaum überschritten werden.
Wie aber stand es mit dem Wasserverbrauch? Fridolin sah sich um. Das neben seinem Bett befindliche und wie dieses aufklappbare Waschbecken schien ihm größer als einst beim „Weltensegler“ zu sein. Durfte er daraus auf größere Mengen mitgenommenen Wassers schließen? Wo das wohl untergebracht sein mochte? Zaran, der Neffe des alten Eran, begegnete seinem suchenden Blick.
„Fehlt dir etwas, Fridolin?“ fragte er freundlich. „Gern erfüllen wir deine Wünsche, wenn das im engen Gondelinnern möglich ist.“
„Hab’ Dank, Zaran!“ erwiderte der Erdensohn. „Mir fehlt nichts. Ihr habt ja so vortrefflich für alles gesorgt. Ich fragte mich bloß, wo ihr die für die lange Reise notwendige Wassermenge untergebracht habt. Der eiserne Behälter dort und die wenigen wasserführenden Röhren dürften doch wohl nicht genügen.“
„Komm mit!“ sagte der Marsite lachend und führte den Erdensohn zu einem sehr kompliziert aussehenden Apparate, den er durch einen leichten Druck mit der Hand in Tätigkeit setzte. Ein frischer Windhauch strich da plötzlich über Fridolins Stirn. Er atmete mit Wonne die rasch sich erneuernde Luft. Nach wenigen Augenblicken sah er, wie an einem Teile des Apparates sich kleine Wassertropfen sammelten und in einen eigens zu diesem Zwecke vorhandenen Behälter flossen.
„Woher kommt das Wasser?“ fragte er erstaunt.
„Aus der verbrauchten Luft,“ antwortete der Marsite, und als Fridolin Frommherz ihn nicht zu verstehen schien, fuhr er fort: „Siehst du, lieber Freund, das ist unser System der Sparsamkeit, das wir überall zu üben gewohnt sind. Es darf in unserm Haushalte nichts verloren gehen. Dieser Apparat hier ist so konstruiert, daß ich aus ihm nicht nur die Luft erneuern, sondern auch in ihm die verbrauchte Luft sammeln kann. Die letztere spaltet sich wieder in ihre Elemente, die alsbald von neuem verwertet werden können. Was aber an Wasserdampf in ihr vorhanden ist, das zwingen wir zum Niederschlag, zur Sammlung in diesem Behälter.“
„Wie sinnreich! Wie außerordentlich praktisch!“ rief Fridolin froh erstaunt. „Aber wird uns das so gewonnene Wasser auch genügen?“
„Nein, lieber Freund, sicherlich nicht! Ich wollte dir bloß zeigen, wie man sparen kann. Wir führen außer einer ziemlich beträchtlichen Menge natürlichen Wassers auch alles zur künstlichen Wasserbereitung Notwendige mit uns. Sei also ohne Sorge! An Wasser werden wir auf der langen Reise keinen Mangel leiden.“
Da winkte Sirian, der am Steuer stand, den Erdensohn zu sich heran.
„Willst du einen Blick auf unsere große nächtliche Leuchte werfen?“ fragte er. „Die kleine hast du bereits im Gespräch mit Zaran verpaßt.“
Rasch trat Fridolin an das vordere Fenster.
„Nein,“ sagte Sirian, „sieh hier hinaus!“ Dabei schob er eine am Boden der Gondel befindliche Klappe zurück. Darunter befand sich ein kleines, festverschlossenes Fenster aus glimmerartiger Substanz. Durch dieses bot sich Fridolin Frommherz ein wundervoller Anblick. Das Luftschiff schwebte gerade mitten über Deimos, dem großen Marsmonde. Gewaltige gelbbraune Bergriesen starrten zwischen weiten, öden Sandflächen empor. Alles kahl, leer, ausgebrannt, aber bestrahlt von solch grellem Sonnenlichte, daß Fridolin Frommherz geblendet die Augen schloß und sich vom Fenster abwandte. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Sirian in flinker Tätigkeit mit einem Apparate, der einem Fernrohre glich und doch wieder eine Menge Teile zeigte, die ein Fernrohr sonst nicht zu besitzen pflegt.
„Was macht Sirian da?“ fragte er leise, um den Arbeitenden nicht zu stören, den ebenfalls herbeigekommenen Uschan.
„Photographische Aufnahmen der Mondlandschaft,“ erwiderte dieser ebenso leise. „Wir verbinden mit deiner Heimbeförderung nach der Erde noch eine Reihe wissenschaftlicher Aufgaben. Ist doch Sirian einer unserer bedeutendsten Astronomen. Du wirst noch mehr als einmal zu staunen Gelegenheit haben.“
„Werdet ihr auch den Mond der Erde besichtigen?“ fragte Fridolin.
„Diesen erst recht. Nach unsern eigenen nächtlichen Leuchten, die wir übrigens aus unsern sehr scharfen Fernrohren schon genau kennen, gelangen wir eher wieder einmal, nach der Erde und deren Monde nicht wieder.“
„So werdet ihr euch wenigstens eine Zeitlang auf Erden aufhalten, euch ausruhen, erholen und dabei ihre Einrichtungen studieren?“
„Nein, lieber Freund,“ erwiderte Uschan. „Wir haben die strikte Weisung sofortiger Rückkehr. Uns genügt die Schau von oben aus der Luft herab. Da sehen wir zur Genüge, was die Erde als Weltkörper ist und zu bedeuten hat. Ihre Einrichtungen kennen wir durch dich und deine Brüder. Unsere Kultur ist die ältere, vorgeschrittenere; wir können von euch nichts lernen. Das Ziel der Menschenentwicklung aber liegt vorwärts, nicht rückwärts.“
Fridolin Frommherz schwieg. Was hätte er auch darauf erwidern können? Uschan hatte nur allzusehr recht. Die irdischen Einrichtungen mußten Menschen von so hoher Kultur, wie es die Marsiten waren, barbarisch erscheinen.
„Sage einmal, Freund Fridolin,“ wandte sich Sirian, der seine augenblickliche Arbeit vollendet hatte, an den Erdensohn, „wie kamt ihr da unten auf der Erde auf den Gedanken, unserm Lichtentsprossenen den Namen „Mars“ zu geben?“
Fridolin Frommherz überlegte eine Weile.
„Sein rötliches Licht mag wohl die Ursache zu seiner Benennung gewesen sein,“ sagte er dann. „Es lebte auf Erden einmal ein starkes, kriegerisches Volk. Dem galt Tüchtigkeit im Kampfe, Mut und Ausdauer und Tapferkeit in solchem Maße als höchste Tugend, daß es sich eigens einen Gott des Krieges formte. Mars benannte es ihn. Phobos und Deimos waren seine Söhne.“
„Was aber haben wir und unsere Monde mit einem phantastischen Gotte des Krieges zu schaffen? Wir kennen keinen Krieg, nur friedliche Schlichtung aller Streitfragen. Einmal freilich hat es auch bei uns Zeiten gegeben, da Bruderblut floß. Mit Grauen und Abscheu gedenken wir ihrer heute. Seit Jahrtausenden schon sind sie überwunden.“
„Hätte man unten auf der Erde von euch und eurer hohen Kultur gewußt,“ sagte Fridolin, „man hätte euerm Planeten sicherlich einen würdigeren Namen gegeben. So aber mahnte sein rötlicher Glanz die Menschen an die blutige Fackel des Krieges, und der Name des Kriegsgottes ward zu dem euren.“
* * *
Mehrere Wochen schon waren Fridolin Frommherz und die fünf kühnen Marsiten unterwegs. Störungen waren nicht eingetreten. Fast täglich waren kleine Meteoriten, von der Größe des Luftschiffes angezogen, auf dieses gestürzt, ohne ihm Schaden zuzufügen. Einmal war es auch einer wahren himmlischen Kanonade von lauter kleinen Wurfgeschossen ausgesetzt gewesen, und Fridolin Frommherz fing es schon an etwas unheimlich zumute zu werden – eine breite Narbe auf seiner Stirn legte Zeugnis ab von einer früheren Begegnung mit einem Meteoritenschwarm – aber auch der ging diesmal vorüber, ohne Schaden zu stiften.
Die wissenschaftlichen Apparate waren in beständiger Tätigkeit und erforderten so große Aufmerksamkeit von seiten der fünf Marsiten, daß der Erdensohn meist auf sich allein und die eigene Gesellschaft angewiesen war. Trotzdem zeigte sich das Gespenst der Langweile nur sehr selten. Denn was gab es nicht alles in diesem Gondelinnern zu sehen, zu lernen, in das Tagebuch einzutragen! Einen breiten Ring von Meteoren hatte das Luftschiff vorhin durchschnitten. Viele hundert Millionen Kilometer sollte seine Länge, Hunderttausende von Kilometern die Tiefe und die Breite betragen – wer vermochte sich das vorzustellen?
Fridolin Frommherz schüttelte den Kopf.
„Mit solchen Zahlen bin ich nicht zu rechnen gewöhnt,“ sagte er; „es ist mir unmöglich, eine klare Vorstellung damit zu verbinden.“
Da rief ihn Sirian an das Teleskop.
„Sieh hier, wonach ich suchte! Nach unsern Erfahrungen der König eines jeden Meteoritenringes.“
Ein lautes, bewunderndes Ah! entschlüpfte Fridolins Lippen. Ein Komet! Ein glänzender König inmitten seiner dunkeln Dienerschar. Es war ein Komet mit wunderbar leuchtendem Kopfe, von schimmernder Nebelhülle umgeben und einem sich über Hunderttausende von Kilometern erstreckenden glänzenden Schweife. Und durch diesen Schweif hindurch schimmerte ein Stern, eine Sonne, die noch millionenmal weiter entfernt war als der schöne Fremdling inmitten des Meteoritenschwarmes. Und so wunderbar hell leuchtete der Stern, als ob keine verschleiernde Hülle zwischen ihm und dem menschlichen Auge läge. Wie leicht und durchsichtig und luftig die gasförmige Substanz eines solchen Kometenschweifes sein mußte!
Zuweilen zeigte Sirian dem Erdensohne Sterne, die aus weiter, nachtschwarzer Ferne auftauchten, wenn das Luftschiff auf seiner Fahrt die Lichtstrahlenbahn eines solchen Gestirnes kreuzte. Dann trat Sirians wundervolles Teleskop wieder in Tätigkeit, und was er da Fridolin Frommherz vor Augen führte und erklärte, machte diesen fast schwindeln. Es eröffnete sich ihm ein Blick in die wahre Weltgeschichte, in den Werdegang der Himmelskörper, wenn er die zahllosen Sonnen im unbegrenzten Raume, im schrankenlosen All ihre verschlungenen Bahnen ziehen sah, wenn er leuchtende, über ungeheure Räume des Himmels verteilte Nebelflecke durch das Spektroskop als sehr verdünnte, glühende Gasmassen erkannte, wenn er an andern Stellen die Nebelflecke sich bereits zu Sternen verdichten sah – Nebelflecke, die vielleicht in so unberechenbaren Fernen lagen, daß das von ihnen ausgehende Licht wohl Hunderte von Jahren unterwegs gewesen war, ehe es Fridolins Auge traf. Da sollten sich seine Augen und seine Gedanken, die Augen und die Gedanken eines kleinen Menschenkindes, an ein fortwährendes Kreisen von wirbelnden, leuchtenden Welten gewöhnen, die sich ruhelos im Universum jagten, eine jede mit eigener Bewegung, eine jede auf ihrer eigenen Bahn und doch alle gehorchend denselben unabänderlichen Gesetzen. Myriaden von lodernden Sternen, werdenden und gewordenen Sonnen – welche Phantasie wäre kühn genug, solches zu erfassen?
„Freund Fridolin,“ sagte Sirian eines Tages, nachdem er Uschan das Steuer übergeben und sich’s an einem der auf- und abklappbaren Tische der Gondel bequem gemacht, „wir werden in wenigen Stunden außerordentlich Interessantes schauen.“
„Ungeahnt ist die Fülle des Neuen und Interessanten auf solch außergewöhnlicher Reise!“ antwortete der Erdensohn fröhlich. „Doch sag mir, Sirian, ist’s ein neuer Komet, dem wir begegnen werden? Oder wieder eine jener wunderbar glänzenden Sonnen, deren Entfernungen ihr mit Zahlen berechnet, die mich schwindeln machen?“
„Diesmal ist’s keines von beiden,“ versetzte der Marsite. „Wir kommen sehr nahe an einem der kleinsten Kinder des Lichts vorbei.“
„Nahe an einem Planeten kommen wir vorbei?“ rief Fridolin Frommherz erstaunt. „Wie ist das möglich? Nie habe ich gehört, daß zwischen Mars und Erde die Bahn eines Planeten läge!“
„Es handelt sich um eines jener äußerst kleinen Kinder des Lichts, die ihr, wie ich aus deinen Karten und Büchern sah, Planetoïden nennt.“
„Aber die liegen doch jenseits der Bahn des Lichtentsprossenen, zwischen Mars und Jupiter,“ beharrte der Schwabe.
„Im allgemeinen hast du ganz recht,“ erwiderte Sirian, „deshalb sind diese Planetoïden, um mich deines Namens zu bedienen, auch von uns viel besser gekannt als von euch. Ihr zählt ihrer etwa fünfhundertundfünfzig, aber ich sage dir, daß ihre Zahl mit tausend noch viel zu niedrig angegeben ist. Ein riesiger Weltkörper muß da einmal geborsten sein, wo nun seine Trümmer in stark exzentrischen Bahnen das ewige Licht umkreisen. Da ist nun eines jener Trümmerstücke, – Eros nennt ihr den Planetoïden auf euren Himmelskarten, – dessen Bahn hält sich näher an der Sonne als die aller andern Planetoïden, und so bedeutend reicht sie zwischen Marsbahn und Sonne hinein, daß sie im Mittel innerhalb der Bahn des Lichtentsprossenen liegt. Eros kann der Erde fast um ein Drittel, rund um vierzehn Millionen Kilometer näher kommen als unser Lichtentsprossener, und Eros ist’s, den wir jetzt treffen werden.“
„Das ist ja eine herrliche Aussicht!“ rief der Erdensohn froh. „Aber sag mir, Sirian, birgt diese Begegnung keine Gefahr für uns?“
„Von Gefahren sind wir auf einer solchen Reise jede Minute umgeben. Ich halte es für möglich, daß wir uns Eros nähern können, ohne selbst Schaden zu nehmen, ist er doch nicht größer als einer unserer kleinen Marsmonde. Wir werden gerade auf ihn zuhalten, unter Umständen sogar in seine Atmosphäre eindringen.“
„Eine Atmosphäre hat der kleine Planet auch?“ fragte Fridolin erstaunt. „Also hat er doch etwas vor euren Monden voraus!“
„Ja,“ sagte Sirian, „durch das Spektroskop haben wir festgestellt, daß nicht nur dieses kleine Kind des Lichts, sondern auch seine etwas größern Geschwister Ceres, Pallas, Juno und Vesta eine Atmosphäre, ähnlich der unsrigen, besitzen. Mehr zu erkennen, war uns bei der Winzigkeit des Eros nicht möglich. Jetzt aber werden wir sehen, ob er Wasser und Festland, Berge und Täler und lebende Wesen birgt, die uns ähnlich sind.“
Aller Erwartungen waren aufs höchste gespannt, als das Luftschiff wirklich wenige Stunden später Eros ganz nahe kam. Aber der kleine Planet verhüllte den Beobachtern sein Antlitz. Dunst, Nebel und Wolken machten seine Oberfläche für den Weltraum unsichtbar. Durch die Trübung seiner Atmosphäre wurde das Sonnenlicht so sehr nach außen zurückgeworfen, daß es wie ein undurchdringlicher blendender Lichtschein über ihm lag.
„Seht ihr den Dunst und die Wolken?“ rief Sirian, der die Steuerung wieder übernommen hatte. „Eros hat nicht nur Luft, sondern auch Wasser, die Grundbedingung jedes organischen Lebens. Laßt uns nun in seine Atmosphäre eindringen, um zu sehen, ob er auch festes Land besitzt!“
Mit Aufbietung aller seiner technischen Hilfsmittel suchte Sirian nun sein Luftschiff so langsam wie möglich zu Fall zu bringen. Das war infolge der Anziehung des kleinen Weltkörpers, dessen Masse doch der des Luftschiffs viel hundertmal überlegen war, eine äußerst schwierige Sache. Obgleich das Steuer der Hand Sirians beim leisesten Druck gehorchte, erreichte die durch die Reibung mit der Erosatmosphäre beim Eintritt in dieselbe erzeugte Hitze einen sehr hohen Grad. Glücklicherweise waren auch die oberen Luftschichten um Eros lebhaft bewegt und brachten den Reisenden, die die Gondelluken öffneten, etwelche Kühlung.
„Eine Bergspitze!“ rief Zaran plötzlich.
Und wirklich, über einen dichten Wolkenschleier empor ragte der Gipfel eines Berges, mit sanftem Grün überzogen. Eine Vegetation besaß der kleine Eros also auch. Und nun teilten sich die Wolken. Da lag Land unter den Reisenden, Wald und Feld und Wiesenland und dann das offene Meer. Aber so klein war der ganze Weltkörper, daß die Insassen des Luftschiffes von ihrem hohen Standpunkte aus Nord- und Südpol zugleich schauen konnten. Beide waren auffallend stark abgeplattet. Staunend sagte sich der Schwabe, daß die Oberfläche dieser ganzen Halbkugel des Eros kaum mehr als die Oberfläche eines kleinen deutschen Fürstentums betrage. Und solch ein winziges Weltganzes führte hier ein kosmisch unabhängiges Dasein! Während sich Fridolin noch darüber wunderte, wurde es fast plötzlich Nacht.
„Wie schade,“ bedauerte der Erdensohn, „schon Nacht, und wir haben erst so wenig gesehen!“
„Wir werden nach Osten fahren,“ sagte da Sirian, „der Sonne entgegen. Eros dreht sich – nach Erdenzeit – in fünf Stunden und vierzehn Minuten um seine Achse. Die Dauer seiner Nacht kann also nicht mehr als zwei Stunden und sieben Minuten betragen. Diese wenigen Nachtstunden kürzen wir für uns noch um die Hälfte ab, indem wir der Sonne entgegenfahren.“
Sie fuhren nach Osten. Und über der östlichen Halbkugel, über einer ganz neuen Gegend, ging bald darauf die Sonne wieder auf. Wohl angebautes Hügelland lag jetzt unter ihnen. Es bildete eine äquatoriale Wasserscheide. Nordwärts und südwärts zogen schmale Flußläufe bis in die winzigen polaren Meere. Ungefähr ein Viertel des kleinen Weltkörpers war mit Wasser bedeckt, drei Vierteile bestanden aus Festland. Höhere Berge waren auf der östlichen Halbkugel nicht vorhanden.
Sirian brachte das Luftschiff noch mehr zum Sinken.
„Wir wollen Umschau halten nach lebenden Wesen, die uns ähnlich sind,“ sagte er. „Deuten doch die bebauten Felder zur Genüge darauf hin, daß Eros bewohnt ist.“
Alle Insassen des Luftschiffes schauten gespannt durch die Gondelluken abwärts. Und wirklich, da unten rotteten sie sich zusammen, die Bewohner dieses winzigen Weltkörpers. Wie abwehrend erhoben die einen die Arme, andere ballten die Fäuste und schüttelten sie gegen das Luftschiff. Verwünschungen, in einer eigentümlich rauhen Sprache ausgestoßen, trafen das Ohr der Reisenden. Trotzdem sank das Luftschiff weiter. Deutlich konnte man jetzt die teils ängstlichen, teils zornigen Gesichter der in grobe, aber bunte Gewebe gehüllten Leute erkennen, Männer, Frauen und Kinder. Es waren große, stattliche Gestalten, ebenmäßig gewachsen, mit reichem Haar, das den Männern bis auf die Schultern hing, während die Frauen das ihrige im Nacken zu einem Knoten geschlungen trugen.
„Wo sind denn ihre Wohnungen?“ fragte Fridolin. „Vergeblich schaue ich nach Häusern aus.“
„Siehst du nicht dort, in die Hügelreihen eingebrochen, jene rechteckigen Öffnungen?“ rief Uschan. „Offenbar sind das die Eingänge zu einer Art von Höhlenstadt, wohl zum Schutze gegen den außerordentlich langen, strengen Eroswinter errichtet.“
„Also bloß Höhlenbewohner,“ sagte Fridolin im Tone des Bedauerns.
„Lieber Freund, bedenke, daß die Bahn dieses kleinen Planeten in der Zeit seiner Sonnenferne noch jenseits der Bahn unseres Lichtentsprossenen liegt, daß Eros den eisigen Weltraum zwischen Mars und Jupiter durcheilt, wo ihn die Sonnenstrahlen so schräg treffen, daß kaum ein fahles, graues Licht, ohne wärmende Kraft, seine kurzen Tage erhellt. Du kennst die eisigen Temperaturen des Weltraumes. Ihnen ist Eros auf seiner stark exzentrischen Bahn, nach Erdenmaß gemessen, nahezu ein Jahr lang ausgesetzt. Wunderst du dich noch, daß seine Bewohner lieber im Innern ihres Bodens Schutz und etwas Wärme suchen, statt Häuser zu bauen?“
Fridolin wunderte sich nicht mehr. Sirian brachte jetzt das Luftschiff wieder zum Steigen.
„Wir haben gesehen, was wir sehen wollten,“ sagte er, „und wollen diese armen Wesen nicht länger ängstigen. Sie scheinen zwar intelligent, aber im Vergleiche mit uns noch auf einer ziemlich niedrigen Stufe der Entwicklung zu stehen.“
„Auch sie werden einst, in hunderttausend Jahren vielleicht, zur Höhe der gepriesenen Kultur des Lichtentsprossenen emporsteigen,“ rief Fridolin Frommherz begeistert.
„Nein, lieber Freund,“ sagte Sirian, „du irrst dich; unsere Höhe werden die Erositen nicht erklimmen.“