Kitabı oku: «Der Kolonisator und der Kolonisierte», sayfa 3

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Der Usurpator

Es ist also unmöglich, dass er die fortdauernde Illegitimität seiner Situation überhaupt nicht wahrnimmt. Darüber hinaus ist es in gewisser Weise eine zweifache Illegitimität. Als Fremder, der in der Folge historischer Zufälle ins Land gekommen ist, hat er nicht nur erfolgreich einen Platz für sich erobert, sondern ebenso erfolgreich den des Einwohners genommen und sich unerhörte Privilegien auf Kosten der eigentlichen Anspruchsberechtigten gewährt. Und das nicht aufgrund örtlicher Gesetze, die auf ihre Weise aus der Tradition die bestehende Ungleichheit legitimieren, sondern indem er die hergebrachten Regeln außer Kraft setzt und an deren Stelle die eigenen einführt. Damit erweist er sich in doppelter Weise als ungerecht: er ist ein Privilegierter, dazu noch illegitim privilegiert, er ist ein Usurpator. Und schließlich ist er das nicht nur in den Augen des Kolonisierten, sondern auch in seinen eigenen. Wenn er gelegentlich einwendet, dass es auch unter den Kolonisierten Privilegierte gibt, Feudalherren oder Bourgeois, deren Reichtum dem seinen gleichkommt oder ihn übertrifft, so tut er das ohne Überzeugung. Dass man nicht der einzige Schuldige ist, kann einen zwar beruhigen, aber nicht freisprechen. Er würde rasch erkennen, dass die Privilegien der eingeborenen Privilegierten weniger empörend sind als die seinigen. Er weiß ferner, dass selbst die bevorzugtesten Kolonisierten nie etwas anderes als Kolonisierte sein werden, d.h. ihnen werden bestimmte Rechte auf ewig vorenthalten, bestimmte Vorteile strikt verweigert. Kurz gesagt, er weiß, dass er in seinen eigenen und in den Augen seines Opfers der Usurpator ist: mit diesen Aspekten und dieser Situation muss er sich abfinden.

Der kleine Kolonisator

Bevor wir sehen, wie diese drei Entdeckungen – Profit, Privileg und Usurpation –, diese drei Schritte im Bewusstsein des Kolonisators seine Person formen werden, durch welche Mechanismen sie aus dem Neuankömmling einen Kolonisator oder Kolonialisten machen, müssen wir erst einem häufig gemachten Einwand begegnen: in der Kolonie, so ist oft zu hören, leben nur Kolonisten (»colons«). Wie kann man bei Eisenbahnern von Privilegierten sprechen, bei mittleren Beamten oder selbst bei kleinen Landwirten, die hart rechnen müssen, um ebenso gut zu leben wie ihre Landsleute in vergleichbaren Stellungen im Mutterland? …

Einigen wir uns auf eine praktische Terminologie und unterscheiden zwischen dem Koloniebewohner (»colonial«), dem Kolonisator (»colonisateur«) und dem Kolonialisten (»colonialiste«). Der Koloniebewohner wäre der Europäer, der in der Kolonie lebt, allerdings ohne Privilegien, so dass seine Lebensbedingungen nicht besser sind als die jener Kolonisierten, die seiner wirtschaftlichen und sozialen Schicht angehören. Aus Charakterveranlagung oder moralischer Überzeugung wäre er der wohlwollende Europäer, der gegenüber dem Kolonisierten nicht die Haltung des Kolonisators einnimmt. Also gut, sagen wir es gleich, obwohl wir soeben scheinbar das Gegenteil geäußert haben: der so definierte Kolonialbewohner existiert nicht, weil alle Europäer in den Kolonien privilegiert sind.

Gewiss, nicht alle Europäer in den Kolonien sind Potentaten, erfreuen sich eines Besitzes von mehreren Tausend Hektar Land und sitzen in führenden Verwaltungspositionen. Viele von ihnen sind selbst Opfer der Herren der Kolonisation. Sie werden von ihnen wirtschaftlich ausgebeutet und politisch benutzt, um Interessen zu verteidigen, die oft nicht mit den eigenen übereinstimmen. Aber die gesellschaftlichen Verhältnisse sind fast nie eindeutig. Im Gegensatz zu allem, was man gern glauben möchte, zu den frommen Wünschen wie zu den betreffenden Beteuerungen: tatsächlich ist der kleine Kolonisator im Allgemeinen mit dem Kolonisator solidarisch und ein hartnäckiger Verteidiger kolonialer Prinzipien. Warum?

Solidarität mit seinesgleichen? Defensive Reaktion als Äußerung der Angst einer Minderheit, die inmitten einer feindseligen Mehrheit lebt? Zum Teil. Aber in den schönen Zeiten der Kolonisation, als die Europäer der Kolonien noch von Polizei und Armee sowie einer ständig interventionsbereiten Luftwaffe geschützt waren, da hatten sie keine Angst, jedenfalls nicht genug, um eine solche Einmütigkeit zu erklären. Mystifikation? Sicherlich eher. Es trifft zu, dass der kleine Kolonisator selbst einen Kampf führen, eine Befreiung zuwege bringen müsste, wenn er nicht so sehr von den eigenen Leuten hinters Licht geführt und von der Geschichte geblendet wäre. Aber ich glaube nicht daran, dass eine Mystifikation sich auf eine vollständige Illusion gründen, das menschliche Verhalten gänzlich beherrschen kann. Wenn der kleine Kolonisator das Kolonialsystem mit einer solchen Verbissenheit verteidigt, so deshalb, weil er mehr oder weniger davon profitiert. Die Mystifikation liegt darin, dass er mit der Verteidigung seiner höchst beschränkten Interessen zugleich andere, weit wichtigere verteidigt, deren Opfer er außerdem noch ist. Aber selbst als Betrogener und Opfer kommt auch er noch auf seine Rechnung.

Und zwar deshalb, weil das Privileg eine relative Angelegenheit ist: ob mehr oder weniger, jeder Kolonisator ist privilegiert, denn er ist es vergleichsweise und zum Schaden des Kolonisierten. Fallen die Privilegien der Mächtigen der Kolonisation ins Auge, so sind die winzigen Privilegien auch des kleinen Kolonisators doch zahlreich. Jede Geste seines täglichen Lebens bringt ihn in ein Verhältnis mit dem Kolonisierten, und mit jeder Geste profitiert er von einem anerkannten Vorteil. Hat er Schwierigkeiten mit den Gesetzen? Die Polizei und selbst die Justiz werden ihn milder behandeln. Benötigt er einen Dienst der Verwaltung? Das wird für ihn weniger bürokratisch erledigt; die Formalitäten werden abgekürzt, man wird ihm einen Schalter vorbehalten, vor dem weniger Bittsteller stehen und wo er nicht so lange warten muss. Er sucht eine Stelle? Muss er sich einem Auswahlverfahren unterziehen? Die Stellen und Posten werden für ihn im Voraus reserviert; die Prüfungen werden in seiner Sprache durchgeführt, was für den Kolonisierten Schwierigkeiten mit sich bringt, die ihm kaum eine Chance lassen. Ist er denn so mit Blindheit geschlagen, dass er niemals zu sehen vermag, dass er bei objektiv gleichen Umständen, gleicher wirtschaftlicher Stellung und bei gleichen Leistungen immer im Vorteil ist? Wendet er denn kein einziges Mal den Kopf, um all die Kolonisierten zu bemerken, einige unter ihnen ehemalige Mitschüler oder Kollegen, die er so weit hinter sich gelassen hat?

Aber auch wenn er nichts verlangen würde und nichts nötig hätte – es genügt bereits sein bloßes Erscheinen, damit sich an seine Person das positive Vorurteil all jener heftet, die in der Kolonie zählen, ja sogar noch das Vorurteil derer, die nicht zählen, denn er profitiert von dem positiven Vorurteil, vom Respekt des Kolonisierten selbst, der ihm mehr zugesteht als den Besten seinesgleichen, der z. B. seinem Wort mehr Vertrauen schenkt als einem seiner eigenen Landsleute. Und das alles, weil er von Geburt an eine Eigenschaft besitzt, die unabhängig von seinen persönlichen Leistungen oder seiner objektiven Klasse ist: er gehört zur Gruppe der Kolonisatoren, deren Werte herrschen und an denen er teilhat. Das Land richtet sich nach seinen traditionellen Feiertagen, ja selbst nach seinen religiösen Festen und nicht nach denen der Einheimischen; der arbeitsfreie Tag in der Woche ist der seines Herkunftslandes, es ist die Flagge seiner Nation, die auf den großen Bauwerken weht, es ist seine Muttersprache, die den gesellschaftlichen Umgang ermöglicht; selbst seine Kleidung, sein Akzent, sein Benehmen drängen sich schließlich dem Kolonisierten zur Nachahmung auf. Der Kolonisator partizipiert an einer überlegenen Welt, und er kann gar nicht anders als automatisch deren Privilegien zu genießen.

Andere Mystifizierte der Kolonisation

Und es ist abermals ihre konkrete, ökonomische, psychologische Situation innerhalb des kolonialen Komplexes, einerseits gegenüber den Kolonisierten, andererseits den Kolonisatoren, die etwas über den Charakter der anderen Bevölkerungsgruppen aussagt, über jene, die weder Kolonisatoren noch Kolonisierte sind: die Staatsangehörigen der anderen Mächte (Italiener und Malteser in Tunesien), die Anwärter auf eine Assimilierung (die Mehrheit der Juden) und die in neuerer Zeit Assimilierten (Korsen in Tunesien, Spanier in Algerien). Man könnte noch die Behördenangestellten hinzufügen, die aus den Kolonisierten selbst rekrutiert worden sind.

Die Armut der Italiener oder der Malteser ist so groß, dass es lächerlich scheinen mag, bei ihnen von Privilegien zu sprechen. Aber wenn sie auch oft genug schlimm dran sind, so tragen doch die wenigen Brosamen, die man ihnen achtlos hinwirft, dazu bei, sie aufzuspalten und tatsächlich von den Kolonisierten zu trennen. Mehr oder weniger im Vorteil gegenüber den kolonisierten Massen, zeigen sie eine Tendenz, ihnen gegenüber ähnliche Beziehungen herzustellen, wie sie zwischen Kolonisator und Kolonisiertem bestehen. Zugleich sind sie keineswegs identisch mit der Gruppe der Kolonisatoren, haben in dem kolonialen Komplex nicht dieselben Funktionen und unterscheiden sich von dieser Gruppe auf je spezifische Weise.

All diese Nuancen werden unmittelbar deutlich, sobald man das Verhältnis dieser Personen zur kolonialen Situation untersucht. Wenn die Italiener in Tunesien die Franzosen auch immer um ihre Privilegien in Justiz und Verwaltung beneidet haben, so sind sie dennoch in einer besseren Lage als die Kolonisierten. Sie stehen unter dem Schutz internationaler Gesetze und eines durchaus aktiven Konsulats, ständig unter den wachsamen Augen der Metropole. Vom Kolonisator alles andere als ablehnend behandelt, sind oft sie es, die sich lange Zeit nicht entscheiden können zwischen der Assimilierung und der Treue zu ihrem Heimatland. Schließlich sind es dieselbe europäische Herkunft, eine gemeinsame Religion und zumeist dieselben Sitten, die sie gefühlsmäßig dem Kolonisator näherbringen. Aus all dem resultieren am Ende gewisse Vorteile, die der Kolonisierte zweifellos nicht genießt: eine erleichterte Stellensuche, eine weniger große Ungesichertheit gegenüber Not und Krankheit und eine weniger ungewisse Schulbildung für die Kinder; schließlich auch bestimmte Rücksichten von Seiten des Kolonisators, eine weitgehend respektierte Menschenwürde. Man wird verstehen, dass sie – obwohl theoretisch ebenfalls benachteiligt – gegenüber dem Kolonisierten bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen, die sie mit dem Kolonisator gemein haben.

Gegenbeweis: die Italiener, die aufgrund ihrer Verwandtschaft zweiten Grades mit dem Kolonisator von der Kolonisation nur aus zweiter Hand profitieren, stehen den Kolonisierten sicherlich näher als den Franzosen. Sie unterhalten mit ihnen nicht diese gezwungenen, förmlichen Beziehungen, sie haben nicht diesen Ton an sich, aus dem immer der Herr herausklingt, der sich an seine Sklaven wendet, ein Ton, von dem sich der Franzose überhaupt nicht freimachen kann. Im Gegensatz zu den Franzosen sprechen die Italiener fast alle die Sprache des Kolonisierten, pflegen mit ihnen dauerhafte Freundschaften, und, ein besonders aufschlussreiches Merkmal, sie gehen auch Mischehen mit ihnen ein. Kurz gesagt, die Italiener, die darin keinen besonderen Vorteil zu sehen vermögen, halten nicht auf große Distanz zwischen sich und den Kolonisierten. Dasselbe Resultat würde sich, um nur einige Nuancen verschoben, auch bei den Maltesern ergeben.

Die Situation der Juden – ewig schwankende und erfolglose Anwärter auf eine Assimilierung – lässt sich unter einem ähnlichen Aspekt sehen. Ihr beständiger und nur zu berechtigter Ehrgeiz dient dem Ziel, ihrer Lage als Kolonisierte zu entrinnen, eine zusätzliche Last in einer ohnehin drückenden Situation. Deshalb bemühen sie sich, dem Kolonisator zu gleichen, in der offen geäußerten Hoffnung, dass er in ihnen nicht länger etwas anderes als sich selbst sehen möge. Daher ihre Versuche, die Vergangenheit zu vergessen und gemeinsame Gewohnheiten abzulegen, daher ihre enthusiastische Übernahme der Sprache, der Kultur und der Sitten des Okzidents. Der Kolonisator weist zwar diese Aspiranten auf einen Platz unter seinesgleichen nicht immer offen zurück, aber er hat ihnen auch noch nie gestattet, einen solchen Platz zu erobern. So leben sie in einem schmerzlichen und beständigen Zwiespalt. Vom Kolonisator nicht angenommen, teilen sie manches von der konkreten Situation des Kolonisierten und sind mit ihm tatsächlich in vieler Hinsicht solidarisch, aber im Übrigen lehnen sie die Werte des Kolonisierten ab, als gehöre dieser einer untergehenden Welt an, der sie mit der Zeit zu entrinnen hoffen.

Die seit kurzem Assimilierten sind im Allgemeinen weitab vom durchschnittlichen Kolonisator anzusiedeln. Jeder von ihnen möchte den anderen als Kolonisator übertrumpfen; sie tragen eine stolze Verachtung des Kolonisierten zur Schau und kehren beständig ihren erborgten Adel heraus, was häufig ihre bürgerliche Rohheit und ihre Gier kaschieren soll. Noch zu unsicher im Umgang mit ihren Privilegien, können sie diese nur in Angst genießen und verteidigen sie besonders erbittert. Und wenn die Kolonisation einmal in Gefahr gerät, so stellen sie deren tatkräftigste Verteidiger, ihre Stoßtruppen und hier und da auch ihre Provokateure. Jene Kolonisierten, die eine Position unter den Behördenangestellten, Führungskräften, Polizisten oder als Kaid* usw. erlangt haben, bilden eine Gruppe, die das Ziel verfolgt, ihrer politischen und gesellschaftlichen Situation zu entfliehen. Indem sie sich jedoch entscheiden, zu diesem Zweck in den Dienst des Kolonialherren zu treten und ausschließlich seine Interessen zu verteidigen, übernehmen sie am Ende auch seine Ideologie, sogar den eigenen Leuten und sich selbst gegenüber.

Sie alle schließlich, die mehr oder weniger mystifiziert, mehr oder weniger Nutznießer sind, sie werden so weit missbraucht, dass sie das ungerechte System akzeptieren (indem sie es verteidigen oder sich damit abfinden), das so schwer auf dem Kolonisierten lastet. Ihre Verachtung kann nur eine Entschädigung sein für ihr Elend, so wie auch der europäische Antisemitismus nur allzu oft eine bequeme Ablenkung ist. Das also ist das Prinzip der Pyramide der kleinen Tyrannen: jeder wird von einem Mächtigeren gesellschaftlich unterdrückt und findet immer einen weniger Mächtigen, auf den er sich stützen und dem gegenüber er selbst Tyrann sein kann. Welche Genugtuung und welcher Stolz für einen kleinen Schreiner, der nicht kolonisiert ist, neben einem arabischen Hilfsarbeiter einherzugehen, der auf dem Kopf eine Bretterdiele und ein paar Nägel trägt! Für alle existiert zumindest jene tiefe Befriedigung, im Schlechten besser dazustehen als der Kolonisierte: sie sind niemals so ganz und gar in jene Erniedrigung verstrickt, in die sie durch die koloniale Tatsache gedrängt werden.

Vom Koloniebewohner zum Kolonisator

Den Koloniebewohner gibt es nicht, da es nicht vom einzelnen Europäer in den Kolonien abhängt, ob er Koloniebewohner bleibt, selbst wenn er die Absicht dazu hätte.

Ob er es ausdrücklich gewünscht hat oder nicht, er wird durch die Institutionen, die Sitten und die Menschen als Privilegierter empfangen. Vom Zeitpunkt seiner Ankunft oder von Geburt an befindet er sich in einer Situation vollendeter Tatsachen, in der sich jeder Europäer befindet, der in der Kolonie lebt, und die ihn zum Kolonisator macht. Tatsächlich stellt sich jedoch das moralische Grundproblem für den Kolonisator nicht auf dieser Ebene, nämlich das der Verpflichtung seiner Freiheit und damit seiner Verantwortung. Er hätte zweifellos auch die Wahl gehabt, das koloniale Abenteuer nicht zu wagen, aber sobald das Unternehmen gestartet ist, hängt es nicht mehr von ihm ab, dessen Bedingungen abzulehnen. Wir müssen noch hinzufügen, dass er sich vielleicht als Opfer dieser Bedingungen gefunden hat, unabhängig von jeder vorherigen Wahl, wenn er in der Kolonie als Kind von Kolonisatoren geboren wurde oder wenn er zum Zeitpunkt seiner Entscheidung den realen Sinn der Kolonisation wirklich nicht gekannt hat.

Das eigentliche Problem des Kolonisators stellt sich auf einer zweiten Ebene: wenn er einmal den Sinn der Kolonisation erkannt und sich seine eigene Lage sowie die des Kolonisierten und die notwendige Beziehung zwischen beiden bewusst gemacht hat, wird er dann diese Bedingungen akzeptieren? Wird er sich als Privilegierten verneinen oder bejahen und so das Elend des Kolonisierten, dieses zwangsläufige Korrelat seiner Privilegien verstärken? Wird er Usurpator bleiben und damit die Unterdrückung und das Unrecht gegenüber dem eigentlichen Einwohner der Kolonie bestätigen, diese notwendigen Bedingungen der eigenen weitgehenden Freiheit und des eigenen Prestiges? Wird er sich schließlich als Kolonisator bejahen, dieses Bild von ihm, das bereits auf ihn wartet, von dem er spürt, wie es bereits Gestalt annimmt unter der beginnenden Gewöhnung an das Privileg und die Unrechtmäßigkeit, ständig unter den Blicken der Usurpierten? Wird er sich mit dieser Situation abfinden, mit diesem Blick und mit seiner eigenen Verurteilung, der er bald nicht mehr entgehen kann?

*Höherer arabischer Beamter im Dienst der Kolonialmacht (A.d.Ü.)

2. Der Kolonisator, der sich verneint
Der wohlmeinende Kolonisator

Auch wenn sich jeder Koloniebewohner in der unmittelbaren Lage des Kolonisators befindet, so liegt doch keine Zwangsläufigkeit darin, dass aus jedem Kolonisator ein Kolonialist wird. Und die Besten verweigern sich demgegenüber. Aber das Kolonialverhältnis ist keine bloße Idee, sondern ein Ensemble gelebter Situationen, und wer sie ablehnt, dem bleibt nur die Wahl, sich diesen Situationen physisch zu entziehen oder auf seinem Platz zu verharren und für deren Veränderung zu kämpfen. Es kommt vor, dass ein Neuankömmling, ein zufällig von seiner Firma versetzter Angestellter oder ein Beamter mit guten Absichten – seltener ein weniger naiver oder gedankenloser Geschäftsmann oder höherer Beamter – betroffen von seinen ersten Kontakten mit den kleinen Aspekten der Kolonisation, der Vielzahl der Bettler, den halbnackt herumirrenden Kindern, den Trachomen usw., irritiert angesichts einer ebenso offensichtlichen Organisation des Unrechts, empört über den Zynismus seiner eigenen Landsleute (»Beachten Sie das Elend einfach nicht, Sie werden sehen, man gewöhnt sich sehr schnell daran!«), nach kurzer Zeit erwägt, wieder abzureisen. Da er verpflichtet ist, bis zum Ablauf seines Kontrakts auszuharren, läuft er tatsächlich Gefahr, sich an das Elend und alles Übrige zu gewöhnen. Aber es kommt vor, dass unser Mann, der nichts anderes als Koloniebewohner sein wollte, sich nicht daran gewöhnt: dann wird er zurückkehren.

Es kann auch geschehen, dass er aus den verschiedensten Gründen nicht abreist. Aber nachdem er den ökonomischen, politischen und den moralischen Skandal der Kolonisation einmal erkannt hat und ihn unmöglich wieder vergessen kann, ist es ihm auch nicht mehr möglich, das zu werden, was seine Landsleute geworden sind. Er entschließt sich zu bleiben, und zwar mit der Absicht, die Kolonisation abzulehnen.

… und seine Schwierigkeiten

Aber das ist nicht unbedingt eine vehemente Verweigerung. Diese Empörung geht nicht immer Hand in Hand mit einer Entscheidung für eine aktive politische Betätigung. Es ist mehr eine prinzipielle Haltung, einige Beteuerungen, die einen Kongress von Gemäßigten nicht erschrecken würden, jedenfalls nicht in der Metropole. Ein Protest, von Zeit zu Zeit eine Unterschrift, vielleicht geht er so weit, einer Gruppe beizutreten, die dem Kolonisierten nicht ganz und gar feindlich gegenübersteht. Das genügt bereits, um ihm bald bewusst zu machen, dass er nichts anderes getan hat, als etwas an seinen Schwierigkeiten und seinem Unbehagen zu verändern. Es ist nicht so einfach, sich einer konkreten Situation in Gedanken zu entziehen, sich deren Ideologie zu verweigern und dabei fortwährend deren objektive Verhältnisse zu erleben. Sein Leben trägt fortan das Signum eines Widerspruchs, der bei jedem seiner Schritte auftaucht und ihm jede Übereinstimmung mit sich selbst und jede Ruhe nehmen wird.

Wehrt er sich im Grunde genommen nicht lediglich gegen einen Teil seiner selbst, gegen das, zu dem er allmählich wird, sobald er das Leben in der Kolonie für sich akzeptiert? Denn diese Privilegien, die er halblaut aufkündigt, sind auch die seinen, auch er genießt sie. Wird er weniger zuvorkommend behandelt als seine Landsleute? Profitiert er nicht von denselben Erleichterungen, wenn er reisen will? Wie sollte er nicht halb zerstreut überschlagen, dass er sich bald einen Kühlschrank, einen Wagen und vielleicht sogar ein Haus leisten kann? Wie sollte er es anstellen, sich dieses Prestiges zu entledigen, das ihn wie ein Heiligenschein umgibt und über das er sich gern empören möchte?

Sollte er seinen Widerspruch schließlich etwas abschwächen und sich in seiner unbehaglichen Lage einrichten, dann werden ihn auch seine Landsleute noch zur Raison bringen. Zunächst mit einer ironischen Nachsicht; sie kennen diese etwas alberne Befangenheit des Neuankömmlings aus eigener Erfahrung; sie wird sich in den Prüfungen des Koloniallebens unter einer Vielzahl kleiner und angenehmer Kompromisse von selbst geben.

Sie muss sich einfach geben, man besteht darauf, denn die humanitäre Romantik gilt in der Kolonie als schwere Krankheit, als die schlimmste aller Gefahren. Sie ist nicht mehr und nicht weniger als der Übergang in das Lager des Feindes.

Wenn er hartnäckig bleibt, so wird er lernen, dass er sich auf einen unausgesprochenen Konflikt mit den Seinen einlässt, der stets offen bleibt und nur durch seine Niederlage oder seine Heimkehr in den Schoß der Kolonisatoren beendet werden kann. Es ist schon erstaunlich, wie heftig die Kolonisatoren auf jeden aus den eigenen Reihen reagieren, der die Kolonisation gefährdet. Offensichtlich können sie gar nicht anders, als in ihm einen Verräter zu sehen. Er stellt sie in ihrer ganzen Existenz in Frage, er bedroht das gesamte Mutterland, das sie repräsentieren wollen und letztlich in der Kolonie auch repräsentieren. Die Unstimmigkeit liegt nicht bei ihnen. Was wäre, strenggenommen, das logische Resultat der Haltung eines Kolonisators, der die Kolonisation ablehnt? Doch nur der Wunsch nach ihrem Verschwinden, d.h. nach dem Verschwinden der Kolonisatoren als solcher. Wie sollten sie sich nicht wütend gegen eine Einstellung verteidigen, die auf ihre Opferung hinauslaufen würde, auf dem Altar der Gerechtigkeit vielleicht, aber letztlich doch auf ihr Opfer. Und das um so mehr, wenn sie die ganze Ungerechtigkeit ihrer Position erkennen würden. Aber gerade sie haben sie akzeptiert und sich mit Mitteln daran gewöhnt, die wir noch kennenlernen werden. Wenn er diesen unerträglichen Moralismus nicht überwindet, der ihn am Leben hindert, wenn er daran so fest glaubt, dass er den Anfang damit macht, aus der Kolonie fortzugehen, dann beweist er, dass es ihm ernst ist mit seinen Gefühlen, er fängt an, seine Probleme zu lösen… und hört auf, seinen Landsleuten welche zu schaffen. Im anderen Fall darf er nicht darauf zu hoffen, sie völlig unbehelligt weiterhin beunruhigen zu können. Sie werden zum Angriff übergehen und ihm Schlag auf Schlag versetzen; seine Kollegen werden gehässig, seine Vorgesetzten bedrohen ihn; das geht bis zu seiner Frau, die sich ins Zeug legen und weinen wird – Frauen haben weniger Probleme mit einer abstrakten Humanität –, sie gesteht es ein, die Kolonisierten bedeuten ihr nichts, und sie fühlt sich nur unter Europäern wohl.

Gibt es also keinen anderen Ausweg als die reuevolle Heimkehr in den Schoß der kollektiven Kolonialität oder die Abreise? Doch, einen gibt es noch. Da sein Aufbegehren ihm die Tür zur Kolonisation versperrt hat und ihn inmitten der Kolonialwüste isoliert, warum sollte er nicht an die des Kolonisierten pochen, den er verteidigt und der ihn sicherlich dankbar und mit ausgebreiteten Armen empfangen würde. Er hat erkannt, dass das eine das Lager des Unrechts ist, demnach muss das andere das Lager des Rechts sein. Dann soll er doch noch einen Schritt tun und den Weg seiner Revolte zu Ende gehen, die Kolonie besteht ja nicht nur aus Europäern! Er lehnt die Kolonisatoren ab und wird von ihnen verurteilt – warum nimmt er nicht die Kolonisierten an und lässt sich von ihnen annehmen, warum wird er nicht zum Überläufer?

In Wirklichkeit gibt es so wenige Kolonisatoren, selbst wenn sie sehr guten Willen beweisen, die daran denken, diesen Weg einzuschlagen, dass das Problem eher theoretischer Natur ist; aber für das Verständnis der kolonialen Situation ist es entscheidend. Die Verneinung der Kolonisation ist eine Sache, den Kolonisierten zu bejahen und sich von ihm bejahen zu lassen, scheint eine andere zu sein, und zwischen beidem besteht alles andere als ein Zusammenhang.

Um diese zweite Sinnesänderung zuwege zu bringen, hätte unser Mann anscheinend ein moralischer Held sein müssen, und schon weit davor ergreift ihn ein Schwindelgefühl. In letzter Konsequenz, so haben wir gesagt, hätte er mit dem Lager der Unterdrücker, mit deren Wirtschaft und Verwaltung brechen müssen. Das wäre der einzige Weg, ihnen den Mund zu stopfen. Was für eine entscheidende Demonstration, auf ein Viertel seines Einkommens oder auf die bevorzugte Behandlung durch die Verwaltung zu verzichten! Aber lassen wir das; man gibt heutzutage durchaus zu, dass man in Erwartung der Revolution Revolutionär und Ausbeuter zugleich sein kann. Er stellt fest, dass die Kolonisierten das Recht auf ihrer Seite haben, dass er so weit gehen kann, ihnen zuzustimmen oder sogar Hilfe anzubieten, aber damit ist er auch am Ende mit seiner Solidarität: er gehört nicht zu ihnen und verspürt auch keinerlei Bedürfnis danach. Undeutlich ahnt er den Tag ihrer Befreiung, die Rückeroberung ihrer Rechte, aber er denkt nicht einmal ernstlich daran, ihre befreite Existenz mit ihnen zu teilen.

Ein Zeichen für Rassismus? Mag sein, ohne dass ihm das besonders bewusst wäre. Wer kann sich davon völlig befreien in einem Land, in dem jedermann von ihm befallen ist, einschließlich der Opfer? Ist es so natürlich, auch nur in Gedanken, ohne dazu verpflichtet zu sein, ein Geschick auf sich zu nehmen, auf dem eine so tiefe Verachtung lastet? Wie sollte er es überhaupt anstellen, diese Verachtung auf sich zu ziehen, die sich an die Person des Kolonisierten heftet? Und wie sollte er auf den Gedanken kommen, an einer schließlichen Befreiung teilzunehmen, da er doch schon frei ist? In der Tat, das alles ist nur ein Gedankenspiel. Und überdies handelt es sich gar nicht unbedingt um Rassismus! Er hat einfach Zeit gehabt, sich darüber klar zu werden, dass die Kolonie keine Verlängerung der Metropole und für ihn keine Heimat ist. Das steht nicht im Widerspruch zu seinen Grundpositionen. Im Gegenteil, weil er den Kolonisierten entdeckt hat, seine existenzielle Eigenständigkeit, weil der Kolonisierte plötzlich nicht länger Bestandteil seines exotischen Traums, sondern zur lebendigen und leidenden Menschheit geworden ist, weigert sich der Kolonisator, an dessen Vernichtung teilzuhaben und entschließt sich, ihm zu Hilfe zu kommen. Aber gleichzeitig hat er verstanden, dass er nichts anderes getan hat, als seinen Wohnsitz zu wechseln: er hat eine andere Zivilisation vor sich, andere Sitten als die eigenen und Menschen, deren Reaktionen ihn oft überraschen und mit denen er keine tiefe Übereinstimmung empfindet.

Und da wir einmal an diesem Punkt angelangt sind, sollte er sich auch eingestehen – selbst wenn er sich dagegen wehrt, hierin mit dem Kolonialisten übereinzustimmen –, dass er gar nicht anders kann, als diese Gesellschaft und diese Menschen negativ zu beurteilen. Wie könnte man leugnen, dass ihre Sitten merkwürdig verknöchert sind, ihre Technik hoffnungslos rückständig und ihre Kultur überholt ist? Nun, er zögert nicht mit der Antwort: für diese Fehler kann man die Kolonisierten nicht verantwortlich machen, sie gehen auf das Konto einer jahrzehntelangen Kolonisation, die ihre eigene Geschichte eingeschläfert hat. Bestimmte Argumente der Kolonialisten machen ihm manchmal zu schaffen, z.B. die Frage, ob die Kolonisierten nicht bereits vor der Kolonisation rückständig waren. Wenn sie sich kolonisieren ließen, dann gerade deshalb, weil sie nicht in der Lage waren zu kämpfen, weder militärisch noch technisch. Gewiss, ihr Versagen in der Vergangenheit bedeutet nichts für die Zukunft; kein Zweifel, dass sie diesen Rückstand aufholen würden, wenn man ihnen die Freiheit gäbe; er ist voll Vertrauen in die geistigen Fähigkeiten der Völker, eigentlich aller Völker. Trotzdem bleibt, dass er von einem grundlegenden Unterschied zwischen dem Kolonisierten und sich ausgeht. Das Kolonialverhältnis ist spezifisch historisch, die Lage und der Zustand des Kolonisierten, zum augenblicklichen Zeitpunkt natürlich, sind dennoch besonderer Art. Er räumt auch ein, dass dies für ihn weder sein Verhältnis noch seine Situation noch sein Zustand ist.

Zuverlässiger als die großen geistigen Erschütterungen werden ihn die kleinen Zermürbungen des täglichen Lebens in dieser entscheidenden Entdeckung bestärken. Anfangs hat er Kuskus aus Neugier gegessen, jetzt kostet er ihn nur noch von Zeit zu Zeit aus Höflichkeit, er findet, dass er schwer im Magen liegt und eine geisttötende Wirkung hat, ohne wirklich nahrhaft zu sein. »Es ist ›étouffechrétien‹ «, sagt er scherzhaft und meint damit, dass er stopft. Oder, wenn er Kuskus gern isst, dann kann er diese »Jahrmarktmusik« nicht ertragen, die ihm jedes Mal entgegenschlägt und ihn halb benommen macht, wenn er an einem Café vorbeigeht; »dass das immer so laut sein muss! wie können sie sich dabei noch unterhalten?« Er leidet unter diesem Geruch von ranzigem Hammelfett, der aus dem Hängeboden unter der Treppe oder aus dem Stockwerk dringt, in dem der kolonisierte Hausmeister wohnt, und der das Haus verpestet. Viele Eigenheiten des Kolonisierten schockieren oder irritieren ihn. Er empfindet einen Widerwillen, den er vergeblich zu verbergen sucht und der sich in seinen Bemerkungen verrät, die denen des Kolonialisten merkwürdig ähnlich sind. Tatsächlich hat er sich weit entfernt von jenem Augenblick, da er a priori sicher war, dass es überall auf der Welt nur eine menschliche Natur gebe. Sicherlich glaubt er noch daran, aber eher wie an eine abstrakte Universalität oder ein Ideal, das in der geschichtlichen Zukunft liegt …

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