Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 10
XIII.
Der König ist so gut, die Königin ist so gut
Unsere Leser mögen uns nun erlauben, sie mit den politischen Hauptereignissen vertraut zu machen, die seit der Epoche, wo wir in unserer letzten Veröffentlichung den französischen Hof verlassen haben, vorgefallen waren.
Diejenigen, welche die Geschichte dieser Zeit kennen, oder diejenigen, welche vor der reinen, einfachen Geschichte zurückschrecken, können dieses Kapitel überschlagen, da das folgende gerade mit den vorangehenden sich zusammenfügt, und da das, welchen wir hier geben, nur für den Gebrauch der vielverlangenden Geister, die sich von Allein Rechenschaft geben wollen, bestimmt ist.
Etwas Unerhörtes, Unbekanntes, etwas, was von der Vergangenheit kam und auf die Zukunft zuging, toste und brummte seit ein paar Jahren in der Luft.
Das war die Revolution.
Voltaire hatte sich einen Augenblick in seinem Todeskampf erhoben, und, mit den Ellbogen auf sein Sterbebett gestützt, hatte er bis in der Nacht, wo er entschlummerte, diese blitzende Morgenröthe glänzen sehen.
Es sollte nämlich die Revolution, wie Christus, dessen Gedanke sie war, die Lebendigen und die Todten richten.
Als Anna von Oesterreich zur Regierung kam, sagte der Cardinal von Retz, gab es nur Ein Wort in Aller Mund: Die Königin ist so gut!
Einen Tage sieht der Arzt von Frau von Pompadour, Quesnoy, Ludwig XV. eintreten: ein Gefühl, das nicht Respect war, beunruhigt ihn dergestalt, daß er zittert und erbleicht.
»Was haben Sie?« fragte ihn Frau von Hausset.
»Madame,« erwiederte Quesnoy, »so oft ich den König sehe, sage ich mir: das ist ein Mann, der mir den Kopf kann abschlagen lassen!«
»Oh! es ist keine Gefahr,« entgegnete Frau von Hausset: »der König ist so gut!«
Mit diesen zwei Sätzen:
Der König ist so gut!
Die Königin ist so gut! hat man die französische Revolution gemacht.
Als Ludwig XV. starb. athmete Frankreich. Man war zugleich wie vom König, so von den Pompadour, von den Dubarry, vom Hirschpark befreit.
Die Vergnügungen von Ludwig XV. kosteten die Nation viel; sie kosteten allein übers drei Millionen jährlich6.
Zum Glück hatte man einen jungen, moralischen, philanthropischen, beinahe philosophischen König.
Einen König. der wie der Emil von Jean Jaques, ein Handwerk, oder vielmehr drei Handwerke gelernt hatte.
Er war Schlosser, Uhrmacher. Mechanicus.
Erschrocken über den Abgrund, über den er sich neigt, fängt der König damit an, daß er alle Gunstbezeigungen, die man von ihm verlangt, abschlägt. Die Höflinge beben. Zum Glück beruhigt sie Eines: nicht er schlägt sie ab, sondern Turgot. Die Königin ist vielleicht noch nicht Königin, und kann folglich an diesem Abend nicht den Einfluß haben, den sie morgen haben wird.
Im Jahr 1777 erlangt sie endlich den so sehr ersehnten Einfluß: die Königin wird Mutter; der König, der schon ein so guter König, ein so guter Gatte war, kann nun auch guter Vater werden.
Wird er derjenigen, welche der Krone einen Erben gegeben hat, etwas verweigern?
Und dann ist das noch nicht Alles: der König ist auch guter Bruder; man kennt die Anekdote von Beaumarchais, der dem Grafen von Provence geopfert wurde; und der König liebt nicht einmal den Grafen von Provence, weil er ein Pedant ist.
Dagegen liebt er sehr den Grafen d’Artois, diesen Typus von Geist, von Eleganz und französischen Adel. Er liebt ihn so sehr, daß, wenn er zuweilen der Königin das, was sie fordert, abschlägt, der Graf d'Artois sich nur mit der Königin zu verbinden braucht, und der König hat nicht mehr die Kraft, zu verweigerte.
Es ist auch die Regierung der liebenswürdigen Männer. Herr von Calonne, einer der liebenswürdigsten Männer der Welt, ist Generalcontroleur; er hat zur Königin gesagt:
»Madame, wenn es möglich ist, so ist es geschehen; ist eo unmöglich, so wird es sich machen.«
Von dem Tage an, wo diese reizende Antwort in den Salons von Paris und Versailles kreist, hat sich das rothe Buch, das man für geschlossen hielt, wieder geöffnet.
Die Königin kauft Saint-Cloud.
Der König kauft Rambouillet.
Der König hat nicht mehr Favoritinnen, sondern die Königin: die Damen Diane und Juleo von Polignac kosten Frankreich so viel, als die Pompadour und die Dubarry.
Die Königin ist so gut!
Man schlägt eine Ersparniß an den großen Gehalten vor. Einige fügen sich darein. Doch ein Vertrauter des Hofes weigert sich hartnäckig, sich beschränken zu lassen: das ist Herr von Coigny. Der König entflieht und sagt lachend am Abend:
»Wahrhaftig. ich glaube, wenn ich nicht nachgegeben hätte, Coigny würde mich geschlagen haben.«
Der König ist so gut!
Dann hängen die Geschicke einen Reiches von so Geringfügigem ab, vom Sporn eines Pagen zum Beispiel.
Ludwig XV. stirbt; wer wird der Nachfolger von Herrn von Aiguillon sein?
König Ludwig XVI. ist für Machaut. Machaut ist einer von den Ministern, die den schon wankenden Thron gestützt haben. Mesdames, das heißt, die Tanten des Königs, sind für Herrn von Maurepas, der so belustigend ist und so schöne Lieder macht. Er hat im Pontchartrain drei Bände gemacht, die er seine Denkwürdigkeiten nennt.
Dies Alles ist eine Frage den Kirchthurmrennens. Wer wird zuerst ankommen? Der König und die Königin in Arnouville, oder Mesdames in Pontchartrain?
Der König hat die Gewalt in Händen, die Chancen sind also für ihn.
– Er schreibt in Eile:
Reisen Sie auf der Stelle nach Parin ab. Ich erwarte Sie.
Er steckt die Depesche in einen Umschlag und schreibt darauf:
An den Herrn Grafen von Machaut in Arnouville.
Ein Page vom großen Stall wird gerufen. Man übergibt ihm das königliche Schreiben und befiehlt ihm, mit verhängten Zügeln zu reiten.
Nun, da der Page abgegangen ist, kann der König Mesdames empfangen.
Mesdames,dieselben, die ihr Vater, wie wir in Balsamo gesehen, mit den drei außerordentlich aristokratischen Namen: Locque, Chiffe und Graille7 beehrt hatte; Mesdames warten vor der Thüre, der entgegengesetzt durch welche der Page abgeht, bin der Page abgegangen ist.
Sobald der Page abgegangen ist, können Mesdames eintreten.
Sie treten ein, und flehen den König zu Gunsten den Herrn Maurepas an, – dies Alles ist eine Zeitfrage – der König kann Mesdames nicht abweisen, der König ist so gut!
Er wird einwilligen, wenn der Page fern genug ist, daß man ihn nicht wieder erwischen kann.
Der König kämpft gegen Mesdames, die Augen auf die Pendeluhr gerichtet, – eine halbe Stunde genügt ihm, – die Pendeluhr wird ihn nicht täuschen; es ist diejenige, welche er selbst richtet. Nach zwanzig Minuten gibt er nach.
»Man hole den Pagen zurück,« sagte er, »und Alles wird abgemacht sein!«
Mesdames stürzten hinaus; man wird aufsitzen; man wird ein Pferd, zwei Pferde, zehn Pferde zu Tode reiten, aber den Pagen einholen.
Das ist unnütz, und man wird gar nichts zu Tode reiten.
Beim Hinabsteigen ist der Page an einer Stufe hängen geblieben und hat einen Sporn zerbrochen. Wie kann man mit verhängten Zügeln reiten, wenn man nur einen Sporen hat?
Uebrigens ist der Chevalier d'Abzac Chef des großen Stalles, und er, der die Aufsicht über die Couriere hat, ließe einen Courier nicht abgehen, wenn derselbe auf eine Weise abgehen müßte, welche dem königlichen Stall nicht Ehre machen würde.
Der Page wird also nur mit beiden Sporen abgehen.
Eine Folge hiervon ist, daß man, statt den Pagen, mit verhängten Zügeln reitend, auf der Straße nach Arnouville einzuholen, ihn im Hofe des Stalles erwischen wird. Er saß nämlich im Sattel und war bereit, in tadellosem Anzug abzugeben.
Man nimmt ihm das Schreiben ab, man läßt den Text, der eben so gut für den Einen als für den Andern paßte. Nur, statt auf die Adresse zu schreiben: An Herrn von Machaut in Arnouville, schreiben Mesdames:
An den Herrn Grafen von Maurepas in Pontchartrain.
Die Ehre den königlichen Stalles ist gerettet, doch die Monarchie ist verloren.
Mit Maurepas und Calonne geht Alles vortrefflich. Der Eine singt, der Andere bezahlt; dann, nach den Höflingen, kommen noch die Generalpächter, die ihren Dienst auch gut versehen.
Ludwig XIV. begann seine Regierung damit, daß er zwei Generalpächter auf den Rath von Colbert aufhängen ließ, wonach er Lavailliére zur Geliebten nahm und Versailles baute. Lavailliére kostete ihn nichts.
Doch Versailles, wo sie wohnen sollte, kostete ihn sehr viel.
Im Jahr 1685 sodann jagt man unter dem Vorwand, sie seien Protestanten, eine Million gewerbsfleißiger Menschen aus Frankreich.
1707, noch unter dem großen König, sagt auch Boisguilbert, von 1698 sprechend:
»Das ging noch in jener Zeit, in jener Zeit war noch Oel in der Lampe. Heute hat in Ermangelung von Stoff Alles ein Ende genommen.
Mein Gott, was wird man achtzig Jahre später sagen, wenn die Dubarry, die Polignac über dies Alles hingegangen sind? Nachdem man das Volk Wasser hat schwitzen lassen, wird man es Blut schwitzen lassen!
Und dies Alles mit so reizenden Formen.
Früher waren die Pächter hart, grob und kalt wie die Thüren der Gefängnisse, in welche sie ihre Opfer warfen.
Heute sind es Philanthropen. Mit einer Hand plündern sie allerdingn das Volk, doch mit der andern bauen sie ihm Hospitäler.
Einer meiner Freunde, ein großer Finanzmann, hat mich versichert, von hundert und zwanzig Millionen, welche die Salzsteuer eintrug, haben die Pächter siebenzig für sich behalten.
In einer Versammlung, wo man die Ausgaben-Etats verlangte, sagte auch ein Rath, mit dem Wort spielend:
»Es sind nicht die besonderen Etats, was wir brauchen, sondern die General-Etats (Reichsstände).«
Der Funke fiel auf das Pulver, dan Pulver entzündete sich und machte einen Brand.
Jeder wiederholte das Wort den Raths und die Reichsstände wurden mit großem Geschrei gerufen.
Der Hof bestimmte die Eröffnung der Reichsstände auf den 5. Mai 1789.
Am 24. August 1788 zog sich Herr von Brienne zurück. Das war auch Einer, der die Finanzen ziemlich leicht verwaltet hatte.
Doch bei seinem Rückzug gab er wenigstens einen ziemlich guten Rath: den Necker zurückzurufen.
Necker trat wieder in das Ministerium ein, und man athmete voll Vertrauen.
Die große Frage der drei Ordnungen wurde indessen in ganz Frankreich verhandelt. Siéyès veröffentlichte seine bekannte Brochure über den dritten Stand.
Das Dauphiné, dessen-Stände sich, trotz des Hofes, versammelten, entschied, daß die Vertretung des dritten Standes der der Geistlichkeit und des Adels gleich sein sollte.
Man bestimmte die Zusammenberufung der Notablen.
Diese Versammlung dauerte zwei und dreißig Tage, das heißt, vom 6. November bis 8. Dezember 1788.
Diesmal mischte sich Gott darein.
Wenn die Peitsche der Könige nicht genügt, so pfeift die Peitsche Gottes ihrerseits in der Luft und macht die Völker vorwärts schreiten.
Der Winter kam in Begleitung der Hungersnoth.
Der Hunger und die Kälte eröffneten die Thore des Jahres 1789.
Paris war voll von Truppen, die Straßen von Patrouilien.
Zwei oder dreimal wurden die Gewehre vor der Menge geladen, welche Hungers starb.
Waren die Gewehre geladen, und man sollte sich derselben bedienen, so geschah dies nicht.
Eines Morgens, am 26. April, fünf Tage vor der Erdöffnung der Reichsstände, ist ein Name in der Menge im Umlauf.
Dieser Name wird mit um so schwereren Flüchen begleitet, als es der einen reich gewordenen Arbeiters ist.
Reveillon, wie man versichert, Reveillon, der Director der berühmten Papierfabrik des Faubourg Saint-Antoine, Reveillon hat gesagt, man müsse die Taglöhne der Arbeiter um fünfzehn Sous erniedrigen.
Das war die Wahrheit.
Man fügte bei, der Hof wolle ihn mit dem schwarzen Bande, das heißt, mit dem Sanct-Michaelsorden decorieren.
Das war die Albernheit.
Es gibt immer ein albernes Gerücht bei den Aufständen. Und es ist merkwürdig, daß sie hauptsächlich durch dieses Gerücht sich rekrutiren, vergrößen, zur Revolution werden.
Das Volk macht einen Gliedermann, tauft ihn Reveillon, decorirt ihn mit dem schwarzen Bande, zündet ihn vor der Thüre von Reveillon selbst an, und verbrennt ihn vollends auf dem Platze des Stadthauses, vor den Augen der Municipalbehörden, die ihn brennen sehen.
Straflosigkeit macht die Menge kühn; sie verkündigt, nachdem sie an Reveillon im Bildniß Gerechtigkeit geübt habe, werde sie am andern Tag in Wirklichkeit Gerechtigkeit an ihm üben.
Das war ein Fehdebrief in allen Regeln an die Regierung gerichtet.
Man schickte dreißig Soldaten von der französischen Garde ab; aber es war nicht einmal die Regierung, die sie abschickte, sondern der Oberst, Herr von Biron. Die dreißig Soldaten waren Zeugen dieses großen Tumultes, den sie nicht verhindern konnten. Sie sahen zu, wie man die Fabrik plünderte, das Hausgeräthe zum Fenster hinauswarf, Alles zerbrach, Alles verbrannte. Mitten unter diesem Tumult wurden fünfhundert Louisd'or gestohlen.
Man trank den Wein der Keller, und als man keinen Wein mehr hatte, trank man die Farben der Fabrik. die man für Wein hielt.
Diese garstige Handlung nahm den ganzen Tag den 27. ein.
Man schickte den dreißig Mann einige Compagnien französische Garden zu Hilfe; sie schaffen Anfangs blind und dann scharf. Mit den französischen Garden verbanden sich gegen Abend die Schweizer von Herrn von Bezenval.
Die Schweizer treiben keinen Scherz mit Revolutionen.
Die Schweizer vergaßen, daß sie Kugeln in ihren Patronen hatten, und da die Schweizer von Natur Schützen, und zwar gute Schützen sind, so blieben etliche und zwanzig Plünderer auf dem Platze.
Einige von ihnen hatten ihren Antheil an den erwähnten fünfhundert Louisd'or bei sich, welche aus dem Secretaire von Reveillon in die Tasche der Plünderer, und aus der Tasche der Plünderer in die der Schweizer übergingen.
Bezenval hatte Alles in seinem Namen gethan, unter seinen Hut genommen, wie man zu sagen pflegt.
Der König dankte ihm nicht und tadelte ihn nicht.
Wenn aber der König nicht dankt, so tadelt er.
Das Parlament eröffnete eine Untersuchung.
Der König schloß sie.
Der König war so gut!
Wer hatte das Volk so entzündet?
Niemand konnte es sagen.
Hat man nicht bisweilen bei großen Sommerhitzen Brände ohne Ursache entstehen sehen?
Man beschuldigte den Herzog von Orleans.
Die Beschuldigung war albern , sie fiel.
Am 29. war Paris vollkommen ruhig, oder schien es wenigstens zu sein.
Es kam der 1. Mai. Der König und die Königin begaben sich mit dem ganzen Hofstaate nach Notre-Dame, um das Veni creator zu hören.
Man rief viel: »Es lebe der König!« und besonders: »Es lebe die Königin!«
Die Königin war so gut!
Das war der letzte Tag den Friedens.
Am andern Tag rief man etwas weniger: »Es lebe die Königin!« und etwas mehr: »Es lebe der Herzog von Orleans!«
Dieser Ruf verletzte sie ungemein, die arme Frau, welche den Herzog so sehr haßte, daß sie von ihm sagte, er sei ein Feiger.
Als ob es je einen Feigen unter den Orleans gegeben hätte, von Monsieur an, der die Schlacht bei Cassel gewann, bin zum Herzog von Chartres, der zum Gewinnen der Schlachten von Jemmapes und Valmy beitrug.
So viel ist gewiß, daß die arme Frau beinahe ohnmächtig geworden wäre; man unterstützte sie, als ihr Kopf sich neigte. Madame Campan erzählt die Sache in ihren Denkwürdigkeiten.
Doch dieser geneigte Kopf erhob sich wieder stolz und hoffartig. Diejenigen welche den Ausdruck dieses Kopfes sahen, waren auf immer davon geheilt, daß sie sagten: »Die Königin ist so gut!«
Es gibt drei Portraits von der Königin; das eine gemalt 1776, dan andere 1784 und das dritte 1788.
Ich habe alle drei gesehen. Sehen Sie dieselben ebenfalls. Wenn sie je in einer Gallerie beisammen sind, so wird man die Geschichte von Marie Antoinette in diesen drei Portraits lesen8.
Die Vereinigung der drei Ordnungen, die eine Umarmung sein sollte, war eine Kriegserklärnng.
»Drei Ordnungen!« sagte Siéyès, »nein, drei Nationen.«
Am 3. Mai, am Tage vor der Messe den Heiligen-Geistes, empfing der König die Abgeordneten in Versailles.
Einige riethen ihm, die Herzlichkeit an die Stelle der Etiquette zu setzen.
Der König wollte nichts hören.
Er empfing die Geistlichkeit zuerst.
Den Adel sodann.
Und endlich den dritten Stand.
Der dritte Stand hatte lange gewartet.
Der dritte Stand murrte.
In den früheren Versammlungen sprach der dritte Stand auf den Knieen.
Es war nicht möglich, den Präsidenten den dritten Standes zum Knieen zu bewegen.
Man beschloß, der dritte Stand sollte keine Rede halten.
In der Sitzung vom 5. bedeckte sich der König.
Der Adel bedeckte sich.
Der dritte Stand wollte sich auch bedecken; doch der König entblößte sich wieder; er hielt lieber seinen Hut in der Hand, als daß er den dritten Stand vor sich bedeckt sah.
Am Mittwoch, den 10. Juni, trat Siéyès in die Versammlung. Er sah, daß sie beinahe gänzlich aus dem dritten Stande zusammengesetzt war.
Die Geistlichkeit und der Adel versammelten sich anderswo.
»Schneiden wir das Tau ab,« sagte Siéyès, »es ist Zeit.«
Und Siéyès schlug vor, den Adel und die Geistlichkeit zum Erscheinen in der unerstrecklichen Frist von einer Stunde aufzufordern.
Erscheinen sie nicht, so wird man die Abwesenden ausschließen.
Eine deutsche und eine Schweizen-Armee umgab Versailles. Eine Batterie schweres Geschütz war gegen die Versammlung aufgepflanzt.
Siéyès sieht nichts von Allem dem. Er sieht das Volk, das Hunger hat. Doch der dritte Stand, sagt man zu Siéyès kann nicht allein die Stände bilden.
»Desto besser,« erwiederte Siéyès, »er wird die National-Versammlung bilden.
Die Abwesenden erscheinen nicht; der Vorschlag des Abbé Siéyès wird angenommen; der dritte Stand nennt sich die National-Versammlung mit einer Majorität von vierhundert Stimmen.
Am 19. Juni befiehlt der König, daß der Saal, in dem die National-Versammlung ihre Sitzungen hält, geschlossen werden soll.
Doch um einen solchen Staatestreich zu vollführen, bedarf der König eines Vorwandes.
Der Saal wird geschlossen, um darin die Vorbereitungen zu einer königlichen Sitzung zu treffen, welche am Montag stattfinden soll.
Am 29. Juni, um sieben Uhr Morgens, erfährt der Präsident der National-Versammlung, man werde an diesem Tag nicht zusammenkommen.
Um acht Uhr begibt er sich vor die Thüre des Saales mit einer großen Anzahl von Deputirten.
Die Thüren sind geschlossen, und es stehen Schildwachen davor.
Es regnet.
Man will die Thüren sprengen.
Die Wachen haben ihren Befehl und kreuzen die Bajonette.
Der Eine schlägt vor, sich auf der Place d’Armes zu versammeln.
Der Andere in Marly.
Guillotin schlägt das Ballhaus vor.
Guillotin!
Wie seltsam, daß es Guillotin ist, dessen Name mit Hinzufügung von einem „e“ vier Jahre später so berühmt sein wird! Wie seltsam, daß es Guillotin ist, der das Ballhaus vorschlägt.
Das kahle, verwitterte, für alle vier Winde offene Ballhaus.
Das ist die Krippe der Schwester von Christus! Das ist die Wiege der Revolution.
Nur war Christus der Sohn einer Jungfrau.
Die Revolution war die Tochter einer geschändeten Nation.
Auf diese große Demonstration antwortete der König durch das königliche Wort: Veto!
Herr nun Brézé wird zu den Rebellen abgeschickt, um ihnen zu befehlen, aus einander zu gehen. »Wir sind hier durch den Willen des Volks,« spricht Mirabeau, »und wir werden nur mit dem Bajonett im Bauch weggehen.«
Und nicht, wie man gesagt hat: »Nur durch die Gewalt der Bajonette.« Warum ist immer hinter einem großen Mann ein kleiner Redekünstler, der die Worte verdirbt, unter dem Vorwand, sie zu ordnen.
Warum war dieser Redekünstler hinter Mirabeau im Ballhause?
Hinter Cambronne bei Waterloo?
Man überbrachte die Antwort dem König.
Er ging einige Zeit mit der Miene eines gelangweilten Menschen auf und ab.
»Sie wollen nicht gehen?«
»Nein, Sire.«
»Nun, dann lasse man sie.«
Das Königthum beugte sich schon, wie man sieht, unter der Hand des Volks, und zwar sehr tief.
Vom 23. Juni die zum 12. Juli schien Alles ziemlich ruhig, aber es war jene dumpfe, erstickende Ruhe, die dem Sturme vorhergeht.
Es war der böse Traum eines bösen Schlafes.
Am 11. faßt der König, durch die Königin, den l Grafen d'Artois, die Polignac, die ganze Camarilla von Versailles angetrieben, einen Entschluß: er entläßt Necker. Am 12. gelangt die Nachricht nach Paris.
Man hat gesehen, welche Wirkung sie hervorbrachte. Am 13. Abends kam Billot an, um die Barrièren brennen zu sehen.
Am 13. Abends vertheidigte sich Paris; am 14. Morgens war Paris zum Angriff bereit.
Am 14. Morgens rief Billot: Nach der Bastille! – und drei tausend Menschen wiederholten nach Billot denselben Ruf, welcher der der ganzen Pariser Bevölkerung werden sollte.
Es gab nämlich ein Gebäude, das seit beinahe fünf Jahrhunderten auf der Brust Frankreichs lastete, wie der Stein der Hölle auf den Schultern von Sisyphus.
Nur hegte Frankreich weniger Vertrauen zu seinen Kräften, als der Titan, und hatte es nie versucht, die Last aufzuheben.
Dieses Gebäude, ein auf die Stirne von Paris gedrücktes Siegel der Feudalherrschaft, war die Bastille.
Der König war, wie Frau von Hausset sagte, zu gut, um einen Kopf abschlagen zu lassen.
Aber der König schickte in die Bastille.
Befand man sich einmal auf Befehl des Königs in der Bastille, so war ein Mensch vergessen, auf die Seite gebracht, begraben, vernichtet.
Er blieb hier, bis der König sich seiner erinnerte, und die Könige haben so viele neue Dinge, an die sie denken müssen, daß sie oft an die alten Dinge zu denken vergessen.
Ueberdies gab es in Frankreich nicht nur eine Bastille; es gab zwanzig Bastillen, die man das Fort-l'Evêque, Saint-Lazare, das Chatelet, die Conciergerie, Vincennes, das Schloß la Roche, das Schloß If, die Inseln Sainte-Marguerite, Pignerolles u. s. w. Nannte.
Nur hieß die Festung der Porte Sainte-Antoine ; die Bastille, wie Rom die Stadt hieß.
Es war die vorzugsweise Bastille. Sie war für sich allein so viel werth als alle andern.
Beinahe ein Jahrhundert hindurch blieb das Gouvernement der Bastille in einer einzigen Familie.
Der Ahnherr dieser Auserwählten war Herr von Chateauneuf. Sein Sohn Lavrillière folgte ihm in seinem Posten. Seinem Sohne Lavrillière folgte sein Enkel Saint-Florentin. Die Dynastie erlosch im Jahre 1777.
Niemand kann sagen, weiche Menge von geheimen Verhaftsbefehlen9 während dieser dreifachen Regierung, die zum großen Theil unter Ludwig XV. verlief, unterzeichnet wurde. Saint-Florentin allein unterzeichnete mehr als fünfzehn tausend.
Die Verhaftsbefehle warfen ein großes Einkommen ab.
Man verkaufte an Väter, die sich ihrer Söhne entledigen wollten.
Man verkaufte an Frauen, die sich ihrer Männer entledigen wollten.
Je schöner die Frauen waren, desto weniger kosteten die Verhaftsbefehle.
Des war dann zwischen ihnen und dem Minister nur ein Austausch von Artigkeiten.
Seit dem Ende der Regierung von Ludwig XIV. waren alle Staatsgefängnisse und besonders die Bastille in den Händen der Jesuiten. Man erinnert sich der Bedeutendsten unter den Gefangenen:
Die Eiserne Maske. Lauzun, Latude.
Die Jesuiten waren Beichtväter, zu größerer Sicherheit hörten sie die Beichte der Gefangenen.
Abermals zu größerer Sicherheit wurden die Gefangenen, wenn sie starben, unter falschen Namen beerdigt.
Die Eiserne Maske beerdigte man, wie man sich erinnert, unter dem Namen Marchiali.
Sie war 45 Jahre im Gefängniß geblieben.
Lauzun blieb 14 Jahre darin.
Latude 30 Jahre.
Aber die Eiserne Maske und Lauzun hatten wenigstens große Verbrechen begangen.
Die Eiserne Maske, ein Bruder oder nicht von Ludwig XIV., glich, wie man versichert, dem König Ludwig XIV. zum Täuschen.
Es ist sehr unklug, es zu wagen, einem König zu gleichen.
Lauzun hätte beinahe oder hatte sogar wirklich die Groß-Mademoiselle geheirathet.
Es ist sehr unklug, es zu wagen, die Nichte von Ludwig XIII., die Enkelin von König Heinrich IV., zu heirathen.
Doch Latude, der arme Teufel, was hatte er gethan? Er hatte es gewagt, sich in Mlle. Poisson, Dame von Pompadour, die Maitresse des Königs zu verlieben.
Er hatte es gewagt, ihr ein Billet zu schreiben, und dieses Billet, das eine biedere Frau demjenigen, welcher es geschrieben, zurückgeschickt haben würde, wird von Frau von Pompadour an Herrn von Sartines geschickt.
Und verhaftet, flüchtig, gefangen und abermals gefangen, bleibt Latude dreißig Jahre unter Schloß und Riegel der Bastille, von Vincennes und Bicêtre.
Nicht umsonst war also die Bastille gehaßt.
Das Volk haßte sie als eine lebendige Sache, es hatte daraus eine von jenen riesigen Tarasquen10 eines von den Thieren des Gevaudan gemacht, welche unbarmherzig die Menschen verschlingen.
Man begreift auch den Schmerz des armen Sebastian Gilbert, als er erfuhr, sein Vater sei in der Bastille.
Man begreift die Ueberzeugung von Billot, der Doctor würde nicht mehr aus dem Gefängniß kommen, wenn man ihn nicht mit Gewalt daraus befreite.
Man begreift die wüthende Begeisterung des Volkes, als Billot rief: Nach der Bastille!
Nur war es, wie die Soldaten gesagt hatten, etwas Wahnsinniges, diese Idee, man könnte die Bastille nehmen.
Die Bastille hatte Proviant, eine Garnison, Artillerie.
Die Bastille hatte Mauern von fünfzehn Fuß an ihrer Firste, von vierzig an ihrer Base.
Die Bastille hatte einen Gouverneur, der Herr de Launay hieß, der dreihundert Centner Pulver in die Keller hatte bringen lassen, der versprochen hatte, im Falle eines Handstreichs die Bastille und mit ihr die Hälfte des Faubourg Saint Antoine in die Luft zu sprengen.