Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 11
XIV.
Die drei Gewalten Frankreichs
Billot zog immer weiter. Von seinem martialischen Gesicht angezogen, erkannte die Menge in diesem Mann einen der ihrigen; die Menge, die seine Worte und sein Unternehmen billigte, folgte ihm immer mehr anwachsend, wie die Wellen der steigenden Flut.
Hinter Billot, als er auf den Quai Saint-Michel gelangte, waren mehr als dreitausend mit Säbeln, Aexten, Piken und Schießgewehren bewaffnete Männer.
Alles schrie: Nach der Bastille! nach der Bastille!
Billot dachte nach. Die Betrachtungen, die wir am Ende des vorhergehenden Kapitels angestellt haben, machte er ebenfalls, und allmählich fiel der ganze Durst seiner fieberhaften Aufregung.
Da sah er klar in seinem Geiste.
Das Unternehmen war groß, erhaben, aber unsinnig. Das war leicht zu begreifen nach den bestürzten und ironischen Physiognomieen, auf denen sich der Eindruck des Rufes: Nach der Bastille wiederspiegelte.
Doch sein Entschluß stand um so fester.
Nur begriff er, daß er Müttern, Frauen, Kindern für das Leben aller dieser Männer verantwortlich war, die ihm folgten, und er wollte daher alle möglichen Vorsichtsmaßregeln ergreifen.
Billot fing also damit an, daß er seine Leute nach dem Platz vor dem Stadthause führte.
Hier ernannte er einen Leutnant und Offiziere.
Ah! dachte Billot, es giebt eine Gewalt in Frankreich, es giebt zwei, es giebt sogar drei.
Beraten wir uns.
Er trat nun in das Stadthaus ein und fragte, wer der Vorstand der Municipalität sei.
Man antwortete ihm, es sei der Stadtvogt, Herr von Flesselles.
»Ah! ah!« sagte er mit einer durchaus nicht zufriedenen Miene, Herr von Flesselles, ein Adeliger, das heißt, ein Feind des Volks.
»Nein,« erwiderte man ihm, ein Mann von Geist.
Billot stieg die Treppe des Stadthauses hinauf, und im Vorzimmer traf er einen Ratsdiener.
»Ich will Herrn von Flesselles sprechen,« sagte Billot, als er bemerkte, daß der Ratsdiener auf ihn zutrat, um ihn zu fragen, was er wünsche.
»Unmöglich,« antwortete der Ratsdiener; »er ist damit beschäftigt, daß er die Cadres einer Bürgermiliz vervollständigt, welche die Stadt in diesem Augenblick organisiert.«
»Das kommt vortrefflich; ich organisiere auch eine Miliz, und da ich schon dreitausend eingereihte Leute habe, so bin ich so viel wert, als Herr von Flesselles, der keinen Mann auf den Beinen hat. Lassen Sie mich also mit Herrn von Flesselles sprechen, und zwar auf der Stelle. Oh! schauen Sie zum Fenster hinaus, wenn Sie wollen.«
Der Ratsdiener warf einen raschen Blick auf die Quais und gewahrte die Leute von Billot. Er beeilte sich daher, dem Stadtvogt Meldung zu machen und ihm gleichsam als Nachricht zu seiner Botschaft die fraglichen dreitausend Mann zu zeigen.
Dies flößte dem Stadtvogt eine Art von Achtung für den Ankömmling ein; er verließ den Rat und kam in das Vorzimmer zu Billot.
»Sie verlangen nach mir?« sagte er lächelnd.
»Sind Sie Herr von Flesselles, der Stadtvogt?« erwiderte Billot.
»Ja, mein Herr. Was steht zu Ihren Diensten? Beeilen Sie sich nur, denn mein Kopf ist zu sehr in Anspruch genommen.«
»Herr Stadtvogt, wie viel Gewalten giebt es in Frankreich?«
»Ei! je nachdem Sie das verstehen, mein lieber Herr,« antwortete von Flesselles.
»Sagen Sie, wie Sie es selbst verstehen.
»Wenn Sie Herrn Bailly fragen, so wird er Ihnen sagen, es gebe nur eine, die Nationalversammlung; wenn Sie Herrn von Dreux-Breze fragen, so wird er Ihnen antworten, es gebe nur eine, den König.«
»Und Sie, Herr Stadtvogt, welche ist unter diesen zwei Meinungen die Ihrige?«
»Meine Meinung ist auch, daß es in diesem Augenblicke nur eine giebt.«
»Die Nationalversammlung oder der König?« fragte Billot.
»Weder die eine, noch der andere; die Nation,« erwiderte Herr von Flesselles, seine Hemdkrause zerknitternd.
»Ah! ah! die Nation!« rief der Pächter.
»Ja, nämlich diese Herren, welche unten auf dem Platze mit Messern und Spießen warten; die Nation, das heißt für mich jedermann.«
»Sie können wohl recht haben, Herr von Flesselles,« sprach Billot, »und nicht mit Unrecht hat man mir gesagt, Sie seien ein Mann von Geist.«
Herr von Flesselles verbeugte sich.
»An welche von diesen drei Gewalten gedenken Sie zu appellieren, mein Herr?« fragte Flesselles.
»Bei meiner Treue,« erwiderte Billot, »ich glaube, das einfachste, wenn man etwas Wichtiges zu verlangen hat, ist, daß man sich an den guten Gott wendet, und nicht an seine Heiligen.«
»Damit wollen Sie sagen, daß Sie sich an den König wenden wollen?«
»Ich habe große Lust.«
»Wäre es unbescheiden, zu fragen, was Sie von dem König zu verlangen gedenken?«
»Die Freiheit des Doktors Gilbert, der in der Bastille ist.«
»Des Doktors Gilbert?« fragte Flesselles hochmütig; »ist das nicht ein Broschürenmacher?«
»Sagen Sie ein Philosoph, mein Herr.«
»Das ist ganz das Gleiche, mein lieber Herr. Ich glaube, daß Sie wenig Aussichten haben, so was vom König zu erlangen.«
»Und warum?«
»Einmal, weil der König, wenn er den Doktor Gilbert in die Bastille stecken ließ, seine Gründe hiefür haben mußte.«
»Gut! er wird seine Gründe angeben, und ich werde ihm die meinigen mitteilen.«
»Mein lieber Herr Billot, der König ist sehr beschäftigt und wird Sie nicht einmal empfangen.«
»Oh! wenn er mich nicht empfängt, so werde ich wohl Mittel finden, ohne seine Erlaubnis hineinzukommen.«
»Sind Sie einmal innen, so werden Sie Herrn von Dreux-Breze treffen, der Sie vor die Thüre werfen läßt.«
»Der mich vor die Thür werfen läßt?«
»Ja, er hat dies mit der Nationalversammlung in Masse thun wollen; allerdings ist es ihm nicht gelungen; doch das ist ein Grund mehr, daß er wütet und seine Wut an Ihnen ausläßt.«
»Gut, dann wende ich mich an die Nationalversammlung.«
»Der Weg nach Versailles ist abgeschnitten.«
»Ich werde mit meinen dreitausend Mann gehen.«
»Nehmen Sie sich in acht, mein lieber Herr. Sie finden auf der Straße vier- bis fünftausend Schweizer und zwei- bis dreitausend Österreicher, die nur einen Mund voll aus Ihnen und Ihren dreitausend Leuten machen, und in einem Augenblick sind Sie verschlungen.«
»Ah! Teufel, was soll ich denn machen!«
»Machen Sie, was Sie wollen; thun Sie mir aber den Gefallen, Ihre dreitausend Mann wegzuführen, die mit ihren Hellebarden auf das Pflaster stoßen und rauchen. Es sind siebzig bis achtzig Zentner Pulver in unseren Kellern, und ein Funke kann uns in die Luft sprengen.«
»Wenn es so ist, so werde ich mich weder an den König, noch an die Nationalversammlung, sondern an die Nation wenden, und wir nehmen die Bastille.«
»Womit? Mit den achtzig Zentnern Pulver, die Sie mir geben werden, Herr Stadtvogt.«
»Ah! wahrhaftig?« sagte Flesselles mit spöttischem Tone.
»Es ist so, mein Herr. Die Schlüssel zu den Gewölben, wenn ich bitten darf.«
»Wie! scherzen Sie?« sagte der Stadtvogt.
»Nein, mein Herr, ich scherze nicht,« sprach Billot.
Und er packte Flesselles mit beiden Händen an seinem Rockkragen und fügte bei:
»Die Schlüssel, oder ich rufe meine Leute.«
Flesselles wurde bleich wie der Tod. Seine Lippen und seine Zähne preßten sich krampfhaft zusammen; doch ohne daß die Stimme die geringste Veränderung erlitt, ohne daß er einen Augenblick von dem spöttischen Ton abließ, den er angenommen hatte, erwiderte er:
»Mein Herr, Sie leisten mir im ganzen einen Dienst, wenn Sie mich von diesem Pulver befreien. Ich werde Ihnen also die Schlüssel nach Ihrem Wunsche zustellen lassen. Nur vergessen Sie nicht, daß ich Ihre erste Obrigkeit bin, und daß Sie, wenn Sie das Unglück hätten, mir vor der Welt das zu thun, was Sie mir unter vier Augen gethan haben, eine Stunde nachher von den Wachen der Stadt gehängt wären. Sie beharren also dabei, daß Sie dieses Pulver haben wollen?«
»Ich beharre dabei,« sprach Billot.
»Und Sie werden es selbst austeilen?«
»Ich selbst.«
»Wann dies?«
»Auf der Stelle.«
»Verzeihen Sie, verständigen wir uns; ich habe hier noch ungefähr eine Viertelstunde zu thun, und es wäre mir, wenn es Ihnen gleichgültig ist, lieber, wenn die Verteilung erst anfinge, nachdem ich weggegangen bin. Man hat mir prophezeit, ich werde eines gewaltsamen Todes sterben; ich gestehe aber, ich habe einen Widerwillen dagegen, daß ich in die Luft gesprengt werde.«
»Gut, in einer Viertelstunde also. Doch nun eine Bitte von meiner Seite. Treten wir beide an dieses Fenster. Wozu?«
»Ich will Sie beim Volke beliebt machen.«
Billot führte den Stadtvogt ans Fenster.
»Freunde, sprach er, nicht wahr, ihr wollt die Bastille immer noch nehmen?«
»Ja! ja! riefen drei- bis viertausend Stimmen.«
»Aber nicht wahr, es fehlt euch an Pulver?«
»Ja! Pulver! Pulver!«
»Seht, hier ist der Herr Stadtvogt, der die Güte haben will, uns zu geben, welches in den Gewölben des Stadthauses sich befindet. Dankt ihm, meine Freunde!«
»Es lebe der Herr Stadtvogt! Es lebe Herr von Flesselles!« brüllte die Menge.
»Ich danke! ich danke für mich, ich danke für ihn!« rief Billot.
Dann wandte er sich gegen den Stadtvogt um und sprach:
»Mein Herr, nun brauche ich Sie weder mehr unter vier Augen, noch vor aller Welt am Kragen zu nehmen, denn wenn Sie mir das Pulver nicht geben, so wird Sie die Nation, wie Sie das nennen, in Stücke zerhauen.«
»Hier sind die Schlüssel, mein Herr,« sagte der Stadtvogt, »Sie haben eine Art, zu bitten, die keine Weigerung zuläßt.«
»In diesem Fall ermutigen Sie mich,« erwiderte Billot, der in seinem Innern einen Plan zur Reife zu bringen schien.
»Ah! Teufel! sollten Sie noch etwas von mir zu verlangen haben?«
»Ja. Kennen Sie den Gouverneur der Bastille?«
»Herrn de Launay?«
»Ich weiß nicht wie er heißt.«
»Er heißt Herr Launay?
»Gut. Kennen Sie Herrn Launay?«
»Er ist einer meiner Freunde.«
»Dann müssen Sie wünschen, daß ihm kein Unglück widerfahre.«
»Ich wünsche es in der That.«
»Nun denn, ein Mittel, daß ihm kein Unglück widerfahre, ist, daß er mir die Bastille, oder wenigstens den Doktor übergibt.«
»Nicht wahr. Sie hoffen nicht, ich werde den Einfluß haben, ihn zu bewegen, Ihnen seinen Gefangenen oder die Festung zu übergeben?«
»Das ist meine Sache; ich bitte Sie nur um meine Einführung bei ihm.«
»Mein lieber Herr Billot, ich sage Ihnen zum voraus, daß Sie, wenn Sie in die Bastille hineinkommen, nur allein hineinkommen werden.«
»Sehr gut.«
»Ich sage Ihnen ferner, daß Sie, wenn Sie in die Bastille hineinkommen, vielleicht nicht mehr herauskommen werden.«
»Vortrefflich!«
»Ich will Ihnen einen Einlaßschein für die Bastille geben, doch nur unter einer Bedingung.«
»Unter welcher?«
»Daß Sie nicht morgen bei mir erscheinen und von mir einen Einlaßschein für den Mond verlangen. Ich sage Ihnen, daß ich in jener Welt niemand kenne.«
»Flesselles! Flesselles!« sprach eine dumpfe, mürrische Stimme hinter dem Stadtvogt. »Wenn du fortfährst, zwei Gesichter zu haben, eines, das den Aristokraten, ein anderes, das dem Volke zulächelt, so wird vielleicht zwischen jetzt und morgen ein Passierschein für jene Welt, aus der niemand mehr zurückkommt, für dich unterzeichnet sein.«
»Der Stadtvogt wandte sich bebend um.«
»Wer spricht so?« sagte er.
»Ich, Marat.«
»Marat, der Philosoph, Marat, der Arzt!« rief Billot.
»Ja, Marat, der Philosoph, Marat, der Arzt,« sagte Flesselles, »der in letzter Eigenschaft bemüht sein müßte, die Narren zu heilen, was ihm Gelegenheit böte, heute eine große Anzahl von Kunden zu haben.«
»Herr von Flesselles, erwiderte der finstere Redner, dieser braue Mann verlangt von Ihnen einen Einlaßschein zum Herrn de Launay. Ich bemerke Ihnen, daß nicht nur er auf Sie wartet, sondern daß auch dreitausend Menschen auf ihn warten.«
»Es ist gut, mein Herr, er soll ihn haben.«
Flesselles trat an seinen Tisch, fuhr mit der Hand über seine Stirn, ergriff eine Feder und schrieb rasch ein paar Zeilen.
»Hier ist Ihr Einlaßschein,« sprach er, Billot das Papier reichend.
»Lesen Sie,« sagte Marat.
»Ich kann nicht lesen.«
»Nun, so geben Sie, ich werde lesen.«
Billot reichte das Papier Marat.
Der Einlaßschein war in folgenden Worten abgefaßt:
»Herr Gouverneur!
»Wir, der Vogt der Stadt Paris, schicken Ihnen Herrn Billot, um sich mit Ihnen über die Interessen genannter Stadt zu bereden.
14. Juli 1789.
Von Flesselles.
»Gut,« sagte Billot, »geben Sie.«
»Sie finden diesen Einlaßschein gut so?« fragte Marat.
»Allerdings.«
»Warten Sie; der Herr Stadtvogt wird eine Nachschrift beifügen, die ihn noch besser machen soll.«
Und er näherte sich Herrn von Flesselles, der, die Faust auf den Tisch gestützt, stehen geblieben war und mit einer hochmütigen Miene sowohl die zwei Männer als einen dritten halbnackten betrachtete, der, auf einen Musketon gelehnt, bei der Thüre erschien.
Dieser dritte war Pitou; er war seinem Herrn gefolgt und hielt sich bereit, den Befehlen des Pächters zu gehorchen, welche es auch sein möchten.
»Mein Herr,« sagte Marat zu Flesselles, »die Nachschrift, die Sie beifügen werden und die den Einlaßschein besser machen soll, ist folgende:
»Sprechen Sie, Herr Marat.«
Marat legte das Papier auf den Tisch bezeichnete mit dem Finger den Platz, wohin der Stadtvogt die verlangte Nachschrift setzen sollte, und sagte:
»Da der Bürger Billot den Charakter eines Parlamentärs hat, so anvertraue ich sein Leben Ihrer Ehre.«
Flesselles schaute Marat wie ein Mensch an, der mehr Lust hatte, dieses platte Gesicht mit einem Faustschlag zu zermalmen, als zu thun, was es forderte.
»Sollten Sie zögern, mein Herr?« fragte Marat.
»Nein,« erwiderte Flesselles; »denn im ganzen verlangen Sie nur etwas Gerechtes vor mir.«
Und er schrieb die verlangte Nachschrift.
»Doch, meine Herren,« sagte er, »merken Sie wohl: ich stehe nicht für die Sicherheit des Herrn Billot.«
»Und ich, ich stehe dafür,« sprach Marat, indem er ihm das Papier aus den Händen zog, »denn Ihre Freiheit ist da, um für die seinige zu haften, Ihr Kopf, um für seinen Kopf zu haften. Braver Billot, hier haben Sie Ihren Einlaßschein.«
»Labrie!« rief Herr von Flesselles, »Labrie!«
Ein Lakai in großer Livree trat ein.
»Meinen Wagen!« sprach er.
»Er erwartet den Herrn Stadtvogt im Hofe.«
»Gehen wir hinab!« sagte der Stadtvogt. »Sie wünschen nichts anderes, meine Herren?«
»Nein!« antworteten gleichzeitig Billot und Marat.
»Soll ich ihn durchlassen?« fragte Pitou.
»Mein Freund,« sprach Flesselles, »ich muß Ihnen bemerken, daß Sie ein wenig zu unanständig gekleidet sind, um die Wache vor der Thüre meines Zimmers zu beziehen. Wenn Sie durchaus hier bleiben wollen, so drehen Sie wenigstens Ihre Patrontasche nach vorne und lehnen Sie das Hinterteil an die Wand an.«
»Soll ich ihn durchlassen?« wiederholte Pitou, indem er Herrn von Flesselles mit einer Miene anschaute, die besagte, er finde nur wenig Geschmack an dem Scherz, dessen Gegenstand er gewesen.
»Ja,« antwortete Billot.
Pitou trat auf die Seite.
»Sie haben vielleicht unrecht gehabt, diesen Mann gehen zu lassen,« sprach Marat; »das war ein vortrefflicher Geisel zum behalten; doch in jedem Fall, wo immer er auch sein mag, seien Sie unbesorgt, ich werde ihn wiederfinden.«
»Labrie!« sagte der Stadtvogt, während er in seinen Wagen stieg, »man wird sogleich hier Pulver austeilen. Sollte das Stadthaus in die Luft springen, so möchte ich nicht gern Spritzer bekommen. Aus dem Bereiche, Labrie, aus dem Bereiche!«
Der Wagen rollte unter das Gewölbe und erschien auf dem Platz, wo vier- bis fünftausend Menschen murrten und tobten, Flesselles befürchtete, man würde seinen Abgang, der ebenso wohl auch eine Flucht sein konnte, übel deuten. Er legte sich mit dem halben Leib über den Wagenschlag hinaus und rief dem Kutscher zu:
»Zur Nationalversammlung!«
Was ihm von Seiten der Menge eine kolossale Salve von Beifallsgeschrei eintrug.
Marat und Billot waren auf dem Balkon und hatten die letzten Worte von Flesselles gehört.
»Meinen Kopf gegen den seinigen, er geht nicht in die Nationalversammlung, sondern zum König,« sagte Marat.
»Soll ich ihn verhaften lassen?« fragte Billot.
»Nein,« erwiderte Marat mit seinem häßlichen Lächeln. »Seien Sie unbesorgt, so schnell er auch gehen mag, wir werden noch schneller gehen, als er. Nun zum Pulver!«
»Ja, zum Pulver!« sagte Billot.
Hierauf gingen beide, gefolgt von Pitou, hinab.
XV.
Herr de Launay, Gouverneur der Bastille
Es waren, wie Herr von Flesselles gesagt hatte, achtzig Zentner Pulver in den Gewölben des Stadthauses.
Marat und Billot traten in das erste Gewölbe mit einer Laterne ein, die sie an der Decke aufhingen.
Pitou bezog die Wache vor der Thüre. Das Pulver war in Fäßchen, von denen jedes ungefähr fünfundzwanzig Pfund enthielt. Man stellte Leute auf der Treppe auf. Diese Leute bildeten eine Kette, und man begann den Transport der Fäßchen.
Es fand einen Augenblick eine Verwirrung statt. Man wußte nicht, ob Pulver für alles Volk da war, und jeder stürzte hinzu, um seinen Teil zu nehmen. Den von Billot ernannten Chefs gelang es jedoch, sich Gehör zu verschaffen, und die Verteilung nahm ihren Fortgang mit einer gewissen Ordnung.
Jeder Bürger bekam ein halbes Pfund Pulver, ungefähr also hinreichend für dreißig bis vierzig Schüsse. Als jeder das Pulver hatte, bemerkte man, daß die Flinten fehlten: kaum fünfhundert Mann waren bewaffnet.
Während die Austeilung fortgesetzt wurde, ging ein Haufen von dieser wütenden Bevölkerung in das Zimmer hinauf, wo die Wähler ihre Sitzungen hielten. Sie waren beschäftigt, die Nationalgarde zu organisieren, wovon der Ratsdiener ein Wort zu Billot gesagt hatte. Man hatte dekretiert, diese Miliz sollte achtundvierzigtausend Mann stark werden. Diese Miliz bestand aber bis jetzt nur im Dekret, und schon stritt man sich über die Ernennung des Generals.
Mitten unter dieser Verhandlung bestürmte das Volk das Stadthaus. Es hatte sich ganz allein organisiert. Es verlangte zu marschieren, und es fehlte ihm nur an Waffen.
In diesem Augenblick hörte man das Geräusch eines Wagens, der hereinfuhr. Es war der Stadtvogt, den man, obgleich er den Befehl des Königs, der ihn nach Versailles berief, vorgezeigt, nicht hatte wollen passieren lassen und mit Gewalt nach dem Stadthause zurückbrachte.
»Waffen! Waffen!« rief man von allen Seiten, als man ihn erblickte.
»Waffen?« sagte er; »ich habe keine, doch im Arsenal muß es geben.«
»Nach dem Arsenal! nach dem Arsenal!« rief die Menge.
Und fünf- bis sechstausend Menschen stürzten nach dem Quai de la Grève. Das Arsenal war leer. Sie kehrten um und brüllten:
»Nach dem Stadthaus!«
Der Stadtvogt besaß keine Waffen oder wollte vielmehr keine geben. Durch das Volk bedrängt, hatte er den Gedanken, sie zu den Chartreux zu schicken.
Die Chartreux öffneten ihre Thore; man suchte überall, fand aber keine Taschenpistole.
Während dieser Zeit machte Flesselles, als er erfuhr, Billot und Marat seien noch in den Gewölben des Stadthauses und teilen das Pulver aus, den Vorschlag, eine Deputation von Wählern an Herrn de Launay zu schicken und bei ihm darauf anzutragen, daß er seine Kanonen verschwinden lasse.
Was am Tage zuvor die Menge am wütendsten brüllen gemacht hatte, waren die Kanonen, die ihren Hals durch die Zinnen hervorstreckten. Flesselles hoffte, wenn man sie verschwinden lasse, so werde sich das Volk mit dieser Einräumung begnügen und sich zufrieden zurückziehen.
Die Deputation war eben abgegangen, als das Volk tobend zurückkehrte.
Sobald Billot und Marat die Schreie vernahmen, die es ausstieß, gingen sie in den Hof hinauf.
Flesselles suchte von einem inneren Balkon herab das Volk zu beschwichtigen. Er schlug ein Dekret vor, das die Distrikte ermächtigen sollte, fünfzigtausend Piken schmieden zu lassen.
Das Volk war bereit, dies anzunehmen.
»Dieser Mensch ist offenbar ein Verräter,« sagte Marat.
Dann wandte er sich gegen Billot und sprach:
»Thun Sie in der Bastille, was Sie dort zu thun haben.«
»In einer Stunde schicke ich Ihnen dahin zwanzigtausend Mann, jeden mit einem Gewehr.«
Billot hatte mit dem ersten Blick großes Zutrauen zu diesem Manne gefaßt, dessen Name schon so populär war, daß er bis zu ihm gedrungen. Er fragte ihn nicht einmal, wie er sich die Gewehre zu verschaffen gedenke. Ein Abbé war da, der die allgemeine Begeisterung teilte und wie alle Welt: Nach der Bastille! schrie. Billot liebte die Abbés nicht; doch dieser gefiel ihm. Er beauftragte ihn, die Austeilung des Pulvers fortzusetzen; der wackere Abbé willigte ein. Da stellte sich Marat auf einen Weichstein. Es fand ein entsetzlicher Tumult statt.
»Stille,« sagte! er, »ich bin Marat und will sprechen.«
Jeder schwieg wie durch einen Zauber, und aller Augen wandten sich nach dem Redner.
»Wollt ihr Waffen, um die Bastille zu nehmen?« sagte er.
»Ja! ja! ja! Wohl! so kommt mit mir, und ihr sollt welche haben. Im Invalidenhause sind zwanzigtausend Flinten.«
»Zu den Invaliden! zu den Invaliden!« riefen alle Stimmen.
»Nun, werden Sie nach der Bastille gehen?« sagte Marat zu Billot, der Pitou gerufen hatte.
»Ja.«
»Warten Sie. Sie können vor der Ankunft meiner Leute der Hilfe bedürfen.«
»In der That, das ist möglich,« erwiderte Billot.
Marat riß ein Blatt aus einer kleinen Brieftasche und schrieb mit Bleistift die zwei Worte:
»Von Marat.«
Dann fügte er auf dem Papier ein Zeichen bei.
»Nun!« fragte Billot, »was soll ich mit diesem Zettel machen, da weder der Name, noch die Adresse desjenigen, welchem ich ihn übergeben soll, darauf steht?«
»Was die Adresse betrifft, so hat der, an welchen ich Sie empfehle, keine; was seinen Namen betrifft . . . er ist wohlbekannt. Fragen Sie den ersten, den besten Arbeiter, dem Sie begegnen, nach Gonchon, dem Mirabeau des Volkes.«
»Gonchon, du wirst dich dieses Namens erinnern, Pitou.«
»Goncho, oder Gonchonius,« sagte Pitou, »ich werde mich erinnern.«
»Zu den Invaliden! zu den Invaliden!« brüllten die Stimmen mit wachsender Wildheit.
»Vorwärts!« sprach Marat zu Billot, »und der Genius der Freiheit gehe dir voran.«
»Zu den Invaliden!« rief nun Marat selbst.
Und er zog, von mehr als zwanzigtausend Menschen gefolgt, den Quai de Gèvres hinab.
Billot nahm in seinem Gefolge fünf- bis sechshundert mit. Das waren diejenigen, welche Gewehre hatten.
In dem Augenblick, wo der eine am Fluß abwärts zog, während der andere gegen den Boulevard hinaufstieg, stellte sich der Stadtvogt an ein Fenster und sprach:
»Meine Freunde, warum sehe ich an euren Hüten die grüne Kokarde?«
Das war das Lindenblatt von Camille Desmoulins, das viele aufgesteckt hatten, weil sie es andere aufstecken sahen, doch ohne nur zu wissen, was sie thaten.
»Hoffnung! Hoffnung!« riefen einige Stimmen.
»Ja; doch die Farbe der Hoffnung ist zugleich die des Grafen d'Artois. Wollt Ihr das Aussehen haben, als traget ihr die Livree eines Prinzen?«
»Nein, nein,« riefen im Chor alle Stimmen und die von Billot über allen.
»Nun denn; so wechselt diese Kokarde, und wenn ihr eine Livree tragen wollt, so sei es wenigstens die der Stadt Paris, der Mutter von uns Allen – Blau und Rot. Freunde, Blau und Rot.«11
»Ja, ja,« riefen alle Stimmen, »Blau und Rot.«
Bei diesen Worten tritt jeder seine grüne Kokarde mit den Füßen, jeder verlangt Bänder; da öffnen sich wie durch einen Zauber die Fenster, und es regnet rote und blaue Bänder in Strömen.
Die Schürzen, die seidenen Kleider, die Halstücher, die Vorhänge werden zerstückt und in Fetzen zerrissen; ihre Fragmente bilden sich zu Knoten, zu Rosetten, zu Schärpen. Jeder nimmt seinen Teil davon.
Hernach setzte sich das kleine Heer von Billot wieder in Marsch.
Unterwegs rekrutierte es sich: alle Arterien des Faubourg Saint-Antoine schickten ihm, als es vorüber marschierte, zu, was sie heißestes und lebhaftestes an Volksblut hatten.
Man gelangte in ziemlich guter Ordnung zur Höhe der Rue Lesdiguieres, wo schon eine Masse von Neugierigen, die von einer glühenden Sonne geschwärzten Türme der Bastille anschauten.
Die Ankunft der Trommler des Volks vom Faubourg Saint-Antoine her, die Ankunft von hundert französischen Garden vom Boulevard, die Ankunft von Billot und seinem Haufen, der nun aus tausend bis zwölfhundert Mann bestehen mochte, veränderten sogleich den Charakter und den Anblick der Menge: die Schüchternen faßten ein Herz, die Ruhigen begeisterten sich, die Übermütigen fingen an zu drohen.
»Nieder mit den Kanonen! nieder mit den Kanonen!« schrieen zwanzigtausend Stimmen, mit der Faust die schweren Geschütze bedrohend, die ihre ehernen Hälse durch die Schießscharten der Plattformen streckten.
Gerade in diesem Augenblick, und als ob der Gouverneur der Festung den Aufforderungen der Menge gehorchte, traten die Artilleristen zu den Kanonen, und diese wichen zurück, bis sie völlig verschwunden waren.
Die Menge klatschte in die Hände, sie war also eine Macht, da man ihren Drohungen nachgab.
Die Schildwachen gingen jedoch fortwährend auf den Plattformen auf und ab. Ein Invalide kreuzte einen Schweizer.
Nachdem man gerufen hatte: »Nieder mit den Kanonen!« rief man: »Nieder mit den Schweizern!« Das war die Fortsetzung des Rufes vom vorhergehenden Tag: »Nieder mit den Deutschen!«
Doch die Schweizer kreuzten nichtsdestoweniger die Invaliden.
Einer von denjenigen, welche: Nieder mit den Schweizern! riefen, wurde ungeduldig; er hatte eine Flinte in der Hand, legte auf die Schildwache an und feuerte.
Die Kugel schlug an die graue Mauer der Bastille, einen Fuß unter dem Kranze des Turmes, gerade vor der Stelle, wo die Schildwache vorüberging. Der Ort, wo die Kugel eingeschlagen hatte, erschien wie ein weißer Punkt, doch die Schildwache blieb nicht stehen, wandte nicht einmal den Kopf um.
Ein großer Tumult entstand um den Mann, der das Signal zu einem unerhörten, wahnsinnigen Angriff gegeben hatte. Es waltete mehr Schrecken als Wut bei diesem Tumulte ob.
Viele begriffen nicht, daß es nicht ein mit dem Tode zu bestrafendes Verbrechen war, einen Schuß nach der Bastille zu thun.
Billot betrachtete diese schwarzgrünliche Steinmasse, nicht unähnlich jenen fabelhaften Ungeheuern, die das Altertum uns mit Schuppen bedeckt zeigt. Er zählte die Schießscharten, wo die Kanonen jeden Augenblick wieder ihre Plätze einnehmen konnten; er zählte die Wallbüchsen, die ihr finsteres Auge aufthaten, um durch die Öffnungen hinauszuschauen.
Und Billot schüttelte, sich der Worte von Flesselles erinnernd, den Kopf.
»Wir werden nie dazu gelangen,« murmelte er.
»Und warum werden wir nie dazu gelangen?« sagte eine Stimme hinter ihm.
Und er wandte sich an den Unbekannten und sprach zu ihm:
Billot sah einen in Lumpen gekleideten Mann mit grimmiger Miene, der seine Augen wie zwei Sterne funkeln ließ.
»Weil es mir unmöglich scheint, eine solche Masse mit Gewalt zu nehmen.«
»Die Einnahme der Bastille ist keine Kriegsthat, es ist ein Akt des Vertrauens; glaube, und du wirst siegen.«
»Geduld,« sagte Billot, während er seinen Einlaßschein in seiner Tasche suchte, »Geduld!«
Der Unbekannte täuschte sich in seiner Absicht.
»Geduld!« erwiderte er. »Ja, ich verstehe, du bist fett; du hast das Aussehen eines Pächters.«
»Ich bin in der That einer.«
»Dann begreife ich, daß du sagst, Geduld. Du bist immer gut genährt gewesen; doch betrachte ein wenig hinter dir alle diese Gespenster, die uns umgeben; sieh ihre vertrockneten Adern; zähle ihre Knochen und die Löcher ihrer Kleider und frage sie, ob sie das Wort Geduld begreifen.«
»Das ist einer, der sehr gut spricht; doch er macht mir bange,« sagte Pitou.
»Mir macht er nicht bange,« erwiderte Billot.
»Ja, Geduld, doch nur noch eine Viertelstunde.«
»Ah! ah!« rief der Mann lächelnd; »eine Viertelstunde! das ist in der That nicht zu viel! und was wirst du bis in einer Viertelstunde thun?«
»Ich werde die Bastille besucht haben; ich werde die Stärke der Garnison kennen, ich werde die Absichten des Gouverneurs kennen. Ich werde endlich wissen, wo man hinein kommt.«
»Ja, wenn du weißt, wo man heraus kommt.«
»Nun! wenn ich nicht herauskomme, so wird mich ein Mann herausbringen.«
»Und wer ist dieser Mann?«
»Gonchon, der Mirabeau des Volks.«
Der Unbekannte bebte; seine Augen schleuderten zwei Flammen.
»Kennst du ihn?« fragte er.
»Nein, aber ich werde ihn kennen lernen; denn man hat mir gesagt, die erste Person, an die ich mich auf dem Platze der Bastille wende, werde mich zu ihm führen. Du bist auf dem Platze der Bastille, führe mich zu ihm.«
»Was willst du von ihm?«
»Ihm dieses Papier übergeben.«
»Von wem ist es?«
»Von Marat, dem Arzte.«
»Von Marat! du kennst Marat?« rief der Mann.
»Ich habe ihn soeben im Stadthause verlassen.«
»Was macht er?«
»Er ist nach dem Invalidenhause gezogen, um zwanzigtausend Menschen zu bewaffnen.«
»Dann gieb mir dieses Papier. Ich bin Gonchon.«
Billot wich einen Schritt zurück.
»Du bist Gonchon?« fragte er.
»Freunde,« sprach der Mann in Lumpen, »hier ist einer, der mich nicht kennt und mich fragt, ob ich wirklich Gonchon sei.«
Die Menge schlug ein Gelächter auf; allen diesen Menschen dünkte es unmöglich, daß man ihren Lieblingsredner nicht kenne.
»Es lebe Gonchon!« riefen zwei- bis dreitausend Stimmen.
»Hier,« sagte Billot, indem er ihm das Papier reichte.
Nachdem Gonchon gelesen, klopfte er Billot auf die Schulter und sprach:y/p>
»Freunde, das ist ein Bruder; Marat empfiehlt ihn mir. Man kann also auf ihn rechnen. Wie heißest du?«
»Ich heiße Billot.«
»Und ich,« sagte Gonchon, »ich heiße Hache, und wir beide werden hoffentlich etwas machen.«
Die Menge lächelte bei dem blutigen Wortspiel12.
»Nun! was werden mir machen?« fragten einige Stimmen.
»Ei! bei Gott, wir werden die Bastille nehmen,« antwortete Gonchon.
»Gut, gut!« rief Billot, »das heiße ich sprechen. Höre, braver Gonchon, über wieviel Leute verfügst du?«
»Ungefähr über dreißigtausend.«
»Dreißigtausend, über die du verfügst, zwanzigtausend, die vom Invalidenhause zu uns kommen werden, und zehntausend, die schon hier sind: das ist mehr, als wir brauchen, um zu siegen, oder wir siegen nie.«
»Ich glaube es.Wohl denn! sammle deine dreißigtausend Mann; ich gehe zum Gouverneur hinein und fordere ihn auf, sich zu ergeben. Ergiebt er sich, desto besser, wir werden Blut ersparen; ergiebt er sich nicht, so wird das vergossene Blut auf ihn fallen, und in den gegenwärtigen Zeitläuften bringt das für eine ungerechte Sache vergossene Blut Unglück. Fragt das die Deutschen!«
»Wie lange wirst du beim Gouverneur bleiben?«
»So lange, als ich kann, bis die Bastille gänzlich eingeschlossen ist; wenn das möglich ist, so wird der Angriff beginnen, sobald ich herauskomme.«
»Abgemacht.«
»Du mißtraust mir nicht?« fragte Billot Gonchon, indem er ihm die Hand reichte.