Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 28

Yazı tipi:

XXXIX.
Foulon

Billot schwamm in Freuden. Er hatte die Bastille genommen, er hatte Gilbert die Freiheit wiedergegeben, er war von Lafayette, der ihn bei seinem Namen nannte, ausgezeichnet worden.

Er hatte endlich die Beerdigung von Foulon gesehen.

Wenige Menschen waren in jener Zeit so verhaßt wie Foulon; ein einziger vielleicht hätte mit ihm konkurrieren können, das war sein Schwiegersohn, Herr Berthier von Sauvigny.

Beide hatten auch am Tage nach der Einnahme der Bastille glücklich gespielt.

Foulon war gestorben, und Berthier hatte sich geflüchtet.

Foulons Unbeliebtheit beim Volke war dadurch auf den höchsten Grad gestiegen, daß er beim Rückzug des Herrn von Necker die Stelle des tugendhaften Genfers, wie man ihn damals nannte, angenommen, und daß er drei Tage Generalkontrolleur gewesen war.

Bei seiner Beerdigung hatten auch viele Gesänge und Tänze stattgefunden.

Man hatte wohl einen Augenblick den Gedanken gehabt, den Leichnam aus dem Sarge zu reißen und ihn aufzuhängen. Billot war aber auf einen Weichstein gestiegen und hatte eine Rede über die dem Toten gebührende Achtung gehalten, worauf der Leichenwagen weiter fahren durfte.

Pitou hatte den Stand eines Helden erreicht, er war der Freund von Herrn Elie und Herrn Hullin, welche die Gewogenheit hatten, ihm ihre Aufträge zu erteilen.

Er war überdies der Vertraute von Lafayette, der den Pächter mit seinen breiten Schultern und Herkulesfäusten zuweilen beauftragte, um ihn her die Polizei zu handhaben.

Seit der Fahrt des Königs nach Paris arbeitete Gilbert, durch Herrn von Necker mit den Hauptpersonen der Nationalversammlung und der Munizipalität in Verbindung gesetzt, ohne Unterlaß an der Erziehung dieser in der Kindheit begriffenen Revolution.

Er vernachlässigte also Billot und Pitou, und diese warfen sich mit allem Eifer in die Bürgervereine, in deren Schoße man Fragen von übersinnlicher Politik verhandelte.

Eines Tages nun, als Billot drei Stunden damit zugebracht hatte, daß er den Wählern seinen Rat über die Verproviantierung von Paris gegeben, und dann des Sprechens müde, aber im Grunde glücklich, den Redner gemacht zu haben, bei dem monotonen Geräusch der Reden seiner Nachfolger, die anzuhören er sich wohl hütete, voll Wonne ausruhte, lief Pitou ganz außer sich, schlüpfte wie ein Aal in den Sitzungssaal des Stadthauses und sagte mit einer bewegten Stimme, die mit der gewöhnlichen Ruhe seines Ausdrucks kontrastierte:

»Oh! Herr Billot! lieber Herr Billot!«

»Nun! was?«

»Große Neuigkeit! Sie wissen, daß ich in den Klub der Tugenden, an der Barrière de Fontainebleau, gegangen bin?«

»Ja. Nun?«

»Man sagte etwas sehr Außerordentliches.«

»Was?«

»Wissen Sie, daß sich der Schurke Foulon für einen Toten ausgegeben und sich zum Scheine sogar hat begraben lassen?

»Wie! sich für einen Toten ausgegeben? Er ist, bei Gott sehr tot, da ich das Leichenbegängnis habe vorüberziehen sehen.«

»Herr Billot, er lebt, er lebt wie Sie und ich.«

»Du bist ein Narr!«

»Lieber Herr Billot, der Verräter Foulon, der Feind des Volks, der Blutegel Frankreichs, der Wucherer, ist nicht tot.«

»Wenn ich dir aber sage, daß man ihn nach einem Schlaganfall begraben hat, wenn ich dir wiederhole, daß ich das Leichenbegängnis habe vorüberziehen sehen, und daß ich es sogar verhindert, daß man ihn nicht aus seinem Sarge riß, um ihn aufzuhängen.«

»Und ich, ich habe ihn soeben lebendig gesehen, wie ich Sie sehe, Herr Billot. Es scheint, einer von seinen Bedienten ist gestorben, und der Schurke hat ein aristokratisches Leichenbegängnis anordnen lassen. Oh! alles ist entdeckt; er hat aus Angst vor der Rache des Volkes so gehandelt.«

»Erzähle mir das, Pitou.«

»Kommen Sie ein wenig ins Vorhaus, Herr Billot, wir werden dort bequemer sein.«

Sie verließen den Saal und gingen ins Vorhaus.

»Vor allem muß ich wissen, ob Herr Bailly hier ist,« sagte Pitou.

»Sprich immerhin, er ist hier.«

»Gut. Ich war also im Klub der Tugenden, wo ich die Rede eines Patrioten anhörte. Es war der, welcher Schnitzer im Französischen machte! Man sah wohl, daß er nicht beim Abbé Fortier in die Schule gegangen war.«

»Immer zu!« versetzte Billot, du weißt, »man kann ein guter Patriot sein und weder zu schreiben, noch zu lesen verstehen.«

»Das ist wahr. Plötzlich lief ein Mann ganz atemlos herbei und rief: Sieg! Sieg! Foulon war nicht tot, Foulon lebt noch: ich habe ihn entdeckt, ich habe ihn gefunden!«

»Man war wie Sie, Vater Billot, man wollte nicht glauben. Die einen sagten: »»Wie! Foulon?«« »»«Ja.«« Die Andern sagten: »»Nun! während du dort warst, hättest du zugleich seinen Schwiegersohn Berthier entdecken müssen.««

»Berthier!« rief Billot.

»Ja, Berthier von Sauvigny. Sie wissen wohl, unser Intendant von Compiègne, der Freund des Herrn Isidor von Charny.«

»Allerdings, derjenige, welcher so hart gegen jedermann und so artig gegen Katharine war.«

»Ganz richtig, ein Greuel von einem Finanzpächter, ein zweiter Blutegel des französischen Volks, der Fluch des Menschengeschlechts, die Schande der zivilisierten Welt.«

»Weiter! weiter!« rief Billot.

»Ich sage Ihnen also, daß sich Foulon für einen Toten ausgegeben, daß er statt seiner einen von seinen Bedienten hat begraben lassen. Dieser gute Bürger, dieser atemlose Patriot, der die Nachricht brachte, hatte ihn in Viry, wo er sich verborgen hielt, erkannt.«

»Ah! ah!«

»Als er ihn erkannt hatte, zeigte er ihn an, und der Syndicus, ein Herr Rappe, ließ ihn auf der Stelle verhaften.«

»Und wie heißt der brave Patriot, der den Mut gehabt hat, eine solche Handlung zu vollbringen?«

»Man nennt ihn Herr Saint-Jean.«

»Saint-Jean? das ist ein Lakaienname.«

»Ei! es ist auch der Lakai dieses Schurken Foulon. Ha! Aristokrat, das geschieht dir recht, warum hast du Lakaien?«

»Pitou, du interessierst mich,« sagte Billot, indem er näher zum Erzähler trat.

»Sie sind sehr gütig, Herr Billot . . . Der Foulon ist also angezeigt, verhaftet; man führte ihn nach Paris; der Denunziant lief voraus, um die Neuigkeit zu verkündigen und den Preis für seine Anzeige in Empfang zu nehmen, so daß Foulon hinter ihm bei der Barrière ankam.«

»Und dort hast du ihn gesehen?«

»Ja, er sah drollig aus; man hatte ihm ein Halsband von Nesseln statt der Kravatte angezogen.«

»Nesseln, warum dies?«

»Weil der Schurke, wie es scheint, gesagt hat, das Brot sei für die Menschen, der Hafer für die Pferde, die Nesseln seien aber gut genug für das Volk.«

»Er hat das gesagt, der Elende?

Bei Gott! ja, er hat es gesagt,« Herr Billot.

Gut, nun schwörst Du!«

»Bah!« versetzte Pitou mit einer dreisten Miene, »unter Militär; Kurz er ging zu Fuß, und man versetzte ihm den ganzen Weg entlang eine Menge von Streichen in die Hüften und an den Kopf.«

»Ah! ah!« machte Billot, weniger enthusiastisch.

»Das ist sehr belustigend,« fuhr Pitou fort; »nur konnte ihm aber nicht jedermann geben; da mehr als zehntausend Personen da waren, die hinter ihm schrien. Dann hat man ihn zum Präsidenten des Saint-Marcell-Distrikts geführt – ein Guter, wie Sie wissen.«

»Ja, Herr Acloque.«

»Cloque! ganz richtig; dieser aber hat Befehl gegeben, ihn in das Stadthaus zu führen, weil er nicht wußte, was er mit ihm machen sollte, so daß Sie ihn sehen werden.«

»Aber wie kommt es, daß du das verkündigst, und nicht der berufene Saint-Jean?«

»Weil meine Beine sechs Zoll länger sind als die seinigen. Er war vor mir abgegangen, aber ich habe ihn eingeholt und bin ihm dann zuvorgekommen. Ich wollte Sie benachrichtigen, damit Sie Herrn Bailly davon in Kenntnis setzen können.«

»Welches Glück hast du!«

»Ich werde morgen noch viel mehr haben.«

»Woher weißt du das?«

»Derselbe Saint-Jean, der Foulon denunzierte, hat sich anheischig gemacht, es dahin zu bringen, daß man auch des Herrn von Berthier, der auf der Flucht ist, habhaft werde.«

»Er weiß also, wo er ist?«

»Ja, es scheint, es war ihr Vertrauter, dieser gute Herr Saint-Jean, und hat vom Schwiegervater und vom Schwiegersohn, die ihn bestechen wollten, viel Geld bekommen.«

»Und er hat das Geld genommen?«

»Gewiß; es ist immer gut, das Geld eines Aristokraten zu nehmen; doch er hat gesagt: Ein guter Patriot verrät die Nation nicht für Geld.«

»Ja,« murmelte Billot, »er verrät nur seinen Herrn. Weißt du, Pitou, daß mir dein Saint-Jean eine große Kanaille zu sein scheint?«

»Das ist möglich, doch gleichviel, man wird Herrn von Berthier festnehmen, wie man Meister Foulon festgenommen hat, und man wird sie beide Nase an Nase henken. Was für eine abscheuliche Grimasse werden sie, einander anschauend, machen!«

»Und warum wird man sie henken?« fragte Billot.

»Weil es Schurken sind, die ich verabscheue.«

»Herr Berthier, der in den Pachthof gekommen ist, Herr Berthier, der bei seinen Rundreisen in der Ile-de-France bei uns Milch gegessen und von Paris aus goldene Ohrringe für Katharine geschickt hat! Oh! nein, nein, man wird ihn nicht henken.«

»Bah!« versetzte Pitou grimmig, »er war ein Aristokrat, ein schmeichelnder Betrüger!«

Billot schaute Pitou ganz erstaunt an. Unter dem Blicke Billots errötete Pitou unwillkürlich bis an das Weiße der Augen.

Plötzlich gewahrte der würdige Pächter Herrn Bailly, der nach einer Beratung aus dem Saale in sein Kabinett ging; er eilte auf ihn zu und teilte ihm die Neuigkeit mit.

Nun war aber die Reihe an Billot, einen Ungläubigen zu finden.

»Foulon! Foulon!« rief der Maire, »Tollheiten!«

»Hören Sie, Herr Bailly,« sprach der Pächter, »hier ist Pitou, der ihn gesehen hat.«

»Ich habe ihn gesehen, Herr Maire,« sagte Pitou, indem er eine Hand an die Brust legte und sich verbeugte.

Und er erzählte Bailly, was er Billot erzählt hatte.

»Da sah man den armen Bailly erbleichen; er begriff den ganzen Umfang der Katastrophe.«

»Und Herr Acloque schickt ihn hierher?«

»Ja, Herr Maire.«

»Aber warum schickt er ihn?«

»Oh! seien Sie unbesorgt,« sagte Pitou, der sich in der Unruhe von Bailly täuschte, »es sind Leute dabei, um den Gefangenen zu bewachen; man wird ihn auf dem Wege nicht entführen.«

»Wollte Gott, daß man ihn entführte,« murmelte Bailly.

Dann wandte er sich an Pitou und fragte:

»Leute . . . was verstehen Sie darunter, mein Freund?«

»Ich meine das Volk. Mehr als zwanzigtausend Männer, die Weiber nicht gerechnet,« antwortete Pitou triumphierend.

»Der Unglückliche!« rief Bailly. »Meine Herren! meine Herren Wähler!«

Und mit scharfer Stimme rief er alle Beisitzer zu sich.

Bei seiner Erzählung hörte man nur Ausrufungen und Angstschreie.

Während eines Stillschweigens des Schreckens, das sodann eintrat, drang allmählich ein verworrener, ferner, unbestimmter Lärm in das Stadthaus.

»Was ist das?« fragte ein Wähler.

»Oh! es ist der Lärm der Menge,« antwortete ein andrer.

Plötzlich rollte ein Wagen rasch auf den Platz; er enthielt zwei bewaffnete Männer, die einen dritten bleichen, zitternden Mann aussteigen ließen.

Hinter dem Wagen, geführt von Saint-Jean, der atemloser als je, liefen ungefähr hundert junge Leute von zwölf bis achtzehn Jahren mit bleicher Gesichtsfarbe und flammenden Augen.

Sie schrieen: »Foulon! Foulon!« und liefen beinahe so rasch als die Pferde.

Die zwei bewaffneten Männer hatten indessen ein paar Schritte Vorsprung vor ihnen, was ihnen Zeit gab, Foulon in das Stadthaus zu schieben, dessen Thüren man vor den heiseren Bellern schloß.

»Endlich ist er hier,« sagten sie zu den Wählern, die oben auf der Treppe warteten. »Teufel! das ist nicht ohne Mühe abgegangen.«

»Meine Herren!« rief Foulon zitternd, »werden Sie mich retten?«

»Ah! mein Herr!« antwortete Bailly mit einem Seufzer, »Sie sind ein großer Verbrecher!«

»Aber ich hoffe, mein Herr, es wird doch eine Gerechtigkeit geben, die meine Verteidigung zuläßt?« fragte Foulon, immer ängstlicher.

In diesem Augenblick verdoppelte sich außen der Tumult.

»Verbergen Sie ihn rasch,« rief Bailly den Leuten zu, die ihn umgaben, »oder . . .«

Er wandte sich gegen Foulon und sagte zu ihm:

»Hören Sie, die Lage ist so ernst, daß wir Sie um Ihre Willensmeinung fragen müssen. Wollen Sie – vielleicht ist es noch Zeit – wollen Sie es versuchen, durch eine der Hinterthüren des Stadthauses zu entfliehen?«

»Oh! nein,« rief Foulon, »man wird mich erkennen und umbringen.«

»Ziehen Sie es vor, in unserer Mitte zu bleiben? Ich und diese Herren werden thun, was Menschen möglich ist, um Sie zu verteidigen. Nicht wahr, meine Herren?«

»Wir versprechen es,« riefen die Wähler einstimmig.

»Oh! ich will lieber bei Ihnen bleiben. Meine Herren, verlassen Sie mich nicht.«

»Ich habe Ihnen gesagt, wir werden alles thun, was Menschen möglich ist, um Sie zu retten,« antwortete Bailly mit Würde.

In diesem Augenblick entstand ein großes Geschrei auf dem Platze, verbreitete sich durch die Luft und drang durch die offenen Fenster ins Stadthaus ein.

»Hören Sie? hören Sie?« murmelte Foulon erbleichend.

Die Menge brach in der That brüllend und entsetzlich anzuschauen aus allen nach dem Stadthause mündenden Straßen, und besonders vom Quai Pelletier und aus der Rue de la Bannerie hervor.

Bailly trat an ein Fenster.

Die Augen, die Messer, die Piken, die Sensen und Musketen glänzten in der Sonne. In weniger als zehn Minuten hatte sich der große Platz mit Menschen gefüllt. Das war das Gefolge Foulons, wovon Pitou gesprochen; es hatte sich noch durch Neugierige vermehrt, die, als sie einen gewaltigen Lärm vernahmen, gegen die Grève, als einen Sammelpunkt, liefen.

Alle diese Stimmen, und es waren mehr als zwanzigtausend, schrieen:

»Foulon! Foulon!«

Nun sah man die hundert Vorläufer dieser Wütenden, wie sie der ganzen brüllenden Masse die Thüre bezeichneten, durch die Foulon eingetreten war; diese Thüre wurde sogleich bedroht, und man fing an, sie mit Fußtritten, mit Kolbenstößen und Hebestangen zu bearbeiten.

Plötzlich öffnete sie sich.

Die Wachen des Stadthauses erschienen und rückten gegen die Angreifenden vor; diese wichen anfangs vor den Bajonetten zurück und ließen in ihrem ersten Schrecken einen großen leeren Raum vor der Fassade.

Die Wache nahm auf den Stufen eine feste Stellung ein. Statt zu drohen, sprachen übrigens die Offiziere freundlich zu der Menge und suchten sie zu beschwichtigen.

Bailly hatte beinahe den Kopf verloren. Es war das erste Mal, daß sich der arme Astronom einem Volkstumult gegenüber befand.

»Was ist zu thun?« fragte er die Wähler.

»Man muß ihn richten!« riefen mehrere Stimmen.

»Man richtet nicht unter der Einschüchterung der Menge,« sagte Bailly.

»Ah!« rief Billot, »haben Sie Truppen genug, um sich zu verteidigen?«

»Oh! wenn Herr von Lafayette benachrichtigt wäre,« sagte Bailly.

»So benachrichtigen Sie ihn.«

»Wer wird die Wogen dieser Menge zu durchschneiden wagen?«

»Ich!« erwiderte Billot.

Und er schickte sich an, wegzugehen.

Bailly hielt ihn zurück.

»Wahnsinniger, sprach er, schauen Sie diesen Ozean an. Wir werden von einer einzigen seiner Wellen verschlungen werden. Wenn Sie bis zu Herrn Lafayette dringen wollen, gehen Sie hinten hinaus.«

»Gut,« antwortete Billot einfach, und er eilte fort.

XL.
Der Schwiegervater

Auf dem Platze entzündeten sich indes die Geister, wie es der immer mehr zunehmende Lärm der Menge bewies. Es war schon nicht mehr Haß, es war Abscheu. Die Schreie: Nieder mit Foulon! Foulon den Tod! kreuzten sich wie tödliche Wurfgeschosse bei einem Bombardement, Und schon begannen in dieser Menge Gerüchte in Umlauf zu kommen und sich zu vergrößern, die zu Gewaltthaten aufforderten.

Diese Gerüchte bedrohten nicht nur Foulon, sondern auch die Wähler, die ihn beschützten.

»Sie haben den Gefangenen entfliehen lassen!« sagten die einen. »Gehen wir hinein! gehen wir hinein!« sagten die andern.

»Zünden wir das Stadthaus an! Vorwärts! vorwärts!«

Da Herr von Lafayette immer noch nicht kam, sah Bailly darin noch das einzige Rettungsmittel: die Wähler sollten selbst hinabgehen, sich unter die Gruppen mischen und die Wütendsten zu bekehren suchen.

»Foulon! Foulon!«

Dies war der unablässige Schrei, das ununterbrochene Gebrülle der rasenden Wogen.

Ein allgemeiner Sturm bereitete sich vor; die Mauern hätten nicht widerstanden.

«Mein Herr,« sagte Bailly zu Foulon, »wenn Sie sich nicht der Menge zeigen, so werden diese Leute glauben, wir haben Sie entwischen lassen; sie werden die Thüre sprengen, sie werden hier hereinkommen, und finden sie Sie dann hier, so stehe ich für nichts mehr.«

»Oh! ich wußte nicht, daß ich so verhaßt bin,« murmelte Foulon, indem er seine Arme mutlos niederfallen ließ.

Und von Bailly unterstützt, schleppte er sich zum Fenster.

Ein entsetzliches Geschrei erhob sich bei seinem Anblick. Die Wachen wurden überwältigt, die Thüren eingestoßen; der Strom stürzte sich auf die Treppen, in die Eingänge, in die Säle, die in einem Augenblick mit Menschen gefüllt waren.

Was nur immer an Wachen verfügbar war, stellte Bailly sofort um den Gefangenen auf, und begann sodann zu den Volksmassen zu reden.

Er wollte diesen Menschen begreiflich machen, daß man durch Mord zuweilen einen Akt der Rache begeht, aber in keinem Fall Gerechtigkeit übt.

Nach unerhörten Anstrengungen, und nachdem er zwanzigmal sein eigenes Leben gewagt, gelang es ihm endlich.

»Ja, ja,« riefen die Stürmenden, »man richte ihn! man richte ihn! doch man hänge ihn auf.«

Soweit waren sie mit ihrer Beweisführung, als Herr von Lafayette, geführt von Billot, im Stadthause erschien.

Der Anblick seines dreifarbigen Federbusches, eines der ersten, die man getragen, dampfte sogleich das Geschrei und die Ausbrüche des Zorns.

Der Obergeneral ließ sich Platz machen und wiederholte noch energischer, als Bailly, was dieser bereits gesagt hatte.

Seine Rede wirkte schlagend auf alle, die ihn hören konnten, und die Sache Foulons war im Saale der Wähler gewonnen.

Außen aber hatten zwanzigtausend Wütende Herrn von Lafayette nicht gehört und blieben unerschütterlich in ihrer Raserei.

»Auf denn!« endigte Lafayette, der natürlich glaubte, die Wirkung, die er auf die Menschen, die ihn umgaben, hervorgebracht, erstrecke sich auch nach außen; auf denn! dieser Mensch muß gerichtet werden.

»Ja!« rief die Menge.

»Infolgedessen befehle ich, daß man ihn ins Gefängnis führt,« fuhr Lafayette fort.

»Ins Gefängnis! ins Gefängnis!« brüllte die Menge.

Zu gleicher Zeit winkte der General den Wachen des Stadthauses, und diese ließen den Gefangenen vorschreiten.

Die Menge dachte nicht andres, als daß nun ihre Beute zu ihr komme. Sie glaubte nicht von fern daran, daß irgend jemand hoffe, ihr diese Beute streitig zu machen.

Sie roch, sozusagen, das frische Fleisch, das die Treppe hinabstieg.

Billot hatte sich mit einigen Wählern, mit Bailly selbst, an das Fenster gestellt, um dem Gefangenen, während er unter dem Geleite der Wachen des Stadthauses über den Platz schreiten würde, mit den Augen zu folgen.

Auf dem Wege richtete Foulon dahin und dorthin verlorene Worte, die, trotz der Beteuerung seines festen Vertrauens, seine tiefe Angst bezeugten.

»Edles Volk,« sagte er, während er die Treppe hinabstieg, »ich fürchte nichts; ich bin unter meinen Mitbürgern.«

Und schon kreuzten sich das Gelächter und die Schmähungen um ihn her, als er sich plötzlich außerhalb des düsteren Gewölbes oben auf den Treppen befand, die auf den Platz führten; hier trafen ihn Luft und Sonne ins Gesicht.

Sogleich drang ein einziger Schrei, ein Schrei der Wut, ein Brüllen der Drohung und des Hasses, aus der Brust von zwanzigtausend Menschen hervor. Bei dieser Explosion werden die Wachen durchbrochen, von der Erde aufgehoben, zerstreut, tausend Arme erheben sich gegen Foulon, schleppen ihn fort und tragen ihn an die unselige Ecke unter die Laterne, den gemeinen brutalen Galgen des Zorns, den das Volk seine Rechtspflege nannte.

Billot sah es und schrie von seinem Fenster aus; auch die Wähler trieben die Wache an, die aber nichts mehr thun konnte.

Lafayette stürzte in Verzweiflung aus dem Stadthause; doch er war nicht einmal imstande, durch die ersten Reihen dieser Menge zu dringen, die sich wie ein ungeheurer See zwischen ihm und der Laterne ausbreitete.

Auf die Weichsteine steigend, um besser zu sehen, an den Fenstern, an den Vorsprüngen der Gebäude, an allen Unebenheiten, die ihnen geboten waren, sich anhängend, ermutigten die einfachen Zuschauer durch ihr furchtbares Geschrei die Schauspieler in ihrem entsetzlichen Feuereifer.

Die Schauspieler selbst spielten mit ihrem Opfer, wie es ein Trupp von Tigern mit einer wehrlosen Beute machen würde.

Alle stritten um Foulon. Endlich begriffen sie, daß man die Rollen unter sich verteilen müsse, wenn man an seinem Todeskampf sich weiden wolle.

Er würde sonst in Stücke zerrissen werden.

Die einen hoben Foulon, der schon nicht mehr die Kraft besaß, zu schreien, in die Höhe.

Die andern, die ihm seine Halsbinde abgenommen und seinen Rock zerrissen hatten, schlangen ihm einen Strick um den Hals.

Wieder andre, die auf die Laterne gestiegen waren, ließen den Strick herab, den ihre Gefährten dem Exminister um den Hals schlangen.

Einen Augenblick hielt man Foulon mit den Armen empor und zeigte ihn so, den Strick um den Hals und die Hände auf den Rücken gebunden, der Menge.

Dann, als die Menge den armen Sünder mit Lust beschaut, als sie beifällig in die Hände geklatscht hatte, wurde das Signal gegeben und Foulon bleich und blutig unter einem Gezische, das erschrecklicher als der Tod, zur Höhe des eisernen Laternenarmes aufgehißt.

Alle, die bis dahin nichts hatten sehen können, erblickten nun den über der Menge schwebenden öffentlichen Feind.

Ein neues Geschrei erscholl; dieses galt den Henkern. Sollte Foulon so schnell sterben?

Die Henker zuckten die Achseln und deuteten nur auf den Strick.

Der Strick war alt. Die verzweifelten Bewegungen, die Foulon in seinem Todeskampfe machte, lösten vollends den Faden, der ihn zurückhielt, der Strick riß, und Foulon fiel halb erwürgt auf das Pflaster.

Er war erst bei der Vorrede der Hinrichtung. Jeder stürzte auf den armen Sünder zu; man war ruhig, er konnte nicht fliehen; er hatte bei seinem Fall nur das Bein über dem Schenkel gebrochen.

Und dennoch erhoben sich einige Flüche und Verwünschungen, unverständige, verleumderische Verwünschungen: man klagte die Henker an, man hielt sie für ungeschickte Leute  . . .. sie, die doch im Gegenteil so sinnreich zu Werke gegangen waren, sie, die den alten, abgenutzten Strick in der Hoffnung, er werde reißen, gewählt hatten.

Man machte einen Knoten an den Strick und schlang ihn abermals um den Hals des Unglücklichen, der, halbtot, die Augen stier, die Stimme erstickt, um sich her suchte, ob in dieser Stadt, die man den Mittelpunkt des zivilisierten Weltalls nennt, nicht eines von den Bajonetten dieses Königs, dessen Minister er gewesen und der hunderttausend besaß, ein Loch in diese Kannibalenhorde brechen würde.

Doch nichts um ihn her, nichts als der Haß, nichts als die Schmähung, nichts als der Tod.

»Tötet mich wenigstens, ohne mich so grausam leiden zu lassen!« rief Foulon in Verzweiflung.

»Höre,« antwortete eine Stimme, »warum sollten wir deine Hinrichtung abkürzen? Du hast die unsre lange genug dauern lassen.«

»Und dann,« sagte eine andre, »du hast noch nicht Zeit gehabt, deine Nesseln zu verdauen.«

»Wartet! wartet!« rief eine dritte, »man wird ihm seinen Schwiegersohn Berthier bringen; es ist Platz an der Laterne gegenüber. Wir wollen das Gesicht sehen, das sich der Schwiegervater und der Schwiegersohn machen werden!«

»Macht ein Ende! macht ein Ende!« rief der Unglückliche.

Bailly und Lafayette baten, flehten, schrieen mittlerweile und suchten durch die Menge zu dringen. Plötzlich erhebt sich Foulon abermals am Ende des Stricks, der abermals reißt, und ihre Bitten, ihr Flehen, ihr Kampf, der nicht minder schmerzlich, als der Todeskampf des armen Sünders, verlieren sich, vermengen sich, erloschen in dem allgemeinen Gelächter, mit dem man diesen zweiten Sturz empfängt.

Bailly und Lafayette, drei Tage vorher noch die unumschränkten Beherrscher des Willens von sechsmalhunderttausend Parisern – heute hörte nicht einmal ein Kind auf sie. Man murrt: sie beengen, sie unterbrechen das Schauspiel.

Vergebens hat ihnen Billot mit seiner Stärke Beistand geleistet, der kräftige Athlet hat zwanzig Menschen niedergeworfen, doch um bis zu Foulon zu gelangen, müßte er fünfzig, hundert, zweihundert niederwerfen, und seine Kräfte sind erschöpft; und während er inne hält, um den mit Blut vermengten Schweiß, der von seiner Stirne fließt, abzuwischen, erhebt sich Foulon bis zum Kolben der Laterne.

Diesmal hat man Mitleid mit ihm gehabt, man hat einen neuen Strick gefunden.

Endlich ist der Verurteilte tot. Das Opfer leidet nicht mehr.

Eine halbe Minute hat der Menge genügt, um außer Zweifel zu sein, daß der Lebensfunke erloschen ist. Nun hat der Tiger getötet, er kann verschlingen.

Oben von der Laterne herabgestürzt, ließ man dem Leichnam nicht einmal Zeit, die Erde zu berühren; er wurde noch früher in Stücke zerrissen.

In einer Sekunde hatte man den Kopf vom Rumpfe getrennt, und in einer Sekunde hob man ihn am Ende eines Spießes in die Höhe. Zu jener Zeit war es stark in der Mode, den Kopf seiner Feinde in solcher Art zu tragen.

Bei diesem Schauspiel erschrak Bailly ungemein, er sah in diesem Kopf die Medusa des Altertums.

Bleich, den Degen in der Hand, schob Lafayette mit Ekel die Wachen von sich, die sich zu entschuldigen suchten, daß sie die minder Starken gewesen.

Stampfend vor Wut und dahin und dorthin ausschlagend, wie eines von den brausenden Pferden der Wildnis, kehrte Billot ins Stadthaus zurück, um nichts mehr von dem zu sehen, was auf diesem mit Blut besudelten Platze vorging.

Was Pitou betrifft, so hatte sich sein Ungestüm für die Volksrache in eine krampfhafte Bewegung verwandelt, und er hatte das abschüssige Ufer des Flusses erreicht, wo er die Augen und die Ohren schloß, um nichts mehr zu sehen und zu hören.

Im Stadthause herrschte Bestürzung: die Wähler fingen an zu begreifen, sie werden nie imstande sein, die Bewegung des Volkes anders zu lenken, als in der Richtung, die dem Volke belieben würde.

Plötzlich, während die Wütenden sich damit belustigen, daß sie den enthaupteten Körper von Foulon in den Gossen umherschleppen, erschallt ein neues Geschrei, rollt ein neuer Donner über die Brücken.

Ein Eilbote stürzt herbei. Die Neuigkeit, die er bringt, weiß die Menge schon. Sie hat auf die Andeutung ihrer geschicktesten Führer erraten, wie die Meute nach der Eingebung des geübtesten Leithundes die Fährte aufnimmt.

Die Menge drängt sich um den Eilboten und schließt ihn ein; sie fühlt, daß er eine neue Beute berührt hat; sie riecht, daß er von Berthier sprechen will.

Aus dem Munde von zehntausend Menschen zugleich befragt, sieht sich der Eilbote genötigt, zu antworten:

»Herr Berthier von Sauvigny ist in Compiègne verhaftet worden.«

Dann dringt er in das Stadthaus ein, wo er Lafayette und Bailly dasselbe verkündigt.

»Gut, gut, ich wußte es,« erwidert Lafayette.

»Wir wußten es,« sagte Bailly, »und es sind Befehle gegeben, daß man ihn dort bewacht.«

»Dort bewacht?« wiederholte der Eilbote.

»Allerdings; ich habe zwei Kommissare mit einer Bedeckung abgeschickt.«

»Eine Bedeckung von zweihundertfünfzig Mann, nicht wahr?« fragte ein Wähler, »dies ist mehr als genügend.«

»Meine Herren, entgegnet der Eilbote, das ist es gerade, was ich Ihnen sagen wollte: die Bedeckung ist zerstreut und der Gefangene durch die Menge entführt worden.«

»Entführt!« ruft Lafayette. »Die Bedeckung hat sich ihren Gefangenen entführen lassen?«

»Klagen Sie nicht an. Alles, was sie thun konnte, hat sie gethan.«

»Aber Herr Berthier?« fragte Bailly ängstlich.

»Man bringt ihn nach Paris,« antwortete der Eilbote, »und in diesem Augenblick ist er in Bourget.«

»Wenn er hierher kommt, ist er verloren!« rief Bailly.

»Geschwind! geschwind!« rief Lafayette, »fünfhundert Mann nach Bourget! Die Kommissäre und Herr Berthier sollen dort anhalten und bleiben; während der Nacht werden wir die Sache überlegen und einen Entschluß fassen.«

»Aber wer wird es wagen, diesen Auftrag zu übernehmen?« versetzte der Eilbote, der aus dem Fenster voll Schrecken das stürmische Meer betrachtete, von dem jede Welle ihren Todesschrei auswarf.

»Ich!« rief Billot; »diesen werde ich retten!«

»Aber Sie werden umkommen!« rief der Eilbote; die Straße ist schwarz von Menschen.

»Ich gehe,« sagte der Pächter.

»Unnütz,« murmelte Bailly, der gehorcht hatte. »Höret!«

Da vernahm man in der Richtung von Porte Saint-Martin ein Geräusch, dem Tosen des Meeres auf den Strandsteinen ähnlich. Dieser wütende Lärm drang über die Häuser empor wie der brodelnde Dampf über den Rand eines Gefäßes.

»Zu spät!« sagte Lafayette.

»Sie kommen, sie kommen!« murmelte der Eilbote. »Hören Sie?«

»Ein Regiment! ein Regiment!« rief Lafayette mit dem edlen Wahnsinn der Menschenliebe, der die glänzende Seite seines Charakters war.

»Ei! Mord und Tod!« rief Bailly, »vergessen Sie, daß unsere Armee gerade diese Menge ist, die Sie bekämpfen wollen? Und er verbarg sein Gesicht in seinen Händen.«

Die Schreie, die man in der Ferne gehört, hatten sich von der in der Straßen zusammengescharten Menge mit der Schnelligkeit eines Lauffeuers dem Volke mitgeteilt, das auf dem Platze in dichten Haufen stand.

Man sah nun diejenigen, welche die traurigen Ueberreste von Foulon beschimpften, ihr blutiges Spiel verlassen, um einer neuen Rache entgegenzueilen.

Die dem Platze anliegenden Straßen spieen sogleich einen großen Teil dieser brüllenden Menge aus, die, Messer und drohende Fäuste emporhaltend, sich nach der Rue Saint-Martin dem neuen Todeszuge entgegenwälzte.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
754 s. 7 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre