Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 42
»Schau wohl,« sagte er zu Pitou, »schau wohl! Wenn man schaut, lernt man. Wenn du wohl gesehen hast, was ich mache, versuche es mir nachzumachen, und ich werde dir meinerseits zuschauen.«
Pitou versuchte es.
»Ziehe deine Kniee an, nimm deine Schultern zurück, gieb deinem Kopf ein freies Spiel; mache dir einen Boden, alle Teufel! deine Füße sind breit genug hierzu.«
Pitou gehorchte nach seinen besten Kräften.
»Gut,« sagte der Greis, »du hast ein ziemlich stattliches Aussehen.«
Pitou fühlte sich unendlich geschmeichelt, daß man ihm ein stattliches Aussehen zuerkannte. Er hatte nicht so viel gehofft.
In der That, wenn er schon nach einer Stunde Exerzieren ein stattliches Aussehen bekam, wie würde es nach Verlauf eines Monats sein? Er würde ein majestätisches Aussehen haben.
Er wünschte auch fortzufahren, doch das war genug für eine Lektion. Ueberdies wollte sich der Vater Clouis, bevor er seine Flinte hatte, weiter nicht einlassen.
»Nein,« sagte er, »«das ist genug für einmal; du hast ihnen nur dies für die erste Lektion zu zeigen, und sie werden es kaum in vier Tagen lernen; und während dieser Zeit wirst du zweimal hier gewesen sein.«
»Viermal,« rief Pitou.
»Ah! ah»« erwiderte kalt Vater Clouis, du hast Eifer und Beine, wie es scheint. Viermal, es sei. Doch ich sage dir, wir sind am Ende des letzten Mondviertels, und morgen wird es nicht mehr hell sein.«
»Wir exerzieren in der Grotte.«
»Dann wirst du Licht bringen.«
»Ein Pfund, zwei, wenn es sein muß.«
»Gut. Und meine Flinte?«
»Ihr werdet sie morgen haben.«
»Ich rechne darauf. Laß sehen, ob du behalten hast, was ich dir gezeigt habe.«
Pitou fing wieder an und erwarb sich Komplimente. In seiner Freude hätte er dem Vater Clouis eine Kanone versprochen.
Nach dieser zweiten Uebung, ungefähr um ein Uhr morgens, nahm er Abschied von seinem Instruktor und kehrte langsam, aber mit einem immer noch sehr weiten Schritt, nach dem Dorfe Haramont zurück, wo alles im tiefsten Schlafe lag.
Pitou träumte, er commandiere als Feldherr ein Herr von mehreren Millionen Menschen, und er lasse das ganze Weltall, in einer Linie aufgefüllt, die Bewegung des Rottenmarsches und ein Schultert das Gewehr machen, das sich bis zum Ende des Thales Josaphat erstreckte.
Schon am andern Tag gab er oder wiederholte er vielmehr seine Lektion seinen Soldaten mit einer Unverschämtheit in der Haltung und einer Sicherheit in der Unterweisung, welche die Gunst, in der er stand, bis zum Unmöglichen steigerten. O Volksbeliebtheit, ungreifbarer Hauch!
Pitou wurde volksbeliebt und war bewundert von Männern, Kindern und Greisen.
Selbst die Frauen blieben ernst, wenn er in ihrer Gegenwart seinen in einer Linie aufgestellten dreißig Soldaten zurief:
»Alle Teufel! seid doch stattlich! Schaut mich an.«
Und er war stattlich.
LXVII.
Worin Katharine auch Diplomatie treibt
Der Vater Clouis hatte seine Flinte. Pitou war ein Junge von Ehre: für ihn war die versprochene Sache eine schuldige Sache.
Zwei dem ersten ähnliche Besuche machten aus Pitou einen vollkommenen Grenadier.
Leider war der Vater Clouis nicht so stark im Manövrieren, als im Exerzieren; als er die Wendungen und Veränderungen erklärt hatte, war er mit seinem Wissen zu Ende.
Pitou nahm nun seine Zuflucht Zu dem soeben erschienenen Handbuch für die Nationalgarde, worauf er die Summe von einem Thaler verwandte.
Durch das großmütige Opfer seines Kommandanten lernte das Bataillon von Haramont sich ziemlich angenehm auf einem Terrain bewegen.
Als Pitou fühlte, daß sich die Bewegungen verwickelten, machte er eine Reise nach Soissons, einer Garnisonsstadt, sah wirkliche Bataillone, geführt von wirklichen Offizieren, manövrieren, und lernte hier an einem Tage mehr, als er mittelst Theorien in zwei Monaten gelernt hätte.
So vergingen zwei Monate, zwei Monate der Arbeit, der Anstrengung und der fieberhaften Aufregung.
Pitou, ehrgeizig, verliebt, unglücklich in der Liebe, aber, eine schwache Entschädigung, mit Ruhm gesättigt, Pitou hatte tüchtig geschüttelt, was gewisse Philosophen geistreicherweise das Tier nennen.
Bei Pitou war das Tier ohne Schonung der Seele geopfert worden. Dieser Mensch war so viel gelaufen, hatte so rastlos seine Glieder gerührt, so sehr seinen Geist geschärft, daß man sich wundern müßte, wenn er dabei an die Befriedigung oder die Tröstung seines Herzens gedacht hätte.
Dennoch war es so.
Wie oft nach dem Exerzieren hatte sich Pitou nicht hinreißen lassen, die Ebenen von Largny und von Roue in ihrer ganzen Länge, und dann den Wald in seiner ganzen Tiefe zu durchwandern, um an den Saum der Felder von Boursonne zu gehen, und Katharine, die noch immer ihre Rendevous unterhielt, zu belauern.
Katharine, ein paar Stunden des Tags den Arbeiten des Hauses entziehend, traf in einem kleinen Pavillon, der mitten in dem zum Schlosse Boursonne gehörigen Kaninchengehege lag, mit dem geliebten Isidor zusammen, mit diesem glücklichen Sterblichen, der immer stolzer, immer schöner sich erhob, während alles um ihn her litt und sank.
Wie viel Bangigkeiten erfüllten das Herz des armen Pitou! welche traurigen Betrachtungen war er genötigt, anzustellen über die Ungleichheit der Menschen im Punkte der Glückseligkeit!
Er, dem die Mädchen von Haramont, von Taillefontaine und von Vivieres huldigten, er, der auch seine Rendevous im Walde gefunden hätte, und der, statt stolz einherzugehen als ein glücklicher Liebhaber, lieber wie ein geschlagenes Kind vor der geschlossenen Thüre des Pavillons von Herrn Isidor weinte!
Das war so, weil Pitou Katharine liebte, weil er sie leidenschaftlich liebte, weil er sie um so mehr liebte, als er sie über ihm erhaben fand.
Er dachte nicht einmal mehr darüber nach, daß sie einen andern liebte. Nein, für ihn hatte Isidor aufgehört, ein Gegenstand der Eifersucht zu sein. Isidor war würdig, geliebt zu sein; aber Katharine, ein Mädchen aus dem Volke, hätte vielleicht ihre Familie nicht entehren, oder sie hätte wenigstens Pitou nicht in Verzweiflung bringen sollen.
Wenn er überlegte, hatte die Reflexion sehr scharfe Spitzen, sehr grausame Stiche.
»Wie!« sagte sich Pitou, »es hat ihr dergestalt an Gemüt gefehlt, daß sie mich hat gehen lassen! Und seitdem ich gegangen bin, hat sie nicht einmal die Gewogenheit gehabt, sich zu erkundigen, ob ich Hungers gestorben. Was würde der Vater Billot sagen, wenn er wüßte, daß man so seine Freunde verläßt, daß man so seine Angelegenheiten vernachlässigt? Was würde er sagen, wenn er wüßte, daß die Verwalterin des Hauses, statt die Arbeitsleute des Pachthofes zu beaufsichtigen, ihrer Liebschaft mit Herrn von Charny, einem Aristokraten, nachgeht?«
»Der Vater Billot würde nichts sagen. Er würde Katharine umbringen.
»Es ist doch etwas, dachte Pitou, es ist doch etwas, das leichte Mittel einer solchen Rache in seinen Händen zu haben.«
Ja, doch es war schön, sich dessen nicht zu bedienen.
Pitou hatte es indessen schon erprobt, die mißkannten schönen Handlungen nützen denjenigen nicht, welche sie vollbracht haben.
Wäre es nicht möglich, Katharine wissen zu lassen, daß man so schöne Handlungen vollbringe?
Ei! mein Gott, nichts war leichter: man durfte nur an einem Sonntag beim Tanze Katharine anreden und ihr wie zufällig eines von den schrecklichen Worten sagen, die den Schuldigen offenbaren, daß ein Dritter ihr Geheimnis ergründet hat.
War das nicht gar leicht thunlich, und geschehe es auch nur, um diese Hoffärtige ein wenig leiden zu sehen?
Doch, um zum Tanze zu gehen, mußte man sich abermals der Vergleichung aussetzen mit diesem schönen Herrn: und diese Vergleichung war für einen Nebenbuhler, wie Pitou, keine erwünschte Stellung.
Erfindungsreich, wie alle diejenigen, welche ihren Kummer zu konzentrieren wissen, fand Pitou etwas Besseres als das Gespräch beim Tanze.
Der Pavillon, in dem die Rendevous von Katharine mit dem Herrn von Charny stattfanden, war von einem dichten Gehölze umgeben, das an den Wald von Villers-Cotterets stieß.
Ein einfacher Graben bezeichnete die Grenze zwischen dem Eigentum des Grafen und dem Eigentum des Privatmanns.
Katharine, die jeden Augenblick in den Geschäften des Pachthofes nach den umliegenden Dörfern gerufen wurde und notwendig durch den Wald reiten mußte; Katharine, der man nichts sagen konnte, so lange sie in diesem Wald war, hatte nur über den Graben zu setzen, um im Walde ihres Liebhabers zu sein.
Dieser Punkt war gewiß als der vorteilhafteste für das Leugnen gewählt.
Der Pavillon beherrschte das Gehölze dergestalt, daß man durch die schrägen, mit farbigen Gläsern versehenen Luken alles in der Umgebung wahrnehmen konnte, und der Ausgang des Pavillons war durch das Gehölz so gut verborgen, daß eine Person, die herausritt, sich mit drei Sprüngen ihres Pferdes im Walde, das heißt auf neutralem Gebiete, befinden konnte.
Pitou war aber bei Tag und bei Nacht so oft gekommen, er hatte das Terrain so gut studiert, daß er den Ort, wo Katharine herauskam, ganz genau wußte.
Nie kehrte Katharine von Isidor gefolgt in den Wald zurück. Isidor blieb einige Zeit nach ihr im Pavillon, um darüber zu wachen, daß ihr bei ihrem Abgang nichts begegne; dann entfernte er sich auf der entgegengesetzten Seite, und alles war vorbei.
An dem Tag, den Pitou für sein Unternehmen wählte, legte er sich am Weg, den Katharine passieren mußte, in den Hinterhalt; er stieg auf eine ungeheure Buche, die mit ihren dreihundert Jahren den Pavillon und das Gehölz überragte.
Es verging keine Stunde, daß er Katharine vorbeireiten sah. Sie band ihr Pferd in einer Schlucht des Waldes an, und gleich einer erschrockenen Hündin setzte sie mit einem Sprung über den Graben und durchschritt das Gehölz, das zum Pavillon führte. Katharine war gerade unter der Buche, auf der Pitou saß, vorübergekommen.
Pitou brauchte nur von seinem Aste herabzusteigen und sich an den Baumstamm anzulehnen. Sobald er hier war, zog er aus seiner Tasche ein Buch, der vollkommene Nationalgardist, das er zu lesen sich den Anschein gab.
Nach einer Stunde drang das Geknarre einer Thüre an Pitous Ohr. Im Blätterwerk wurde das Rauschen eines Kleides hörbar. Der Kopf Katharines erschien außerhalb der Zweige; sie schaute mit erschrockener Miene umher, ob sie niemand sehen könne.
Sie war zehn Schritte von Pitou.
Unbeweglich und unempfindlich hielt Pitou sein Buch in seinem Schoße.
Nur stellte er sich nicht mehr, als lese er, und schaute Katharine absichtlich an, damit sie sehe, daß er sie anschaue.
Katharine gab einen halberstickten Schrei von sich – erkannte Pitou, wurde bleich, als ob der Tod an ihr vorübergezogen wäre und sie berührt hätte, und nach einer kurzen Unentschlossenheit, die sich im Zittern ihrer Hände und im Zucken ihrer Schultern verriet, stürzte sie blindlings in den Wald, wo sie ihr Pferd wieder fand, auf dem sie entfloh.
Die Falle von Pitou war gut gewesen, und Katharine hatte sich fangen lassen.
Pitou kam halb glücklich, halb erschrocken nach Haramont zurück. Denn kaum hatte er sich von dem, was er vollbracht, thatsächlich Rechenschaft gegeben, als er in diesem einfachen Schritt eine Menge erschrecklicher Einzelheiten erblickte, an die er anfangs nicht gedacht.
Der folgende Sonntag war in Haramont für eine militärische Feierlichkeit bestimmt.
Hinreichend instruiert, hatten die Nationalgardisten des Dorfes ihren Kommandanten gebeten, sie zu versammeln und eine öffentliche Uebung vornehmen zu lassen.
Einige durch die Eifersucht in Bewegung gesetzte Dörfer, die auch militärische Uebungen gemacht hatten, sollten nach Haramont kommen, um eine Art von Wettkampf mit ihren Aelteren in der Laufbahn der Waffen einzugehen. Eine Deputation von jedem dieser Dörfer hatte sich mit Pitous Generalstab verständigt; ein Bauersmann, ein ehemaliger Sergeant, befehligte sie.
Die Ankündigung eines so schönen Schauspiels lockte eine große Anzahl Neugieriger im Sonntagsstaat herbei, und das Marsfeld von Haramont wurde schon morgens früh von einer Menge Mädchen und Kinder überströmt, denen langsamer, aber nicht mit geringerem Interesse die Väter und Mütter der Streiter folgten.
Den Anfang machten Imbisse, indem man sich lagerte auf dem Grasboden, einfache Festessen von Obst und Brotkuchen, durch das klare Wasser der Quelle angefeuchtet.
Bald erschollen vier Trommeln in verschiedenen Richtungen; sie kamen von Largny, von Bez, von Taillefontaine und von Vivieres.
Haramont war ein Mittelpunkt geworden; es hatte seine vier Hauptpunkte.
Die fünfte Trommel ging mutig und führte aus Haramont ihre dreiunddreißig Nationalgardisten.
Unter den Zuschauern bemerkte man einen Teil der adeligen und bürgerlichen Aristokratie, welche gekommen war, um darüber zu lachen.
Dabei befanden sich viele Pächter aus der Umgegend, die ihre Schaulust befriedigen wollten.
Bald trafen auf zwei Pferden, nebeneinander reitend, Katharine und die Mutter Billot ein.
Das war der Augenblick, als eben die Nationalgarde von Haramont aus dem Dorfe ausmündete, mit einem Pfeifer, einem Trommler und ihrem Kommandanten Pitou an der Spitze, der einen großen Schimmel ritt, den ihm sein Leutnant Maniquet geliehen hatte, damit die Nachahmung von Paris vollkommener wäre und Herr von Lafayette in Haramont leibhaftig repräsentiert würde.
Strahlend vor Stolz, mit würdevoller Haltung, den Degen in der Hand, ritt Pitou auf dem breiten Roß mit silberner Mähne und, ohne Spott, er stellte, wenn nicht etwas Elegantes und Aristokratisches, wenigstens etwas Kräftiges und Beherztes vor, was mit Vergnügen anzuschauen war.
Der siegreiche Aufmarsch von Pitou und seinen Leuten wurde durch freudigen Zuruf begrüßt.
Die Nationalgarde von Haramont hatte gleiche Hüte, alle geschmückt mit der Nationalkokarde, glänzende Flinten, und marschierte in zwei Gliedern mit einem sehr befriedigenden Gesamteindruck. Als sie auf den Exerzierplatz kam, hatte sie auch bereits alle Stimmen der Versammlung für sich gewonnen.
Pitou erblickte aus dem Augenwinkel Katharine.
Er errötete, sie erbleichte.
Die Revue hatte von diesem Augenblick an für ihn mehr Interesse als für jedermann.
Er ließ die Leute zuerst das einfache Exerzitium mit der Flinte machen, und jede Bewegung, die er kommandierte, wurde so pünktlich ausgeführt, daß die Luft von Bravos erscholl.
Nicht dasselbe war bei den andern Dörfern der Fall; sie zeigten sich matt und unregelmäßig. Halb bewaffnet, halb unterrichtet, fühlten sich die einen schon demoralisiert durch die Vergleichung, die andern übertrieben hochmütig.
Alle gaben nur unvollkommene Resultate.
Doch vom Exerzitium sollte man zum Manövrieren übergehen. Hier erwartete der Sergeant seinen Nebenbuhler Pitou.
Der Sergeant hatte, in Betracht seines Dienstalters, das Oberkommando erhalten, und es handelte sich für ihn ganz einfach darum, die hundertundsiebzig Mann der Hauptarmee marschieren und manövrieren zu lassen.
Er konnte es aber nicht zu Stande bringen.
Seinen Degen unter dem Arm und seinen getreuen Helm auf dem Kopfe, schaute Pitou mit dem Lächeln des überlegenen Feldherrn zu.
Als der Sergeant die Spitzen seiner Kolonne unter den Bäumen des Waldes hatte verschwinden sehen, während die Schweife den Weg nach Haramont einschlugen; als sich seine Carres in unrichtigen Entfernungen zerstreuten; als die Rotten auf eine sehr unerfreuliche Art sich vermengten und die Rottenführer sich verirrten, verlor er den Kopf, und wurde von seinen zwanzig Soldaten mit einem Gemurmel des Mißfallens begrüßt.
Ein Schrei erscholl auf der Seite von Haramont.
»Pitou! Pitou! Pitou!«
»Ja, ja, Pitou!« riefen die Leute von den andern Dörfern, wütend über ihre geringeren Fähigkeiten, die sie liebreich ihren Instruktoren zuschrieben.
Pitou bestieg wieder seinen Schimmel, kehrte zu seiner Mannschaft zurück, die er an die Spitze der Armee stellte und ließ ein Kommando von solcher Stärke und einem so herrlichen Baß erschallen, daß die Eichen darüber erbebten.
Auf der Stelle und wie durch ein Wunder bildeten die in Unordnung geratenen Glieder sich wieder; die befohlenen Bewegungen wurden mit einer Übereinstimmung ausgeführt, deren Regelmäßigkeit der Enthusiasmus nicht störte, und Pitou wandte die Lektionen des Vaters Clouis und die Theorie des vollkommenen Nationalgardisten so glücklich in der Praxis an, daß er einen ungeheuren Erfolg erlangte.
Einmütig und einstimmig ernannte ihn das Heer auf dem Schlachtfelde zum Befehlshaber.
Pitou stieg, in Schweiß gebadet und trunken vor Stolz, von seinem Pferde und empfing, als er den Boden berührte, die Glückwünsche des Volkes.
Zu gleicher Zeit suchte er aber unter der Menge den Blicken Katharines zu begegnen.
Plötzlich ertönte die Stimme des Mädchens an seinem Ohr.
Pitou hatte nicht nötig, zu Katharine zu gehen, Katharine war zu ihm gekommen.
Der Triumph war groß.
»Nun!« sprach sie mit einer lachenden Miene, die ihr bleiches Gesicht lügen strafte, »wie! Herr Ange, Sie sagen uns nichts? Sie sind stolz geworden, weil Sie ein großer General sind . . .«
»Oh! nein,« rief Pitou, »oh! guten Morgen, Mademoiselle!«
Dann zu Frau Billot:
»Ich habe die Ehre, Sie zu grüßen, Frau Billot.«
Und zu Katharine zurückkehrend:
»Sie täuschen sich, Mademoiselle, ich bin kein großer General, ich bin nur ein armer Junge, beseelt von dem Wunsche, meinem Vaterlande zu dienen.«
Dieses Wort wurde auf den Wogen der Menge fortgetragen und unter einem Sturme von Beifallsgeschrei für ein erhabenes Wort erklärt.
»Ange,« sagte leise Katharine, »ich muß mit Ihnen sprechen.«
»Ah! ah!« dachte Pitou, »da sind wir.«
Dann erwiderte er laut:
»Zu Ihren Befehlen, Mademoiselle.«
»Kommen Sie bald mit uns in den Pachthof zurück.»«
»Gut.«
LXVIII.
Der Honig und der Wermut
Katharine hatte es so eingerichtet, daß sie mit Pitou allein war, trotz der Gegenwart ihrer Mutter.
Die gute Frau Billot hatte ein paar gefällige Nachbarinnen gefunden, die, das Gespräch unterhaltend, ihrem Pferde folgten, während Katharine, die das ihrige einer von ihnen überlassen, mit Pitou, der sich seinen Triumphen entzogen, durch den Wald zu Fuß ging.
Ueber derartige Vorgänge wundert sich auf dem Lande niemand, wo alle Geheimnisse von ihrer Wichtigkeit durch die Nachsicht verlieren, die man sich gegenseitig bewilligt.
Man fand es natürlich, daß Pitou mit Frau Billot und ihrer Tochter zu reden hatte; vielleicht bemerkte man es nicht einmal.
An diesem Tage hatte jeder sein Interesse in der Stille und in der Tiefe der Schatten. Alles, was Ruhm oder Glück ist, sucht ein Obdach unter den hundertjährigen Eichen in den waldreichen Gegenden.
»Hier bin ich, Mademoiselle Katharine,« sagte Pitou, als sie allein waren.
»Warum sind Sie solange vom Pachthofe verschwunden geblieben?« fragte Katharine, »das ist schlimm, Herr Pitou.«
»Aber, Mademoiselle,« entgegnete Pitou erstaunt. »Sie wissen wohl . . .«
»Ich weiß nichts . . . Das ist schlimm.«
Pitou kniff sich die Lippen, es widerstrebte ihm, Katharine lügen zu hören.
Sie bemerkte es. Pitous Blick war sonst gewöhnlich gerade und ehrlich; nun stand er aber schief gerichtet.
»Hören Sie, Herr Pitou,« sprach sie, »ich habe Ihnen etwas andres zu sagen.«
»Ah!« machte er.
»Neulich bei der Strohhütte, wo Sie mich gesehen haben . . .«
»Wo habe ich Sie gesehen?«
»Ah! Sie wissen wohl.«
»Ich weiß . . .«
Sie errötete.
»Was machten Sie dort?« sagte sie.
»Sie haben mich also erkannt?« fragte er mit einem sanften, schwermütigen Vorwurf.
»Anfangs nein, doch hernach ja.«
»Wie hernach?«
»Man ist zuweilen zerstreut; man geht, ohne zu wissen, und dann überlegt man.«
»Sicherlich.«
Sie versank wieder in ein Stillschweigen, er auch; der Eine und die Andere hatten zu viele Dinge zu Denken, um so grade heraus zu sprechen.
»Kurz,« sagte Katharine, »Sie waren es?«
»Ja, Mademoiselle.«
»Was machten Sie denn dort? Waren Sie nicht versteckt?«
»Versteckt? nein. Warum sollte ich versteckt gewesen sein?«
»Ah! die Neugierde . . .«
»Ich bin nicht neugierig.«
Sie stieß ungeduldig mit ihrem kleinen Fuß auf den Boden.
»So viel ist immerhin gewiß, daß Sie da waren, und daß dies kein gewöhnlicher Ort für Sie ist.«
»Mademoiselle, Sie haben gesehen, daß ich las.«
»Ah! ich weiß nicht.«
»Da Sie mich gesehen, so müssen Sie es wissen.«
»Ich habe Sie gesehen, das ist wahr, doch nicht genau. Und . . . Sie lasen?«
»Den Vollkommenen Nationalgardisten.«
»Was ist das?«
»Ein Buch, aus dem ich die Taktik lerne, um hernach meine Leute darin zu unterweisen; und um gut zu studieren, muß man, wie Sie wissen, beiseite gehen.«
»Das ist im ganzen wahr, und dort, am Saume des Waldes stört Sie nichts.«
»Nichts.«
Neues Stillschweigen. Die Mutter Billot und die Gevatterrinnen gingen immer weiter.
»Wenn Sie so studieren,« sagte Katharine, »studieren Sie lange?«
»Oft ganze Tage.«
»Also waren Sie lange dort?« rief Katharine lebhaft.
»Sehr lange.«
»Es ist wunderbar, daß ich Sie nicht sah, als ich dahin kam.«
Hier log Sie und zwar so dreist, daß Pitou Lust hatte, sie davon zu überzeugen; doch er schämte sich für Sie; er war verliebt und folglich schüchtern; alle diese Fehler verliehen ihm eine gute Eigenschaft: die Behutsamkeit.
»Ich werde geschlafen haben,« sagte er: »das geschieht zuweilen, wenn man zu viel mit dem Kopf gearbeitet hat.«
»Und während Ihres Schlafes bin ich in den Wald gegangen, um Schatten zu haben. Ich ging . . .. ich ging bis zu den alten Mauern des Pavillons.«
»Ah! versetzte Pitou, des Pavillons . . .. welches Pavillons?«
Katharine errötete abermals. Die Unwissenheit war diesmal zu erkünstelt, als daß sie hätte daran glauben können.
»Des Pavillons von Charny,« erwiderte sie Ruhe heuchelnd. »Dort wächst die beste Hauswurz der Gegend.«
»Potz tausend!«
»Ich hatte mich bei der Wäsche gebrannt, und ich brauchte Blätter.«
Ange, der Unglückliche, als hätte er zu glauben gesucht, warf einen Blick auf die Hände Katharines.
»Nicht an den Händen, am Fuß,« sagte sie rasch.
»Und Sie haben Hauswurzblätter gefunden?«
»Ja wohl; sehen Sie, ich hinke nicht mehr.«
»Sie hinkte noch weniger, als ich sie schneller als ein Reh durch das Gebüsch entfliehen sah,« dachte Pitou.
Katharine bildete sich ein, es sei ihr geglückt; sie bildete sich ein, Pitou habe nichts gewußt, nichts gesehen.
Einer Bewegung der Freude nachgebend, einer schlimmen Bewegung für eine so schöne Seele, sagte sie:
»Also Herr Pitou schmollte mit uns; Herr Pitou ist stolz auf seine neue Stellung; Herr Pitou verachtet die armen Bauern, seitdem er Offizier ist.«
Pitou fühlte sich verletzt. Ein so großes Opfer, selbst wenn man es verhehlt, verlangt beinahe immer belohnt zu werden, und da ihn Katharine im Gegenteil zu foppen schien, da sie ihn durch Vergleichung mit Isidor von Charny ohne Zweifel verspottete, so verlor Pitou alle gute Gesinnung für sie.
»Mademoiselle,« sagte er, »mir scheint, daß Sie vielmehr mit mir schmollten.«
»Wieso?«
»Einmal haben Sie mich vom Pachthofe weggejagt, indem Sie mir Arbeit verweigerten; oh! ich habe Herrn Billot nichts darüber mitgeteilt. Gott sei Dank! ich besitze Arme und Mut im Dienste meiner Bedürfnisse.«
»Ich versichere Sie, Herr Pitou . . .«
»Genug, Sie sind die Gebieterin in Ihrem Hause. Sie haben mich also weggejagt; da Sie sodann in den Pavillon von Charny gingen und ich dort war, und Sie mich gesehen haben, so war es an Ihnen, mit mir zu sprechen, statt zu entfliehen wie ein Apfeldieb.«
Die Schlange hatte gebissen, Katharine fiel von der Höhe ihrer Ruhe herab.
»Entfliehen,« sagte sie; »ich entfloh?«
»Als brennte es im Pachthofe; ich hatte noch nicht Zeit gehabt, mein Buch zu schließen, als Sie schon auf dem im Blätterwerk verborgenen armen Cadet saßen, der die ganze Rinde einer Esche gefressen hat, – ein verlorener Baum . . .«
»Ein verlorener Baum? aber was sagen Sie mir denn da, Herr Pitou?« stammelte Katharine, die fühlte, wie ihre ganze Dreistigkeit sie zu verlassen anfing.
»Das ist sehr natürlich: während Sie Hauswurz suchten,« fraß Cadet, »und in einer Stunde frißt ein Pferd teufelmäßig viel Dinge ab.«
Katharine rief:
»In einer Stunde!«
»Es ist unmöglich, Mademoiselle, daß ein Pferd einen Baum wie diesen in weniger als einer Stunde mit den Zähnen abschält. Sie mußten Hauswurz für so viele Wunden sammeln, als auf dem Platze der Bastille gemacht worden sind; das ist eine herrliche Pflanze für Kataplasmen.«
Ganz bleich und außer Fassung gebracht, fand Katharine kein Wort mehr. Pitou schwieg auch, er hatte genug gesagt.
Die Mutter Billot hielt gerade auf dem Kreuzwege an, um von den Gevatterinnen Abschied zu nehmen.
Pitou, auf die Folter gespannt, denn er hatte sich eine Wunde versetzt, deren Schmerz er fühlte, wiegte sich bald auf einem, bald auf dem andern Beine, wie ein Vogel, der zu entfliegen im Begriffe ist.
»Nun, was sagt der Offizier?« rief die Pächterin.
»Er sagt, er wünsche Ihnen einen guten Abend, Frau Billot.«
»Noch nicht; bleiben Sie,« sprach Katharine mit einem beinahe verzweifelten Ausdruck.
»Guten Abend,« erwiderte die Pächterin. »Kommst du, Katharine?«
»Oh! sagen Sie mir doch die Wahrheit!« flüsterte das Mädchen.
»Welche?«
»Sie sind also nicht mehr mein Freund?«
»Ach!« seufzte der Unglückliche, der, in der Liebe noch ohne Erfahrung, im schrecklichen Dienst des Vertrauten debutierte, eine Rolle, aus der nur die Gewandten einen Nutzen zum Nachteil ihrer Eitelkeit zu ziehen wissen.
Pitou fühlte, daß ihm sein Geheimnis auf die Lippen trat; er fühlte, daß das erste Wort von Katharine ihn ihrer Willkür preisgeben würde.
Er fühlte aber auch zugleich, daß es um ihn geschehen war, wenn er sprach; er fühlte, daß er vor Schmerz an dem Tage sterben müßte, wo ihm Katharine das verkündigte, was sie ihn bloß ahnen ließ.
Diese Furcht machte ihn stumm wie einen Römer.
Er verbeugte sich mit einer Ehrerbietung, die ihr das Herz durchbohrte; er grüßte Frau Billot mit einem freundlichen Lächeln und verschwand im Dickicht des Waldes.
Katharine machte unwillkürlich einen Sprung, als wollte sie ihm folgen.
Die Mutter Billot sagte zu ihrer Tochter:
»Dieser Junge hat seine guten Seiten; er ist gelehrt und hat Herz.«
Als Pitou allein war, begann er einen langen Monolog über dieses Thema.
»Nennt man das die Liebe? Das ist in gewissen Augenblicken sehr unschmackhaft, in andern wieder sehr bitter.«
Der arme Junge war so naiv und so gut, daß er nicht bedachte: es gebe in der Liebe Wermut und Honig, und Herr Isidor habe den Honig für sich gewonnen.
Von diesem Augenblick an, wo sie entsetzlich gelitten, faßte Katharine für Pitou eine Art von Ehrfurcht, die sie ein paar Tage vorher entfernt nicht für diesen harmlosen und seltsamen Menschen empfunden hatte.
Wenn man keine Liebe einflößt, ist es nicht unartig, ein wenig Furcht einzuflößen, und Pitou, der großen Appetit nach persönlicher Würde besaß, würde es nicht wenig geschmeichelt haben, wenn er dieses Gefühl bei Katharine entdeckt hätte.
Da er aber nicht stark genug in der Physiologie war, um die Ideen einer Frau auf eine Entfernung von anderthalb Meilen zu erraten, so beschränkte er sich darauf, daß er viel weinte und sich immer wieder eine Menge von traurigen Dorfliedern auf die melancholischsten Melodien vorsang.
Seine Armee würde sehr enttäuscht worden sein, hätte sie wahrnehmen können, wie ihr General so elegischen Jeremiaden sich preisgab.
Als Pitou viel geweint hatte, nachdem er einen starken Marsch gemacht, kehrte er nach seiner Wohnung zurück, vor der die abgöttischen Haramonter eine Schildwache, das Gewehr im Arm, aufgestellt hatten, um ihm Ehre zu erweisen.
Die Schildwache hatte aber nicht mehr das Gewehr im Arm, so sehr war sie betrunken; sie schlief auf der Steinbank, mit der Flinte zwischen ihren Beinen.
Erstaunt weckte sie Pitou auf.
Er erfuhr sodann, daß die dreißig guten Leute einen Schmaus beim Vater Tellier, dem Hotel von Haramont, bestellt hatten; daß zwölf von den begeisterten Gevatterinnen die Sieger dort bekränzten, und daß man den Ehrenplatz für den Turenne, der den Conte des benachbarten Cantons geschlagen, aufbewahrt hatte.
Von seiner Schildwache in den Bankettsaal fortgezogen, wurde Pitou mit einem Zuruf empfangen, der die Mauern hätte erschüttern können.
Er grüßte stillschweigend, setzte sich ebenso und griff mit der Ruhe, die man an ihm kennt, die Kalbsschnitten und den Salat an.
Das dauerte die ganze Zeit, die sein Herz brauchte, um abzuschmollen, und sein Magen, um sich anzufüllen.