Kitabı oku: «Black», sayfa 20
Man findet hier Hunde von jeder Große, von jeder Race und Physiognomie: Pyrenäenhunde mit gelblichem Haar und tückischem, bissigem Charakter, trotz ihrer gutmütigen Miene; Bulldoggs mit eingedrückter Nase, hervorstehenden Augen und langen Fangzähnen; Schäferhunde, Terriers, Pointers, Jagdhunde von verschiedenen Racen und mehr oder weniger zweifelhafter Abstammung. Der Dachshund figuriert neben dem King Charles. Wolfshunde, deren Aussehen an bepelzte Postconducteure erinnert; türkische Hunde, die ihren Pelz abgelegt zu haben scheinen und beständig vor Kälte schlottern; langhaarige Hunde aus der Havanna, die man so selten findet. Sogar von dem »Carlin«, von jener berühmten Race, die nach der Behauptung einiger Naturforscher von der Erde verschwunden sein sollte, wie der Mammuth, findet man von Zeit zu Zeit einige Exemplare – vermutlich die Nachkommen derer, die Henri Mannier der Vergessenheit entrissen zu haben behauptete.
Dann kommt die Schar der Möpse – eine so zahlreiche und in ihren Verzweigungen so launenhaft mannigfaltige Schaar dass Büffon, wäre er auf den Hundemarkt gekommen, gewiss seine Klasseneinteilung und Genealogie der Hunderacen zerrissen haben würde.
Kurz, alle Arten und Abarten sind hier vertreten, von dem gelehrten Pudel, der seine Kunststücke macht, bis zu dem unedlen Köter, der keinem Genus und keiner Spezies angehört.
Der Chevalier de la Graverie hatte mit seinem Begleiter schon beinahe zwei Stunden die Alleen des Boulevard de l’Hospital abgesucht, ohne den Gegenstand seiner Sehnsucht zu finden.
Mehr als zehnmal hatte Pierre Marteau, dem das versprochene Trinkgeld zu lange ausblieb, auf einen Hund gedeutet, dessen Persönlichkeit einen Netter Blacks vermuten ließ, und mit dem Tone moralischer Überzeugung gesagt:
»Sehen Sie, Monsieur, ist dort nicht Ihr lieber Dumesnil?«
Und mehr als zehnmal hatte der Chevalier mit einem Stoßseufzer geantwortet:
»Ach nein, er ist’s nicht!«
Auf einmal jauchzte unser Held, laut auf.
An einer Straßenecke, auf die er gerade zuging, bemerkte er einen Mann, der zwei Hunde am Riemen führte.
Einer dieser beiden Hunde war Black.
Der Mann sprach mit einem Herrn, der den Jagdhund mit der lebhaftesten Neugierde zu mustern schien.
»Da ist er! da ist er!« jubelte der Chevalier de la Graverie. »Seht nur, er erkennt mich, er sieht sich nach mir um – Black! Black! – Ach, teurer Dumesnil, in meiner Lage freue ich mich doppelt, Dich wieder zu finden.«
Der Chevalier wollte über die Straße eilen; aber es wurden eben mehre Pferde vorüber geführt, und es war unmöglich, hinüber zu kommen, ohne sich einer Gefahr auszusetzen, und Pierre Marteau, der keine Ursache zu ungewöhnlicher Begeisterung hatte, war zum Glück ganz besonnen geblieben und hielt ihn noch zur rechten Zeit zurück. Unterdessen hatte der unbekannte Herr seine Börse gezogen, den Hundehändler bezahlt und den Riemen genommen, um sich mit Black zu entfernen. Der Chevalier de la Graverie, der auf der andern Seite des Fahrweges alles gesehen hatte, rief aus Leibeskräften:
»Halt! halt! der Hund ist mein.«
Aber seine Stimme wurde von dem Geschrei der Pferdehändler, von dem Peitschengeknall und den Hufschlägen auf dem Steinpflaster übertönt.
Endlich wurde der Fahrweg frei. Pierre Marteau ließ den Rockschoß los und die Verfolgung des Käufers begann.
»Monsieur! Monsieur!« schrie der Chevalier, hinter ihm herlaufend, »der Hund, den Sie gekauft haben, gehört mir!«
Der unbekannte Herr, der das Rufen des Chevaliers anfangs nicht beachtet hatte, sah endlich ein, dass die Anrede ihm galt und wie sehr es ihm auch darum zu tun schien. Black in Sicherheit zu bringen, so sah er sich doch um.
»Wie meinen Sie,« fragte er, »was ist gefällig?«
»Ich sage,« wiederholte der Chevalier keuchend, »dass dieser Hund mein ist.«
»Sie irren sich, mein Herr,« antwortete der Käufer, « dieser Hund, den ich am Riemen führe, gehört mir, aus zwei Gründen, von denen schon einer genügt, um mein Besitzrecht außer allen Zweifel zu setzen, ich habe ihn aufgezogen und nie verkauft, und gleichwohl habe ich ihn so eben zurückgekauft.«
»Entschuldigen Sie, lieber Herr,« sagte Pierre Marteau höflich, aber mit Nachdruck, »ich kann bezeugen, dass, der Hund diesem Herrn gehört, ich habe gesehen, dass er ihm am Freitage Abends gestohlen wurde, und seit zwei Tagen suche ich ihn.«
»Sehen Sie nur, er erkennt mich!« sagte der Chevalier, indem er Black beim Kopf nahm und auf die Stirn küsste.
»Leider,« antwortete der Käufer kalt, aber entschlossen, »beweist dies nur, dass Sie einen Hund besessen haben, nachdem er mir gestohlen worden war; aber Sie werden schwerlich mit Ihrem Ehrenworte bestätigen können, dass dieser Hund länger als zwei Jahre in Ihrem Besitz ist, obschon er bereits acht Jahre alt ist.«
»Mein Herr,« erwiderte der Chevalier, der an Theresens Erzählung dachte und einige Gewissensskrupel Fühlte, »belieben Sie einen Preis zu bestimmen, ich werde bezahlen, was Sie verlangen.«
»Mich kann kein Preis anlocken,« sagte der Käufer, »ich bin, Gott sei Dank, so reich, dass ich nicht nötig habe meine Hunde zu verkaufen, Überdies ist mir dieser Hund gar nicht feil; an ihn knüpfen sich theure Erinnerungen und ich versichere, dass ich seit fünfzehn Monaten wo ich ihn im Wald? von Boulogne verlor, täglich an ihn gedacht habe. Ich habe ihn wiedergefunden und behalte ihn.«
Sie wollen Black behalten! das ist unmöglich!« eiferte der Chevalier, den diese entschiedene Antwort in Harnisch brachte. »Der Hund ist mein und ich werde nötigenfalls mein Leben opfern, um wieder in seinen Besitz zu gelangen.«
»Mein Herr,« erwiderte der Käufer mit finsterer Miene, »ich habe einiges Mitleid mit Ihrem Gemütszustand, den ich für einen Anfall von gelindem Wahnsinn halten zu müssen glaube, aber ich muss Ihnen erklären, dass Sie mich langweilen.«
»Es gilt mir gleich, ob ich Sie langweile oder nicht,« antwortete der Chevalier, der nach und nach wieder in seine gestrige rauflustige Stimmung kam; »ich habe morgen ein Duell, und da ich einmal im Zuge bin, so werde ich mich durch die Aussicht auf einen zweiten Gang nicht abschrecken lassen. Ich will meinen Hund haben.«
Diese letzten Worte sprach der Chevalier sehr laut und entschlossen.
»O, schreien Sie nicht so!« erwiderte der Gegner mit großer Ruhe. »Sehen Sie nur, das Publikum versammelt sich schon um uns, und für einen Mann in Ihrem Alter ist es nicht schicklich, sich so zur Schau zu stellen. Hier ist meine Harte; in einer Stunde bin ich zu Hause; ich hoffe, dass Sie dann etwas gelassener sein werden, und ich erwarte Sie, um die Sache in Ordnung zu bringen, wie es Ihnen beliebt.«
»Gut, in einer Stunde.«
Der Unbekannte verneigte sich mit kalter Höflichkeit und entfernte sich mit Black, der in Bezug auf den Besitz keine Prioritätsansprüche gelten zu lassen schien, denn er ging willig mit, indem er dem Chevalier de la Graverie einen Blick zuwarf, der diesem wie ein Pfeil ins Herz drang.
Als der Chevalier endlich Black und dessen Herrn aus den Augen verloren hatte, warf er einen Blick auf die Karte, die er In der Hand hielt, und las:
J. B. Chartier, Handelsmann,
Rue des-Trois-Fréres, Nr. 22
»Ei, den Namen habe ich schon irgendwo gesehen,« dachte der Chevalier, während er auf den Fiakerstand zuging. »Mein Kopf ist mir hier in Paris so verwirrt geworden, dass mir wirklich um mein Gedächtnis, bange wird. Der Hund hat mir schon viel Verdruss gemacht, aber weit mehr Kummer würde mir sein Verlust machen. Dieser fatale Vorfall verheißt mir auf morgen nichts Gutes.«
Ein leerer Fiaker fuhr eben vorüber; der Chevalier winkte, der Kutscher hielt an.
Pierre Morteau öffnete zuvorkommend den Schlag.
»Ah, da seid Ihr ja, mein Freund,« sagte der Chevalier; »ich hatte gar nicht mehr an Euch gedacht. Der Mensch ist doch ein undankbares Geschöpf!«
Er nahm drei bis vier Louisd’or aus der Tasche und wollte sie seinem treuen Begleiter geben.
Aber Pierre Marteau schüttelte den Kopf.
»Ist’s nicht genug?« sagte der Chevalier.
»Kommt mit mir in den Gasthof, ich werde Euch mehr geben.«
»O, das meine ich nicht, Monsieur.«
»Was meint Ihr denn?«
»Ich meine, dass ich Ihnen noch nützlich sein kann, wär’s auch nur, um nötigenfalls zu bezeugen, dass der Hund Ihnen gehört und dass Sie ihn auf dem Boulevard des Italiens am Riemen führten, als er ihnen gestohlen wurde.«
»Es ist wahr. Kommt nur mit mir. Gin braver Mann ist immer nützlich, und wenn Ihr mir diesen Dienst nicht erweisen könnt, so findet sich vielleicht eine andere Gelegenheit, mir nützlich zu sein. Aber wo wollt Ihr sitzen?«
»Bei dem Kutscher.«
»Gut, so steigt auf, mein Freund.«
Dann sagte er, wie mit sich selbst redend, als ob er sich in eine martialische Stimmung versetzen wollte:
»Ja, ja, ich muss Black wieder haben, und wenn ich mich mit diesem Chartier übers Schnupftuch schießen sollte! Und Du wirst mich nicht im Stich lassen, armer Dumesnil, ich setze ja für Dich mein Leben aufs Spiel!«
Pierre Morteau hatte inzwischen die Wagentür wieder geschlossen und neben dem Kutscher Platz genommen.
»Wohin soll ich fahren?« fragte der Letztere.
»Rue des – Trois – Fréres Nr. 22,« antwortete der Chevalier.
Der Fiaker fuhr ab.
X
Wo der Chevalier, nachdem er seinen Hund wiedererkannt, einen Freund findet
Der Chevalier de la Graverie war in sehr düsterer Stimmung, als er das Haus seines Gegners betrat.
Herr Chartier war eben nach Hause gekommen.
Der Chevalier erkundigte sich bei dem Hausmeister nach Black. Der Hausmeister hatte nicht die Ehre, Black zu kennen, aber Herr Chartier war mit einem unbekannten Hunde nach Hause gekommen. Dieser Hund war ein prächtiger, glänzend schwarzer Jagdhund. Mehr wollte der Chevalier nicht wissen.
Herr Chartier bewohnte den zweiten Stock eines sehr schönen Hauses.
Der Chevalier eilte die Treppe hinauf, in der Erwartung, Black wieder zu sehen und auf Worte sinnend, welch? das Herz des früheren Eigentümers erweichen könnten. Dieses Herz schien ihm übrigens nach dem jüngst erlebten Vorfall ziemlich hart.
Auf der Treppe fragte er sich, ob es nicht gut sei, dem oben genannten J. B. Chartier seine absonderlichen Vermutungen hinsichtlich der hier aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefundenen Seelenwanderung mitzuteilen und ganz offen zu gestehen, dass sein Herzensfreund Black einst einen Degen an der Seite und Kapitänsepauletten getragen habe.
Er läutete an der Tür des zweiten Stockes, ohne einen festen Entschluss gefasst zu haben, und indem er sich zum zehnten Male fragte:
»Wo habe ich doch den Namen Chartier gesehen?«
Herr Chartier war wirklich eben nach Hause gekommen. Es war zehn Uhr, die stets pünktlich eingehaltene Frühstücksstunde, und er hatte sich sogleich zu Tische gesetzt.
Aber ehe er sich setzte, hatte er ausdrücklich befohlen, einen kleinen beleibten Mann von etwa fünfzig Jahren mit einem roten Bande im Knopfloch, der bald nach ihm fragen werde, in den Salon zu führen.
Diese Personenbeschreibung passte so gut auf den Chevalier, dass der Bediente, welcher die Tür öffnete, ohne seine Anrede abzuwarten, sagte:
»Ah, da ist ja der Herr, den Monsieur erwartet.«
»Ja, ich bin’s,« sagte der Chevalier.
»Ich soll Sie in den Salon führen,« setzte der Bediente hinzu, »und Monsieur, der beim Frühstück sitzt, sogleich in Kenntnis setzen.«
Der Chevalier hatte noch nicht gefrühstückt, er hatte so viel zu denken, dass er diese Mahlzeit, die ihm sonst keineswegs gleichgültig war, ganz vergessen hatte. Er war übrigens tief durchdrungen von der gastronomischen Moral, welche jede Störung in dem wichtigen Geschäft der Magenbefriedigung verbietet, und antwortete mit instinktartiger Höflichkeit:
»Gut, gut – ich will Herrn Chartier nicht stören, ich werde im Salon warten.«
Der Bediente führte den Chevalier in das bezeichnete Zimmer und meldete seinem Herrn die Ankunft des erwarteten Fremden. Er unterließ auch nicht, dessen Worte zu wiederholen, welche der zu den Füßen seines neuen Herrn liegende Black mit großer Aufmerksamkeit anzuhören schien. Unterdessen trat der Chevalier an das Kamin, in welchem ein gutes Feuer brannte, und während er sich die Waden wärmte, fragte er sich zum elften Male:
»Wo in aller Welt habe ich doch den Namen Chartier gesehen?«
In diesem Augenblicke wurde seine Aufmerksamkeit durch ein Gemälde gefesselt, welches eine deutlichere Erinnerung in ihm zu wecken schien, als der neue Eigentümer Blacks.
»Ei, siehe da,« sagte der Chevalier erstaunt, »die Rhede von Papeite!«
Er eilte auf das Gemälde zu, das seine Aufmerksamkeit in so hohem Grade fesselte. Endlich erinnerte sich der Chevalier, wo er den Namen Chartier, der ihm so viel Kopfbrechen verursachte, gesehen hatte.
Aber kaum hatte er das Rätsel gelöst, so hörte er das Knarren einer sich auf tuenden Tür.
Er sah sich um und bemerkte Herrn Chartier.
Jetzt erinnerte er sich nicht nur des Namens, sondern auch des Gesichtes. Er warf seinen Hut auf den Teppich, eilte auf den Herrn vom Hause zu und fasste seine beiden Hände.
»Herr Chartier,« sagte er, »nicht wahr, Sie sind in Tahiti gewesen.«
»Ja wohl,« erwiderte Chartier, ganz erstaunt über diese veränderte Stimmung bei einem Manne, den er bereits als seinen Gegner betrachtete.
»Sie waren dort im Jahre 18**, am Bord der Corvette »Dauphin?«
»Ja.«
»Das gelbe Fieber war am Bord des Schiffes ausgebrochen —«
»Ja.«
»Am achten August ließ sich ein großer hagerer Mann von fünfzig Jahren, mit einem schwarzen Schnurrbart und etwas grauen Haaren an Nord des »Dauphin« führen und wurde angesteckt.«
»Ja wohl, der Kapitän Dumesnil.«
»Ganz recht, Dumesnil! – Ich irre mich nicht, Sie haben Dumesnil gekannt.«
»Allerdings, er war mein bester Freund.«
»Nein, nein – sein bester Freund war ich, und ich schätze mir’s zur Ehre. Ja, sacredie! es gibt eine Vorsehung,« sagte der Chevalier tief bewegt, mit einem ihm unwillkürlich entschlüpfenden Fluch.
»Ich habe es immer geglaubt,« erwiderte Chartier lächelnd.
»Kommen Sie in meine Arme!« sagte der Chevalier und schlang einen Arm um den Hals des Mannes, dem er zehn Minuten vorher das Lebenslicht ausblasen wollte.
»Ich bin zufrieden,« sagte Chartier mit einer Ruhe, welche gegen die aufgeregte Stimmung des Chevaliers sehr abstach; »umarmen Sie mich einmal, zweimal, wenn Sie wollen; dann aber haben Sie die Güte sich zu erklären, denn nach Allem was bis jetzt vorgegangen ist, habe ich wirklich Lust, einen meiner Commis zu rufen und Sie nach Charenton bringen zu lassen,«
»Sie haben das Recht dazu,« erwiderte der Chevalier, »denn ich bin ganz von Sinnen – aber nur die Freude hat mich so verwirrt gemacht. Übrigens lässt sich die Sache mit wenigen Worten aufklären.«
»Dann bitte ich um diese Aufklärung.« »Ich bin der Chevalier de la Graverie —«
»Der Chevalier de la Graverie!« erwiderte Chartier, der zum ersten Male seine gewohnte Kälte ablegte.
»Ja! ja!«
»Der Passagier, der nach dem Tode des armen Dumesnil an Bord des »Dauphin« kam?«
»Ia, derselbe, der mit Ihnen die Reise bis nach Valparaiso machte. Dort verließen Sie die Corvette. auf deren Verdeck ich wegen der Seekrankheit nur ein- oder zweimal kommen konnte.«
»Und ich nahm den damals noch ganz kleinen Black und seine Mutter mit. Jetzt sehen Sie, dass ich die Wahrheit gesagt habe.«
»Ja wohl – aber jetzt lassen Sie uns von etwas Anderem reden.«
»Wovon Sie wollen.«
»Erinnert Sie mein Name nicht an etwas Anderes?«
»O ja.«
»Erinnert er Sie nicht an das Paket, welches Ihnen Dumesnil an Bord brachte, und an die Person, an welche dieses Paket adressiert war?«
»An Madame de la Graverie.«
»Mathilde!«
»Leider. Herr Chevalier,« antwortete Chartier, »konnte ich diesen Teil des übernommenen Auftrages nicht in Ausführung bringen. Ich hatte die Absicht gehabt, geradeswegs nach Frankreich zurückzureisen. In Valparaiso blieb ich länger, als ich beabsichtigt hatte; dann ging ich an Bord eines Schiffes, welches den Weg um das Vorgebirge der guten Hoffnung nahm, und als ich nach Frankreich kam, war Madame la Graverie schon tobt.«
»Wissen Sie denn nichts Näheres über ihren Tod und über das von ihr hinterlassene Kind?«
»Wenig, aber was ich erfahren habe, will ich Ihnen sagen.«
»O! ich bitte Sie!« sagte der Chevalier, die Hände faltend.
»Es wird Ihnen bekannt sein, dass Ihr Bruder verlangt hatte, sie solle das Kind, dessen Geburt zu erwarten war, nicht anerkennen. Sie gebar eine Tochter —«
»Ganz richtig, eine Tochter.«
»Die in der Taufe den Namen Therese erhielt.«
»Therese! wissen Sie das gewiss?«
»Ganz gewiss, Herr Chevalier.«
»Weiter! weiter! ich bin ganz Ohr.« sagte der Chevalier, der den Erzähler mit gespannter Aufmerksamkeit ansah.
»Das Kind wurde einer Frau, Namens —«
Chartier konnte sich nicht entsinnen.
»Sie hieß Dennée,« sagte der Chevalier, dem Gedächtnis des Erzählers zu Hilfe kommend.
»Ganz richtig, so hieß sie. Aber ich suchte sie vergebens, ich konnte nicht die mindeste Spur von ihr entdecken.«
»Ich habe sie gefunden,« sagte der Chevalier.
»Wen?«
»Therese.«
»Wie! Therese haben Sie gefunden?«
»Ja, und mit Hilfe der Aufschlüsse, die ich von Ihnen erhalten, hoffe ich sie bald meine Tochter nennen zu können.«
»Ihre Tochter?«
»Allerdings.«
»Aber mich dünkt doch —«
Chartier hielt inne, er sah ein, dass er sich auf ein gefährliches Terrain wagte.
Der Chevalier erriet seine Gedanken.
»Sie sind erstaunt,« sagte er mit wehmütigem Lächeln; »aber eine Beleidigung, die der Tod gesühnt, soll man vergessen. Überdies gestehe ich Ihnen, mein lieber Herr, dass ich sieben lange Jahre in selbstsüchtiger Abgeschlossenheit gelebt habe; als ich älter wurde, fühlte ich das Bedürfnis, mich an ein befreundetes Wesen anzuschließen: ich begann einen Hund als Freund zu betrachten, und nun will ich meine letzten Lebenslage dem Glücke eines Kindes widmen. Denken Sie nach, lieber Herr Chartier: haben Sie irgend einen Beweis, auf welchen wir die Geburt des Mädchens gründen konnten?«
»Allerdings, wenn Sie beweisen können, dass es dasselbe Kind ist, welches der Frau Dennée anvertraut wurde. Ich besitze eine Schrift, dieselbe, die mir der arme Dumesnil auf das Schiff brachte, indem er mir Mutter und Kind empfahl. Diese Schrift, welche ihm Madame de la Graverie zugeschickt, war auf den Rat des sie behandelnden Arztes verfasst worden; es wird darin bestätigt, dass das Kind, welches in der Taufe die Namen Therese Delphine Margarethe erhielt, ihre Tochter war.«
»Und folglich die meinige!« setzte der Chevalier frohlockend hinzu. »Pater is est quem nuptiae demonstrant.«
Nie ist wohl dieser Grundsatz, der so manchen Mann mit Ärger erfüllt hat. mit größerer Freude geltend gemacht worden.
Der Chevalier de la Graverie hielt sich nun für verpflichtet, Herrn Chartier mit der Stellung der Personen, die seit einiger Zeit in seinem Leben eine Rolle gespielt, bekannt zu machen.
Er beschloss seine Erzählung mit der Schilderung der gestrigen Vorgänge.
Chartier vernahm mit Erstaunen und Missfallen dass Duell, welches am andern Morgen stattfinden sollte, und bot Alles auf, um dem Chevalier davon abzuraten.
Aber der Anblick Blacks und die kleine Aufregung, die der Chevalier vor einer Stunde gehabt, hatte ihn, wieder Mut gemacht.
»Nein, mein lieber Herr,« sagte er, »nein, nein, ich bin unerschütterlich. Ich war schon entschlossen mich zu schlagen, als ich über Theresens Geburt nur noch Vermutungen hatte: jetzt weiß ich gewiss, dass sie Mathildens Tochter ist, und ich würde um ihretwillen tausend Gefahren trotz bieten. Es ist auch Egoismus, ich bin immer ein Egoist gewesen, und werde es bis an mein Ende bleiben. Fürwahr,« setzte der Chevalier hinzu und deutete auf Black, der ebenfalls in den Salon gekommen war und den Kopf auf seine Knie gelegt hatte, »ich habe in den Schmerzen, die ich für meine einzigen Freunde erduldet, einen Genuss gefunden, und auch der Tod wird mir süß sein.«
»Nun, da Ihr Entschluss so fest steht, lieber Chevalier,« antwortete Chartier, »so erweisen Sie mir die Ehre, mich zum Sekundanten zu nehmen.«
»Ich wollte Sie darum bitten,« erwiderte der Chevalier erfreut.
»Dann sind wir ja einverstanden.«
»Ja wohl, und wir haben keine Minute zu verlieren.«
»Wie so?«
»Die Zeugen meines Gegners werden zwischen zwölf und ein Uhr auf der Terrasse des Feuillants warten, um sich mit den meinigen zu verständigen.«
Der Chevalier zog seine Uhr.
»Es ist halb elf.«
»Sie sehen, dass wir Zeit haben.«
»Das ist wahr – aber ich habe noch nicht gefrühstückt.«
»Ich würde Sie einladen an meinem Frühstücke Teil zu nehmen, aber ich muss noch einen Freund aufsuchen.«
»Warum denn?«
»Um die Bedingungen des Kampfes zu verabreden.«
»Ich habe bereits einen zweiten Freund; aber er soll aus wichtigen Gründen meinen Gegner und dessen Zeugen erst auf dem Kampfplatz sehen; ich ersuche Sie daher, die Sache allein abzutun.«
»Haben Sie mir noch etwas aufzutragen?«
»Nein.«
»Aber wenn unser Gegner uns die Wahl der Waffen lässt?«
»Dann lehnen Sie es ab – er ist der Beleidigte, ich will mir kein Zugeständnis machen lassen.«
»Geben Sie denn keiner Waffe den Vorzug?«
»O nein, ich habe gegen alle einen Abscheu.«
»Aber Sie können doch fechten und mit dem Pistol schießen?«
»Ja. mein armer Dumesnil hat mich, trotz meines Wiederstrebens, dann unterrichtet.«
»Und Sie Habens zu einiger Fertigkeit gebracht?«
»Sie kennen doch die kleinen, grünen Papageien mit den orangefarbenen Köpfen, die sich auf allen Südseeinseln finden?«
»Ja wohl.«
»Von diesen kleinen Papageien, die etwas größer als unsere Sperlinge sind, schoss ich regelmäßig zwei unter dreien vom Baum herunter.«
»Das ist schon recht hübsch; Dumesnil fehlte freilich nie. Und mit dem Degen?«
»Mit dem Degen kann ich nur parieren, aber ich pariere sehr gut.«
»Das ist nicht genug.«
»Und einen Stoß – einen einzigen habe ich gründlich gelernt —«
»Ich weiß schon; diesen Stoß hat mir Dumesnil zehnmal hintereinander beigebracht. Dieser Stoß, rasch und sicher geführt, genügt; ich fürchte nichts mehr für Sie.«
»Ich auch nicht – aber unter einer Bedingung,«
»Reden Sie.«
»Erlauben Sie, dass Black uns auf den Kampfplatz begleite, lieber Herr Chartier. Ich bin sehr aber gläubig, und ich denke, seine Anwesenheit müsse mir Glück bringen.«
»Nicht nur morgen, sondern immer, lieber Chevalier. Es freut mich, Ihnen diesen Hund, der Ihnen so lieb ist, anbieten zu können.«
»Tausend Dank!« erwiderte der Chevalier, dessen Augen sich mit Thronen füllten. »Sie können sich denken, welch ein wertvolles Geschenk Sie mir machen – Black ist für mich kein Tier,« setzte er hinzu und sah bald Black und bald seinen neuen Freund an. »Black! lieber Black!«
Black schmiegte sich, vor Freude winselnd, an den Chevalier.
»Jetzt sei nur ruhig, armer Dumesnil,« sagte Dieudonné, die Liebkosungen Blacks erwidernd, »nichts soll uns jetzt mehr trennen – es müsste denn eine Pistolenkugel oder in Degenstich —«
Aber Black sprang freudig bellend im Zimmer umher und der Chevalier, der an Vorbedeutungen glaubte, fasste die Hand Chartier’s und sagte mit heiterer, fast übermütiger Laune:
»Mich dünkt, lieber Freund, Sie sprachen von einem uns erwartenden Frühstück.«
»Ja wohl, ich mache mir ein Vergnügen daraus, Sie als meinen Gast zu sehen.«
»Dann zu Tisch! Es lebe die Freude!«
Chartier sah den Chevalier erstaunt an, aber er begann sich den Sonderbarkeiten seines neuen Freundes zu fügen und stimmte in den Ton desselben mit ein.
Der Chevalier ließ sich das Gabelfrühstück vortrefflich schmecken; seit dem Tage, an welchem er Marianne fortgeschickt , hatte er nicht so gut gespeist.
Als er fortging, fand er den Fiaker an der Tür. Der brave Pierre Marteau saß auf dem Bock und verzehrte eben den letzten Bissen eines einfachen, aber gewiss nicht schlechter mundenden Frühstücks, welches von dem Wurstmacher gegenüber und von dem Schankwirte an der Ecke geliefert worden war.
»Aha!« sagte er, als er den Chevalier und Herrn Chartier Arm in Arm aus dem Hause kommen und Black hinter ihnen hergehen sah, »es scheint ja Alles gut zu gehen?«
»Ja wohl, mein Freund,« antwortete der Chevalier, »und damit Alles auch gut ende, werdet Ihr mich in den Gasthof begleiten, wo wir abrechnen können.«
»O! es ist nicht der Mühe wert, mein lieber Herr; Sie haben Kredit bei mir.«
»Aber wenn ich morgen ins Gras beiße?«
»Sie schlagen sich ja nicht.«
»Mit diesem Herrn allerdings nicht,« erwiderte der Chevalier, sich in die Brust werfend, »aber mit einem anderen.«
»Wirklich!« sagte Pierre Marteau erstaunt. »Aufrichtig gesagt, ich hätte Sie nicht für so rauflustig gehalten. Aber zum Glück werden Sie bis dahin schlafen, und die Nacht bringt Rath.«
Der Chevalier stieg in den Fiaker, wo ihn Chartier bereits erwartete, Black, der vielleicht ein neues Missverständnis fürchtete, sprang erst nach dem Chevalier hinein. Pierre Marteau schloss die Wagentür und nahm seinen Platz neben dem Kutscher wieder ein. Als der Fiaker in der Rivolistraße vor dem Hotel de Londres anhielt, begegneten sich zwei Offiziere, von verschiedenen Seiten kommend, auf der Terrasse des Feuillants.
»Dort sind meine Leute,« sagte der Chevalier; »lassen Sie nicht auf sich warten, lieber Herr Chartier, und geben Sie nicht nach.«
Chartier gab ihm durch einen Wink zu verstehen, dass er mit ihm zufrieden sein solle, während sich der Chevalier mit Pierre Marteau in sein Zimmer begab. Vor Allem wurde Black wieder auf die Polster gebettet. Dann nahm der Chevalier aus dem Schubfach des Sekretärs eine kleine, ziemlich abgenutzte Brieftasche von rotem Maroquin, zog ein durchsichtiges Stückchen Papier heraus und reichte es Pierre Marteau. Dieser faltete es etwas zögernd aus einander, und ungeachtet seiner geringen Bekanntschaft mit Banknoten erkannte er doch das Stückchen Papier für eine solche.
»Aha! der Name Garat steht darauf,« sagte er; »diese Unterschrift wird am leichtesten und billigsten escomptirt. Wie viel habe ich Ihnen darauf herauszugeben, Monsieur?«
»Nichts,« antwortete der Chevalier; »ich habe Euch fünfhundert Francs versprochen, wenn ich meinen Hund wiederfände: ich habe ihn wiedergefunden und hier ist das Geld.«
»Für mich? Für mich ganz allein? – Machen Sie keinen Spaß, so ein Schreck fährt Einem in die Glieder, wenn’s hernach nichts ist.«
»Diese Banknote gehört Euch, mein Freund,« sagte der Chevalier; »behaltet sie.«
Pierre Marteau kratzte sich hinter dem Ohr.
»Sie geben’s mir doch gern?« fragte er.
»Ja, von Herzen gern.«
»Geben Sie mir nicht auch Ihre Hand?«
»Warum nicht? Beide Hände, wenn es Euch Freude macht.«
Er reichte dem Proletarier beide Hände. Pierre Marteau hielt die zarten Hände des Chevaliers eine kleine Weile in seinen schwieligen Fäusten; er ließ sie los, um eine aus seinen Augen hervorquellende Thräne abzuwischen.
»Monsieur,« sagte er, »der Pfarrer von St. Elisabeth soll morgen Früh eine Messe für Sie lesen, damit Ihnen bei Ihrem Duell kein Unglück geschehe.«
Pierre Marteau entfernte sich, ohne die Antwort seines Wohltäters abzuwarten.
Der Chevalier wischte sich ebenfalls die Augen; dann öffnete er das Fenster und versuchte ein Liedchen zu pfeifen.
Er sah Chartier in eifrigem Gespräch mit den beiden Zeugen Gratiens d’Elbéne.