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Kitabı oku: «Black», sayfa 21

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XI
Wo viele unserer Leser mit Vergnügen sehen werden, dass Polichinelle am Ende doch – den Teufel holt

Der Chevalier de la Graverie schlief in der folgenden Nacht so gut wie Napoleon vor der Schlacht bei Austerlitz.

Er hatte freilich seinen Freund Dumesnil in der Gestalt Blacks bei sich.

Am andern Morgen um sieben Uhr war er mit Hilfe eines Friseurs auf das vollständigste adonisirt. Er ging ruhig und fast heiter im Zimmer auf und ab.

Black schien seelenvergnügt, beinahe ausgelassen.

Der Chevalier dachte freilich nicht im mindesten an sein Duell und er hatte sich keineswegs aus Höflichkeit gegen Gratien d’Elbéne rasieren und frisieren lassen. Er dachte an Therese, die er zu sich nach Paris beschieden hatte, und um ihretwillen hatte er so große Sorgfalt auf seine Toilette verwendet.

Er hatte an Chartier und an Henri d’Elbéne geschrieben, dass er Therese auf Grund der von Madame de la Graverie hinterlassenen Schrift zu seiner einzigen Erbin einsetze.

Er dachte, mit welcher Freude Therese erfahren werde, dass sie seine Tochter sei; denn er war entschlossen, diese Freude in keiner Weise zu trüben, am allerwenigsten aber mit der Tochter von den Verirrungen der Mutter zu sprechen.

Er hatte sich sogar vorgenommen, die lange Verlassenheit der armen Waise nötigenfalls sich selbst zur Last zu legen.

Um ein Viertel auf acht wurde an die Tür geklopft. Es war Henri d’Elbéne. Der Chevalier warf einen forschenden Blick auf den jungen Mann und erkannte an der Heiterkeit seines Gesichts, dass er nicht wusste wer der Gegner des Chevaliers war.

»Sie sehen, Chevalier,« sagte Henri d’Elbéne mit echt kavaliersmäßiger Höflichkeit, »dass ich Wort halte und bereit bin, Ihnen den versprochenen Dienst zu leisten.«

Der Chevalier fühlte einige Gewissensbisse. War es recht von ihm, Henri zum Sekundanten gegen Gratien zu nehmen und einen Bruder dem andern in einem mörderischen Kampfe gegenüberzustellen?

Er antwortete daher mit einiger Verstimmung:

»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Pünktlichkeit, Herr Baron, und für diesen Beweis Ihrer Teilnahme; aber ich gestehe aufrichtig, dass ich lieber gesehen hätte, wenn Sie ausgeblieben wären.«

»Warum denn, Chevalier?« fragte der Baron erstaunt.

»Weil meine Ehrensache Sie viel näher angeht, als Sie ahnen können.«

»Was meinen Sie?«

Der Chevalier legte eine Hand auf die Schulter des jungen Mannes und sagte ernst:

»Sie haben mir, trotz der großen Verschiedenheit unseres Alters, durch Ihren festen vorurteilsfreien Charakter und Ihr edles Gemüt eine aufrichtige Achtung, ja eine innige Zuneigung eingeflößt. Aber ich bin weder durch Achtung noch Freundschaft bewogen worden, Ihnen vorgestern jene vertrauliche Mitteilung zu machen.«

»Aus.welchem andern Grunde haben Sie es denn getan, Herr Chevalier?«

»Hören Sie. Es ist besser, dass Sie es nicht erfahren; es ist besser, dass Sie mich verlassen, so lange es noch Zeit ist, ohne mich zu begleiten. Ich gebe Ihnen Ihr Wort zurück; je länger ich darüber nachdenke, desto mehr überzeuge ich mich, dass es nicht nur vernünftig, sondern ehrenhaft, rücksichtsvoll ist, so zu handeln. Das arme Mädchen, das Sie geliebt haben, das Sie noch nicht vergessen hat, könnte mir zürnen, dass ich Sie als ein Werkzeug der Strafe benutzt —«

»Was bedeutet diese Geheimniskrämerei, Herr Chevalier?« fragte Henri d’Elbéne. »Ich beschwöre Sie, reden Sie: wen meinen Sie? Sie sprechen von einem Mädchen, das ich geliebt habe, das mich noch liebt – ich habe in meinem Leben nur Eine geliebt, und diese ist —«

Henri d’Elbéne stockte, aber der Chevalier setzte hinzu:

»Therese. nicht wahr?

»Wie ist Ihnen der Name Therese bekannt geworden? Woher wissen Sie, dass ich Therese geliebt habe?« fragte der junge Baron überrascht.

»Therese ist meine Tochter, meine einzige Tochter, mein geliebtes Kind – und der Verführer, der seine Ähnlichkeit mit seinem Bruder missbraucht hat, ist Ihr Bruder!«

»Gratien?«

»Ja.«

»Sie schlagen sich also mit meinem Bruder?«

Der Chevalier schwieg, sein Stillschweigen war eine genügende Antwort.

»O, der Elende!« sagte Henri d’Elbéne, indem er beide Hände auf das Gesicht drückte. »Aber,« setzte er nach einer Pause hinzu, »wie konnte er sich entschließen, sich mit dem Vater der Verführten schlagen zu wollen?«

»Er weiß nicht, dass ich Theresens Vater bin, überdies habe ich ihn dergestalt beleidigt, dass ihm keine Wahl blieb.«

»O mein Gott! mein Gott!« sagte Henri d’Elbéne.

»Fassen Sie sich, Freund,« tröstete der Chevalier; »dieses Versprechen habe ich Ihnen zurückgegeben, nur auf das andere will ich noch zählen.«

Henri d’Elbéne nickte zustimmend.

»Es ist wahrscheinlich, dass ich falle,« fuhr der Chevalier mit Wehmut fort: »wenn ich falle, so hinterlasse ich Ihrer Sorge mein einziges Kind, meine Therese. Trösten Sie sie. stehen Sie ihr schützend zur Seite. Herr Chartier, dessen Adresse ich Ihnen hier übermache, wird Ihnen die Mittel liefern, Ihre Ansprüche an mein Vermögen zu begründen.«

»Nein, Herr Chevalier, nein!« erwiderte Henri d’Elbéne nach einem inneren Kampfe. »Die Stimme des Gewissens lässt sich nicht durch Trugschlüsse beschwichtigen: eine Handlung, die ich bei einem Andern schlecht nenne, kann ich bei meinem Bruder nicht entschuldigen; ich verlasse Sie nicht. Wenn Ihr Gegner ein Anderer wäre, so möchte ich Ihren Platz einnehmen können, denn er hat mich weit mehr beleidigt als Sie. Aber ich will durch meine Gegenwart beweisen, wie tief ich seine Tat verabscheue. Wenn Sie die Bestrafung übernehmen, so will ich die Reue in dem Herzen des Sünders zu wecken suchen. Kommen Sie, Herr Chevalier.«

»Dieser Entschluss ist ein Beweis Ihrer Hochherzigkeit, junger Freund. Aber ich gebe Ihnen nochmals zu bedenken, dass eine Aussöhnung unmöglich ist. da ich Ihren Bruder zu schwer beleidigt habe.«

»Wenn ich frei wäre,« sagte Henri d’Elbéne, »so sollte Therese glücklich werden, obgleich – o, es ist schrecklich! ein Bruder! – Aber wir waren schon als Kinder einander an Charakter so unähnlich, wie wir uns in unseren Gesichtszügen ähnlich waren. Er lebt in Saus und Braus, ich liebe die Eingezogenheit. Seit seiner Rückkehr nach Paris habe ich ihn kaum gesehen – doch ich spreche von Dingen, die nicht zur Sache gehören, ich entschuldige mich gewissermaßen bei Ihnen wegen des von einem Andern begangenen Unrechts. Wenn Sie Therese wiedersehen, sagen Sie ihr. dass der Mann, der sie so innig geliebt, der sie noch liebt, seinen Vater in jenem entscheidenden Augenblicke nicht verlassen wollte, obgleich es ihm das Herz zerriss.«

Der Chevalier reichte seinem jungen Freunde die Hand.

»Es ist Zeit, lieber Baron,« sagte er, auf die Tischuhr sehend, »es ist meine erste Ehrensache, und ich habe nicht das Recht, auf mich warten zu lassen. Kommen Sie – komm. Black!«

»Nehmen Sie denn Ihren Hund mit?«

»Allerdings. Auf einem solchen Gange soll mich mein bester, ältester Freund nicht verlassen. Ach, wenn er noch lebte, der arme Dumesnil!«

Henri d’Elbéne sah den Chevalier erstaunt an.

»Achten Sie nicht auf mein Geschwätz, « sagte dieser »ich verstehe mich.«

Auf der Treppe begegnete ihnen Chartier, der in seiner geschlossenen, mit zwei guten Pferden bespannten Kalesche gekommen war.

Sie stiegen ein.

»Nach Chatou!« sagte Chartier zum Kutscher. Der Chevalier stellte die beiden Sekundanten einander vor.

»Was haben Sie mit den Sekundanten unseres Gegners verabredet?« fragte Henri d’Elbéne; »ich wünsche von Allem unterrichtet zu sein.«

»Es ist Alles genau bestimmt,« antwortete Chartier; »die Herren stellen sich dreißig Schritte, jeder mit einem geladenen Pistol in der Hand, von einander auf; jeder kann fünf Schritte vortreten und nach Belieben schießen.«

»Sind Sie im Pistolenschießen geübt?« fragte Henri den Chevalier mit Besorgnis.

»O ja, so ziemlich – ich habe es von Dumesnil gelernt,« antwortete der Chevalier, indem er die Ohren seines Hundes streichelte.

»Ja, in Amerika hat der Chevalier zwei kleine Papageien von dreien getroffen,« sagte Chartier, der nicht wusste, wie nahe der junge Baron dem Gegner stand; »ein Mann bietet eine mindestens viermal größere Fläche als ein Papagei; Sie sehen also, dass wir einige Aussicht auf Erfolg haben,«

Der Chevalier bemerkte das finstere Gesicht Henri’s und fasste seine Hand.

»Armer Freund,« sagte er, »wenn ich nickt Therese zu trösten hätte, so würde ich Ihnen sagen: fürchten Sie nichts für meinen Gegner!«

»tun Sie Ihre Pflicht, Chevalier,« erwiderte Henri d’Elbéne; »mein Leben war ohnedies schon Freudenlos; ich habe Zerstreuung in den Studien gesucht. Was auch geschehen möge, es wird künftig noch trauriger sein: aber ich werde Gott bitten, meinen Leiden bald ein Ende zu machen.«

Chartier wollte trotz seiner Zurückhaltung eine Frage tun. aber der Chevalier winkte ihm Stillschweigen zu.

Der Kutscher hielt an der von seinem Herrn bezeichneten Stelle, gegenüber der Insel Bougival.

Ein zweiter bereits haltender Wagen bewies, dass der Gegner des Chevaliers schon da war.

Als der Letztere mit seinen beiden Sekundanten in dem Kahn zur Insel hinüberfuhr, bemerkten sie unter den Bäumen die dunkeln Umrisse der drei Offiziere.

Alle drei waren in Zivilkleidern.

Man landete. Chartier, der voranging, trat auf Louville zu, der, seine Zigarre rauchend, auf dem noch Vorhandenen steinernen Tische saß.

»Entschuldigen Sie. dass wir Sie warten ließen,« sagte er, seine Uhr hervorziehend, »aber Sie sehen, wir haben uns nicht verspätet, es fehlen noch fünf Minuten an neun Uhr.«

Die Thurmuhr zu Chatou, die fünf Minuten früher ging als die Taschenuhr Chartier’s, schlug eben neun.

»Sie haben nicht Ursache sich zu entschuldigen.« erwiderte Louville,

»Sie sind vielmehr pünktlich wie eine Sonnenuhr. Übrigens haben wir die Zeit nicht unbenutzt gelassen: wir haben einen freien Platz gewählt, der eigens zum Totmachen geschaffen zu sein scheint. Die Regelmäßigkeit der umstehenden Pappeln wird vielleicht den Herren das Zielen allzu sehr erleichtern und die beiderseitige Gefahr erhöhen; aber sie sind ja nicht gekommen, um sich mit Kirschkernen zu werfen, und da wir nichts Besseres finden konnten, so hoffe ich, dass Sie unsere Wahl billigen werden.«

Chartier verneigte sich zum Zeichen seiner Zustimmung. Inzwischen kam Henri d’Elbéne Arm in Arm mit dem Chevalier.

Gratien bemerkte seinen Bruder und wurde leichenblass, aber er redete ihn nicht an.

Die kleine Gruppe ging schweigend auf die von dem jungen Offizier erwähnte lichte Stelle zu.

»Armer Freund,« sagte der Chevalier zu Henri d’Elbéne »es tut mir unendlich leid. Sie hier zu sehen.«

»Daran dürfen Sie nicht denken,« antwortete Henri. »Sie müssen an sich denken, wir wollen von Ihnen sprechen.«

»O nein,« entgegnete der Chevalier, »Sie würden mir, ohne es zu wissen . einen schlechten Gefallen damit tun. Wir wollen von mir lieber gar nicht sprechen und auch so wenig wie möglich an mich denken. Ihnen kann ich’s wohl gestehen, lieber Freund, ich bin nicht tapfer, oder vielmehr sehe ich nur so aus, weil ich au ganz ändere Dinge denke. Als ich vorhin die grünen Futterale bemerkte, welche die Waffen enthalten, deren eine mich in zehn Minuten vielleicht ins Gras strecken wird, überließ mich dem ahnungsvoller Schauer. – Ach lieber Henri, ich habe zu Chartres ein wunderhübsches Zimmer, das von den vor meinen Fenstern blühenden Rosen durch duftet ist und ich denke, dass ich lieber dort sein mochte als hier. Doch still davon, wir wollen nicht daran denken. Vergessen Sie aber nicht was ich Ihnen in Bezug auf Therese —«

»Sie können sich fest darauf verlassen —«

»Versprechen Sie mir s?«

»Habe ich nöthig Ihnen etwas zu versprechen, was meinem Herzen wohl tun wird?«

»Ich glaube, wir sind schon da,« sagte der Chevalier etwas erblassend. »Der Ort scheint mir vortrefflich gewählt. Der Lieutenant Louville versteht sich auf solche Dinge besser als auf das Vergiften der Hunde – nicht wahr, Black?«

Die Sekundanten standen still. Man nahm die verhängnisvollen Pistolen aus den Futteralen und Chartier und ein Offizier begannen sie zu laden. Unterdessen gab Gratien d’Elbéne dem Chevalier einen Wink, sich dem Sekundanten zu nähern, und ohne seinen Bruder anzusehen, begann er

»Meine Herren, ich bin von Herrn de la Graverie beleidigt worden; die Ehre der Uniform, die ich trage, fordert Genugtuung; allein ich glaube auf die große Verschiedenheit des Alters einige Rücksicht nehmen zu müssen: wenn er erklären will, dass er sich durch seinen Zorn zu weit hinreißen ließ, so will ich mich mit seiner Entschuldigung begnügen, wenn sie auch etwas spät kommt.«

»Ich werde mich entschuldigen,« erwiderte der Chevalier, »ich werde Sie mit Tränen um Verzeihung bittend ich werde mich vor Ihnen in den Staub beugen, wenn Sie Ihrerseits das Unrecht erkennen, dessen Sie sich gegen meine Tochter Therese de la Graverie schuldig gemacht und dasselbe durch eine Heirat wieder gut machen wollen.«

»Das fehlte noch!« sagte Louville.

»Schweigen Sie, mein Herr,« sagte Henri d’Elbéne, indem er den jungen Offizier beim Arm fasste,

»Ihre Einmischung in eine Angelegenheit, die leider ein trauriges Ende anzunehmen droht, ist für diese beiden Männer bis jetzt verderblich geworden, hier ist sie nicht nur gefährlich, sondern unziemlich.«

, Dann wandte er sich zu Gratien:

»Bruder, antworte auf die an Dich gerichtete Aufforderung; Du hast zu antworten und kein Fremder.«

»Ich habe nichts zu antworten,« sagte Gratien.

»Bedenke doch —«

»Eben weil ich’s bedenke, schweige ich. Wenn ich auf dem Kampfplatz die früher zurückgewiesenen Bedingungen des Chevaliers annehmen wollte, so würde man mich für feig halten.«

Eine höfliche, aber entschiedene Verbeugung begleitete diese letzten Worte, und die beiden Gegner traten zurück.

Chartier und Louville maßen nun dreißig Schritte ab; sie zeichneten mit abgebrochenen Zweigen die Stellen, bis zu denen die beiden Gegner vortreten konnten, und schickten sich an, denselben die Waffen zu reichen.

»Meine Herren,« sagte Henri d’Elbéne, »versichern Sie bei Ihrer Ehre, dass die Pistolen dem Gegner des Herrn de la Graverie unbekannt sind’«

»Ja, auf Ehre!« antworteten die beiden Offiziere.

Der Eine von ihnen setzte hinzu:

»Ich habe die Pistolen von Lepage geliehen,«

»Haben sie Stechschlösser?« fragte Henri.

»Nein.«

»Es ist gut,« sagte Henri.

Die Pistolen wurden dann beiden Gegnern überreicht.

Diese stellten sich auf die bezeichneten Plätze.

Black folgte dem Chevalier und schmiegte sich an ihn. Der Chevalier warf ihm einen dankenden Blick zu.

»Jagen Sie Ihren Hund fort!« rief ihm Louville zu.

»Mein Hund verläßt mich nicht!« antwortete der Chevalier.

»Wenn er aber totgeschossen wird —«

»Es ist nicht das erste Mal, dass er sein Leben durch seine Treue aufs Spiel setzt: Sie wissen, was ich meine, Herr Louville.«

Chartier gab dem Chevalier noch einige Weisungen, und dieser erwiderte leise:

»Sie können sich nicht vorstellen, welchen sonderbaren Eindruck es auf mich macht, auf einen Menschen schießen zu müssen! Es ist mir, als ob ich mich nie dazu entschließen könnte.«

Der Chevalier war in der Tat sehr blass, sein Pistol wankte ihm in der Hand, seine bleichen Lippen zuckten krampfhaft aber er suchte die Bewegung zu bewältigen, die sich seiner bemächtigte.

»Herr Chevalier,« sagte der zweite Sekundant Gratiens, herüberkommend und ihm die Hand drückend, »Sie sind ein wahrhaft ritterlicher Mann, Sie haben zehnmal mehr Ansprüche auf Ihren Titel als mancher Andere.«

Die Sekundanten waren bereits auf die Seite getreten, als Gratien, der seit einigen Minuten sehr aufgeregt zu sein schien, seinen Bruder zu sich winkte.

Henri eilte auf ihn zu.

Gratien führte seinen Bruder auf die Seite und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr.

Henri d’Elbéne schien tief gerührt durch die Worte seines Bruders. Er schloss ihn in seine Arme und drückte ihn herzlich an seine Brust. Dann verließ er ihn und setzte sich links vor dem Chevalier ins Gras. Er kehrte den Kämpfenden den Rücken zu. sein Kopf war auf beide Hände gestützt. Louville fragte, ob die Gegner bereit wären.

»Ja,« antworteten Beide einstimmig.

»Achtung!« sagte Louville. »Eins – zwei – drei!«

Auf Anraten Chartier’s trat der Chevalier bei dem Worte drei rasch vor.

Gratien schoss während er vortrat.

Die Kugel des jungen Offiziers schlug durch den Rockkragen des Chevaliers, aber ohne ihm nur die Haut zu ritzen. Henri d’Elbéne sah sich rasch um. Die beiden Gegner standen einander gegenüber, das Pistol Gratiens rauchte. Er wandte sich seufzend ab. Der Chevalier war regungslos auf seinem Platz stehen geblieben.

»Schießen Sie doch!« riefen ihm die Sekundanten zu. Der Chevalier , der wahrscheinlich nicht recht wusste, was er tat, hob sein Pistol, streckte den Arm aus und feuerte, ohne zu zielen.

»Gottes Wille geschehe!« sagte er. Gratien d’Elbéne wankte und fiel mit dem Gesicht zu Boden. Henri sah sich um, sein Bruder lag im Grase, Er schrie unwillkürlich auf; dann sagte er ernst und feierlich:

»Das ist wirklich Gottes Gericht!«

Alle eilten auf den Verwundeten zu. Henri hob ihn auf und hielt ihn in seinen Armen, Der Chevalier war außer sich; er faltete die Hände und brach in Tränen aus. Die Wunde war sehr gefährlich. Die Kugel war unter der sechsten Rippe in die Brust gedrungen und musste die Lungen verletzt haben. Das Blut floss kaum; die Ergießung musste in der Brusthöhle stattfinden.

Der Verwundete war dem Ersticken nahe. Chartier zog eine Lanzette aus der Tasche und öffnete ihm eine Ader. Er hatte auf seinen langen Reisen diese unter so vielen Umständen notwendige Operation gelernt. Der Verwundete fühlte sich nach dieser Blutentziehung leichter und atmete freier. Aber es kam ihm ein rötlicher Schaum aus dem Munde. Man machte in der Eile eine Tragbahre und brachte ihn in den Kahn. Unterdessen trat Henri d’Elbéne, seine Bewegung gewaltsam bekämpfend, auf den Chevalier zu.

»Herr Chevalier,« sagte er zu ihm, »vor dem Beginne des Kampfes, auf welchen mein Bruder, um einem beklagenswerten Vorurteil zu genügen, nicht verzichten wollte, hat er mich beauftragt, für ihn um die Hand Ihrer Tochter Therese de la Graverie zu bitten.«

Der Chevalier sank dem jungen Manne in die Arme; die Gemütsbewegungen, die so rasch auf einander gefolgt waren, ergriffen ihn so stark, dass er ohnmächtig wurde.

Als er wieder zur Besinnung kam , hatten sich die Sekundanten des Verwundeten mit diesem und Henri entfernt; er war allein mit Chartier, der ihn in die flache Hand schlug, und mit Black, der ihm das Gesicht leckte.

XII
Letztes Kapitel, welches so endet wie es bei den letzten Kapiteln der Romane üblich ist

Therese war bereits angekommen, als der Chevalier wieder in den Gasthof kam. Auf seine Frage antwortete man ihm, das junge Mädchen erwarte ihn in seinem Zimmer. Der Chevalier war so tief ergriffen , dass er nicht den Mut fühlte, ihr die Ereignisse mitzuteilen, welche auf ihr Geschick einen so entscheidenden Einfluss hatten. Er gab seinem Freunde Chartier die nötigen Weisungen und schob ihn in das Zimmer, während er vor der Tür wartete. ’Therese war sehr erstaunt, statt des Chevalier de la Graverie einen Fremden eintreten zu sehen. Aber Chartier beruhigte sie mit einigen trostreichen Worten, und überdies war Black, der seine junge Herrin gewittert, mit dem Kaufmann ins Zimmer gekommen und überhäufte sie mit Liebkosungen. Aber als sie erfuhr, welcher Gefahr sich der Mann, dem sie Alles verdankte, um ihretwillen ausgesetzt hatte, rief sie mit dem Ausdruck der zärtlichsten Besorgnis:

»O mein Vater! lieber Vater, wo bist Du denn?«

Diesen Worten vermochte der Chevalier nicht zu widerstehen. Er riß die Tür auf und sank in die Arme Theresens, deren Stirn er mit Küssen bedeckte.

»Mordieu! Cordieu!« sagte er endlich tief aufatmend, »jetzt bin ich belohnt für Alles, was ich für Dich getan! O, wie tut es dem Herzen so wohl, wenn man sich wieder sieht, nachdem man in Gefahr gewesen ist auf immer getrennt zu werden! kein Glück auf Erden kommt diesem gleich!«

Dann hielt er plötzlich inne, als ob er die Notwendigkeit erkannt hätte, sich zu mäßigen.

»Es ist wirtlich Zeit,« setzte er nach einer Pause hinzu, »dass ich wieder vernünftig werde. Seit zwei Tagen fluche ich wie ein Heide, was mir sogar in meinem Zorn gegen Marianne nicht begegnet ist. Fürwahr, die gute alte Stiftsdame würde mich jetzt nicht wieder erkennen.«

»Lieber Vater,« sagte Therese, sich an ihn schmiegend, »in meinen kühnsten Träumen würde ich mir nicht gewünscht haben, was mir heute beschieden wird! – Ach, meine arme Mutter ist also tot! Wir wollen recht oft von ihr sprechen, nicht wahr?«

Chartier sah den Chevalier mit inniger Teilnahme an. Aber dieser schien durch die Frage Theresens gar nicht gerührt zu werden.

»Ja wohl, wir wollen von ihr sprechen,« antwortete er; »sie war so gut, so schön – Du bist Ihr Ebenbild, mein Kind. Ach. wenn Du wüsstest, wie glücklich sie mich in meiner Jugend gemacht, wie viele schöne Erinnerungen sie mir hinterlassen an eine ferne, aber für mich unvergessliche Zeit!«

»Sie ist auch wohl recht unglücklich gewesen?«

»Ach ja, liebes Kind,« erwiderte der Chevalier seufzend, »ich war jung und nicht immer vernünftig.«

»Das ist unmöglich, Vater!« unterbrach ihn Therese; »durch Dich ist meine Mutter gewiss nicht unglücklich geworden.«

»Sie haben ein edles Herz, Chevalier!« flüsterte ihm Chartier zu.

»Nein, mein Herz war trage und feig,« erwiderte der Chevalier, »sonst hätte ich dieses liebe Kind vor acht Jahren auf dem Schoß wiegen können. O lieber Freund, es muss schön sein, von einem rosigen neunjährigen Kinde Vater genannt zu werden – und dieses Glückes hat mich meine Selbstsucht beraubt!«

In diesem Augenblick kam der Zimmerkellner und meldete, der junge Herr, der schon in der Früh dagewesen, warte im Vorzimmer. Es war wirklich Henri d’Elbéne.

Der Chevalier eilte hinaus.

»Therese ist da,« sagte der Chevalier; »wollen Sie sie sehen?«

»Nein,« antwortete Henri, »es würde sich nicht schicken; ich werde nicht einmal bei der Zeremonie zugegen sein. Ich habe meinem Vater Alles erzählt was vorgegangen ist, er hat zu dieser leider allzu späten Sühne seine Einwilligung gegeben und wird bei meinem unglücklichen Bruder unsere Familie vertreten.«

Aber Therese hatte Henris Stimme erkannt, und ehe Chartier von ihrem Vorhaben eine Ahnung hatte, riß sie die Tür auf und sank in die Arme des jungen Barons.

»O Henri!« sagte sie, »nicht wahr, Du weißt, dass ich mich nur Dir ergeben habe?«

»Ich weiß Alles, arme Therese,« sagte Henri d’Elbéne.

»O! warum hast Du mich verlassen?« schluchzte das junge Mädchen.

»Ich habe für meine Schwäche schwer gebüßt,« antwortete Henri; »aber wir wollen eben so groß sein wie unser Unglück, Therese. Noch in dieser Stunde wirst Du meine Schwester; wir wollen Beide würdig bleiben der neuen Bande, die uns jetzt vereinigen sollen. Erlaube mir, dass ich mich entferne.«

»Verlass mich nicht in dieser Stunde, Henri, ich beschwöre Dich! Bleibe bei mir, bis wir durch neue Schwüre zum zweiten Male getrennt sind.«

Henri d’Elbéne, dem die Trennung von Therese selbst unendlich weh tat, hatte nicht die Kraft, ihren Bitten zu widerstehen und war bereit sie zu seinem Bruder zu begleiten.«

Gratien d’Elbéne hatte ungeachtet seiner heftigen Schmerzen verlangt, nach Paris zurückgebracht zu werden.

Er lag in dem Hotel seines Vaters, in der Vorstadt Saint-Honoré.

Der Chevalier, Therese, Henri und Chartier fanden den alten Grafen d’Elbéne und die beiden Offiziere, die sekundiert hatten, vor dem Lager des Verwundeten. Ein herbeigerufener Arzt hatte den Verband angelegt.

Gratien saß, durch Polster gehalten, auf einem Ruhebett in aufrechter Stellung, um die Anhäufung des Blutes in der Brusthöhle zu verhindern.

Er war sehr blass, aber seine Augen hatten eine Ruhe und Heiterkeit, die seinem Blicke früher ganz gefehlt hatte.

Als er die ebenfalls bleiche, von Henri und dem Chevalier geführte Therese eintreten sah, zog er die Hände langsam unter der mit Blut besudelten Decke hervor und faltete sie, als ob er Therese um Verzeihung bitten wollte. Er atmete schwer und sprach nur mit großer Anstrengung.

Übrigens nahm der alte Graf d Elbéne das Wort.

»Mein Sohn hat großes Unrecht gegen Sie begangen, Mademoiselle,« sagte er; »er büßt jetzt schwer dafür. Verzeihen Sie ihm und versüßen Sie durch Ihr Mitleid die letzten Augenblicke des Unglücklichen.«

Therese kniete vor dem Lager des Verwundeten nieder, fasste seine schon kalten Hände und drückte sie schluchzend an ihre Lippen. In diesem Augenblicke erschien der Beamte des Zivilgerichtes mit dem Geistlichen.

Der Erste vollzog die gesetzliche Trauung, der Priester die kirchliche Zeremonie. Das Zimmer bot einen ergreifenden Anblick dar. Das Lager, über welchem der Tod bereits seine dunkeln Schwingen regte, war mit Blut bedeckt; auf einem Tische lagen chirurgische Instrumente; ringsum saßen oder standen Männer mit blassen, verstörten Gesichtern; unter die Stimme des betenden Priesters mischte sich das Schluchzen Theresens und der röchelnde Atem des Verwundeten; – und endlich die beiden jungen Gatten, die eben mit einander verbunden waren, um sogleich wieder getrennt zu werden. Die ganze Szene ward von dem flackernden Licht einiger Wachskerzen beleuchtet.

Als der Priester den Verwundeten fragte, ob er Therese zu seiner Ehegattin nehme, sprach Gratien das Ja so laut und deutlich, dass man es im ganzen Zimmer hörte; dann stützte er den Kopf auf eine Hand und schien Theresens Antwort auf dieselbe Frage mit ängstlicher Spannung zu erwarten. In dem Augenblicke als der Geistliche die Ehe einsegnete, ließ Gratien den Kopf auf die Kissen zurücksinken und drückte leise Theresens Hand, die der Priester in die seine gelegt hatte.

Seine Augen suchten den Chevalier de la Graverie, der vor dem Bett kniete und inbrünstig betete.

»Sind Sie zufrieden?« flüsterte er mit erlöschender Stimme.

Aber die doppelte Anstrengung, die er gemacht hatte, um das Jawort zu sprechen und diese Frage an den Chevalier zu richten, hatte seine Kräfte erschöpft – eine krampfhafte Bewegung durchzuckte seinen Körper, seine Augen verloren ihren Glanz, der letzte Rest von Röte verschwand aus seinem Gesicht.

»Madame,« sagte der Priester zu der Neuvermählten, »wenn Sie von Ihrem Gatten Abschied nehmen wollen, so ist es Zeit.«

Therese neigte sich zu Gratien, aber ehe ihre Lippen die seinen berührten, hatte seine Seele ihre irdische Hülle verlassen, Gratien war tot.

Black, den Niemand beachtet hatte, begann ein klägliches Geheul, welches alle Anwesenden mit Schauder erfüllte.

Es dauerte lange bis sich der Chevalier de la Graverie von der heftigen Erschütterung erholte, die eine Folge dieser Katastrophe und der vorhergegangenen Umstände war. Andere Sorgen nahmen endlich seine ganze Aufmerksamkeit und Tätigkeit in Anspruch.

Die Baronin Therese d’Elbéne war Mutter geworden und für ein so erregbares Naturell, wie der Chevalier besaß, war der Neugeborene – denn es war ein Knabe – keine geringe Plage.

Dieudonné beschäftigte sich zugleich mit der Wahl einer Amme und mit der Pflege der Wöchnerin und des neuen Weltbürgers, ja seine Phantasie eilte um viele Jahre voraus, und er begann schon ernstlich an die Wahl eines Berufs für den Säugling zu denken. Und wie vielen Gefahren war der Kleine, der noch nicht einmal das Zahnen überstanden hatte, bis dorthin ausgesetzt!

Eines Tages, als Therese wiederhergestellt war, wünschte der Chevalier, dass sie ihn auf seinem gewohnten, aber durch so viele Ereignisse unterbrochenen Spaziergang begleite.

Die Baronin d’Elbéne, die ihrem Vater nichts verweigern konnte, nahm die Einladung mit Vergnügen an.

Der Chevalier führte sie zu der Bank, auf welcher er so oft gesessen und die Landschaft betrachtet hatte.

Er setzte sich zuerst; Therese musste zur Rechten, die Amme mit dem Kind zur Linken Platz nehmen. Dann nahm er Black zwischen die Knie.

»Ich begreife nicht,« sagte er, »wie Herr Chartier leugnen kann, dass Dumesnil in dieser schwarzen Hülle stecke – und doch verdanken wir ihm Alles!«

»Nein, Vater,« antwortete Therese lächelnd, »den Zuckerstücken, welche Sie in der Tasche trugen, verdanken wir’s.«

Der Chevalier schwieg eine Weile; seine Blicke waren auf das funkelnde Kreuz der Kathedrale gerichtet.

»Im Grunde,« sagte er endlich, »ist Alles das Werk des Weltenlenkers.«

Dabei aber fasste er Black beim Kopfe und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.

Unterdessen beachteten die promenierenden Kaffeeschwestern von Chartres die Gruppe und sagten:

»Sehen Sie wie vergnügt der Chevalier de la Graverie ist!«

»Das glaube ich wohl: sein Magen verträgt keine Trüffeln und Gänseleberpasteten mehr, er hat seiner alten Lieblingssünde entsagt, um einer neuen zu frönen.«

»Sie tun ihm Unrecht, man sagt ja, die junge Person sei seine Tochter.«

»Seine Tochter! Sie sind sehr naiv, Teuerste, wenn Sie das glauben. Sie kennen die alten Roués nicht!«

E n d e
Druck und Papier von Leop. Sommer in Wien