Kitabı oku: «Das Brautkleid»
I.
Das Hochzeitskleid
Wir sprechen von der Zeit zwischen dem Frieden von Tilsit und dem Congresse zu Erfurt, das heißt von der Zeit des höchsten Glanzes des Kaiserreichs.
Eine Dame saß in ihrem Morgennegligee, bestehend aus einem langen Schlafmantel von indischem Musselin mit prachtvollen Balenciennen besetzt, unter welchen man nichts als die Spitzen von ein paar Sammtpantoffeln hervorblicken sah, mit einem Kopfputz nach der Mode jener Zeit, das heißt auf der Spitze des Kopfes thronend und die Stirne mit zahlreichen Locken von kastanienbraunen Haaren umschattend, welche durch die Regelmäßigkeit ihrer Ringeln verrieten, daß der Haarkünstler so eben erst da gewesen – diese Dame saß also auf einem mit blauem Atlas überzogenen Sofa in einem reizenden Boudoir, welches das entlegenste Zimmer einer Wohnung im ersten Stocke in Nro. 11 der Straße Taitbout war.
Zunächst wollen wir einige Worte über die Dame, dann über das Boudoir sagen, und hierauf wollen wir auf die Sache selbst eingehen.
Wir sagten, eine Dame; wir hätten aber beim ersten Anblick fast sagen können, ein junges Mädchen, denn obgleich sie ungefähr sechsundzwanzig Jahre zählte, so schien sie doch nicht älter als neunzehn zu sein. Diese Dame war außer der Zierlichkeit ihrer Taille, der Feinheit ihrer Füße, und der Weiße ihrer Hände mit einer jener Figuren ausgestattet, welche zu allen Zeiten das Vorrecht gehabt haben, die Köpfe derer zu verrücken, die sich ihrer sicher glaubten. Sie war gerade nicht schön, überhaupt nach der Art, was man zu jener Zeit unter schön begriff, wo die Gemälde Davids fast ganz Frankreich zu dem Geschmack der Griechen zurückgeführt hatten, der so glücklicher Weise während der beiden vorhergehenden Regierungen aufgegeben worden war; nein, im Gegenteile war ihre Schönheit von einer launenhaften Phantasie. Vielleicht waren ihre Augen zu groß, ihre Nase zu klein, ihre Lippen zu rot, ihr Teint zu durchsichtig; aber es war nur in den Momenten, in welchen dieses reizende Gesicht ruhig war, daß man diese auffallenden Fehler wahrnehmen konnte; denn so wie es sich durch irgend einen Ausdruck belebte, dann war dieses Gesicht, dessen Bild wir hier zu entwerfen wagen, im Stande, jeden möglichen Ausdruck anzunehmen, den der schüchternsten Jungfrau, so wie den der schamlosen Bacchantin; so wie es sich belebte, durch irgend einen Ausdruck der Traurigkeit oder der Freude, des Mitleides oder des Scherzes, der Liebe oder der Verachtung, da standen alle Züge dieses niedlichen Gesichts in so voller Übereinstimmung, daß man nicht sagen konnte, welchen dieser Züge man ändern möchte; so wie sie zuverlässig zu einer Regelmäßigkeit des Ganzen beitrugen, so würde man durch das Hirnwegnehmen irgend eines das Pikante der Physiognomie geraubt haben.
Diese Dame hielt eine Papierrolle in der Hand, auf welche Zeilen von verschiedener Handschrift geschrieben waren. Von Zeit zu Zeit erhob sie die Hand mit einer Art von Ermattung, aber voll Anmuth, brachte das Manuskript vor ihre Augen, las einige von diesen Linien, rümpfte anmutsvoll die Nase, stieß einen Seufzer aus, ließ die Hand zurücksinken, und diese schien jeden Augenblick bereit, sich zu öffnen und die verwünschte Papierrolle fallen lassen zu wollen, welche für diesen Augenblick die Hauptsache einer Verstimmung war, deren Verbergen sich die Dame nicht angelegen sein ließ.
Sie war einender ersten Künstlerinnen des Theâtre-Francais; die Rolle gehörte einer der langweiligsten Tragödien jener Epoche an; wir bezeichnen die eine mit dem Namen Fernande, wir werden uns aber sehr wohl hüten, den Titel der andern zu nennen.
Das Boudoir war zwar von außerordentlicher Eleganz, trug aber dennoch den Stempel des schlechten Geschmacks jener Epoche. Es war ein allerliebstes, viereckiges Gemach mit blauem Atlas tapeziert, von welchem jedes Blatt zwischen zwei Säulen von korinthischer Ordnung eingerahmt war, auf deren goldenen Kapitälern ein Fries von Stuck ruhte, auf welchem nach dem Genre von Pompeji eine Menge von Amoretten gemalt waren, die, mit Bogen und Köchern versehen, zu nicht wenigen Altären Hymens und der Treue ihre Schlachtopfer führten. Dieses Boudoir hatte vier Türen, zwei davon waren der Symmetrie wegen geblendet. Diese vier Türen waren weiß bemalt und erhaben gearbeitet, und in jedem Fache hatten sie Verzierungen, die aus einem Thyrsus des Bacchus und aus einer Maske Thaliens und Melpomenens gebildet waren. Eine dieser Türen war geöffnet und ließ den feuchten Dampf und den lieblichen Duft eines parfümierten Bades in das Boudoir hereindringen.
Was die Möbeln dieses Boudoirs betrifft, so waren sie mit blauem Atlas gleich den Wänden überzogen, und sie hatten die raue und unangenehme Form, die heute noch die Leute von Geschmack und die Verehrer des Komfortablen überrascht, die nicht begreifen können, wie man solche Nachbildungen des Antiken machen und wie man sich derselben bedienen konnte; denn man vermochte kaum, sich auf ein Kanapee zu legen, sich auf eine»Fauteuil oder überhaupt auf die Stühle zu setzen. Wir sprechen hierbei nicht von den Tabourets in der Form eines X; denn diese waren die einzigen Möbeln, welche, abgesehen von ihrer exzentrischen Form und ihren athentensischen Verzierungen, zu ihrer Bestimmung etwas taugten.
Die Zierraten des Kamins waren von derselben Gattung; die Pendule stellte einen großen runden Schild dar, wahrscheinlich den des Achilles, getragen von vier magern Amoretten, welche unter seiner Last seufzten. Die Kandelaber bestanden aus vier andern Amoretten, die in eine Gruppe vereinigt waren, und deren vier Flambeaur einen vierarmigen Leuchter bildeten.
Wie wir gesagt haben, war Alles, ungeachtet seines schlechten Geschmacks, reich, kokett, elegant und anziehend durch den Glanz, die Anmut und die Schönheit der Sirene, die darin wohnte. Man sieht, daß wir von unserem Gegenstande hingerissen sind, und daß wir wider unsern Willen in den mythologischen Stil jener Zeit verfallen.
Die Göttin, welche man in diesem kleinen Tempel anbetete, lag also, wie wir angedeutet haben, nachlässig hingestreckt aus ein Sofa; sie hatte den Anschein, ihre Rolle zu studieren, dachte aber im Grunde an nichts anderes als wie sie ihren Peplos tragen und wie sie ihre Tunika in der neuen Tragödie falten wolle, in der sie jetzt mitspielen sollte. Da öffnete sich die Türe und ihr Kammermädchen trat mit jener familiären Haltung ein, die zu gleicher Zeit die Vertraute der Tragödie und die Zofe der Komödie bezeichnet, Ismene und Dorine, die Ratgeberin und Bewahrerin der Geheimnisse.
»Wie, Sie sind es schon wieder?«rief die Schauspielerin mit einem bezaubernden Anfluge Übler Laune, die, indem sie einen Tadel auszusprechen sucht, zu sagen scheint, daß man wohl getan habe, denselben zu verdienen. »Ich habe doch bestimmt genug gesagt, daß ich allein sein will, unbedingt allein, um meine Rolle zu studieren; ich werde diese nie auswendig lernen, und das wird Ihre Schuld sein, verstehen Sie, Mademoiselle Cornelie?«
Das Kammermädchen nannte sich mit ihrem eigentlichen Taufnamen Marie; allein sie hatte diesen Namen zu gemein gefunden und sich daher kraft eigener Autorität um- und wieder getauft, um den wohlklingendsten und überhaupt den ausgezeichnetsten Namen, den Namen Cornelie anzunehmen.
»Mein Gott, ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung,« sagte die Zofe, »und ich bin bereit, dem Veranlassen gegenüber die Verantwortlichkeit für diesen Verzug auf mich zu nehmen. Ein schöner junger Mann verlangt mit Ihnen zu sprechen, und zwar so dringend, daß ich kein Mittel gefunden habe, ihn zurückzuweisen.«
»Und wie nennt sich Ihr schöner junger Mann, Mademoiselle?«
»Herr Eugene.«
»Herr Eugene?«versetzte die Schauspielerin, indem sie langsam die drei Sylben, welche dieses Wort bilden, wiederholte. »Herr Eugene. Aber das ist ja kein Name?«
O ja, Madame, es ist ein Name und zwar ein sehr hübscher Name. Ich liebe den Namen Eugene sehr.«
»So! Und Sie wollen, daß ich Ihre Sympathien mir aneigne! Können Sie mir ein Bild Ihres Schützlings entwerfen?«
»O gewiß, er ist, wie ich Ihnen schon gesagt habe, ein schöner junger Mann, ungefähr fünf Schuh, fünf Zoll groß, hat schwarze Haare, schwarze Augen, einen schwarzen Schnurrbart, und bezaubernde weiße kleine Zähne. Er ist in bürgerlicher Kleidung, aber ich wollte darauf wetten, daß er Offizier ist; überdies trägt er das Band der Ehrenlegion im Knopfloch.«
Zu einer früheren Zeit konnte diese letzte Bezeichnung noch als eine Auskunft betrachtet werden; heut zu Tage möchte sie viel zu unbestimmt sein. »Herr Eugene, schwarz, das Band der Ehrenlegion. . .«wiederholte Fernande, indem sie ihr Gedächtniß zu Hilfe nahm, dann wandte sie sich wieder zu Mademoiselle Cornelie und sagte: »und erinnern Sie sich nicht, daß Sie während des Jahres, welches Sie nun in meinen Diensten sind, diesen jungen Mann gesehen haben?«
»Niemals, Madame!«
»So wollen wir sehen, wer es sein kann.
Ist es Eugene d'Erville?«
»O nein, Madame, der ist es nicht.«
«Eugene de Castelluir?«
»Der ist es' auch nicht.«
»Eugene von Clos-Benaud?«
»Auch der ist es nicht.«
»Wenn dies der Fall ist, so sagen Sie, meine Teure, diesem Herrn, daß ich nicht zu Hause bin.«
»Wie! Sie befehlen mir!. . .«
»Gehen Sie.«
Fernande sprach dieses letzte Wort mit einer solchen Würde einer Theaterprinzessin aus, daß sich die Zofe, so sehr sie auch Lust hatte, die Sache ihres Schützlings zu verfechten, gezwungen sah, abzutreten, und dem Befehle, der ihr so bestimmt gegeben worden, Folge zu leisten.
Mademoiselle Cornelie ging also hinaus, und Fernande nahm mit einer noch zerstreuteren und verdrießlicheren Miene als zuvor das Manuskript wieder auf, allein sie hatte noch keine vier Verse darin gelesen, als sich die Türe schon wieder öffnete, und die Zofe wieder eintrat.
»Nun, Sie kommen noch einmal!« sagte Fernande in einem Tone, welcher ernst zu sein versuchte, der aber schon viel von seiner Strenge verloren hatte.
»Ach, mein Gott, Madame,« erwiderte Cornelie, »ja, ich bin es wieder, aber Sie werden mir verzeihen; Herr Eugene will durchaus nicht weggehen.«
»Wie, er will nicht weggehen?«
»Nein, er sagt: er wisse, daß Sie nie so frühe ausgehen.«
»Wenn auch; aber ich empfange am Morgen nur meine Freunde.«
»Er sagt, daß er einer von Ihren Freunden sei.«
»O, zum Beispiele? Das wird verwickelt; Eugene, ein schwarzer Schnurrbart, das Band der Ehrenlegion, einer meiner intimen Freunde; ist es nicht Eugene de Miremont?«
»Nein, Madame, dieser hier ist besser.«
»Eugene d'Harcourt?«
»O, dieser hier ist viel besser.«
»Eugene d'Argv?«
»O, der hier ist unendlich besser.«
»Aber wissen Sie, Mademoiselle, daß Sie meine Neugierde aufregen?«
»Übrigens,« fuhr die Zofe fort, indem sie ihrer Gebieterin ein kleines Schmuckkästchen von rothem Maroquin in der Größe eines Fünffrankenthalers Überreichte, »übrigens hatte er beigefügt, stellen Sie dieses Fernanden zu und sie wird wissen, wer ich bin.«
»Fernanden?«
»Ja, Madame, so hat er gesagt.«
»Meiner Treu, ich gebe zu, daß ich nicht die Geringste der Welt bin,« sagte die Schauspielerin, indem sie das Schlößchen öffnete und das kleine Schmuckkästchen neugierig betrachtete.
»Da sehen Sie; Ihr Portrait!« rief die Zofe.
»O, wie es Ihnen ähnlich ist, wie Sie so schön mit dem Schleier sind, der da um Ihren Kopf flattert;«
»Mein Portrait,« murmelte Fernande, indem sie sichtbar durch eine letzte Anstrengung ihre Erinnerungen zu sammeln suchte.
»Mein Portrait! Meiner Treu, ich finde mich nicht zu rechte.«
Nach einem augenblicklichen Schweigen rief sie:
»Ach, Eugene?«
»Ja.«
»Ein Schwarzer?«
»Ja.«
»Das Band der Ehrenlegion?«
»Ja.«
»Einer meiner Freunde?«Dieses Portrait, diese Chiffer: E.B. die ich auf dem Kästchen nicht bemerkt hatte. Das ist es, das ist es; mein Gott, wie wenig Gedächtniß ich habe und wie zerstreut ich bin; lassen Sie ihn hereinkommen, lassen Sie ihn hereinkommen, diesen armen Eugene, den ich im Vorzimmer warten ließ. Wenn ich bedenke, daß mir dasselbe, es ist noch nicht ein Monat, mit Jerome begegnet ist. . . .!«
Mademoiselle Cornelie ließ sich das nicht zweimal sagen, sie schoß wie ein. Pfeil und so hinaus, daß kaum die Vorwürfe, welche Fernande hinsichtlich ihres Gedächtnisses an sich richtete, beendigt waren, als schon an der Stelle Cornelie's der schöne junge Mann, schwarz an Haaren, Augen und Schnurrbart und mit dem rothen Bande, unter der Thüre erschien.
»Verzeihen Sie, meine liebe Fernande,« rief der junge Mann lachend; »aber auf meine Ehre, ich war weit davon entfernt, daran zu zweifeln, daß Sie in meiner Abwesenheit uneinnehmbar sein werden.«
»Wer daran zweifelt, das sind Sie, mein theurer Prinz,« sagte Fernande, indem sie dem Neuangekommenen eine Hand darreichte, welche dieser mit der Miene eines Siegers küßte. »Sie ließen sich bloß und einfach unter dem Namen Eugene anmelden; aber ich kenne so viele Eugenes. . . .«
»Daß Sie mich mit allen andern Eugenes der Welt verwechselt haben, das ist sehr schmeichelhaft für mich. Ah! Entschuldigen Sie, mein Portrait! Haben Sie die Güte, es mir zurückzugeben.«
»Sie denken also noch daran?«sagte Fernande mit einer bezaubernden Koketterie.
»Immer,« sagte der Prinz, indem er ein Tabouret neben den Sopha stellte.
»Cornelie,« bemerkte Fernande, »so lange seine kaiserliche Hoheit bei mir sein wird, bin ich für Niemand zu sprechen.«
Cornelie machte große Augen, sie hatte bis jetzt zu ihrer Gebieterin viele Prinzen kommen sehen; aber unter diesen Prinzen gab es wenige, die man mit dem pompösen Titel »Hoheit,« am allerwenigsten aber mit dem »kaiserliche Hoheit«bezeichnete.
Mademoiselle Cornelie trat ab, ohne ein Wort zu entgegnen.
»Und seit wann sind Sie in Paris, mein teurer Eugene? Ah, verzeihen Sie, gnädigster Herr, ich spreche immer zu Ihnen, wie wenn Sie noch ein einfacher Oberst der Consular-Garde wären.«
»Und Sie thun wohl daran, meine schöne Fernande.
Sie fragen, seit wann ich angekommen bin? Seit gestern, und mein erster Besuch gilt Ihnen, Undankbare!«
»Wie so? Sie sind hierher gekommen. . .?«
»Nein, ich würde Sie nicht aufgesucht haben, als bis Sie gespielt hätten.«
»Ah, das ist wahr?«
»Ich war im Francais.«
»In der Loge des Kaisers? Ich habe Sie dort nicht gesehen.«
»Weil Sie nicht hingesehen haben, Ungetreue! Ich war nicht dort, aber Poniatowsky war da.«
»Ich habe ihn wahrhaftig dort nicht gesehen.«
»O, dreifache Lügnerin;«rief der Prinz.
»Nein, Madame, ich war inkognito in einer Baignoire.«
»Allein?«
»Nein, mit Ihrem Portrait.«
»O, mein Gott, welche Artigkeiten Sie mir sagen; aber ich schwöre Ihnen, daß ich auch nicht ein Wort davon glaube.«
»Es ist dennoch die reine Wahrheit.«
»Nun, ich bin verzweifelt, daß Sie hierher gekommen sind.«
»Und warum? Sie waren in der Zaire anbetungswürdig; in der Roxelane wunderbar.«
»Ich war nicht schön.«
»Lassen Sie das, Sie waren im Gegentheile entzückend.«
»Nein, ich war sehr übler Laune.«
»Weil Poniatowsky zuviel mit seiner Nachbarin geplaudert hat.«
»Abscheulicher!«
»Oder ist vielleicht Duroc gestorben?«
»Trauriger!«
»Ist vielleicht Murat zu Grunde gerichtet.«
»A propos von Murat, er ist Großherzog, nicht wahr? Und man sagt, daß man ihn zum Vice-König machen will, wie Sie, oder wie Joseph zum König und was weiß ich sonst noch?«
»Ja, ich habe einige Worte davon sprechen hören.«
»Wohl an, alle diese Königreiche werden doch wenigstens gute Hilfsquellen darbieten.«
»Keine zu schlechten, und wenn es Ihnen nur im Mindesten auf der Welt angenehm ist, nun so wollen wir. . . so wollen wir davon plaudern.«
»Ach, Sie, mein lieber Eugene, Sie sind immer Prinz, bei Ihnen ist es nicht, wie bei Ihrem Kaiser.«
»Nun, was hat er denn gethan, mein Kaiser? Ich glaubte, daß er Sie zur. . . .Kaiserin gemacht habe.«
»Nun ja, er ist liebenswürdig; plaudern wir später etwas davon.
Denken Sie, ich habe Lust, Frankreich zu verlassen und nach Mailand zu gehen.«
»Gehen Sie dahin, meine Liebe, gehen Sie dahin; Sie werden dort sehr gut aufgenommen werden. Ich komme gerade nach Paris, um meine Truppe zu rekrutieren, und dann nach Erfurt und Dresden zu gehen. Sind Sie mit bei der Reise nach Dresden?«
»Ich weiß, daß Mars, Georges und Talma dabei sind; aber zu mir hat man noch kein Wort davon gesagt.«
»Wünschen Sie dabei zu sein?«
»Und wenn ich wünschte dabei zu sein? Wünschen Sie, mein theurer Prinz, daß ich offen spreche? Das war es, was mich gestern Abends in eine solch' abscheuliche Laune versetzte.«
»Wirklich!«
»Auf mein Wort.«
»Wohlan, ich will es mit Rovigo in Ordnung bringen. Ich glaube, daß er die Sache auf sich hat.«
»Ach, Sie werden ein Amor sein.«
»Nun, thun Sie von Ihrer Seite auch etwas für mich.«
»O, Alles, was Sie wünschen,«
»Geben Sie mir das Repertoire dieser Woche, damit ich meine Soireen mit den Ihrigen in Einklang bringen kann. Ich will die Templer sehen; werden Sie darin spielen?«
»Ja, ich werde darin eine Art von Leichenbegleiterin machen. Ich wollte, daß Sie mich in einem andern Stücke sehen würden.«
»Ich werde Sie in allen sehen.«
»Sie wollen also dieses Repertoire?«
»Ja.«
»O, es ist jetzt sehr schlecht bestellt, das Alles sind nichts als Ränke, Cabalen und Intriguen. Unsere arme Comédie-francaise geht, wie ich fürchte, wo das Cafe Ludwig's XV, hinging.«
»Wahrhaftig?«
»Aber, wo doch dieses Repertoire sein mag? Ach, jetzt erinnere ich mich.«
Fernande streckte die Hand nach einem Glockenzuge aus, der in einen Bogen und einen Köcher von Bronze endete, und läutete. Mademoiselle Cornelie erschien.
»Was haben Sie mit dem Repertoire gemacht, welches ich Ihnen gestern gegeben habe?«sagte Fernande.
»Ich habe es in eine Ihrer Tassen im Schlafzimmer gelegt.«
»Holen Sie es, Seine kaiserliche Hoheit verlangt' nach demselben.«
Mademoiselle Cornelie ging weg, kam nach einem Augenblick wieder, und brachte die wöchentliche Theateranzeige.
Fernande nahm sie ihr aus den Händen, gab sie dem Prinzen, wandte sich dann gegen die an ihrem Platze stehen gebliebene Cornelie und fragte:
»Nun, warum warten Sie?«
»Ich bitte Sie um Entschuldigung, Madame,« erwiderte die Zofe, »aber es ist jemand da, der Sie zu sprechen wünscht.
»Sie begleitete diese Worte mit einem jener Blicke, durch welche die Dienerin der Herrin sagt: »Seien Sie ruhig, ich weiß, was ich thue.«
»Noch einmal, ein schöner junger Mann?«fragte Fernande.
»O nein, Madame, diesmal ist es ein armes, junges Mädchen, welches sehr traurig ist, und einen großen Kummer zu haben scheint.«
»Wie heißt sie?«
»Cäcilie.«
»Cäcilie, Cäcilie und?«
»Nur Cäcilie.«
»Nun,« sagte der Prinz,« das ist heute der Tag der Taufnamen.«
»Und was verlangt sie?«
»Sie wünscht Ihnen, Madame, etwas zu zeigen, was Sie, wie ich gewiss weiß, schön finden werden. Ich habe ihr sogleich gesagt, daß es unnütz sei, weil Sie gegenwärtig im Begriff stehen, ökonomisch zu sein; aber das arme Kind bat so dringend, daß ich den Mut nicht hatte, sie fortzuschicken. Ich sagte ihr, daß sie warten solle, und daß, so wie Madame sie empfangen könnten, dies geschehen würde. Dann hat sie sich schüchtern in einen Winkel gesetzt, ihren Karton auf die Knie nehmend, und so harrt sie Ihrer Befehle.«
»Werden Eure kaiserliche Hoheit erlauben?. . .«fragte Fernande.
»Warum nicht,« entgegnete der Prinz,« es wird mir sehr angenehm sein, dieses junge Mädchen zu sehen und das zu bewundern, was sie in ihrem Karton hat, den sie so bescheiden auf ihren Knien hält.«
»Lassen Sie sie hereinkommen,« sagte Fernande.
Cornelie ging sogleich weg und kam nach einem Augenblicke wieder, Mademoiselle Cäcilie ankündigend. Hinter Cornelia trat die angekündigte Person ein.
Es war ein schönes, junges Mädchen von neunzehn Jahren, mit blonden Haaren, rosigem Teint und einer Taille, so schlank wie Schilf; sie war in großer Trauer und ganz schwarz gekleidet; ihr Kleid hatte nicht die geringste Verzierung, eben sowenig ihre Haube von derselben Farbe; ihre Wangen waren blass, ihre Augen roth; man sah ihr an, daß sie viel gelitten und viel geweint hatte.
Nach der Beschreibung, welche Mademoiselle Cornelie von der Person gab, die sie zu sprechen wünschte, hatte Fernande von Anfang an geglaubt, mit irgend einer jungen Arbeiterin zu thun zu haben, welche beauftragt ist, Muster in der Stadt herumzutragen; aber bei dem ersten Blicke, welchen sie auf dieses traurige und ernste junge Mädchen, warf, bemerkte sie mit Erstaunen eine würdevolle, züchtige Haltung, welche über ihre ganze Person verbreitet war.
Cäcilie war an der Türe stumm und unbeweglich stehen geblieben.
»Kommen Sie näher, Mademoiselle,« sagte Fernande, »und sagen Sie mir, was mir das Vergnügen verschafft, Sie zu sehen.«
»Madame,« entgegnete Cäcilie mit zitternder Stimme, in welcher jedoch mehr Schmerz als Furcht lag, »in diesem Karton hier ist eine Robe, welche ich schon mehreren Personen gezeigt habe; aber der Preis, der für dieselbe bezahlt werden soll, hat immer das überstiegen, was die Personen, welchen ich sie zum Kaufe angeboten habe, geben wollten. Die letzte derselben hat mir, indem sie mir das Kleid zurückgab, gesagt, daß nur eine Königin eine solche Rohe kaufen könne, und deswegen bin ich zu Ihnen gekommen, die Sie eine Königin sind.«
Diese Worte waren mit einer zitternden Stimme, aber zu gleicher Zeit auch mit so viel Trauer und Würde gesprochen worden, daß sich das Staunen des Prinzen und Fernandens verdoppelte; indessen musste die schöne Künstlerin doch über die letzten Worte lächeln.
»Ach ja,« sagte sie, »eine Königin, eine Königin von sieben bis halb zehn Uhr Abends; eine Königin, deren Königreich im Theater ist, welche Mauern von Pappe zum Palaste hat, und ein Stirnband von Bronze als Krone trägt! Indessen sind Sie doch nicht ganz irre gegangen, indem sie Hierher gekommen sind, denn wenn ich auch eine falsche Königin bin, so haben Sie doch einen wahren König gefunden.«
Das junge Mädchen heftete mit ernster Würde die schönen blauen Augen auf den Prinzen; ihr Ausdruck aber zeigte, daß sie die so eben ausgesprochenen Worte durchaus nicht verstehe.
Inzwischen hob Cäcilie den Deckel des Kartons aus.
Fernande stieß einen Ruf der Bewunderung und der Überraschung aus.
»O, diese wunderbare Robe!« rief sie, indem sie mit der Hastigkeit einer Frau, die ein Meisterstück der Toilette gewahr wird, sich derselben bemächtigte, sie auf dem Sopha aus einander und die Hand unter den Stoff legte, um über die Feinheit des Musselins, und über die Schönheit der Stickerei urteilen zu können.
In der Tat hatte man vielleicht zu Nancy, in dieser Beziehung das Land der Wunder, nichts gesehen, was diesem Kleide glich, welches so mit Stickereien beladen war, daß man nur mit Mühe den Musselin unter den schlanksten Stengeln, den zartesten Blättern, den schönsten Blumen, die je den neidischen Blick einer Tochter Evas überrascht hatten, durchsehen konnte; es war nicht das Werk eines Weibes; es war gewiss die launenhafte Schöpfung irgend einer Fee.
So wenig der Prinz eine solche Art von Meisterstücken schätzen konnte, so erkannte er doch, daß dieses Kleid ein Wunder der Geduld und der Geschicklichkeit sei.
Fernande blieb einige Minuten in Betrachtung versunken vor diesen graziösen Arabesken stehen; dann richtete sie an Cäcilie die Frage: »Wer hat denn dieses Kleid gestickt?«
»Ich, Madame,« entgegnete Cäcilie.
»Und wie viele Jahre haben Sie zu dieser Arbeit gebraucht?«
»Zwei und ein halbes Jahr, Madame.«
»Das glaube ich gerne; sehen Sie doch, Prinz, das ist zum Vergnügen und nicht handwerksmäßig gestickt und das macht die Sache noch kostbarer. Zwei und ein halbes Jahr! Da mussten Sie ungeheuer arbeiten.«
»Tag und Nacht, Madame.«
»Und Sie haben ein solches Werk zu dem Zwecke unternommen, dasselbe zu verkaufen?«
«Ich habe es aus einem andern Grunde unternommen, Madame.«
»Ich begreift, daß Sie nicht im Stande waren, dieses Kleid zu verkaufen, Mademoiselle; denn dasselbe muss so viel kosten, als das Lösegeld eines Königs beträgt.«
»Ach ja, ich bin gezwungen, einen sehr hohen Preis dafür zu fordern, und darum habe ich auch, so dringend notwendig ich des Geldes bedarf, bis jetzt noch keinen Käufer dafür gefunden.«
»Und, welchen Preis verlangen Sie dafür?«fragte lächelnd der Prinz.
Das junge Mädchen schwieg einen Augenblick, als ob es sich fürchte, die verhängnisvollen Worte den Lippen entschlüpfen zu lassen, die so oft schon ihre Hoffnungen vernichtet hatten. Endlich sagte sie mit kaum vernehmbarer Stimme: »Dreitausend Frank.«
»Wie meinen Sie?«fragte Fernande.
«Dreitausend Frank,« wiederholte Cäcilie.
»Bei Gott!« sagte die Schauspielerin mit einer Bewegung der Augen und des Mundes, welche unmöglich beschrieben werden kann. »Bei Gott, das ist teuer, aber es hat diesen Wert.«
In dem nämlichen Augenblicke rief das junge Mädchen, indem es die Hände faltete und fast auf die Knie sank: »Madame, Sie werden, ich schwöre es Ihnen, eine heilige und edle Handlung begeben, wenn Sie es kaufen.«
»Mein Gott,« sagte Fernande, »ich würde dieses Kleid von Herzen gern kaufen, mein Kind, und ich gestehe Ihnen sogar, daß ich sehr große Lust dazu habe, aber Tausend Taler.«
»O, mein Gott, was sind denn tausend Taler für Sie!« sagte das junge Mädchen, indem sie umher blickte und sich einen Begriff von dem Glücke der Person, an welche sie diese Worte richtete, durch die Betrachtung des kostbaren Meublements des Boudoirs zu machen schien, welches wir beschrieben haben.
»Wie, was tausend Taler für mich sind!« rief die Künstlerin; »es sind, drei Monate meines Einkommens. Richten Sie Ihre Bitte an den Prinzen, mein Kind, und er wird dieses Kleid für irgend eine schöne Dame des Hofes kaufen.«
»In der Tat,« sagte der Prinz, »die Dame hat Recht; ich nehme dieses Kleid, mein Kind.«
»Sie, Sie, mein Herr! Sie, Prinz!« rief das junge Mädchen, »ist es wahr, daß Sie es nehmen, und um den Preis, den ich dafür fordere?'
»Ja,« antwortete der Prinz,« und wenn Ihnen eine größere Summe notwendig sein sollte. . . .«
«Nein, gnädiger Herr,« sagte das junge Mädchen. »Ich brauche dreitausend Frank; dreitausend Frank genügen mir. Übrigens ist auch dieses Kleid nicht mehr als dreitausend Frank wert.«
»Nun,« sagte der Prinz, »haben Sie die Güte, diesen Karton meinem Kammerdiener Jean zuzustellen, den Sie an der Türe mit meinem Kutscher plaudernd finden werden.
Sagen Sie ihm, daß er es in meinen Wagen legen soll, und geben Sie ihm Ihre Adresse, damit ich Ihnen heute noch diese Summe zustellen lassen kann, welche Sie so dringend notwendig zu haben scheinen.«
»O ja!« entgegnete das junge Mädchen, »und ich schwöre es Ihnen, daß nur eine so große Not mich zwingen konnte, mich von dem Kleide zu trennen.«
Indem das arme Kind diese Worte sprach, drückte es mehrmals seine Lippen mit einer Mischung von Freude und von Schmerz, welche das Herz zerriss, auf das Kleid, von welchem sie sich trennen musste. Dann grüßte sie noch einmal Fernande und den Prinzen, und schritt der Türe zu.
»Noch ein Wort!« sagte Fernande,« und verzeihen Sie es zwei Gefühlen, die ich empfinde, und, wie ich glaube, in gleichem Grade, nämlich der Neugierde, die Sie in mir erregt haben, und dem Antheile, den ich an Ihnen nehme. Für wen war dieses Kleid bestimmt?«
»Für mich/Madame.«
»Für Sie?«
»Ja; es war mein Hochzeitkleid.«
Und das junge Mädchen stürzte aus dem Zimmer, einen Seufzer erstickend.
Am folgenden Tage ließ sich der Prinz selbst nach der bezeichneten Adresse führen und fragte nach Cäcilien. Dieses junge Mädchen hatte ihn lebhaft interessiert, er hatte den Vorfall der Kaiserin erzählt, und die Kaiserin verlangte sie zu sehen.
»Mademoiselle Cäcilie?«sagte der Thürhüter.
»Ja, Mademoiselle Cäcilie, ein junges, blondes Mädchen, mit einem blauen Augenpaare, achtzehn bis neunzehn Jahre alt.
Wohnt sie nicht hier, Rue du coq Nro. 5.?«
»O, ich weiß, was der Herr sagen will,« entgegnete der Türhüter; »aber Mademoiselle Cäcilie ist nicht mehr hier. Ihre Großmutter ist vor drei Tagen gestorben und vorgestern wurde sie begraben; gestern war Mademoiselle Cäcilie den ganzen Tag ausgegangen, und diesen Morgen ist sie abgereist.«
»Von Paris?«
»Wahrscheinlich.«
»Nach welchem Lande?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wie ist ihr Familienname?«
»Den haben wir nie gehört.«
Der Prinz konnte, obgleich er diese Frage fünf oder sechsmal immer unter einer andern Form wieder erhob, dennoch nicht mehr erfahren.
Acht Tage später trat Fernande in dem: »Philosophen, ohne es zu wissen,« mit einer so wunderbar gestickten Robe auf, daß das Gerücht sich verbreitete, es sei ein Geschenk, welches Sultan Selim der bezaubernden Roxelane gemacht habe.
Und nun wollen wir, da uns unsere Eigenschaft als Geschichtsschreiber das Vorrecht gibt, alle Geheimnisse zu kennen, erzählen, wer dieses geheimnisvolle junge Mädchen war, welches nur einen Augenblick den Prinzen und Fernanden erschienen, und das man in der Rue du coq Nro. 5. nur unter dem Namen Cäcilie kannte.