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Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 13

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Ein Schauer durchlief das ganze Auditorium.

Die Stirne mit Schweiß bedeckt, hätte Charny ein Jahr seines Lebens dafür gegeben, wäre er noch in Indien gewesen.

»Man höre, wie sich die Sache verhält,« fuhr die Königin fort. «Zwei Damen von meiner Bekanntschaft hatten sich verspätet und waren in ein Gedränge gerathen. Sie liefen eine große Gefahr, Herr von Charny kam in diesem Augenblick zufällig oder vielmehr glücklicher Weise vorüber. Er trieb die Menge auf die Seite, nahm die zwei Damen, ohne sie zu kennen, und obgleich es schwer war, ihren Rang zu unterscheiden, unter seinen Schutz und begleitete sie sehr weit, ich glaube zwei Meilen von Paris.«

»Ach! Eure Majestät übertreibt,« versetzte Herr von Charny lachend und beruhigt durch die Wendung, die die Erzählung genommen.

»Nun, so sagen wir fünf Meilen und sprechen wir nicht mehr davon,« unterbrach der Graf von Artois, der sich plötzlich in das Gespräch mischte.

»Gut, mein Bruder,« fuhr die Königin fort; »das Schönste dabei aber war, daß Herr von Charny nicht einmal den Namen der zwei Damen zu erfahren suchte, denen er diesen Dienst geleistet hatte, daß er sie an der Stelle, die sie ihm bezeichneten, absetzte, daß er sich entfernte, ohne nur den Kopf umzuwenden, so daß sie seinen schützenden Händen entkamen, ohne auch nur einen Augenblick beunruhigt worden zu sein.«

Man schrie, man bewunderte. Charny wurde von zwanzig Damen zugleich mit Complimenten überschüttet.

»Nicht wahr, das ist schön?« endigte die Königin; »ein Ritter von der Tafelrunde hätte es nicht besser gemacht.«

»Das ist herrlich!« rief der Chor.

»Herr von Charny,« sprach die Königin, »der König ist ohne Zweifel damit beschäftigt, Herrn von Suffren, Ihren Oheim, zu belohnen; ich, meinerseits, möchte gern etwas für den Neffen dieses großen Mannes thun.«

Sie reichte ihm die Hand.

Und während Charny bleich vor Freude seine Lippen darauf drückte, begrub sich Philipp, bleich vor Schmerz, in die weiten Vorhänge des Salons.

Andrée war ebenfalls erbleicht, und dennoch konnte sie nicht errathen, was Alles ihr Bruder litt.

Die Stimme des Grafen von Artois brach diese Scene ab, welche so interessant für einen Beobachter gewesen wäre.

»Ah! mein Bruder Provence,« rief er; »kommen Sie doch, mein Herr, kommen Sie; Sie haben ein schönes Schauspiel versäumt, den Empfang des Herrn von Suffren; es war in der That ein Augenblick, den die französischen Herzen nie vergessen werden. Wie, Teufels, haben Sie was versäumt, mein Bruder, ein Mann von so außerordentlicher Pünktlichkeit!«

Monsieur preßte die Lippen zusammen, grüßte die Königin zerstreut und antwortete mit einer Alltagsphrase.

Dann sagte er leise zu Herrn von Favras, seinem Capitän der Garden:

»Wie kommt es, daß er in Versailles ist?«

»Ei! Monseigneur,« antworte dieser, »ich frage mich das seit einer Stunde und habe es noch nicht begriffen.«

XIII.
Die hundert Louisd'or der Königin

Nun, da wir unsere Leser die Bekanntschaft mit den Hauptpersonen dieser Geschichte haben machen oder erneuern lassen, nachdem wir sie sowohl in das kleine Haus des Grafen von Artois, als in den Palast König Ludwigs XVI. eingeführt, wollen wir sie wieder in das Haus der Rue Saint-Claude führen, wo die Königin von Frankreich incognito erschienen und mit Andrée von Taverney in den vierten Stock hinauf gestiegen war.

Sobald die Königin verschwunden war, zählte Frau von La Mothe, wie wir wissen, voll Freude die hundert Louisd'or, die ihr auf eine so wunderbare Weise vom Himmel zugefallen, einmal um's andere.

Fünfzig schöne Doppellouis von acht und vierzig Livres, die auf dem armseligen Tisch ausgebreitet und in den Reflexen der Lampe strahlend, durch ihre aristociatische Gegenwart all' die dürftigen Dinge in der elenden Dachstube zu demüthigen schienen.

Nach dem Vergnügen, zu haben, kannte Frau von La Mothe kein größeres, als das, sehen zu lassen. Der Besitz war nichts für sie, wenn er nicht Neid erregte.

Es war ihr schon seit ewiger Zeit widrig, ihre Kammerfrau zur Vertrauten ihres Elends zu haben; sie beeilte sich daher, sie zur Vertrauten ihres Glückes zu machen.

Sie rief Frau Clotilde, die im Vorzimmer geblieben war, gab dem Licht der Lampe geschickt eine solche Richtung, daß das Gold auf dem Tische glänzte, und sprach:

»Clotilde!«

Die Haushälterin machte einen Schritt in's Zimmer.

»Kommen Sie hierher und schauen Sie,« fügte Frau von La Mothe bei.

»Oh! Madame!« rief die Alte, die Hände faltend und den Hals vorstreckend.

»Sie waren besorgt wegen Ihres Lohnes?« sagte die Gräfin.

»Ohl Madame, nie habe ich ein Wort hierüber gesagt. Ich fragte die Frau Gräfin nur, wann sie mich bezahlen könnte, und das war natürlich, da ich seit drei Monaten nichts erhalten hatte.«

»Glauben Sie, daß das hinreicht, um Sie zu bezahlen?«

»Herr Jesus! Madame, wenn ich hätte, was da liegt, so wäre ich reich für mein ganzes Leben.«

Frau von La Mothe schaute die Alte an, zuckte mit einer Geberde unaussprechlicher Verachtung die Achseln und sagte:

»Es ist ein Glück, daß sich gewisse Leute des Namens erinnern, den ich führe, während ihn diejenigen, welche sich desselben erinnern müßten, vergessen.«

»Und wozu werden Sie all' dieß Geld verwenden?« fragte Frau Clotilde.

»Zu Allem!«

»Was ich am wesentlichsten fände, Madame, wäre meiner Ansicht nach, daß Sie meine Küche einrichten würden, denn, nicht wahr, nun, da Sie Geld haben, werden Sie Gäste bewirthen?«

»St!« machte Frau von La Mothe, »man klopft.«

»Madame täuscht sich,« entgegnete die Alte, die mit ihren Schritten stets sehr sparsam war.

»Ich sage Ihnen aber, daß man klopft.»

»Oh! ich versichere Madame…«

»Sehen Sie nach.«

»Ich habe nichts gehört.«

»Ja, wie vorhin; vorhin hatten Sie auch nichts gehört: nun! wenn die zwei Damen hinweggegangen wären, ohne hereinzukommen!«

Dieser Grund schien überzeugend für Frau Clotilde, denn sie wandte sich der Thüre zu.

»Hören Sie?« rief Frau von La Mothe.

»Oh! es ist wahr,« sagte die Alte, »ich gehe, ich gehe.«

Frau von La Mothe strich eilig die fünfzig Doppellouis vom Tisch auf ihre Hand, warf sie in eine Schublade, stieß diese wieder zu und murmelte:

»O Vorsehung! noch hundert Louisd'or.«

Diese Worte wurden mit einem Ausdruck skeptischer Gierde gesprochen, der Voltaire lächeln gemacht hätte.

Mittlerweile öffnete man die Thüre des Ruheplatzes und der Tritt eines Mannes wurde im ersten Zimmer hörbar.

Der Unbekannte und Frau Clotilde wechselten ein Paar Worte, ohne daß die Gräfin den Sinn davon auffassen konnte.

Dann schloß man die Thüre wieder, die Tritte verloren sich auf der Treppe und die Alte kehrte mit einem Brief in der Hand zurück.

»Hier!« sagte sie, der Gebieterin den Brief reichend.

Die Gräfin betrachtete aufmerksam die Schrift, den Umschlag und das Siegel; dann schaute sie empor und sagte:

»Ein Bedienter?« – »Ja, Madame.« – »Was für eine Livree?« – »Er hatte keine.« – »Ein Vertrauter also?« – »Ja.«

»Ich kenne dieses Wappen,« sprach Frau von La Mothe, wahrend sie das Siegel noch einmal anschaute.

Dann näherte sie dieses Siegel der Lampe und sagte:

»Roth mit neun durchbrochenen goldenen Rauten: wer hat Roth mit neun durchbrochenen goldenen Rauten?«

Sie suchte einen Augenblick in ihren Erinnerungen, doch vergebens.

»Sehen wir immerhin den Brief an,« murmelte sie.

Und nachdem sie ihn sorgfältig geöffnet, um das Siegel nicht zu zerbrechen, las sie:

»Madame, die Person, an die Sie ein Gesuch gerichtet haben, wird Sie morgen Abend besuchen, wenn es Ihnen beliebt, Ihre Thüre für sie zu öffnen.«

»Und das ist Alles?«

Die Gräfin strengte abermals ihr Gedächtniß an.

»Ich habe an so viele Personen geschrieben,« sagte sie.

»An alle Welt.

»Ist die Person, die mir antwortet, ein Mann oder eine Frau?«

»Die Handschrift besagt nichts … unbedeutend … eine wahre Secretärshandschrift.

»Dieser Styl? ein gönnerhafter Styl … flach und alt.«

Dann wiederholte sie:

»»Die Person, an die Sie ein Gesuch gerichtet haben…««

»In dieser Phrase liegt die Absicht, zu demüthigen. Es kommt gewiß von einer Frau.«

Sie fuhr fort:

»»Wird Sie morgen Abend besuchen, wenn es Ihnen beliebt, Ihre Thüre für sie zu öffnen.««

»Eine Frau hätte gesagt: Wird Sie morgen Abend erwarten.

»Doch die Damen von gestern, sie sind wohl gekommen, und es waren vornehme Damen.

»Keine Unterschrift.

»Wer hat denn Roth mit neun durchbrochenen goldenen Rauten?

»Oh!« rief die Gräfin plötzlich, »habe ich denn den Kopf verloren? die Rohan, bei Gott!«

»Ja, ich habe an Herrn von Guéménée und an Herrn von Rohan geschrieben: der Eine von ihnen antwortet mir, das ist ganz einfach.

»Doch der Wappenschild ist nicht in vier Felder getheilt, der Brief ist vom Cardinal.

»Oh! der Cardinal, dieser Galan, dieser Weiberknecht, dieser Ehrgeizige; er wird Frau von La Mothe besuchen, wenn Frau von La Mothe ihm ihre Thüre öffnet.

»Gut! er mag ruhig sein, die Thüre wird ihm geöffnet werden.

»Und wann ist das? Morgen Abend.«

Sie versank in eine Träumerei.

»Eine Dame vom Guten Werke, die hundert Louisd'or gibt, kann in einer Dachstube empfangen werden; sie kann auf meinem kalten Boden frieren, sie kann leiden auf meinen Stühlen, die so hart sind, wie der Rost des heiligen Lorenz, abgesehen vom Feuer. Aber ein Kirchenfürst, ein Boudoirmann, ein Herzenüberwinder? Nein, nein, die Armuth, die ein solcher Almosenier besucht, braucht mehr Luxus, als gewisse Reiche haben.«

Die Gräfin wandte sich nun gegen die Haushälterin um, die ihr Bett vollends zurecht machte, und sagte:

»Frau Clotilde, vergessen Sie nicht, mich morgen frühzeitig zu wecken.«

Um behaglicher denken zu können, bedeutete die Gräfin hierauf der Alten durch ein Zeichen, sie möge sie allein lassen.

Frau Clotilde fachte wieder das Feuer an, das man in der Asche begraben hatte, um der Stube ein elenderes Aussehen zu geben, schloß die Thüre und zog sich in den Dachwinkel zurück, wo sie ihre Lagerstätte hatte.

Jeanne von Valois wachte, statt zu schlafen, die ganze Nacht hindurch. Sie schrieb mit dem Bleistifte beim Schein der Nachtlampe Bemerkungen und versank erst, nachdem sie des kommenden Tages sicher war, gegen drei Uhr Morgens in die Ruhe des Schlummers, aus dem Frau Clotilde, welche kaum mehr als sie geschlafen hatte, sie mit dem ersten Dämmerlichte erweckte.

Gegen acht Uhr hatte sie ihre Toilette beendigt, die aus einem zierlichen seidenen Kleid und einem geschmackvollen Kopfputz bestand.

Zugleich als vornehme Dame und als hübsche Frau beschuht, das Schönpflästerchen auf dem linken Backenbein, die gestickte Militaire am Faustgelenke, ließ sie eine Art von Karren von dem Platze holen, wo man dergleichen Locomotiven fand, nämlich von der Rue du Pont-aux-Choux.

Sie würde eine Sänfte vorgezogen haben, aber diese hätte man zu fern herholen müssen.

Der Karren, ein vollendeter Stuhl, bespannt mit einem kräftigen Auvergnaten, erhielt Befehl, die Frau Gräfin nach der Place Royale zu führen, wo unter den südlichen Arcaden in dem alten Erdgeschoß eines verlassenen Hotels Meister Fingret, Tapezierer und Decorateur, wohnte, bei dem ältere und neuere Möbel zum Verkauf und zur Vermiethung wohlfeil zu finden waren.

Der Auvergnat karrte seine Kundin rasch von der Rue Saint-Claude nach der Place Royale.

Zehn Minuten nach ihrem Abgang gelangte die Gräfin in die Magazine von Meister Fingret, wo wir sie sogleich in Bewunderung und Auswahl begriffen in einer Art von Pandämonium finden, das wir zu skizziren suchen wollen.

Man stelle sich fünfzig Fuß lange und ungefähr dreißig Fuß breite Remisen mit einer Höhe von siebenzehn Fuß vor; an den Wänden allerlei Tapeten aus den Zeiten Heinrichs IV. und Ludwigs XIII., an den durch die Menge der aufgehängten Gegenstände verborgenen Decken Kronleuchter mit Girandolen, die an ausgestopfte Eidechsen, Kirchenlampen und fliegende Fische anstoßen.

Auf dem Boden aufgehäufte Teppiche und Matten, Möbel mit gedrehten Säulen, mit vierkantigen Füßen, geschnitzte Schenktische von Eichenholz, Wandtische nach der Mode Ludwigs XV. mit vergoldeten Pfoten, Sophas mit rosa Damast oder Utrechter Sammet überzogen, Ruhebetten, große lederne Lehnstühle, wie Sully sie liebte, Schränke von Ebenholz mit Füllungen in Relief und messingenen Stäbchen, Tische von Boule mit Blättern von Schmelz oder Porzellan, Triktrake, Putztische mit vollständiger Ausrüstung, Commoden mit eingelegter Arbeit von Instrumenten oder Blumen.

Lagerstätten von Rosen- oder Eichenholz mit Eckenden oder Baldachin-Vorhängen von allen Formen, von allen Dessins, von allen Stoffen sich verhalfternd, sich vermengend, sich verwählend oder sich zerstoßend in den Halbschatten der Remise.

Claviere, Spinette, Harfen, ägyptische Klappern auf einem Tischchen; der Hund Marlborough ausgestopft und mit Augen von Schmelz.

Sodann Weißzeug von allen Qualitäten: Damenkleider neben Sammetröcken hängend, Degengriffe von Stahl, von Silber, von Perlmutter.

Hohe Leuchter, Portraits von Ahnherren und Ahnfrauen, Bilder Grau in Grau, eingerahmte Stiche, und alle die Nachahmungen von Vernet, wie sie damals in der Mode, von jenem Vernet, zu dem die Königin so anmuthreich und so fein sagte:

»Entschieden, Herr Vernet, sind Sie der einzige Mann in Frankreich, der den Regen und das Wetter machen kann.«

XIV.
Meister Fingret

Das Alles ist es, was die Augen und folglich die Einbildungskraft der wenig Begüterten in den Magazinen des Meisters Fingret auf der Place Royale verführte.

Lauter Waaren, die nicht ganz neu waren, wie es der Schild redlich sagte, die aber vereinigt einander Werth gaben und am Ende eine viel beträchtlichere Gesammtsumme darstellten, als die hochmüthigsten Schacherer verlangt haben würden.

Frau von La Mothe bemerkte erst, als sie zur Betrachtung aller dieser Reichthümer zugelassen war, was ihr in der Rue Saint-Claude fehlte.

Es fehlte ihr ein Salon, um Sophas, Fauteuils und Bergères zu enthalten.

Ein Speisezimmer, um Schränke, Etagèren und Anrichtetisch aufzunehmen.

Ein Boudoir für die Zitzvorhänge, die Nipptische und die Feuerschirme.

Was ihr, wenn sie Salon, Speisezimmer und Boudoir hatte, noch fehlte, das war das Geld, um die Möbel zu bekommen, die sie in diese neue Wohnung stellen sollte.

Doch mit den Tapezierern von Paris ist jederzeit leicht eine Uebereinkunft zu treffen gewesen, und wir haben nie sagen hören, eine hübsche junge Frau sei auf der Schwelle einer Thüre gestorben, die sie sich nicht habe öffnen lassen können.

In Paris miethet man, was man nicht kauft, und die Möbelvermiether sind es, die das Sprüchwort: »Sehen ist haben,« in Umlauf brachten.

In der Hoffnung auf eine mögliche Miethe warf Frau von La Mothe, nachdem sie Maße genommen, ihr Auge auf ein Möbel von goldgelber Seide, das ihr beim ersten Anblick gefiel.

Um Alles zu ordnen, müßte man den dritten Stock, bestehend aus einem Vorzimmer, einem Speisezimmer, einem kleinen Salon und einem Schlafzimmer miethen.

So daß man im dritten Stock die Almosen der Cardinäle und im vierten die der Unterstützungsanstalten in Empfang nehmen würde, das heißt im Luxus die der Leute, welche Wohlthätigkeit aus Prahlerei üben, in der Armuth die Geschenke der mit Vorurtheilen Behafteten, die nicht gerne denjenigen geben, für welche der Empfang kein Bedürfniß ist.

Nachdem die Gräfin so ihren Entschluß gefaßt, wandte sie ihre Augen nach der dunklen Seite der Remise, nämlich nach derjenigen, wo sich die Reichthümer am glänzendsten boten, nach der Seite der Krystalle, der Goldrahmen, der Spiegel.

Sie sah hier, mit ungeduldiger Miene und etwas unverschämtem Lächeln, mit der Mütze in der Hand, einen Pariser Bürgersmann, der auf den an einander gedrückten Nägeln seiner beiden Zeigefinger einen Schlüssel herumschnellen ließ.

Dieser würdige Aufseher der Gelegenheitswaaren war kein Anderer, als Herr Fingret, dem seine Commis den Besuch einer schönen Dame gemeldet hatten.

Man konnte im Hofe dieselben Commis sehen, kurz und eng in Bure und Camelot gekleidet, ihre kleinen Waden in etwas grellen Strümpfen. Sie waren beschäftigt, mit den älteren Möbeln die minder alten zu restauriren, oder besser gesagt, Sophas, Lehnstühle und antike Polster zu plündern und das Roßhaar und die Federn herauszuziehen, die zum Ausstopfen ihrer Nachfolger dienen sollten.

Der Eine krämpelte das Roßhaar, vermengte es großmüthig mit Werg und stopfte ein neues Geräthe damit voll.

Der Andere bauchte gute Fauteuils.

Der Dritte bügelte mit aromatischen Wassern gereinigte Stoffe aus.

Und mit diesen alten Ingredienzien richtete man die so schönen Möbel zurecht, welche Frau von La Mothe in diesem Augenblick bewunderte.

Da Herr Fingret bemerkte, daß seine Kundin die Operationen seiner Commis sehen und die Gelegenheit in einem minder günstigen Lichte anschauen konnte, als es für seine Interessen ersprießlich war, so schloß er eine Glasthüre, die nach dem Hofe ging, aus Furcht, wie er sagte, der Staub könnte blendend sein für Madame…

Bei diesem »Madame« hielt er inne.

Es war dieß eine Frage.

»Die Frau Gräfin von La Mothe Valois,« erwiderte Jeanne nachläßig.

Bei diesem wohlklingenden Titel sah man nun Herrn Fingret seine Finger lösen, den Schlüssel in die Tasche stecken und sich der Gräfin nähern.

»Oh!« sprach er, »es ist nichts hier, was für Madame taugt. Ich habe Neues, Schönes, Prächtiges! Die Frau Gräfin darf nicht denken, weil es auf der Place Royale ist, habe das Haus von Meister Fingret nicht eben so schöne Möbel als der Tapezierer des Königs. Wollen Sie gefälligst dieß Alles lassen, Madame, und sehen wir im andern Magazin nach.«

Jeanne erröthete.

Alles, was sie hier gesehen, kam ihr sehr schön vor, so schön, daß sie nicht einmal hoffen durfte, es kaufen zu können.

Ohne Zweifel geschmeichelt, daß sie von Herrn Fingret so gut beurtheilt wurde, konnte sie sich der Furcht nicht erwehren, er beurtheile sie zu gut.

Sie verwünschte ihren Stolz und bereute, daß sie sich nicht als einfache Bürgersfrau angekündigt hatte.

Doch aus jeder schlimmen Lage zieht sich ein gewandter Geist mit Vortheil heraus.

»Nichts Neues, mein Herr,« sagte sie, »ich will nichts Neues haben.«

»Madame will ohne Zweifel eine Wohnung für Freunde möbliren?«

»Ganz richtig, eine Wohnung für Freunde, und Sie begreifen, daß für eine solche Wohnung…«

»Vortrefflich, Madame wähle,« erwiderte Fingret, schlau wie ein Handelsmann von Paris, welcher seine Eitelkeit nicht darein setzt, daß er eher Altes als Neues verkauft, wenn er aus dem Einen so viel gewinnen kann, als aus dem Andern.

»Dieses kleine goldfarbige Möbel zum Beispiel?« fragte die Gräfin.

»Oh! das ist unbedeutend, es hat nur zehn Stücke.«

»Das Zimmer ist mittelmäßig,« entgegnete die Gräfin.

»Das Möbel ist ganz neu, wie Madame sehen kann.«

»Nun, und eine Gelegenheitswaare?«

»Allerdings,« versetzte Herr Fingret lachend; »doch so wie es ist, ist es achthundert Livres werth.«

Dieser Preis machte die Gräfin beben; wie, sollte sie gestehen, die Erben der Valois begnüge sich mit einem Gelegenheitsmöbel, könne aber die achthundert Livres nicht bezahlen?

Sie entschloß sich zu einer schlechten Laune und rief:

»Es ist nicht vom Kaufen die Rede, mein Herr. Woraus entnehmen Sie, ich wolle dergleichen alten Kram kaufen? Es handelt sich nur um ein Miethen und dabei…«

Fingret machte ein saures Gesicht, denn unmerklich verlor seine Kundin an ihrem Werthe. Es handelte sich nicht mehr um den Verkauf eines neuen Möbels, oder nur eines Gelegenheitsmöbels, sondern bloß um eine Miethe.

»Sie wünschen dieses ganze goldgelbe Möbel zu miethen,« sagte er, »für ein Jahr etwa?«

»Nein, für einen Monat. Ich habe Jemand aus der Provinz zu möbliren.«

»Das macht hundert Livres im Monat,« sagte Meister Fingret.

»Sie scherzen, mein Herr, denn bei dieser Rechnung würde mein Möbel nach Ablauf von acht Monaten mir gehören.«

»Einverstanden, Frau Gräfin.«

»Nun und dann?«

»Wenn es Ihnen gehörte, würde es nicht mehr mir gehören, und folglich hätte ich mich nicht um die Auffrischung und Wiederherstellung zu bekümmern, lauter Dinge, welche Geld kosten.«

Frau von La Mothe dachte nach.

»Hundert Livres,« sagte sie zu sich selbst, »das ist viel; doch man muß die Sache mit Vernunft betrachten: entweder wird das in einem Monat zu theuer sein und dann gebe ich dem Tapezierer die Möbel zurück und lasse ihm eine große Meinung, oder ich kann in einem Monat ein neues Möbel bestellen. Ich gedachte fünf- bis sechshundert Livres aufzuwenden, machen wir die Sache großartig; geben wir hundert Thaler aus.«

»Ich behalte dieses goldfarbige Möbel für einen Salon mit allen ähnlichen Vorhängen,« sprach sie laut.

»Gut, Madame.«

»Und die Teppiche?«

»Hier sind sie.«

»Was werden Sie für ein anderes Zimmer geben?«

»Diese grünen Stühle ohne Lehne, diesen Schrank von Eichenholz, diesen Tisch mit gedrehten Füßen, diese grünen Damastvorhänge.«

»Gut; und für ein Schlafzimmer?«

»Ein breites, schönes Bett, vortreffliches Bettzeug, eine Bettdecke von Sammet, rosa und mit Silber gestickt, blaue Vorhänge, eine etwas gothische, aber reich vergoldete Kamingarnitur.«

»Toilette?«

»Mit Spitzen von Mecheln. Schauen Sie selbst, Madame. Commode von äußerst zarter, eingelegter Arbeit, ein ähnliches Nähtischchen, Sopha mit Stickerei, ebenso die Stühle, eleganter Kamin, kommt aus dem Schlafzimmer der Frau von Pompadour in Choisy.«

»Dieß Alles um welchen Preis?«

»Für einen Monat?«

»Ja.«

»Vierhundert Livres.«

»Ah! Herr Fingret, ich bitte, halten Sie mich nicht für eine Grisette. Man blendet Leute meines Standes nicht mit Lappen. Wollen Sie gefälligst bedenken, daß vierhundert Livres monatlich viertausend achthundert Livres im Jahr ausmachen, und daß ich um diesen Preis ein ganz möblirtes Hotel bekäme.«

Meister Fingret kratzte sich hinter dem Ohr.

»Sie verleiden mir die Place Royale,« fuhr die Gräfin fort.

»Das brächte mich in Verzweiflung.«

»Beweisen Sie es mir. Ich will für dieses ganze Mobiliar nur hundert Thaler geben.«

Jeanne sprach diese letzten Worte mit so viel würdevoller Hoheit, daß der Handelsmann abermals an die Zukunft dachte.

»Es sei, Madame,« sagte er.

»Und zwar unter einer Bedingung.«

»Und welcher, Madame?«

»Daß dieß Alles heute Nachmittag um drei Uhr nach der Wohnung, die ich Ihnen bezeichnen werde, gebracht und in dieser geordnet ist.«

»Es ist zehn Uhr, Madame, bedenken Sie wohl, es schlägt eben zehn Uhr.«

»Ja oder nein.«

»Wohin soll es kommen?«

»Nach der Rue Saint-Claude, im Marais.«

»Gut, gut.«

Der Tapezierer öffnete die Hofthüre und rief: »Sylvain! Lanbry! Rémy!«

Drei von seinen Gehilfen eilten herbei, entzückt, einen Vorwand zu haben, um ihre Arbeit zu unterbrechen, einen Vorwand, um die schöne Dame zu sehen.

»Die Tragbahren, meine Herren, die Handwagen.«

»Rémy, Sie packen das goldgelbe Möbel auf; Sylvain, das Vorzimmer in den Wagen, während Sie, der Sie sehr pünktlich sind, das Schlafzimmer zu besorgen haben.«

»Setzen wir die Rechnung auf und ich unterzeichne den Empfang, Madame, wenn es Ihnen genehm ist.«

»Hier sind sechs Doppellouis und ein einfacher Louisd'or! geben Sie mir heraus.«

»Hier sind zwei Sechs-Livres-Thaler, Madame.«

»Von denen ich einen diesen Herren schenke, wenn das Geschäft beendigt ist.«

Nach diesen Worten reichte sie dem Tapezierer ihre Adresse und kehrte zu dem Schubkarren zurück, auf dem sie gekommen war.

Eine Stunde später hatte sie die Wohnung im dritten Stock gemiethet, und es waren noch nicht zwei Stunden vergangen, als schon der Salon, das Vorzimmer und das Schlafzimmer gleichzeitig möblirt wurden.

Der Sechs-Livres-Thaler war von den Herren Laudry, Rémy und Sylvain in zehn Minuten verdient.

Nachdem die Wohnung so verwandelt war, nachdem man die Fensterscheiben gereinigt und die Kamine mit Feuer versehen hatte, begab sich Jeanne an ihre Toilette; sie weidete sich an dem Glück, auf einem guten Teppich zu wandeln, an der warmen Atmosphäre, die von den wattirten Wänden zurückströmte, sie athmete mit Entzücken den Duft einiger Lackviolen ein, welche freudig ihren Stengel in japanesischen Vasen, ihren Kopf in dem lauen Dunst des Zimmers badeten.

Meister Fingret hatte die goldenen Arme nicht vergessen, welche die Kerzen tragen, und auf den beiden Seiten der Spiegel waren die Lichter mit Glasgirandolen angebracht, die unter dem Feuer der Wachslichter in allen Farben des Regenbogens spielen.

Feuer, Blumen, Kerzen, duftende Rosen, Alles wandte Jeanne zur Verschönerung des Paradieses an, das sie für Seine Exzellenz bestimmte.

Sie war sogar dafür besorgt, daß die Thüre des Schlafzimmers, mit absichtlicher Koketterie halb geöffnet, ein schönes, sanftes, rothes Feuer blicken ließ, in dessen Reflexen die Füße des Fauteuils, das Bettgestell und die Feuerböcke der Frau von Pompadour, Köpfe von Chimären, worauf der reizende Fuß der Marquise geruht, glänzten.

Darauf beschränkte sich die Coketterie von Jeanne nicht.

Wenn das Feuer das Innere dieses Zimmers hervorhob, wenn die Wohlgerüche die Frau verriethen, so verrieth die Frau eine Abstammung, eine Schönheit, einen Geist, einen Geschmack, würdig einer Eminenz.

Jeanne behandelte ihre Toilette mit einer Sorgfalt, über die Herr von La Mothe, ihr abwesender Gatte, Rechenschaft von ihr verlangt hätte. Die Frau war würdig der Wohnung und des von Meister Fingret gemietheten Mobiliars.

Nachdem sie ein nur leichtes Mahl eingenommen, um ihre ganze Geistesgegenwart zu besitzen und ihre elegante Blässe zu bewahren, begrub sich Jeanne in einen großen Fauteuil beim Feuer in ihrem Schlafzimmer.

Ein Buch in der Hand, einen Pantoffel auf einem Tabouret, wartete sie, zugleich auf das Picken der Unruhe ihrer Pendeluhr und das entfernte Geräusch der Wagen horchend, welche selten die Ruhe der Einöde des Marais störten.

Sie wartete, die Glocke schlug neun Uhr, zehn Uhr, elf Uhr; Niemand kam, Niemand im Wagen, Niemand zu Fuß.

Elf Uhr! das ist doch die Stunde der galanten Prälaten, die ihren Wohlthätigkeitssinn bei einem Souper im Faubourg geschärft haben und, da sie nur zwanzigmal ihre Räder drehen zu lassen brauchen, sich Beifall spenden, daß sie um einen so wohlfeilen Preis menschenfreundlich und religiös sind.

Es schlug mit düsteren Tönen Mitternacht bei den Filles du Calvaire.

Weder Prälat noch Wagen, die Kerzen fingen an zu erbleichen, einige überströmten in durchsichtigen Lachen ihre Schalen von vergoldetem Kupfer.

Unter Seufzern wieder angefacht, hatte sich das Feuer in Kohlenglut und dann in Asche verwandelt. Es herrschte eine africanische Hitze in den zwei Zimmern.

Die alte Dienerin, die sich aufgeputzt hatte, brummte und beklagte ihre Haube mit den anspruchsvollen Bändern, deren Knoten, die sich mit ihrem Kopfe beugten, wenn sie vor ihrer Kerze im Vorzimmer entschlief, nicht unberührt, sei es von den Beleckungen der Flamme, sei es von den Angriffen des flüssigen Wachses, wieder in die Höhe kamen.

Um halb ein Uhr stand Jeanne ganz wüthend von ihrem Lehnstuhle auf, den sie mehr als hundertmal am Abend verlassen hatte, um das Fenster zu öffnen und ihre Blicke in die Tiefen der Straßen zu tauchen.

Das Quartier war ruhig, wie vor der Erschaffung der Welt.

Sie ließ sich entkleiden, schlug das Abendbrod aus und entließ die Alte, deren Fragen ihr lästig zu werden anfingen.

Und allein, inmitten ihrer seidenen Tapeten, unter ihren schönen Vorhängen, in ihrem vortrefflichen Bett, schlief sie nicht besser, als am Tage vorher, denn am vorhergehenden Tage war ihre Sorglosigkeit glücklicher, sie entsprang aus der Hoffnung.

Doch indem sie sich dem schlimmen Geschick entgegen wandte, indem sie sich gegen dasselbe anstemmte, fand Jeanne eine Entschuldigung für den Cardinal.

Einmal die, daß der Kardinal Großalmosenier sei, daß er tausend Geschäfte habe, welche beunruhigend und folglich viel wichtiger seien als irgend ein Besuch in der Rue Saint-Claude.

Dann eine andere Entschuldigung:

Er kennt die kleine Gräfin von Valois nicht, eine sehr tröstliche Entschuldigung für Jeanne. Oh! gewiß, sie würde sich nicht getröstet haben, hätte Herr von Rohan sein Wort nach einem ersten Besuche gebrochen.

Dieser Grund, den Jeanne sich selbst angab, bedurfte eines Beweises, um ganz gut zu erscheinen.

Jeanne vermochte sich nicht zu bezwingen; sie sprang ganz weiß in ihrem Nachtgewande aus dem Bett, zündete die Kerzen an der Nachtlampe an und betrachtete sich lange im Spiegel.

Nach der Prüfung lächelte sie, blies die Lichter aus und legte sich wieder zu Bette.

Die Entschuldigung war gut.