Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 44

Yazı tipi:

LXVIII.
Die Nacht

An demselben Tage, gegen vier Uhr Abends, hielt ein Reiter am Saume des Parks hinter den Apollo-Bädern.

Dieser Reiter machte eine Vergnügenspromenade im Schritt; nachdenkend wie Hippolyt, schön wie dieser, ließ seine Hand die Zügel auf dem Halse des Rosses schwanken.

Er hielt, wie gesagt, an der Stelle, wo Herr von Rohan seit drei Tagen sein Pferd anhalten ließ. Der Boden war ganz durch das Hufeisen zerstampft, und er sah die jungen Zweige rings um die Eiche abgefressen, an deren Stamm das Thier angebunden gewesen.

Der Reiter stieg ab.

»Das ist ein sehr verwüsteter Platz,« sagte er.

Und er näherte sich der Mauer.

»Hier sind die Spuren vom Hinaufsteigen; hier ist eine kürzlich geöffnete Thüre. Das hatte ich mir gedacht.


»Man hat nicht den Krieg mit den Indianern der Savannen geführt, ohne sich auf die Spuren von Thieren und Menschen zu verstehen. Seit vierzehn Tagen aber ist Herr von Charny zurückgekehrt; seit vierzehn Tagen hat sich Herr von Charny nicht gezeigt. Diese Thüre ist es, welche Herr von Charny zu seinem Eintritt in Versailles gewählt hat.«

So sprechend seufzte der Reiter geräuschvoll, als risse er sich seine Seele mit diesem Seufzer aus.

»Lassen wir dem Nächsten sein Glück,« murmelte er, während er die genannten Spuren auf dem Rasen und den Mauern eine um die andere betrachtete. »Was Gott dem Einen gibt, verweigert er dem Andern. Nicht umsonst macht Gott Glückliche und Unglückliche; sein Wille sei gepriesen.

»Man müßte aber einen Beweis haben. Um welchen Preis, durch welches Mittel ihn erlangen?

»Oh! nichts ist einfacher. Im Gebüsche, in der Nacht, vermöchte man einen Menschen nicht zu entdecken, und von seinem Versteck aus vermöchte er diejenigen zu sehen, welche hierher kommen. Heute Abend werde ich im Gebüsche sein.«

Der Reiter nahm die Zügel seines Pferdes zusammen, stieg langsam auf und verschwand, ohne den Schritt seines Rosses zu beschleunigen, an der Ecke der Mauer.

Charny aber hatte sich, den Befehlen der Königin gehorchend, in seiner Wohnung eingeschlossen und erwartete eine Botschaft von ihr.

Es wurde Nacht, nichts erschien. Statt am Fenster des Pavillons zu lauern, das auf den Park ging, lauerte Charny in demselben Zimmer an dem Fenster, das auf die kleine Gasse ging. Die Königin hatte gesagt: bei der Thüre der Jägermeisterei; aber Fenster und Thüre in diesem Pavillon, das war nur Eines, nur Erdgeschoß, und die Hauptsache war, daß man Alles sehen konnte, was vorging.

Er befragte die tiefe Nacht und hoffte von einer Minute zur andern den Galopp eines Reiters oder den hastigen Schritt eines Läufers zu hören.

Es schlug elf Uhr Nachts. Die Königin hatte Charny hintergangen. Sie hatte im ersten Augenblick der Ueberraschung ein Zugeständniß gemacht. Beschämt hatte sie versprochen, was ihr zu halten nie möglich war, und sie hatte – ein schrecklicher Gedanke – versprochen mit dem Bewußtsein, daß sie nicht halten würde.

Mit jener Leichtigkeit des Argwohns, welche die heftig verliebten Leute characterisirt, machte es sich Charny schon zum Vorwurf, daß er so leichtgläubig gewesen.

»Wie konnte ich,« rief er, »ich, der ich gesehen, Lügen glauben und meine Ueberzeugung, meine Gewißheit einer albernen Hoffnung opfern?«

Er entwickelte mit Wuth diesen düsteren Gedanken, als das Geräusch einer Handvoll Sand, die man an das andere Fenster warf, seine Aufmerksamkeit erregte und ihn nach der Seite des Parkes laufen machte.

Er sah nun, in einem weiten schwarzen Mantel, unten bei den Hagebuchen des Parkes eine weibliche Gestalt, welche ein bleiches, ängstliches Gesicht gegen ihn erhob.

Charny konnte einen Schrei der Freude und zugleich des Bedauerns nicht unterdrücken. Die Frau, die ihn erwartete, die ihn rief, war die Königin!

Mit einem Sprunge setzte er zum Fenster hinaus und fiel gerade vor die Königin nieder.

»Oh! Sie sind da, mein Herr? Das ist ein Glück!« sagte Marie Antoinette leise und ganz bewegt; »was machten Sie denn?«

»Sie! Sie! Madame! … Sie selbst? ist es möglich?« erwiderte Charny.

»Warteten Sie so?«

»Ich wartete auf der Seite der Gasse.«

»Konnte ich durch die Gasse kommen, während es es einfach ist, durch den Park zu kommen?«

»Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, daß ich Sie sehen würde. Madame,« sprach Charny mit einem Ausdruck leidenschaftlicher Dankbarkeit.

Marie Antoinette unterbrach ihn:

»Bleiben wir nicht hier; es ist hier so hell: haben Sie Ihren Degen?«

»Ja.«

»Gut! … Wo sagen Sie, daß die Leute hereingekommen seien, die Sie gesehen?«

»Durch diese Thüre.«

»Und zu welcher Stunde?«

»Jedes Mal um Mitternacht.«

»Es ist kein Grund vorhanden, daß sie heute Abend nicht auch kommen sollten. Sie haben mit Niemand gesprochen?«

»Mit Niemand.«

»Gehen wir in's Gebüsch und warten wir.«

»Oh! Eure Majestät …«

Die Königin ging voran und machte mit ziemlich raschem Schritt ein Stück Weges in umgekehrter Richtung.

»Sie begreifen wohl,« sagte sie plötzlich, als wollte sie dem Gedanken Charny's entgegenkommen, »Sie begreifen, daß ich mir das Vergnügen gemacht habe, die Sache dem Policei-Lieutenant zu erzählen. Seitdem ich mich beklagt, hätte mir Herr von Crosne schon müssen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wenn die Creatur, die meinen Namen usurpirt hat, nachdem sie sich eine Aehnlichkeit mit mir angemaßt, noch nicht verhaftet, wenn dieses ganze Geheimniß noch nicht aufgeklärt ist, so fühlen Sie wohl, daß zwei Gründe obwalten: entweder die Unfähigkeit des Herrn von Crosne – was nicht der Fall ist – oder seine Genossenschaft mit meinen Feinden. Mir scheint es aber schwierig, daß man sich bei mir, in meinem Parke, die schmähliche Comödie erlauben soll, die Sie mir bezeichnet haben, ohne eines unmittelbaren Beistands oder einer stillschweigenden Genossenschaft sicher zu sein. Darum scheinen mir diejenigen, welche sich dessen schuldig gemacht haben, gefährlich genug zu sein, daß ich mich bei der Sorge, sie zu entlarven, nur auf mich selbst verlasse. Was denken Sie davon?«

»Ich bitte Eure Majestät um Erlaubniß den Mund nicht mehr zu öffnen. Ich bin in Verzweiflung; ich habe noch Befürchtungen, und ich habe keinen Verdacht mehr.«

»Sie sind wenigstens ein redlicher Mann,« sagte die Königin lebhaft: »Sie wissen die Dinge in's Gesicht zu sagen; das ist ein Verdienst, welches hie und da die Unschuldigen verwunden kann, wenn man sich in Beziehung auf sie täuscht; aber eine Wunde heilt.«

»Oh! Madame, es schlägt elf Uhr: ich zittere.«

»Versichern Sie sich, ob Niemand hier ist,« sagte die Königin, um ihren Gefährten zu entfernen.

Charny gehorchte. Er lief in den Gebüschen umher bis zu den Mauern.

»Niemand,« sprach er, als er zurückkam.

»Wo ist die Scene vorgefallen, die Sie erzählten?«

»Madame, in diesem Augenblick, als ich von meiner Nachforschung zurückkehrte, habe ich einen furchtbaren Stich in's Herz bekommen. Ich erblickte Sie an derselben Stelle, wo ich in den vergangenen Nächten die falsche Königin von Frankreich sah.«

»Hier!« rief die Königin, indem sie sich mit Ekel von der Stelle entfernte, die sie einnahm.

»Unter diesem Kastanienbaume, ja, Madame.«

»Dann bleiben wir nicht hier, mein Herr « sagte Marie Antoinette, »denn wenn sie hierher gekommen sind, so werden sie wieder hierher kommen.«

Charny folgte der Königin in eine andere Allee. Sein Herz schlug so stark, daß er das Geräusch der Thüre, die sich öffnen würde, nicht zu hören fürchtete.

Schweigsam und stolz wartete sie auf die Erscheinung des lebendigen Beweises ihrer Unschuld.

Es schlug Mitternacht. Die Thüre öffnete sich nicht.

Es verging eine halbe Stunde, während welcher Marie Antoinette Charny mehr als zehnmal fragte, ob die Betrüger sehr pünktlich bei jedem ihrer Rendezvous gewesen seien?

Es schlug drei Viertel nach Mitternacht auf Saint-Louis von Versailles.

Die Königin stampfte vor Ungeduld mit dem Fuße.

»Sie werden sehen, daß sie heute nicht kommen,« sagte sie; »solche Unglücksfälle widerfahren nur mir!«

Und während sie diese Worte sprach, schaute sie Charny an, als suchte sie Streit mit ihm, wenn sie in seinen Augen den geringsten Schimmer von Triumph oder Ironie entdeckt hätte.

Aber in demselben Maße erbleichend, in welchem sein Verdacht wiederkehrte, beobachtete Charny eine so ernste und schwermüthige Haltung, daß sein Gesicht gewiß in diesem Augenblick der Widerschein der seelenreinen Geduld der Märtyrer und der Engel war.

Die Königin nahm ihn beim Arm und führte ihn zu dem Kastanienbaum, unter dem sie ihren ersten Halt gemacht hatten,

»Sie sagen,« flüsterte sie, »hier sei es gewesen, wo Sie diese Leute gesehen?«

»Hier, auf dieser Stelle, Madame.«

»Hier hat die Frau dem Mann eine Rose gegeben?«

»Ja, Eure Majestät.«

Die Königin war so schwach, so angegriffen von dem langen Verweilen in diesem feuchten Park, daß sie sich an den Stamm des Baumes anlehnte und den Kopf auf ihre Brust sinken ließ.

Allmälig bogen sich ihre Beine! er gab ihr den Arm nicht; sie fiel nun mehr auf das Gras und das Moos, als daß sie sich darauf setzte.

Er blieb unbeweglich und düster.

Sie drückte ihre beiden Hände auf ihr Gesicht, und Charny konnte nicht sehen, wie eine Thräne dieser Königin zwischen ihren langen weißen Fingern herabglitt.

Plötzlich erhob sie den Kopf und sprach:

»Mein Herr, Sie haben Recht; ich bin verurtheilt. Ich hatte versprochen, heute zu beweisen, daß Sie mich verleumdet; Gott will es nicht; ich beuge mich.«

»Madame …« murmelte Charny.

»Ich habe gethan,« fuhr sie fort, »was keine Frau an meiner Stelle gethan hätte. Ich spreche nicht von Königinnen. Oh! mein Herr, was ist eine Königin, wenn sie nicht einmal über ein Herz gebieten kann? Was ist eine Königin, wenn sie nicht einmal die Wertschätzung eines redlichen Mannes erlangt? Oh! mein Herr, helfen Sie mir wenigstens aufstehen, damit ich gehen kann; verachten Sie mich nicht so sehr, daß Sie mir Ihre Hand verweigern.«

Charny stürzte wie ein Wahnsinniger auf seine Kniee.

»Madame,« sagte er, während er mit seiner Stirne auf die Erde schlug, »nicht wahr, wenn ich nicht ein Unglücklicher wäre, der Sie liebt, Sie würden mir vergeben?«

»Sie!« rief die Königin mit einem bittern Gelächter, »Sie! Sie lieben mich, und Sie halten mich für schändlich! …«

»Oh! … Madame.«

»Sie! … Sie, der Sie ein Gedächtniß haben müßten, Sie beschuldigen mich, ich habe hier eine Rose, dort einen Kuß, dort meine Liebe einem andern Mann geschenkt! … Mein Herr, keine Lüge, Sie lieben mich nicht!«

»Madame, dieses Gespenst war da, dieses Gespenst einer verliebten Königin. Da auch, wo ich bin, war das Gespenst des Geliebten. Reißen Sie mir das Herz aus, da diese zwei höllischen Bilder in meinem Herzen leben und es verzehren.«

Sie nahm seine Hand und zog ihn mit einer exaltirten Geberde zu sich.

»Sie haben gesehen … Sie haben gehört … Nicht wahr, ich war es sicherlich?« sprach sie mit erstickter Stimme … »Oh! ich war es, suchen Sie nichts Anderes. Nun wohl! wenn ich auf eben diesem Platze, unter eben diesem Kastanienbaum sitzend wie ich saß, Sie zu meinen Füßen, wie der Andere war, wenn ich Ihnen die Hände drücke, wenn ich Sie an meine Brust ziehe, wenn ich Sie in meine Arme nehme, wenn ich Ihnen sage: Ich, die ich dieß Alles dem Andern gethan habe, nicht wahr? ich, die ich dasselbe dem Andern gesagt habe, nicht wahr? wenn ich Ihnen sage: Herr von Charny, nur ein einziges Wesen auf der Welt liebte, liebe und werde ich lieben … und das sind Sie! … Mein Gott! mein Gott! wird das genügen, um Sie zu überzeugen, daß von keiner Schande die Rede sein kann, wenn man im Herzen, neben dem Blute der Kaiserinnen, das göttliche Feuer einer Liebe wie diese hat?«

Charny stieß einen Seufzer aus, ähnlich dem eines Verscheidenden. Die Königin hatte ihn, indem sie so mit ihm sprach, mit ihrem Athem berauscht: er hatte sie sprechen gefühlt, ihre Hand hatte auf seiner Schulter gebrannt, ihre Brust hatte sein Herz versengt, ihr Athem hatte seine Lippen verzehrt.

»Lassen Sie mich Gott danken,« flüsterte er. »Oh! wenn ich nicht an Gott dächte, dächte ich zu viel an Sie.«

Sie erhob sich langsam; sie heftete auf ihn zwei Augen, deren Thränen die Flammen ertränkten.

»Wollen Sie mein Leben?« sagte er ganz verwirrt.

Sie schwieg einen Augenblick, ohne daß sie ihn anzuschauen aufhörte.

»Geben Sie mir Ihren Arm,« sagte sie, »und führen Sie mich überallhin, wohin die Anderen gegangen sind. Zuerst hier … hier, wo eine Rose gegeben wurde …«

Sie zog unter ihrem Kleide eine noch von dem Feuer, das ihre Brust versengte, warme Rose hervor und sprach:

»Nehmen Sie!«

Er athmete den balsamischen Duft der Blume ein und verschloß sie in seiner Brust.

»Hier,« sagte sie, »hier hat die Andere ihre Hand zum Kusse gegeben.«

»Ihre beiden Hände!« sprach Charny schwankend und trunken in dem Augenblick, wo sich sein Gesicht in den brennenden Händen der Königin eingeschlossen fand.

»Das ist ein gereinigter Platz,« sagte die Königin mit einem anbetungswürdigen Lächeln» »Sind sie nun nicht in die Apollo-Bäder gegangen?«

Charny blieb, als wäre der Himmel auf seinen Kopf gefallen, erstaunt, halb todt stehen.

»Das ist ein Ort,« sagte die Königin heiter, »wo ich nie anders, als bei Tage eintrete. Sehen wir mit einander die Thüre, durch welche der Liebhaber der Königin entfloh.«

Freudig, leicht, am Arme des glücklichsten Mannes hängend, den Gott je gesegnet, schritt sie, beinahe laufend, über den Rasen hin, der das Gebüsch von der Rundmauer trennte. So kamen sie an die Thüre, vor welcher man die Spuren der Pferdehufe sah.

»Es ist hier, außen,« sagte Charny.

»Ich habe alle Schlüssel,« erwiderte die Königin. »Oeffnen Sie, Herr von Charny, wir wollen uns unterrichten.«

Sie gingen hinaus und bückten sich, um zu sehen; der Mond trat aus einer Wolke hervor, als wollte er sie in ihren Nachforschungen unterstützen.

Der weiße Strahl hing sich zärtlich an dem schönen Gesichte der Königin an, die sich horchend und im Gesträuche umherschauend auf Charny's Arm stützte.

Als sie wohl überzeugt war, ließ sie Charny zurückkehren, indem sie ihn mit einem sanften Drucke an sich zog.

Die Thüre schloß sich wieder hinter ihnen.

Es schlug zwei Uhr.

»Gute Nacht,« sagte sie. »Kehren Sie in Ihre Wohnung zurück. Morgen.«

Sie drückte ihm die Hand und entfernte sich, ohne ein weiteres Wort, rasch unter den Hagebuchen, in der Richtung des Schlosses.

Jenseits der Thüre, die sie geschlossen hatten, erhob sich ein Mann mitten aus dem Gesträuche und verschwand unter den Bäumen längs der Straße.

Dieser Mann trug das Geheimniß der Königin mit sich fort.

LXIX.
Der Abschied

Die Königin stand am andern Morgen ganz lächelnd und ganz schön auf, um in die Messe zu gehen.

Ihre Wachen hatten Befehl, Jedermann zu ihr kommen zu lassen. Es war ein Sonntag, und Ihre Majestät hatte beim Erwachen gesagt:

»Das ist ein schöner Tag; heut ist's eine Freude zu leben.«

Sie schien auch mit mehr Vergnügen, als gewöhnlich, den Wohlgeruch ihrer Lieblingsblumen einzuathmen; sie zeigte sich freigebiger in den Geschenken, die sie bewilligte; sie beeiferte sich mehr ihre Seele in die Nahe Gottes zu bringen.

Sie hörte die Messe ohne Zerstreuung, und hatte nie ihren majestätischen Kopf so tief gebückt.

Während sie mit Inbrunst betete, schaarte sich die Menge, wie an den anderen Sonntagen, auf dem Wege von den Gemächern zur Capelle zusammen, und selbst die Stufen der Treppen waren bedeckt mit Cavalieren und Damen. Unter den letztern glänzte bescheiden, aber elegant gekleidet, Frau von La Mothe.

Und in dem doppelten Spalier, das die Edelleute bildeten, sah man rechts Herrn von Charny, dem viele von seinen Freunden zu seiner Genesung, zu seiner Rückkehr und besonders zu seinem strahlenden Gesichte Glück wünschten.

Die Gunst ist ein feiner, durchdringender Wohlgeruch, er vertheilt sich mit einer solchen Leichtigkeit in der Luft, daß von den Kennern lange vor der Oeffnung des Räucherpfännchens das Aroma erkannt, festgestellt und geschätzt wird. Olivier war erst seit sechs Stunden der Freund der Königin, aber schon nannte sich Jedermann den Freund Oliviers.

Während er alle diese Glückwünsche mit der guten Miene eines wahrhaft seligen Menschen hinnahm und, um ihm mehr Ehre und Freundschaft zu erweisen, die ganze Linke des Spaliers zur Rechten überging, gewahrte Olivier, genöthigt, seine Blicke auf der Gruppe, die ihn umschwärmte, umherlaufen zu lassen, allein sich gegenüber ein Gesicht, dessen düstere Blässe und Unbeweglichkeit ihm mitten unter seiner Berauschung auffiel.

Er erkannte Philipp von Taverney, der, in seine Uniform eingezwängt, die Hand am Griffe seines Degens hielt.

Seit den Höflichkeitsbesuchen, die der Letztere im Vorzimmer seines Gegners gemacht, seit der Einsperrung Charny's durch den Doctor Louis hatte keine Berührung zwischen den zwei Nebenbuhlern stattgefunden.

Charny, als er Philipp sah, der ihn ruhig, ohne Wohlwollen und ohne Drohung anschaute, begann mit einem Gruße, den ihm Philipp von fern erwiderte.

Hierauf sagte Olivier, indem er mit seiner Hand durch die Gruppe schnitt, die ihn umgab:

»Verzeihen Sie, meine Herren … lassen Sie mich eine Pflicht der Höflichkeit erfüllen.«

Und er durchschritt den zwischen dem Spaliere rechts und dem Spaliere links liegenden Raum, und ging gerade auf Philipp zu, der sich nicht rührte.

»Herr von Taverney,« sagte er, während er noch höflicher, als das erste Mal, grüßte, »ich mußte Ihnen für den Antheil danken, den Sie an meiner Gesundheit zu nehmen die Güte hatten, doch ich bin gestern erst hier angekommen.«

Philipp erröthete und schaute ihn an, dann schlug er die Augen nieder.

»Nein,« fuhr Charny fort, »ich werde die Ehre haben, Ihnen morgen Ihren Besuch zurückzugeben, und ich hoffe, Sie hegen keinen Groll mehr gegen mich.«

»Durchaus nicht, mein Herr,« erwiderte Philipp.

Charny war im Begriff, seine Hand auszustrecken, damit Philipp die seinige darauf legte, als die Trommel die Ankunft der Königin verkündigte.

»Die Königin kommt, mein Herr,« sprach Philipp langsam, ohne daß er die freundschaftliche Geberde Charny's erwidert hatte.

Und er punctirte diese Worte durch eine mehr schwermüthige, als kalte Verbeugung.

Ein wenig erstaunt, beeilte sich Charny, zu seinen Freunden im Spalier links zurückzukehren.

Philipp seinerseits blieb, als ob er Schildwache stände.

Die Königin näherte sich, man sah sie Mehreren zulächeln, Bittschriften nehmen oder abnehmen lassen, denn von fern hatte sie Charny erblickt, und indem sie mit jenem verwegenen Muthe, dem sie bei ihren Freundschaften die Zügel schießen ließ und den ihre Feinde Schamlosigkeit nannten, keinen Blick mehr von ihm verwandte, sprach sie ganz laut die Worte:

»Bitten Sie heute, meine Herren, bitten Sie, ich vermöchte heute nichts abzuschlagen.«

Charny war bis in die Tiefe seines Herzens durchdrungen von dem Ausdruck, von dem Sinn dieser Zauberworte. Er bebte vor Wonne, und dieß war sein einziger Dank gegen die Königin.

Plötzlich wurde diese ihrer süßen, aber gefährlichen Beschauung durch das Geräusch eines Trittes, durch den Ton einer fremden Stimme entzogen.

Der Tritt knarrte zu ihrer Linken auf der Platte, die bewegte aber ernste Stimme sprach:

»Madame …«

Die Königin erblickte Philipp; sie vermochte eine erste Bewegung des Erstaunens nicht zu unterdrücken, als sie sich so zwischen diese zwei Männer gestellt sah, deren einen zu sehr und den andern nicht genug zu lieben sie sich vielleicht zum Vorwurf machte.

»Sie Herr von Taverney!« rief sie rasch sich fassend; »Sie! Sie haben sich etwas von mir zu erbitten? Oh! sprechen Sie.«

»Zehn Minuten Audienz, nach der Muße Eurer Majestät,« antwortete Philipp, indem er sich verbeugte, ohne die strenge Blässe seiner Stirne entwaffnet zu haben.

»Auf der Stelle, mein Herr,« erwiderte die Königin, während sie einen verstohlenen Blick auf Charny warf, welchen sie nicht ohne ein unwillkürliches Beben so nahe bei seinem ehemaligen Gegner sehen konnte; »folgen Sie mir.«

Und sie ging rascher, als sie den Tritt Philipps hinter dem ihrigen hörte, während Charny an seinem Platz geblieben war.

Sie setzte indessen ihre Ernte an Briefen, Eingaben und Bittschriften fort, gab einige Befehle und trat in ihre Gemächer.

Eine Viertelstunde nachher wurde Philipp in die Bibliothek geführt, wo die Königin am Sonntag empfing.

»Ah! Herr von Taverney,« sprach sie mit freudigem Tone, »treten Sie ein und machen Sie mir sogleich ein gutes Gesicht. Ich muß Ihnen gestehen, ich habe eine Unruhe, so oft ein Taverney mich zu sprechen wünscht. Sie sind von schlimmer Vorbedeutung in Ihrer Familie. Beruhigen Sie mich geschwind, Herr von Taverney … und sagen Sie mir, Sie kommen nicht, um mir ein Unglück mitzutheilen.«

Noch bleicher nach diesem Eingang, als er es während der Scene mit Charny gewesen war, beschränkte sich Philipp, da er sah, wie wenig Absichtlichkeit die Königin in ihre Sprache legte, darauf, daß er erwiderte:

»Madame, ich habe die Ehre, Eure Majestät zu versichern, daß ich ihr dießmal nur eine gute Nachricht bringe.«

»Ah! es ist eine Nachricht!« rief die Königin.

»Ach! ja, Eure Majestät.«

»Oh! mein Gott!« sagte Marie Antoinette, die den heitern Ton wieder annahm, der Philipp so unglücklich machte, »Sie haben gesagt; ach! Ich Arme, die ich bin! würde eine Spanierin ausrufen, Herr von Taverney hat gesagt: ach!«

»Madame,« erwiderte Philipp mit ernstem Tone, »zwei Worte werden Eure Majestät so vollständig beruhigen, daß Ihre edle Stirne sich nicht bloß heute nicht bei der Annäherung eines Taverney verschleiern, sondern daß sie sich nie mehr durch die Schuld eines Taverney Maison-Rouge verschleiern wird. Heute noch, Madame, wird der letzte dieser Familie, dem Eure Majestät einige Gunst zu bewilligen die Gnade gehabt hat, verschwinden, um nie mehr an den französischen Hof zurückzukehren.«

Alsbald warf die Königin die freudige Miene von sich, die sie als Hilfsmittel gegen die muthmaßlichen Gemüthsbewegungen bei dieser Zusammenkunft angenommen hatte.

»Sie gehen!« rief sie.

»Ja, Eure Majestät.«

»Sie … auch!«

Philipp verbeugte sich und erwiderte:

»Meine Schwester hat schon den Kummer gehabt, Eure Majestät zu verlassen; ich, ich war der Königin noch weit unnützer, und ich gehe.«

Die Königin setzte sich ganz unruhig bei dem Gedanken, daß Andrée ihren lebenslänglichen Abschied am Tage nach einem Zusammensein bei Louis verlangt hatte, wo Herrn von Charny das erste Anzeichen des Gefühles, das man für ihn hegte, zu Theil geworden war.

»Seltsam!« murmelte sie träumerisch, und sie fügte kein Wort mehr bei.

Philipp blieb wie eine marmorne Bildsäule stehen und wartete auf die Geberde, die ihn entlassen sollte.

Die Königin erwachte plötzlich aus ihrer Erstarrung.

»Wohin gehen Sie?« fragte sie.

»Ich will mich zu Herrn von Lapérouse begeben.«

»Herr von Lapérouse ist in diesem Augenblicke in Neu-Foundland.«

»Ich habe alle Anstalten getroffen, um zu ihm zu gelangen.«

»Sie wissen, daß man ihm einen gräßlichen Tod geweissagt hat?«

»Gräßlich, das weiß ich nicht,« entgegnete Philipp, »doch einen schnellen Tod, das ist mir bekannt.«

»Und Sie reisen?«

Er lächelte mit einer so edlen und so sanften Schönheit.

»Gerade darum will ich Lapérouse nachfolgen,« sagte er.

Die Königin versank abermals in ihr banges Stillschweigen.

Philipp wartete noch einmal ehrfurchtsvoll.

Die so edle und so muthige Natur Marie Antoinette's erwachte verwegener, als je.

Sie stand auf … trat auf den jungen Mann zu und sprach zu ihm, indem sie ihre weißen Arme auf ihrer Brust kreuzte:

»Warum gehen Sie?«

»Weil ich sehr reiselustig bin,« antwortete er mit sanftem Tone.

»Aber Sie haben schon die Reise um die Welt gemacht,« entgegnete die Königin, die sich einen Augenblick durch diese heldenmüthige Ruhe bethören ließ.

»Die neue Welt, ja, Madame,« fuhr Philipp fort, »doch nicht um die alte und die neue Welt zusammen.«

Die Königin machte eine Geberde des Aergers und wiederholte, was sie zu Andrée gesagt hatte:

»Eisernes Geschlecht, stählerne Herzen, diese Taverney. Ihre Schwester und Sie, Sie sind zwei furchtbare Leute, Freunde, die man am Ende haßt. Sie gehen, nicht um zu reisen, denn Sie sind dessen müde, sondern um mich zu verlassen. Ihre Schwester wurde, wie sie sagte, von der Religion berufen, sie verbirgt ein Feuerherz unter der Asche. Kurz, sie wollte gehen, und sie ist gegangen. Gott mache sie glücklich! Sie, Sie, der Sie glücklich sein könnten, Sie gehen nun auch … ich sagte Ihnen vorhin, die Taverney bringen mir Unglück!«

»Schonen Sie uns, Madame; wenn Eure Majestät die Gnade hätte, besser in unsern Herzen zu suchen, so würde sie eine grenzenlose Ergebenheit darin sehen.«

»Hören Sie,« rief die Königin zornig, » Sie sind ein Quäker, Ihre Schwester ist eine Philosophin, unmögliche Geschöpfe; sie stellt sich die Welt wie ein Paradies vor, wo man nur unter der Bedingung Eintritt finde, daß man zu den Heiligen gehöre; Sie halten die Welt für die Hölle, in welche nur die Teufel eintreten; und Sie beide haben die Welt geflohen: der Eine, weil Sie darin das finden, was Sie nicht suchen; die Andere, weil sie nicht darin finden, was Sie suchen. Habe ich Recht? Ei! mein lieber Herr von Taverney, lassen Sie die menschlichen Geschöpfe unvollkommen sein; verlangen Sie von den königlichen Familien nur, daß sie die unvollkommensten der menschlichen Geschlechter seien; seien Sie duldsam oder seien Sie vielmehr nicht selbstsüchtig.«

Sie betonte diese Worte mit zu viel Leidenschaft.

Philipp war im Vortheil.

»Madame,« sagte er, »die Selbstsucht ist eine Tugend, wenn man sich derselben bedient, um die Gegenstände seiner Anbetung noch zu erhöhen.«

Marie Antoinette erröthete.

»Alles was ich weiß,« sagte sie, »ist, daß ich Andrée liebte, und daß sie mich verlassen hat; daß ich große Stücke auf Sie hielt, und daß Sie mich ebenfalls verlassen. Es ist demüthigend für mich, zwei so vollkommene Personen … ich scherze nicht, mein Herr … mein Haus verlassen zu sehen.«

»Nichts kann eine Person demüthigen, die so erhaben ist, wie Sie,« erwiderte Taverney kalt; »die Beschämung erreicht hohe Stirnen, wie die Ihrige, nicht.«

»Ich besinne mich auf's Ernstlichste, was Sie verletzt haben mochte,« fuhr die Königin fort.

»Nichts, nichts hat mich verletzt,« erwiderte Philipp lebhaft.

»Ihr Grad ist bestätigt worden; Ihr Glück ist im besten Zuge; ich zeichnete Sie aus …«

»Ich wiederhole Eurer Majestät, daß mir nichts bei Hofe mißfällt.«

»Und wenn ich Ihnen sagte, Sie sollen bleiben … und wenn ich es Ihnen befehlen würde? …«

»Ich hätte den Schmerz, Eurer Majestät mit einer Weigerung zu antworten.«

Die Königin versenkte sich zum dritten Mal in jene stillschweigende Zurückhaltung, die für ihre Logik das war, was bei dem ermüdeten Fechter die Handlung ist, durch die er seinen Gegner aus der Lage zu bringen sucht.

Und da sie aus dieser Ruhe immer durch einen unerwarteten Schlag heraustrat, so sagte sie, indem sie ihren klaren Blick auf Philipp heftete:

»Es ist vielleicht Jemand hier, der Ihnen mißfällt? Sie sind argwöhnisch.«

»Niemand mißfällt mir.«

»Ich glaubte, Sie ständen schlecht … mit einem Cavalier … mit Herrn von Charny … den Sie im Duell verwundet haben …« sagte die Königin, sich stufenweise belebend. »Und da es einfach ist, daß man die Leute flieht, die man nicht liebt, so werden Sie, sobald Sie die Rückkehr des Herrn von Charny bemerkten, den Hof zu verlassen gewünscht haben.«

Philipp antwortete nicht.

Die Königin, die sich in Beziehung auf diesen so redlichen, so wackern Mann täuschte, glaubte es mit einem gewöhnlichen Eifersüchtigen zu thun zu haben. Sie setzte ihm ohne Schonung zu.

»Sie wissen erst seit heute, daß Herr von Charny zurückgekommen ist,« fuhr sie fort. »Ich sage, seit heute! und heute verlangen Sie Ihren Abschied von mir?«

Philipp wurde mehr bleifarbig, als bleich. So angegriffen, so mit Füßen getreten, erhob er sich grausam.

»Madame,« sagte er, »es ist wahr, ich weiß die Rückkehr des Herrn von Charny erst seit heute; nur ist es länger, als Eure Majestät denkt, denn ich habe Herrn von Charny gegen zwei Uhr Morgens an der Parkthüre getroffen, welche mit den Apollo-Bädern in Verbindung steht.«

Die Königin erbleichte ebenfalls, und nachdem sie mit einer Bewunderung, gemischt mit Schrecken, die vollkommene Höflichkeit betrachtet hatte, die der Edelmann in seinem Zorne behielt, murmelte sie mit erloschener Stimme:

»Gut, mein Herr, gehen Sie, ich halte Sie nicht zurück.«

Philipp verbeugte sich zum letzten Mal und ging mit langsamem Schritte weg.

Die Königin fiel, wie vom Blitze getroffen, in einen Lehnstuhl und rief:

»Frankreich, du Land der edlen Herzen!«

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
Hacim:
1015 s. 9 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre