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Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 46

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LXXI.
Die Flucht

Was Oliva versprochen hatte, hielt sie.

Was Jeanne versprochen hatte, that sie.

Schon am folgenden Tag hatte Nicole ihr Dasein vor Jedermann verborgen, Niemand konnte errathen, daß sie in dem Hause der Rue Saint-Claude wohnte.

Sie war beständig hinter einem Vorhang oder Wandschirm verborgen, sie hielt ihre Fenster verhängt, den Sonnenstrahlen zum Trotz, welche dieselben freudig angriffen.

Jeanne, die ihrerseits alle Anstalten traf, da sie wußte, daß der kommende Tag den Verfall der ersten Zahlung von fünfmal hunderttausend Livres herbeiführen mußte – Jeanne richtete sich so ein, daß sie für den Augenblick, wo die Bombe platzen würde, keine greifbare Stelle hinter sich ließ.

Dieser furchtbare Augenblick war das letzte Ziel ihrer Beobachtungen.

Sie hatte die Alternative einer leichten Flucht weise berechnet, doch diese Flucht war die bestimmteste Anklage.

Bleiben, unbeweglich bleiben, wie der Duellant unter dem Streiche des Gegners; bleiben mit der Möglichkeit zu fallen, aber auch seinen Gegner zu tödten: das war der Entschluß der Gräfin.

Darum zeigte sie sich schon am Tag nach ihrer Zusammenkunft mit Oliva gegen zwei Uhr an ihrem Fenster, um der falschen Königin zu bezeichnen, daß sie am Abend das Weite zu suchen habe.

Die Freude und zugleich den Schrecken Oliva's zu schildern, wäre nicht möglich, die Nothwendigkeit zu fliehen bedeutete Gefahr; die Möglichkeit zu fliehen bedeutete Rettung.

Sie sandte Jeanne einen beredten Kuß zu und traf dann ihre Vorbereitungen, wobei sie in ihr Päckchen Einiges von den kostbaren Effecten ihres Beschützers legte.

Jeanne verschwand, nachdem sie das Signal gegeben hatte, aus ihrer Wohnung, um sich mit Aufsuchung des Wagens zu beschäftigen, den man mit dem theuren Geschicke von Mlle. Nicole betrauen konnte.

Und dieß war dann Alles – Alles, was der neugierigste Beobachter unter den gewöhnlich bezeichnenden Merkmalen des Einverständnisses der zwei Freundinnen hätte entwirren können.

Geschlossene Vorhänge, geschlossene Fenster, spät umherirrendes Licht. Hernach irgend ein Streifen und Rauschen, einige geheimnißvolle Geräusche, einige mwerfungen, worauf Schatten und Stillschweigen folgten.

Es schlug elf Uhr auf St.-Paul, und der Wind des Flusses trug die düster abgemessenen Schläge bis nach der Rue Saint-Claude, als Jeanne in die Rue Saint-Louis mit einem Postwagen kam, der mit vier kräftigen Pferden bespannt war.

Ein auf dem Bocke sitzender, in einen Mantel gehüllter Mann bezeichnete dem Postillon die Adresse.

Jeanne zog diesen Mann am Saume seines Mantels und ließ ihn an der Ecke der Rue du Roi-Doré halten.

Der Mann sprach mit seiner Gebieterin.

»Der Wagen bleibe hier, mein lieber Herr Reteaux,« sagte Jeanne, »eine halbe Stunde wird genügen. Ich werde Jemand hierher führen, der einsteigen wird, und Sie lassen, indem Sile doppelte Trinkgelder bezahlen, nach meinem kleinen Hause in Amiens fahren.«

»Ja, Frau Gräfin.«

»Dort übergeben Sie diese Person meinem Meier Fontaine, welcher weiß, was er zu thun hat.«

»Ja, Madame.«

»Ich vergaß … Sie sind bewaffnet, mein lieber Herr Reteaux?«

»Ja, Madame.«

»Diese Dame ist von einem Narren bedroht … Man wird sie vielleicht unter Weges festnehmen wollen …«

»Was soll ich dann thun?«

»Sie werden auf Jeden, der Sie in ihrer Fahrt aufhalten will, Feuer geben.«

»Gut, Madame.«

»Sie haben zwanzig Louisd'or Belohnung für das Bewußte von mir verlangt, ich gebe hundert dafür und bezahle die Reise, die Sie nach England machen werden, wo Sie mich vor Ablauf von drei Monaten zu erwarten haben.«

»Gut Madame.«

»Hier sind die hundert Louisd'or. Ich sehe Sie ohne Zweifel nicht mehr, denn Sie werden wohl daran thun, Saint-Valery zu erreichen und sich sogleich nach England einzuschiffen.«

»Zählen Sie auf mich.«

»Es ist Ihretwegen.«

»Es ist unsertwegen,« sagte Herr Reteaux, der Gräfin die Hand küssend. »Ich warte also.«

»Und ich werde Ihnen die Dame zuschicken.«

Reteaux stieg in die Chaise statt Jeanne's, und diese eilte leichten Fußes in die Rue Saint-Claude und stieg die Treppe ihres Hauses hinauf.

Alles schlief in diesem unschuldigen Quartier. Jeanne zündete selbst die Kerze an, deren Emporhaltung über den Balcon für Oliva das Signal zum Hinabgehen sein sollte.

»Das Mädchen ist vorsichtig,« sagte die Gräfin zu sich selbst, als sie das Fenster dunkel sah.

Jeanne hob und senkte dreimal ihre Kerze.

Nichts. Aber es kam ihr vor, als hörte sie etwas wie einen Seufzer oder ein ja, unmerklich unter dem Blätterwerk des Fensters hervor in die Luft geschleudert.

»Sie wird ohne Zweifel hinabgehen, ohne zuvor etwas anzuzünden,« sagte Jeanne zu sich; »das ist kein Uebel.«

Und sie ging selbst auf die Straße hinab.

Die Thüre wurde nicht geöffnet. Olivia hatte sich ohne Zweifel mit einigen lästigen Packen beschwert.

»Das einfältige Ding!« sagte die Gräfin murrend; »wie viel Zeit geht wegen einiger Fetzen verloren!«

Nichts kam. Jeanne ging bis zur Thüre gegenüber.

Nichts. Sie hielt ihr Ohr an die breitköpfigen eisernen Nägel und horchte.

So verging eine Viertelstunde; es schlug halb zwölf Uhr.

Jeanne schritt bis zum Boulevard, um von ferne zu sehen, ob sich die Fenster erleuchteten.

Es kam ihr vor, als sähe sie eine sanfte Helle in dem leeren Raum der Blätter unter den doppelten Vorhängen hin- und hergehen.

»Mein Gott! was macht sie! was macht sie! die kleine Elende! Sie hat vielleicht das Signal nicht gesehen.«

»Auf! Muth, wir wollen wieder hinaufgehen.«

Und sie stieg in der That wieder in ihre Wohnung hinauf, um noch einmal den Telegraphen ihrer Kerzen spielen zu lassen.

Kein Zeichen antwortete auf die ihrigen.

»Ah!« sagte Jeanne zu sich selbst, während sie voll Wuth ihre Manschetten zerknitterte, »die Gaunerin muß krank sein und sich nicht rühren können. Oh! was ist daran gelegen? lebendig oder todt, wird sie heute Abend abreisen.«

Sie ging abermals mit der Hast einer verfolgten Löwin die Treppe hinab. Sie hielt in ihrer Hand den Schlüssel, der so oft Oliva die nächtliche Freiheit verschafft hatte.

Im Augenblick, wo sie diesen Schlüssel in das Schloß des Hauses stecken wollte, hielt sie inne.

»Wenn Jemand oben bei ihr wäre?« dachte die Gräfin.

»Unmöglich, ich werde die Stimmen hören, und es wird noch Zeit sein, wieder herabzugehen. Wenn ich Jemand auf der Treppe begegnete … Oh!«

Bei dieser gefährlichen Annahme wäre sie beinahe zurückgewichen.

Das Geräusch des Stampfens ihrer Pferde auf das schallende Pflaster bestimmte sie.

»Ohne Gefahr nichts Großes,« sagte Jeanne. »Mit Kühnheit nie Gefahr!«

Und sie drehte den Schlüssel in dem schwerfälligen Schloß und öffnete die Thüre.

Jeanne kannte die Oertlichkeiten; ihr Verstand würde ihr dieselben geoffenbart haben, selbst wenn sie sich nicht, als sie jeden Abend auf Oliva wartete, genau darüber unterrichtet hätte.

Die Treppe war links, Jeanne eilte auf die Treppe.

Kein Geräusch, kein Licht, Niemand.

So kam sie auf den Treppenabsatz der Wohnung Nicole's.

Hier, unter der Thüre, sah man einen beleuchteten Streifen; hier, hinter der Thüre, hörte man das Geräusch eines hastigen Schrittes.

Keuchend, aber ihren Athem erstickend, horchte Jeanne. Man sprach nicht. Oliva war also allein, sie ging, sie räumte ohne Zweifel zusammen.

Sie war also nicht krank und es handelte sich nur um eine Verzögerung.

Jeanne kratzte sachte an dem Holze der Thüre.

»Oliva! Oliva!« sagte sie; »Freundin, liebe Freundin!«

Die Schritte näherten sich auf dem Teppich.

»Oeffnen Sie! öffnen Sie!« sagte Jeanne hastig.

Die Thüre wurde geöffnet, eine Lichtfluth überströmte Jeanne, und diese stand einem Mann gegenüber, der einen dreiarmigen Leuchter in der Hand hielt. Sie stieß einen furchtbaren Schrei aus und verbarg ihr Gesicht.

»Olivia!« sagte dieser Mann. »Sind Sie es nicht?«

Und er hob sachte den Ueberwurf der Gräfin auf.

»Die Frau Gräfin von La Mothe!« rief er im Tone eines bewunderungswürdig natürlichen Erstaunens.

»Herr von Cagliostro!« murmelte Jeanne wankend und einer Ohnmacht nahe.

Unter all den Gefahren, welche Jeanne hatte voraussetzen können, war diese ihr nie vor die Augen getreten. Sie schien auf den ersten Blick nicht sehr furchtbar; aber wenn man ein wenig nachdachte, wenn man die düstere Miene und die tiefe Verstellung dieses seltsamen Mannes ein wenig beobachtete, mußte die Gefahr schrecklich erscheinen.

Jeanne hätte bald den Kopf verloren, sie wich zurück und hatte große Lust, sich die Treppe hinab zu stürzen.

Cagliostro reichte ihr artig die Hand und lud sie ein, sich zu setzen.

»Welchem Umstande habe ich die Ehre Ihres Besuches zu verdanken, Madame?« sagte er mit sicherer Stimme.

»Mein Herr …« stammelte die Intrigantin, die ihre Augen nicht von denen des Grafen losmachen konnte, »ich kam … ich suchte …«

»Erlauben Sie, Madame, daß ich klingle, um diejenigen meiner Leute zu bestrafen, welche die Unschicklichkeit gehabt haben, eine Frau von Ihrem Rang allein eintreten zu lassen.«

Jeanne zitterte und hielt den Grafen bei der Hand zurück.

»Sie müssen,« fuhr dieser unstörbar fort, »Sie müssen zu diesem Tölpel von einem Deutschen gerathen sein, der mein Portier ist und sich betrinkt. Er wird Sie nicht erkannt und seine Thüre, ohne etwas zu thun, ohne etwas zu sagen, geöffnet haben, und dann wird er wohl wieder eingeschlafen sein.«

»Ich bitte, schelten Sie ihn nicht,« erwiderte die Gräfin, welche die Falle nicht ahnte, etwas weniger beklommen.

»Nicht wahr, er hat geöffnet, Madame?«

»Ich glaube, ja … Aber Sie haben mir versprochen, ihn nicht zu schelten.«

»Ich werde mein Wort halten,« erwiderte lächelnd der Graf. »Doch wollen Sie nun die Gute haben, sich zu erklären.«

Sobald einmal die Sache so stand, sobald man Jeanne nicht mehr im Verdacht hatte, daß sie selbst die Thüre geöffnet, konnte sie über die Veranlassung ihres Besuchs lügen, was sie zu thun auch nicht ermangelte.

»Ich kam,« sagte sie sehr rasch, »ich kam, um Sie über gewisse Gerüchte um Rath zu fragen, die im Umlauf sind.«

»Welche Gerüchte, Madame?«

»Ich bitte, bedrängen Sie mich nicht,« erwiderte Jeanne, sich zierend, »mein Schritt ist sehr zarter Natur.«

»Suche! suche!« dachte Cagliostro; »ich habe gefunden.«

»Sie sind ein Freund Seiner Eminenz des Herrn Cardinals von Rohan,« sprach Jeanne.

»Ah! ah! nicht schlecht.« dachte Cagliostro. »Geh bis an's Ende des Fadens, den ich in der Hand habe«. Doch weiter, das verbiete ich Dir.«

»Ich stehe in der That ziemlich gut mit Seiner Eminenz,« sprach er.

»Und ich,« fuhr Jeanne fort, »ich wollte mich bei Ihnen erkundigen über …«

»Ueber?« fragte Cagliostro mit einer Färbung von Ironie.

»Ich habe Ihnen gesagt, meine Stellung sei sehr zarter Natur, mein Herr, machen Sie keinen Mißbrauch davon. Es kann Ihnen nicht unbekannt sein, daß mir Herr von Rohan einige Zuneigung bezeigt, und ich wollte wissen, bis auf welchen Grad ich darauf zählen kann, daß … Ah! mein Herr, Sie lesen, wie man sagt, in der dichtesten Finsterniß der Geister und der Herzen.«

»Noch ein wenig Helle, Madame, damit ich besser in der Finsterniß Ihres Herzens und Ihres Geistes zu lesen vermag.«

»Mein Herr! man sagt, Seine Eminenz liebe anderswo … Seine Eminenz liebe hohen Ortes … Man sagt sogar …«

Hier heftete Cagliostro auf Jeanne, welche beinahe rückwärts gefallen wäre, einen Blick voll von Blitzen.

»Madame,« sagte er, »ich lese in der That in der Finsterniß; aber um gut zu lesen, muß ich unterstützt werden. Wollen Sie auf folgende Fragen antworten:

»Wie kommt es, daß Sie mich hier aufgesucht haben? Ich wohne nicht hier.«

Jeanne bebte.

»Wie sind Sie hier hereingekommen? Denn es gibt weder einen Portier noch einen Bedienten in diesem Theil des Hotels. Und wenn Sie nicht mich suchten, wen suchten Sie dann? Sie antworten mir nicht?« sagte Cagliostro zu der zitternden Gräfin; »ich will also Ihren Verstand unterstützen. Sie sind mit einem Schlüssel hereingekommen, den ich hier in Ihrer Tasche fühle. Sie wollten hier eine junge Frau aufsuchen, die ich aus reiner Gutmüthigkeit bei mir verbarg.«

Jeanne schwankte wie ein entwurzelter Baum.

»Und wenn dem so wäre?« sprach sie ganz leise, »welches Verbrechen hatte ich begangen? Ist es einer Frau nicht erlaubt, eine andere Frau zu besuchen? Haben Sie die Güte, sie zu rufen, sie wird Ihnen sagen, ob unsere Freundschaft nicht eingestanden werden darf …«

»Madame,« unterbrach Cagliostro, »Sie sagen mir das, weil Sie wohl wissen, daß sie nicht mehr hier ist.«

»Daß sie nicht mehr hier ist!« … rief Jeanne erschrocken, »Oliva ist nicht mehr hier?«

»Oh!« versetzte Cagliostro, »Sie wissen vielleicht nicht, daß sie abgereist ist, während Sie doch zur Entführung geholfen haben?«

»Zur Entführung! ich!« rief Jeanne, die wieder Hoffnung faßte. »Man hat sie entführt, und Sie beschuldigen mich?«

»Ich thue mehr, ich überweise Sie,« sprach Cagliostro.

»Beweisen Sie!« rief die Gräfin unverschämt.

Cagliostro nahm ein Papier vom Tisch und zeigte es ihr:

»Mein Herr und edler Gönner,« sagte das an Cagliostro gerichtete Billet, »verzeihen Sie mir, daß ich Sie verlasse; doch vor Allem liebte ich Herrn Beausire; er kommt, er entführt mich, ich folge ihm. Leben Sie wohl. Empfangen Sie den Ausdruck meiner Dankbarkeit.«

»Beausire! …« sagte Jeanne wie versteinert, »Beausire … Er wußte ja Oliva's Adresse nicht.«

»Oh! doch, Madame,« erwiderte Cagliostro, indem er ihr ein zweites Papier zeigte, das er aus seiner Tasche zog; »sehen Sie, ich habe dieses Papier auf der Treppe aufgehoben, als ich hierherkam, um meinen täglichen Besuch zu machen. Dieses Papier wird Herrn Beausire aus der Tasche gefallen sein.«

Die Gräfin las bebend:

»Herr von Beausire wird Mademoiselle Oliva in der Rue Saint-Claude, an der Ecke des Boulevard, finden. Er wird sie finden und auf der Stelle wegführen. Es ist Zeit.«

»Oh!« machte die Gräfin, das Papier zerknitternd.

»Und er hat sie weggeführt,« sprach Cagliostro kalt.

»Aber wer hat dieses Billet geschrieben?«

»Sie augenscheinlich, Sie, die aufrichtige Freundin Oliva's.«

»Aber wie ist er hier hereingekommen?« rief Jeanne, indem sie voll Wuth den unempfindlichen Grafen anschaute.

»Kann man nicht mit Ihrem Schlüssel eintreten?« fragte Cagliostro.

»Da ich ihn habe, hat ihn Herr Beausire nicht.«

»Wenn man einen Schlüssel hat, kann man auch zwei haben,« erwiderte Cagliostro, der Gräfin in's Gesicht schauend.

»Sie haben da überweisende Stücke,« erwiderte langsam die Gräfin, »während ich nur Verdacht habe.«

»Oh! ich habe auch einen Verdacht, und zwar einen solchen, der so viel werth ist, als der Ihrige, Madame.«

So sprechend, entließ er sie mit einer unmerklichen Geberde.

Sie zögerte nicht hinabzugehen, doch diese verödete Treppe entlang, die, als sie heraufgegangen, finster gewesen war, fand sie zwanzig Kerzen angezündet und zwanzig Bedienten aufgestellt, vor denen Cagliostro sie laut und zu wiederholten Malen Frau Gräfin von La Mothe nannte.

Sie trat aus dem Hause, Wuth und Rache schnaubend, wie der Basilisk Feuer und Gift schnaubt.

LXXII.
Der Brief und der Empfangschein

Am folgenden Tage war die letzte Frist der von der Königin selbst den Juwelieren Böhmer und Bossange bestimmten Bezahlung.

Da das Schreiben Ihrer Majestät Vorsicht empfahl, so warteten sie, bis ihnen die fünfmal hunderttausend Livres gebracht würden.

Und da bei allen Kaufleuten, so reich sie auch sein mögen, der Einzug von fünfmal hunderttausend Livres eine wichtige Sache ist, so hielten die Associés einen Empfangsschein von der schönsten Handschrift des Hauses bereit.

Der Schein blieb unnütz: Niemand kam, um ihn gegen die fünfmal hunderttausend Livres auszutauschen.

Die Nacht verging für die Juweliere sehr qualvoll in der Erwartung eines beinahe unwahrscheinlichen Boten. Doch die Königin hatte so außerordentliche Ideen; sie mußte sich verbergen: ihr Bote würde vielleicht erst nach Mitternacht kommen.

Die Morgenröthe des andern Tages enttäuschte Böhmer und Bossange in ihren Chimären. Böhmer faßte seinen Entschluß, und begab sich nach Versailles in einem Wagen, in dessen Hintergrund sein Associé auf ihn wartete.

Er verlangte bei der Königin eingeführt zu werden. Man antwortete ihm, wenn er nicht einen Audienzbrief habe, könne es nicht sein.

Erstaunt, unruhig, beharrte er auf seinem Verlangen, und da er seine Leute kannte, da er das Talent hatte, da und dort in den Vorzimmern einen kleinen, für ihn unnützen Stein anzubringen, so begünstigte man ihn so, daß man ihn auf den Weg Ihrer Majestät stellte, wenn sie von ihrem Spaziergange in Trianon zurückkommen würde.

Noch ganz bebend von ihrer Zusammenkunft mit Charny, wo sie die Liebhaberin gespielt hatte, ohne die Geliebte zu werden, kehrte Marie Antoinette wirklich voll Vergnügen und Freude in's Schloß zurück, als sie das ein wenig zerknirschte, jedoch ehrfurchtsvolle Gesicht Böhmers erblickte.

Sie lächelte ihm zu, was er auf die glücklichste Weise deutete, und er wagte es, um einen Augenblick Audienz zu bitten; die Königin bewilligte ihm dieß auf zwei Uhr, das heißt, nach ihrem Mittagsmahle. Er überbrachte diese vortreffliche Kunde Bossange; dieser wartete auf ihn in einem Wagen; an einem Flusse leidend, hatte er ihrer Majestät kein unfreundliches Gesicht zeigen wollen.

»Es ist kein Zweifel,« sagten sie zu einander, indem sie sich die geringsten Geberden, die kleinsten Worte Marie Antoinette's auslegten, »es unterliegt keinem Zweifel, Ihre Majestät hat in ihrer Schublade die Summe, die sie gestern noch nicht bekommen konnte; sie hat gesagt, um zwei Uhr, weil sie um zwei Uhr allein sein wird.«

Und sie fragten sich, wie die Cameraden in der Fabel, ob sie die Summe in Billets, in Gold, oder in Silber wegbringen würden.

Es schlug zwei Uhr, der Juwelier war an seinem Posten, man führte ihn in's Boudoir Ihrer Majestät ein.

»Was haben Sie wieder, Böhmer?« fragte die Königin, sobald sie ihn von fern erblickte, »wollen Sie mir von Juwelen sprechen? Sie wissen, Sie haben Unglück.«

Böhmer glaubte, es sei irgend Jemand verborgen, die Königin fürchte gehört zu werden. Er nahm also eine Miene des Einverständnisses an und erwiderte umherschauend:

»Ja, Madame.«

»Was suchen Sie da?« sagte die Königin erstaunt.

Ein wenig bedrückt durch diese Verstellung, antwortete er nichts.

»Dasselbe Geheimniß wie neulich; ein Geschmeide zu verkaufen,« fuhr die Königin fort; »ein unvergleichliches Stück? Oh! erschrecken Sie nicht so; es ist Niemand hier, der uns hören könnte.«

»Dann …« murmelte Böhmer.

»Nun, dann! was?«

»Dann darf ich Ihrer Majestät sagen …

»Sagen Sie geschwind, mein lieber Böhmer.«

Der Juwelier näherte sich mit einem anmuthigen Lächeln und sprach, seine etwas gelben, aber ganz wohlwollenden Zähne zeigend:

»Ich darf Ihrer Majestät sagen, daß die Königin uns gestern vergessen hat.«

»Vergessen! worin?« fragte die Königin erstaunt.

»Darin, daß gestern der … Termin war …«

»Der Termin? … welcher Termin?«

»Oh! ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, wenn ich mir erlaube … Ich weiß wohl, daß es eine Unbescheidenheit ist. Vielleicht ist die Königin nicht vorbereitet. Das wäre ein großes Unglück, aber …«

»Ah! Böhmer, ich begreife kein Wort von Allem, was Sie mir da sagen. Erklären Sie sich doch, mein Lieber.«

»Eure Majestät hat es aus dem Gedächtniß verloren, das ist inmitten so vieler Sorgen und Geschäfte ganz natürlich.«

»Was habe ich aus dem Gedächtnis verloren?«

»Es war gestern der erste Termin der Bezahlung des Halsbandes,« antwortete Böhmer schüchtern.

»Sie haben also Ihr Halsband verkauft?«

»Nun ja, freilich …« versetzte Böhmer, der die Königin ganz erstaunt anschaute, »ich glaube es wohl.«

»Und diejenigen, an welche Sie es verkauft, haben Sie nicht bezahlt, mein armer Böhmer; das ist schlimm. Diese Leute müssen es machen, wie ich es gemacht habe; wenn sie das Halsband nicht kaufen können, so müssen sie es Ihnen zurückgeben und Ihnen die Abschlagszahlung überlassen.«

»Wie beliebt?« stammelte der Juwelier, welcher schwankte, dem unvorsichtigen Reisenden ähnlich, der einen Sonnenstich auf den Kopf bekommen. »Was erweist mir Ihre Majestät die Ehre zu sagen?«

»Mein armer Böhmer, ich sage, wenn Ihnen zehn Käufer Ihr Halsband zurückgeben, wie ich es Ihnen zurückgegeben habe, das heißt, indem sie Ihnen zweimal hunderttausend Livres Reukauf lassen, so haben Sie zwei Millionen nebst dem Halsband.«

»Eure Majestät …« rief Böhmer, von Schweiß triefend, »Eure Majestät sagt wohl, sie habe mir das Halsband zurückgegeben?«

»Ja wohl, ich sage das,« erwiderte die Königin ganz ruhig. »Was haben Sie?«

»Wie!« fuhr der Juwelier fort. »Eure Majestät leugnet, das Halsband gekauft zu haben?«

»Ah! was für eine Komödie spielen wir da?« sprach die Königin mit strengem Tone. »Hat dieses verdammte Halsband die Bestimmung, daß immer Jemand den Kopf darüber verlieren muß?«

»Aber,« versetzte Böhmer, an allen seinen Gliedern zitternd, »mir schien, als hätte ich aus dem Munde Eurer Majestät selbst gehört, Sie haben es mir zurückgegeben. Eure Majestät hat gesagt, das Diamanthalsband zurückgegeben.«

Die Königin schaute Böhmer mit gekreuzten Armen an und sprach:

»Zum Glück habe ich hier etwas, womit ich Ihr Gedächtnis auffrischen kann, denn Sie sind ein sehr vergeßlicher Mensch, Herr Böhmer, um Ihnen nichts Unangenehmeres zu sagen.«

Sie ging gerade auf einen Arbeitstisch zu, zog ein Papier heraus, öffnete es, durchflog es und reichte es dann langsam dem unglücklichen Böhmer.

»Der Styl ist ziemlich klar, wie mir scheint,« sagte sie. Und sie setzte sich, um den Juwelier, während er las, besser anzuschauen.

Das Gesicht des Mannes drückte zuerst gänzliche Ungläubigkeit und dann stufenweise den furchtbarsten Schrecken aus

»Nun!« sagte die Königin, »Sie erkennen diesen Schein, der in so guter Form bezeugt, daß Sie das Halsband zurückerhalten; und wenn Sie nicht auch vergessen haben, daß Sie Böhmer heißen …«

»Aber, Madame,« stammelte Böhmer, zugleich vor Wuth und Angst erstickend, »ich habe diesen Schein nicht unterzeichnet.«

Die Königin wich, den Juwelier mit ihren flammenden Augen niederschmetternd, zurück und rief:

»Sie leugnen!«

»Durchaus … Ich habe, und müßte ich für die Freiheit meiner Sprache das Leben lassen, das Halsband nie zurückerhalten, diesen Schein nie unterzeichnet. Wäre der Block hier, stände der Henker hier, ich würde abermals wiederholen: nein, Eure Majestät, dieser Empfangsschein ist nicht von mir.«

»Mein Herr,« sagte die Königin leicht erbleichend, dann habe ich Sie also betrogen, dann habe ich also Ihr Halsband?«

Böhmer suchte in seinem Portefeuille und zog ein Papier heraus, das er ebenfalls der Königin überreichte.

»Madame,« sagte er mit ehrerbietiger, aber vor Aufregung bebender Stimme; »ich glaube nicht, daß Eure Majestät, wenn sie mir das Halsband hätte zurückgeben wollen, diese Schuldurkunde hier geschrieben haben würde.«

»Ei! was für ein Fetzen ist denn das?« rief die Königin. »Ich habe das nicht geschrieben! Ist das meine Handschrift?«

»Es ist unterzeichnet,« entgegnete Böhmer vernichtet.

» Marie Antoinette von Frankreich … Sie sind verrückt! bin ich von Frankreich? Bin ich nicht Erzherzogin von Österreich? Ist es nicht albern, daß ich das geschrieben haben soll? Gehen Sie doch, Herr Böhmer, die Falle ist zu plump, sagen Sie das Ihren Fälschern.«

»Meinen Fälschern …« stammelte der Juwelier, der beinahe in Ohnmacht fiel, als er diese Worte hörte. »Eure Majestät hat mich, Böhmer, im Verdacht?«

»Sie haben wohl mich, Marie Antoinette, im Verdacht?« versetzte Marie Antoinette voll Stolz.

»Aber diese Schrift,« entgegnete abermals der Juwelier, auf das Papier deutend, das sie immer noch in ihren Händen hielt.

»Und dieser Empfangschein?« sagte sie, auf das Papier deutend, das er nicht von sich gelassen hatte.

Böhmer war genöthigt, sich auf einen Lehnstuhl zu stützen; der Boden wirbelte unter ihm. Er athmete die Luft in großen Wogen ein, und die Purpurfarbe des Schlagflusses ersetzte die Leichenblässe der Ohnmacht.

»Geben Sie mir meinen Schein zurück,« sagte die Königin, »ich halte ihn für gut, und nehmen Sie Ihre Schrift, unterzeichnet Antoinette von Frankreich; der Staatsanwalt wird Ihnen sagen, was das werth ist.«

Und sie warf ihm die Verschreibung zu, nachdem sie ihm den Schein aus den Händen gerissen hatte; dann wandte sie sich um, ging in ein anstoßendes Zimmer und überließ der Etikette zuwider den Unglücklichen, der gar keinen Gedanken mehr hatte und in einen Lehnstuhl sank, sich selbst. Nach einigen Minuten jedoch, in denen er sich wieder ein wenig erholte, stürzte er ganz betäubt aus dem Gemach und suchte Bossange auf, dem er das Abenteuer so erzählte, daß er selbst bei seinem Associé in Verdacht gerieth.

Doch er widerholte so gut und so oft seine Aussage, daß Bossange anfing, seine Perücke auszureißen, während Böhmer seine Haare ausriß, was für die Vorübergehenden, die ihren Blick in den Wagen tauchten, zugleich das schmerzlichste und komischste Schauspiel war.

Da man jedoch nicht einen ganzen Tag im Wagen zubringen kann, da man, nachdem man sich Haare oder Perücke ausgerissen, die Hirnschale findet, und da unter der Hirnschale Gedanken sind oder sein sollen, so fanden die zwei Juweliere für gut, sich zu verbünden, um wo immer möglich die Thüre der Königin zu sprengen und etwas einer Erklärung Aehnliches zu erlangen.

Sie gingen nach dem Schlosse in einem Zustand, daß sie Mitleid erregen mußten, als ihnen einer der Officianten der Königin begegnete, der den Einen oder Andern von ihnen zu berufen hatte. Man denke sich ihre Freude und den Eifer, mit dem sie gehorchten.

Sie wurden ohne Verzug eingeführt.