Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 56
Nach diesen niederschmetternden Worten wandte er Jeanne den Rücken zu, ging mit dem Almosenier hinaus und überließ diese Unglückliche, welche keine Bewegung machen konnte, ohne immer tiefer in den Koth zu gerathen, in dem sie bald ganz versinken sollte, ihrer Wuth und Verzweiflung.
XCI.
Die Taufe des kleinen Beausire
Frau von La Mothe hatte sich in allen ihren Berechnungen geirrt. Cagliostro irrte sich in keiner.
Kaum in der Bastille, bemerkte er, daß ihm der Vorwand gegeben war, endlich offen auf den Untergang dieser Monarchie hinzuwirken, die er seit so vielen Jahren durch Illuminismus und verborgene Arbeiten untergrub.
Sicher, in nichts überwiesen zu werden, zu der für seine Absichten günstigsten Entwickelung gelangt, hielt er gewissenhaft sein Versprechen gegen alle Welt.
Er bereitete die Materialien zu dem von London datirten berüchtigten Brief vor, der einen Monat nach der Epoche, die wir erreicht haben, erschien und der erste Stoß des Sturmbocks gegen die alten Mauern der Bastille war, die erste Feindseligkeit der Revolution, der erste materielle Angriff, der dem vom 14. Juli 1789 vorherging.
In diesem Brief, worin Cagliostro, nachdem er König, Königin, Cardinal, öffentliche Spekulanten zu Grunde gerichtet hatte, Herrn von Breteuil, der Personification der ministeriellen Tyrannei, das Verderben bereitete, drückte sich unser Zerstörer also aus:
»Ja, ich wiederhole es frei, nachdem ich es als Gefangener gesagt habe, es gibt kein Verbrechen, das nicht durch sechs Monate in der Bastille abgebüßt wird. Es fragte mich Jemand, ob ich je nach Frankreich zurückkehren werde? Sicherlich, antwortete ich, unter der Bedingung, daß die Bastille eine öffentliche Promenade geworden ist. Möge es Gottes Wille sein! Ihr habt Alles, was man braucht, um glücklich zu sein, Ihr Franzosen: einen fruchtbaren Boden, ein mildes Klima, ein gutes Herz, eine allerliebste Heiterkeit, Genie und Anmuth; Ihr seid zu Allem brauchbar, ohne Gleichen in der Kunst zu gefallen, ohne Meister in den andern Künsten; es fehlt Euch, meine Freunde, nur ein kleiner Punkt, nemlich die Gewißheit in Eurem eigenen Bette zu schlafen, wenn Ihr Euch in Nichts vergangen habt.«
Cagliostro hatte sein Wort auch Oliva gehalten. Diese war ihrerseits gewissenhaft treu. Es entschlüpfte ihr kein Wort, das ihren Gönner bloßstellte. Ihre Geständnisse waren nur für Frau von La Mothe verderblich und stellten auf eine unumwundene und unverwerfliche Weise ihre unschuldige Theilnahme an einer Mystification heraus, bei der es, nach ihrer Aussage, auf einen unbekannten Cavalier abgesehen war, den man ihr unter dem Namen Louis bezeichnet hatte.
Während der Zeit, die für die Gefangenen unter Schloß und Riegel und in den Verhören verlaufen war, hatte Oliva ihren theuren Beausire nicht wieder gesehen, sie war jedoch nicht ganz von ihm verlassen, und sie besaß, wie man sehen wird, von ihrem Geliebten ein Andenken, das sich Dido wünschte, als sie träumend sprach: »Ach! wenn es mir vergönnt wäre, auf meinem Schooße einen kleinen Ascan spielen zu sehen!«
Im Monat Mai des Jahres 1776 wartete ein Mann mitten unter den Armen auf den Stufen des Portals in der Rue Saint-Antoine. Er war unruhig, keuchend, und schaute, ohne die Augen abwenden zu können, nach der Bastille.
In seine Nähe stellte sich ein Mann mit langem Bart, einer von den deutschen Dienern Cagliostro's, derjenige, welchen der Graf als Kämmerer bei seinen geheimnißvollen Aufnahmen im alten Hause der Rue Saint-Claude benützte.
Dieser Mann hemmte die stürmische Ungeduld Beausire's und sagte leise zu ihm:
»Warten Sie, warten Sie, sie werden kommen.«
»Ah!« rief der unruhige Mann, »Sie sind es!«
Und da das sie werden kommen, wie es scheint, den unruhigen Mann nicht befriedigte, da dieses mehr als vernünftig zu gesticuliren fortfuhr, sagte ihm der Deutsche in's Ohr:
»Herr Beausire, Sie machen so viel Lärm, daß uns die Policei sehen wird. Mein Herr versprach Ihnen Nachrichten, ich gebe Ihnen welche.«
»Geben Sie, geben Sie, mein Freund.«
»Leise … Mutter und Kind befinden sich wohl.«
»Oh! oh!« rief Beausire in unbeschreiblichem Entzücken, »sie ist entbunden! sie ist gerettet!«
»Ja, mein Herr; doch ich bitte, treten Sie auf die Seite.«
»Von einem Mädchen?«
»Nein, mein Herr, von einem Knaben.«
»Desto besser! Oh! mein Freund, wie glücklich bin ich, wie glücklich bin ich! Danken Sie Ihrem Herrn, sagen Sie ihm, mein Leben, Alles, was ich habe, gehöre ihm.«
»Ja, Herr Beausire, ja, ich werde ihm das sagen, wenn ich ihn sehe.«
»Mein Freund, warum sagten Sie mir vorhin … Doch nehmen Sie diese zwei Louisd'or.«
»Ich nehme nur von meinem Herrn an.«
»Oh! verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Ich glaube es. Doch Sie sagten mir? …«
»Ah! ich fragte Sie, warum Sie vorhin ausgerufen: »»Sie werden kommen!«« Wer wird kommen, wenn's beliebt?«
»Ich meinte den Wundarzt der Bastille und Frau Chopin, die Hebamme, welche Mlle. Oliva entbunden haben.«
»Sie werden hierher kommen? Warum?«
»Um das Kind taufen zu lassen.«
»Ich werde mein Kind sehen!« rief Beausire, indem er wie ein Verzückter in die Höhe sprang. »Sie sagen, ich werde den Sohn Oliva's sehen? hier, sogleich?«
»Hier, sogleich; doch ich bitte Sie inständig, mäßigen Sie sich; sonst werden die Agenten des Herrn von Crosne, die ich unter den Lumpen dieser Bettler verborgen errathe, Sie entdecken und wittern, daß Sie mit den Gefangenen der Bastille in Verbindung gestanden sind. Sie stürzen sich selbst in's Verderben und gefährden meinen Herrn.«
»Oh!« rief Beausire mit der Religion der Ehrfurcht und Dankbarkeit, »eher sterben, als eine Sylbe aussprechen, welche meinem Wohlthäter schaden könnte. Ich werde ersticken, wenn es sein muß, aber ich sage nichts mehr. Sie kommen nicht! …«
»Geduld!«
Beausire näherte sich dem Deutschen und fragte, die Hände faltend:
»Ist sie ein wenig glücklich dort?«
»Vollkommen glücklich,« erwiderte der Andere. »Oh! hier kommt ein Fiaker.«
»Ja, ja.«
»Er hält an.«
»Ich sehe Weißes, Spitzen …«
»Das Taufzeug des Kindes.«
»Guter Gott!« rief Beausire.
Und er war genöthigt, sich an eine Säule anzulehnen, um nicht zu wanken, als er aus dem Fiaker die Hebamme, den Wundarzt und einen Schließer der Bastille aussteigen sah, der bei dieser Veranlassung als Zeuge diente.
Als diese drei Personen vorübergingen, geriethen die Bettler in Bewegung und näselten ihre Forderungen.
Man sah nun seltsamer Weise den Pathen und die Pathin diese Elenden mit dem Ellenbogen stoßen und weiter schreiten, während ein Fremder, vor Freude weinend, seine Münze und seine Thaler unter sie vertheilte.
Als dann der kleine Zug in der Kirche eingetreten war, trat Beausire hinter ihnen mit den Priestern und den Neugierigen ein und suchte sich den besten Platz in der Sacristei aus, wo das Sacrament der Taufe vollzogen werden sollte.
Sobald der Priester die Hebamme und den Wundarzt erkannte, welche schon mehrere Male unter ähnlichen Umständen seine Dienste in Anspruch genommen hatten, nickte er ihnen freundlich lächelnd zu.
Beausire grüßte und lächelte mit dem Priester.
Die Thüre schloß sich, der Priester nahm seine Feder und fing an in sein Register die sacramentlichen Phrasen zu schreiben, welche den Act der Einregistrirung bilden.
Als er nach dem Namen und Vornamen des Kindes fragte, antwortete der Wundarzt:
»Es ist ein Knabe, mehr weiß ich nicht.«
Und ein Gelächter punktirte diese Erklärung, was Beausire nicht sehr ehrerbietig vorkam.
»Es hat doch einen Namen und wäre es der irgend eines Heiligen.«
»Ja, es war der Wille der Demoiselle, daß es den Namen Toussaint ]Alle Heilige.] bekommen solle.«
»Dann hat es den aller Heiligen!« sagte der Priester lachend über sein Wortspiel, was die Sacristei mit neuer Heiterkeit erfüllte.
Beausire fing an die Geduld zu verlieren, doch der weise Einfluß des Deutschen hielt ihn noch zurück. Er bewältigte sich.
»Nun,« sagte der Priester, »mit diesem Vornamen, mit allen Heiligen als Patronen, kann man eines Vaters entbehren. Schreiben wir: »»Es ist uns heute ein Kind männlichen Geschlechts, geboren gestern in der Bastille, vorgewiesen worden; Sohn von Nicole Oliva Legay und von … Vater unbekannt.«««
Beausire sprang wüthend an die Seite des Priesters, packte ihn beim Faustgelenke und rief:
»Toussaint hat einen Vater, wie er eine Mutter hat. Er hat einen zärtlichen Vater, der sein Blut nicht verleugnen wird. Ich bitte Sie, schreiben Sie, daß Toussaint, gestern geboren von Nicole Oliva Legay, der Sohn von dem hier gegenwärtigen Jean Baptiste Toussaint von Beausire ist!«
Man denke sich das Erstaunen des Priesters, des Pathen und der Pathin. Die Feder entfiel den Händen des Ersten, das Kind wäre beinahe aus den Händen der Hebamme gefallen.
Beausire empfing es in den seinigen, bedeckte es mit gierigen Küssen und ließ auf die Stirne des armen Kleinen die erste Taufe, die heiligste in dieser Welt nach der, welche von Gott kommt, die Taufe der väterlichen Thränen fallen.
Obgleich an dramatische Scenen gewöhnt und trotz des den wahren Voltairianern dieser Zeit anklebenden Skepticismus, waren die Anwesenden gerührt. Der Priester allein behauptete seine Kaltblütigkeit und zog die Vaterschaft in Zweifel. Vielleicht ärgerte es ihn, daß er seine Schreibereien wieder anfangen mußte.
Doch Beausire errieth die Schwierigkeit; er legte auf den Taufstein drei Louisd'or, welche viel besser, als seine Thränen, sein Vaterrecht begründeten und seine Glaubwürdigkeit an's Licht stellten.
Der Priester verbeugte sich, hob die zwei und siebenzig Livres auf und durchstrich die zwei Sätze, die er spottend in sein Register eingeschrieben hatte.
»Nur, mein Herr,« sagte er, »nur, da die Erklärung des Herrn Wundarztes der Bastille und der Frau Chopin eine förmliche gewesen ist, werden Sie die Güte haben, selbst zu schreiben und zu beurkunden, daß Sie sich als Vater dieses Kindes erklären.«
»Ich!« rief Beausire, in der höchsten Freude, »ich würde mit meinem Blute schreiben.«
Und er ergriff die Feder voll Begeisterung.
»Nehmen Sie sich in Acht,« sagte ganz leise der Schließer Guyon, der seine Rolle als bedenklicher Mann nicht vergessen hatte, zu ihm: »Ich glaube, mein lieber Herr, Ihr Name klingt schlecht an gewissen Orten; es ist gefährlich, ihn in die öffentlichen Register einzuschreiben mit einem Datum, das zugleich den Beweis von Ihrer Gegenwart und von Ihrem Umgang mit einer Angeklagten gibt.«
»Ich danke für Ihren Rath, Freund,« erwiderte Beausire mit Stolz; »er ist der eines redlichen Mannes und wohl die zwei Louisd'or werth, die ich Ihnen anbiete. Doch den Sohn meiner Frau verleugnen …«
»Sie ist Ihre Frau?« rief der Wundarzt.
»Gesetzlich?« rief der Priester.
»Gott schenke ihr die Freiheit,« erwiderte Beausire zitternd vor Vergnügen, »und am andern Tag wird Nicole Legay von Beausire heißen, wie ihr Sohn und ich.«
»Mittlerweile setzen Sie sich einer Gefahr aus,« wiederholte der Schließer, »ich glaube, daß man Sie sucht.«
»Ich werde Sie nicht verrathen,« sagte der Wundarzt.
»Ich auch nicht,« sprach die Hebamme.
»Ich ebenso wenig,« rief der Priester.
»Und wenn man mich verriethe,« fuhr Beausire mit der Begeisterung der Märtyrer fort, »ich werde dulden bis zum Rade, um mich des Trostes zu erfreuen, meinen Sohn anzuerkennen.«
»Wenn er gerädert würde,« sagte Herr Guyon, der sich auf eine Gegenansicht etwas zu Gut that, ganz leise zur Hebamme, »so geschähe es nicht, weil er sich als Vater des kleinen Toussaint bekannt hat.«
Nach diesem Scherz, der Frau Chopin lächeln machte, wurde nach den Formen zu der Einregistrirung und zu der Anerkennung des kleinen Beausire geschritten.
Beausire schrieb seine Erklärung in herrlichen, aber ein wenig geschwätzigen Phrasen, wie es die Berichte von jeder That sind, auf welche der Autor stolz ist.
Er überlas sie, punktirte sie, unterzeichnete mit einem Namenszug und ließ von den vier anwesenden Personen unterzeichnen; dann, nachdem er Alles noch einmal gelesen und bestätigt hatte, küßte er seinen gebührender Maßen getauften Sohn, schob ihm zehn Louisd'or unter das Tauftuch, hing ihm einen Ring an den Hals, ein Geschenk, das für die Wöchnerin bestimmt war, und öffnete, stolz wie Xenophon bei seinem berühmten Rückzug, die Thüre der Sacristei, entschlossen, nicht die geringste List zu gebrauchen, nicht die kleinste Vorsichtsmaßregel zu nehmen, um den Sbirren zu entgehen, sollte er solche finden, welche entartet genug wären, ihn in diesem Augenblick festnehmen zu wollen.
Die Gruppen der Bettler hatten die Kirche nicht verlassen; hätte Beausire sie mit festeren Augen anschauen können, so hätte er vielleicht den berüchtigten Positiv, den Urheber seines Unglücks unter ihnen erkannt, doch nichts rührte sich. Die neue Austheilung, welche Beausire machte, wurde mit maßlosen: »Vergelt's Gott!« aufgenommen, und der glückliche Vater ging von Saint-Paul mit allem Anschein eines verehrten, auserkorenen, gesegneten, von allen Armen des Kirchspiels umschmeichelten Ehrenmanns weg.
Die Taufzeugen entfernten sich ebenfalls und kehrten, ganz verwundert über dieses Abenteuer, zu dem Fiaker zurück.
Beausire belauerte sie von der Ecke der Rue Culture-Sainte-Catherine, sah sie in den Wagen steigen, warf seinem Sohn ein paar bebende Küsse zu, und als sein Herz sich völlig ergossen hatte, als der Fiaker aus seinen Augen verschwunden war, dachte er, er dürfe weder Gott, noch die Policei mehr versuchen, und wandte sich nach einem Zufluchtsort, der nur ihm allein, Cagliostro und Herrn von Crosne bekannt war.
Das heißt, Herr von Crosne hatte sein Wort auch gehalten und Beausire nicht beunruhigen lassen.
Als das Kind in die Bastille zurückkam und Frau Chopin Oliva so viele erstaunliche Abenteuer mitgetheilt hatte, steckte diese an ihren dicksten Finger den Ring von Beausire, fing auch an zu weinen, küßte ihr Kind, für das man schon eine Amme suchte, und sagte:
»Nein, Herr Gilbert, ein Schüler von Herrn Rousseau, behauptete einst, eine gute Mutter müsse ihr Kind selbst stillen, ich werde meinen Sohn stillen; ich will wenigstens eine gute Mutter sein.«
XCII.
Das Schemelchen
Nach langen Debatten war endlich der Tag gekommen, wo der Spruch des Parlamentshofes durch die Anträge des Generalanwalts hervorgerufen werden sollte.
Die Angeklagten waren mit Ausnahme des Herrn von Rohan in die Conciergerie gebracht worden, um dem Sitzungssaale, der um sieben Uhr jeden Morgen geöffnet wurde, näher zu sein.
Vor den Richtern, bei denen der erste Präsident d'Aligre den Vorsitz führte, war die Haltung der Angeklagten beständig dieselbe geblieben, wie während der Instruction.
Oliva treuherzig und schüchtern; Cagliostro ruhig, erhaben und zuweilen strahlend in jenem mystischen Glanze, mit dem sich so gern umgab.
Villette verlegen, niedrig und weinend.
Jeanne unverschämt, das Auge funkelnd, immer drohend, und giftig.
Der Cardinal einfach, träumerisch und in eine Erschlaffung versunken.
Jeanne hatte sehr schnell die Gewohnheiten der Conciergerie angenommen und durch ihre honigsüßen Schmeicheleien und ihre kleinen Geheimnisse sich die Gewogenheit der Concierge des Palastes, ihres Mannes und ihres Sohnes errungen.
Auf diese Art hatte sie sich das Leben angenehmer und die Verbindungen leichter gemacht. Der Affe braucht immer mehr Platz als der Hund, der Intrigant mehr als der ruhige Geist.
Die Debatten lehrten Frankreich nichts Neues. Es war immer dasselbe von der einen oder der andern der zwei Personen, die man anschuldigte und die sich gegenseitig anschuldigten, auf frechste Weise gestohlene Halsband.
Zwischen diesen beiden entscheiden, wer der Dieb, dieß war der ganze Proceß.
Der Geist, der die Franzosen immer zu Extremen führt und sie namentlich zu jener Zeit dazu führte, hatte einen andern Proceß auf den ersten gepfropft.
Es handelte sich darum, ob die Königin Recht gehabt, daß sie den Cardinal hatte verhaften lassen und ihn vermessener Unhöflichkeiten bezüchtigte.
Für Jeden, der in Frankreich über Politik raisonnirte, bildete dieser Anhang bei dem Proceß die wahre Sache. Hatte Herr von Rohan der Königin sagen zu können geglaubt, was er ihr gesagt? hatte er in ihrem Namen handeln können, wie er es gethan? war er der geheime Agent von Marie Antoinette gewesen, ein Agent, den man verleumdet hatte, sobald die Sache Aufsehen gemacht? Mit einem Wort, hatte bei diesem Zwischenfall der begünstigte Cardinal in gutem Glauben, als ein inniger Vertrauter, der Königin gegenüber gehandelt?
Hatte er in gutem Glauben gehandelt, so war die Königin also schuldig aller jener Vertraulichkeiten, selbst der unschuldigen, welche sie geleugnet, die aber, den Insinuationen der Frau von La Mothe zufolge, wirklich bestanden hatten. Und dann, als Gesammtsumme in den Augen der Meinung, welche nichts schont, sind Vertraulichkeiten unschuldig, die man vor seinem Gatten, seinen Ministern und seinen Unterthanen abzuleugnen genöthigt ist?
Dieß ist der Proceß, den die Anträge des Generalanwalts nunmehr zu seinem Ziele, zu seiner Moral führen sollten.
Der Generalanwalt nahm das Wort.
Er war das Organ des Hofes, er sprach im Namen der mißkannten, beleidigten königlichen Würde. Er plaidirte für das ungeheure Princip der königlichen Unverletzlichkeit.
Der Generalanwalt ging in den für gewisse Angeklagte wirklichen Proceß ein; er faßte den Nebenproceß in Beziehung auf den Cardinal fest an. Er konnte nicht zugeben, daß die Königin in der Halsbandgeschichte auch nur ein einziges Unrecht auf sich nehmen sollte. Hatte sie keines, so fielen folglich alle auf das Haupt des Cardinals.
Er trug unbeugsam an:
Auf Verurteilung Villette's zu den Galeeren.
Auf die Verurtheilung Jeanne's zur Brandmarkung, zum Staubbesen und zu lebenslänglicher Einsperrung im Hospital.
Auf Lossprechung Cagliostro's.
Auf einfache Instanzentbindung für Oliva.
Beim Cardinal aber, daß er zum Geständnis einer beleidigenden Vermessenheit gegen die königliche Majestät gezwungen, nach diesem Geständniß aus der Gegenwart des Königs und der Königin verbannt, und endlich aller seiner Stellen und Würden entsetzt werden sollte.
Dieses Requisitorium hatte bei den Richtern Unentschiedenheit und bei den Angeklagten Schrecken zur Folge. Der königliche Wille erklärte sich darin so mächtig, daß, wenn man ein Vierteljahrhundert früher gelebt hätte, zur Zeit, da die Parlamente ihr Joch abzuschütteln und ihre Prärogative zurückzufordern angefangen hatten, diese Anträge des Staatsanwalts durch den Eifer und die Achtung der Richter für das noch verehrte Princip der Unfehlbarkeit des Thrones überschritten worden wären.
Doch nur vierzehn Räthe traten völlig der Meinung des Generalprocurators bei, und von da an herrschte eine Spaltung in der Versammlung.
Man schritt zum letzten Verhör, eine beinahe unnütze Förmlichkeit bei solchen Angeklagten, da es den Zweck hatte, Geständnisse vor dem Spruch hervorzurufen, und da weder Friede noch Waffenstillstand von den erbitterten Gegnern zu erlangen war, welche schon seit so geraumer Zeit kämpften. Es war weniger ihre eigene Freisprechung, was sie forderten, als die Verurteilung ihrer Gegenpartei.
Dem Gebrauche gemäß hatte der Angeklagte vor seinen Richtern auf einem hölzernen Stühlchen sitzend zu erscheinen, auf einem demüthigen, niedrigen, schmählichen, durch die Berührung der Angeklagten, welche von diesem Sitze aus nach dem Schaffot gegangen waren, entehrten Schemel.
Dahin setzte sich der Fälscher Villette, der mit seinen Thränen und seinen Gebeten um Gnade flehte.
Er erklärte, was man schon weiß, nämlich, er sei schuldig der Fälschung, schuldig der Genossenschaft mit Jeanne von La Mothe. Er bezeugte, seine Reue, seine Gewissensbisse seien schon für ihn eine Strafe, welche die Richter zu entwaffnen im Stande sein sollte.
Dieser interessirte Niemand. Er war und erschien nur als ein Spitzbube. Vom Gerichtshof entlassen, kehrte er flennend in seine Zelle in der Conciergerie zurück. Nach ihm erschien am Eingange des Saales Frau von La Mothe, geführt von dem Gerichtsschreiber Frémyn.
Sie trug eine Mantille und ein Oberkleid von Leinen-Batist, hatte eine Haube von Gaze ohne Bänder; eine Art von weißer Gaze; ihre Haare ohne Puder. Ihre Erscheinung machte einen lebhaften Eindruck auf die Versammlung.
Schon hatte sie die erste der Beschimpfungen, welche ihr vorbehalten waren, auszuhalten gehabt: man hatte sie über die kleine Treppe gehen lassen, wie die gemeinen Verbrecher.
Die Hitze des Saales, das Geräusch der Gespräche, die Bewegung der Köpfe, welche in allen Richtungen wogten, fingen an sie zu beunruhigen; ihre Augen schwankten einen Moment, als wollten sie sich an die Spiegelung von diesem ganzen Gesammtwesen gewöhnen.
Nun führte derselbe Gerichtsschreiber, der sie bei der Hand hielt, sie ziemlich rasch zu dem im Mittelpunkte des Halbkreises stehenden Schemelchen, das jenem kleinen unheimlichen Blocke glich, der sich auf den Schaffoten erhebt.
Bei dem Anblick dieses entehrenden Sitzes, den man für sie bestimmte, für sie, die stolz darauf war, sich Valois zu nennen und in ihren Händen das Geschick einer Königin von Frankreich zu halten, erbleichte Jeanne von La Mothe und warf einen zornigen Blick umher, als wollte sie die Richter einschüchtern, die sich diese Beschimpfung erlaubten; doch da sie überall nur festen Willen und Neugierde statt des Mitleids oder der Barmherzigkeit traf, so drängte sie ihre wüthende Entrüstung in ihr Inneres zurück und setzte sich nieder, um nicht das Aussehen zu haben, als fiele sie auf den Schemel.
Man bemerkte in den Verhören, daß sie ihren Antworten all die Unbestimmtheit gab, aus der die Gegner der Königin am meisten Nutzen zur Vertheidigung ihrer Sache hätten ziehen können. Sie drückte nichts scharf aus, als die Versicherungen ihrer Unschuld, und nöthigte den Präsidenten, eine Frage an sie über die Existenz der Briefe zu richten, von denen sie behauptete, sie seien vom Cardinal an die Königin geschrieben worden, so wie auch derer, welche die Königin an den Cardinal geschrieben haben sollte.
Jeanne fing damit an, daß sie betheuerte, es sei ihr inniger Wunsch, die Königin nicht bloßzustellen, und fügte dann bei, Niemand könne diese Frage besser beantworten als der Cardinal.
»Fordern Sie ihn auf,« sprach sie, »diese Briefe oder die Abschriften davon zu produciren, damit man sie vorlesen und Ihre Neugierde befriedigen kann. Ich für meine Person kann nicht behaupten, ob diese Briefe vom Cardinal an die Königin, oder von der Königin an den Cardinal geschrieben sind; ich finde diese zu frei und zu vertraulich von einer Fürstin an einen Unterthan; ich finde jene zu unehrerbietig als von einem Unterthan an eine Königin gerichtet.«
Das tiefe, furchtbare Stillschweigen, welches auf diesen Angriff folgte, mußte Jeanne beweisen, daß sie nur ihren Feinden Abscheu, ihren Parteigängern Schrecken, ihren unparteiischen Richtern Mißtrauen eingeflößt hatte. Sie verließ indessen den Schemel mit der süßen Hoffnung, der Cardinal würde nach ihr darauf sitzen. Diese Rache genügte ihr so zu sagen. Wie wurde ihr aber, als sie sich umwandte, um zum letzten Mal diesen Stuhl der Schmach zu betrachten, auf den sie einen Rohan nach ihr niederzusitzen zwang, als sie den Schemel nicht mehr sah, den auf Befehl des Parlamentshofes die Gerichtsdiener weggeschafft und durch einen Lehnstuhl ersetzt hatten!
Ein Gebrüll der Wuth entströmte ihrer Brust; sie sprang aus dem Saal und biß sich mit einer wahren Raserei in die Hände.
Ihre Strafe begann. Der Cardinal kam langsam herbei, er war aus einem Wagen gestiegen, man hatte das große Thor für ihn geöffnet.
Zwei Gerichtsdiener und zwei Gerichtsschreiber begleiteten ihn; der Gouverneur der Bastille ging an seiner Seite.
Bei seinem Eintritt erhob sich ein langes Gemurmel des Mitgefühls und der Achtung von den Bänken des Parlamentshofes. Es wurde durch einen mächtigen Zuruf von Außen erwidert. Das war das Volk, das den Angeklagten begrüßte und seinen Richtern empfahl.
Der Prinz Louis war bleich und sehr bewegt. In einem langen Galakleid erschien er mit der Ehrfurcht und der Unterwürfigkeit, welche ein Angeklagter den Richtern schuldig ist, deren Gerichtsbarkeit er annimmt und anruft.
Man bezeichnete dem Cardinal, dessen Augen den Umkreis geschaut hatten, einen Lehnstuhl, und nachdem der Präsident ihn begrüßt und ein ermuthigendes Wort zu ihm gesprochen hatte, bat ihn der ganze Hof mit einem Wohlwollen, das die Blässe und die Gemüthserschütterung des Angeklagten verdoppelte, er möchte sich setzen.
Als er das Wort nahm, erregten seine zitternde, von Seufzern gehemmte Stimme, seine getrübten Augen, seine demüthige Haltung ein tiefes Mitleid bei den Versammelten. Er erklärte sich langsam, bewegte sich mehr in Entschuldigungen, als in Beweisen, in Bitten, als in Schlußketten, und als er, der beredte Mann, plötzlich inne hielt, brachte er durch diese Lähmung seines Geistes und seines Muthes eine mächtigere Wirkung hervor, als alle Vertheidigungsreden und Beweisführungen.
Dann erschien Oliva; das arme Mädchen fand wieder den Schemel. Viele Leute bebten, als sie dieses lebendige Ebenbild der Königin auf dem Sitze der Schande sahen, den Jeanne von La Mothe eingenommen hatte; dieses Gespenst von Marie Antoinette, der Königin von Frankreich, auf dem Schemel der Diebinnen und Fälscherinnen erschreckte die eifrigsten Verfolger der Monarchie. Doch das Schauspiel lockte auch Mehrere an, wie das Blut, das man den Tiger kosten läßt.
Man sagte sich überall, die arme Oliva habe soeben in der Kanzlei ihr Kind verlassen, das sie stillte, und als die Thüre sich geöffnet, hatte auch das Gewimmer des Sohnes von Herrn Beausire schmerzlich zu Gunsten seiner Mutter plaidirt.
Nach Oliva erschien Cagliostro, der am Mindesten Schuldige von Allen. Man hieß ihn nicht sitzen, obgleich man den Lehnstuhl in der Nähe des Schemels beibehalten hatte.
Der Parlamentshof hatte eine Furcht vor der Vertheidigungsrede von Cagliostro. Ein Anschein von Verhör, abgeschnitten durch das: » es ist gut!« des Präsidenten d'Aligre, entsprach den Bedürfnissen der Formalitäten.
Und nun verkündigte der Parlamentshof, die Debatten seien geschlossen und die Berathung beginne. Die Menge verlief sich langsam in den Straßen und auf den Quais, mit dem Vorsatze, in der Nacht wiederzukommen, um das Urtheil zu hören, das, wie man sagte, bald ausgesprochen werden sollte.