Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 55
»Sie Ihnen entführt! aus Ihrem Hause?«
»Aus meinem Hause.«
»Das ist seltsam.«
»Nicht wahr? Und ich hätte mich darauf verdammen lassen, daß es Frau von La Mothe gewesen sei. An welchen Fäden hängen die Urtheile der Welt!«
Herr von Crosne näherte sich Cagliostro und sprach:
»Ich bitte Sie, erklären Sie sich umständlicher.«
»Oh! mein Herr, nun, da Sie Oliva mit Beausire gefunden haben, wird mich nichts mehr auf den Gedanken an Frau von La Mothe, an ihre Bestrebungen, an ihre Zeichen, an ihre Correspondenzen bringen.«
»Mit Oliva?«
»Ja wohl.«
»Frau von La Mothe und Oliva waren im Einverständniß?«
»Vollkommen.«
»Sie sahen sich?«
»Frau von La Mothe hatte Mittel gefunden, sie jede Nacht ausgehen zu lassen.«
»Jede Nacht! sind Sie dessen sicher?«
»So sicher, als ein Mensch dessen, was er gehört hat, sein kann.«
»Oh! mein Herr, Sie sagen mir da Dinge, die ich mit tausend Livres für jedes Wort bezahlen würde. Welches Glück für mich, daß Sie Gold machen!«
»Ich mache keines mehr, mein Herr, es war zu theuer.«
»Doch Sie sind der Freund des Herrn von Rohan?«
»Ich glaube es.«
»Aber Sie müssen wissen, wie viel dieses Intriguenelement, das man Frau von La Mothe nennt, Antheil an seiner ärgerlichen Angelegenheit hat?«
»Nein, ich will das nicht wissen.«
»Doch, Sie wissen vielleicht die Folgen der Spaziergänge, welche Oliva und Frau von La Mothe mit einander gemacht haben?«
»Mein Herr, es gibt Dinge, welche der kluge Mann immer nicht zu wissen suchen muß,« erwiderte Cagliostro spruchreich.
»Ich werde nur noch die Ehre haben, Sie Eines zu fragen,« sagte lebhaft Herr von Crosne. »Haben Sie Beweise, daß Frau von La Mothe mit Oliva correspondirte?«
»Hundert.«
»Welche?«
»Billete von Frau von La Mothe, die sie zu Oliva mit einer Armbrust schleuderte, welche man ohne Zweifel in ihrer Wohnung finden wird. Um ein Stück Blei gewickelt, haben mehrere von diesen Billeten das Ziel nicht erreicht. Sie fielen auf die Straße, wo einige von meinen Leuten oder von mir aufgehoben wurden.«
»Mein Herr, würden Sie dieselben dem Gerichte überliefern?«
»Oh! sie sind von einer solchen Unschuld, daß ich mir kein Bedenken daraus machte, und daß ich deßhalb keinen Vorwurf von Seiten der Frau von La Mothe zu verdienen glaubte.«
»Und … die Beweise des Einverständnisses, der Rendezvous?«
»Tausend.«
»Ich bitte Sie, geben Sie mir einen einzigen.«
»Den besten. Es scheint, daß es Frau von La Mothe leicht war, in mein Haus einzutreten, um Oliva zu besuchen, denn ich habe sie dort an demselben Tage gesehen, an dem die junge Frau verschwand.«
»An demselben Tage?«
»Alle meine Leute haben sie gesehen, wie ich.«
»Ah! … und was wollte sie, wenn Oliva verschwunden war?«
»Das fragte ich mich auch sogleich, und ich konnte es mir nicht erklären. Ich hatte Frau von La Mothe aus einer Postchaise aussteigen sehen, welche in der Rue du Roi-Doré wartete. Meine Leute hatten diesen Wagen lange auf derselben Stelle halten sehen, und mein Gedanke, ich muß es gestehen, war, Frau von La Mothe wolle sich Oliva beigesellen.«
»Sie ließen gewähren?«
»Warum nicht? Es ist eine mildherzige und vom Schicksal begünstigte Dame, diese Frau von La Mothe. Sie wird bei Hofe empfangen. Warum sollte ich sie verhindert haben, mich von Oliva zu befreien? Ich hätte Unrecht gehabt, wie Sie sehen, da ein Anderer sie mir entführte, um sie abermals zu verderben.«
»Ah!« sagte Herr von Crosne tief nachsinnend, »Mlle. Oliva war bei Ihnen einquartiert?«
»Ja, mein Herr.«
»Ah! Mlle. Oliva und Frau von La Mothe kannten sich, sahen sich und gingen mit einander aus?«
»Ja, mein Herr.«
»Ah! Frau von La Mothe ist am Tag der Entführung Oliva's bei Ihnen gesehen worden?«
»Ja, mein Herr.«
»Ah! Sie dachten, die Gräfin habe sich das Mädchen beigesellen wollen?«
»Was sollte ich Anderes denken?«
»Aber was hat Frau von La Mothe gesagt, als sie Oliva nicht mehr bei Ihnen fand?«
»Sie kam mir sehr beunruhigt vor.«
»Sie vermuthen, dieser Beausire habe sie entführt?«
»Ich vermuthe es einzig und allein, weil Sie mir sagen, daß er sie wirklich entführt habe, sonst würde ich nichts vermuthen. Dieser Mensch wußte Oliva's Wohnung nicht, wer kann sie ihm genannt haben?«
»Oliva selbst.«
»Ich glaube nicht, denn statt sich von ihm aus meinem Hause entführen zu lassen, wäre sie selbst von mir zu ihm entflohen, und ich bitte Sie, zu glauben, daß er nicht in mein Hotel hereingekommen wäre, hätte ihm nicht Frau von La Mothe einen Schlüssel zustellen lassen.«
»Sie hatte einen Schlüssel?«
»Es läßt sich nicht daran zweifeln.«
»Bitte, an welchem Tage entführte man sie?« fragte Herr von Crosne, plötzlich erleuchtet durch die Fackel, die ihm Cagliostro so geschickt reichte.
»Oh! mein Herr, darin werde ich mich nicht täuschen, es war gerade am Tag vor dem Ludwigsfest.«
»So ist es!« rief der Policei-Lieutenant, »so ist es! mein Herr, Sie haben dem Staat einen ausgezeichneten Dienst geleistet.«
»Das macht mich sehr glücklich.«
»Und Sie werden den gebührenden Dank dafür erhalten.«
»Vor Allem durch mein Gewissen,« sagte der Graf.
Herr von Crosne verbeugte sich.
»Darf ich auf die Niederlegung der Beweise, von denen Sie sprechen, hoffen?« sagte er noch.
»Mein Herr, ich gehorche den Gerichten in allen Dingen.«
»Wohl, mein Herr, ich nehme Sie bei Ihrem Wort; auf die Ehre, Sie wiederzusehen!«
Und er entließ Cagliostro. Während dieser wegging, sagte er:
»Ah! Gräfin, ah! Natter, Du wolltest mich anklagen; ich glaube, Du hast auf die Feile gebissen; gib Acht auf Deine Zähne.«
LXXXIX.
Herr von Breteuil
Während Herr von Crosne diese Unterredung mit Cagliostro hatte, erschien Herr von Breteuil in der Bastille im Auftrage des Königs, um Herrn von Rohan zu befragen.
Die Zusammenkunft zwischen diesen zwei Feinden drohte stürmisch zu werden. Herr von Breteuil kannte aber den Stolz des Herrn von Rohan; er hatte ihm eine Rache abgewonnen, welche furchtbar genug war, daß er sich fortan an ein höfliches Verfahren halten konnte. Er war mehr als höflich. Herr von Rohan weigerte sich, zu antworten.
Der Siegelbewahrer blieb beharrlich; doch Herr von Rohan erklärte, er werde sich auf die Maßregeln verlassen, welche das Parlament und seine Richter beschlößen.
Herr von Breteuil mußte sich vor dem unerschütterlichen Willen des Angeklagten zurückziehen.
Er ließ Frau von La Mothe zu sich rufen, welche eben mit der Abfassung ihrer Denkwürdigkeiten beschäftigt war; sie gehorchte voll Eifer.
Herr von Breteuil erklärte ihr unumwunden ihre Lage, die sie besser als irgend Jemand kannte. Sie antwortete, sie habe Beweise von ihrer Unschuld, die sie liefern werde, wenn es nöthig sei. Herr von Breteuil bemerkte ihr, nichts könne dringlicher sein.
Jeanne gab jetzt die ganze Fabel preis, welche sie zusammengesetzt hatte: es waren immer dieselben Insinuationen gegen alle Welt, dieselbe Behauptung, die Fälschungen, die man ihr zum Vorwurf mache, rühren, sie wisse nicht, woher.
Sie erklärte auch, da das Parlament die Sache in die Hände genommen, so werde sie nichts absolut Wahres mehr, außer in Gegenwart des Cardinals und nach den Anschuldigungen, die er gegen sie erhebe, sprechen.
Herr von Breteuil sagte ihr sodann, der Cardinal lasse Alles auf ihr lasten.
»Alles?« versetzte Jeanne, »selbst den Diebstahl?«
»Selbst den Diebstahl!«
»Wollen Sie dem Herrn Cardinal erwidern,« sagte Jeanne mit kaltem Tone, »ich lasse ihn ermahnen, nicht länger ein so schlechtes Vertheidigungssystem zu behaupten.«
Und dieß war Alles. Doch Herr von Breteuil fühlte sich nicht befriedigt. Er brauchte einige geheime Einzelheiten. Er brauchte für seine Logik den Ausspruch der Ursachen, welche den Cardinal zu so großen Verwegenheiten gegen die Königin, die Königin zu einem solchen Zorn gegen den Cardinal geführt hatten.
Er brauchte die Erläuterungen aller vom Herrn Grafen von Provence gesammelten und in den Zustand öffentlicher Gerüchte übergegangenen Protocolle.
Der Siegelbewahrer war ein Mann von Geist, er verstand es, auf den Character einer Frau zu wirken; er versprach Frau von La Mothe Alles, wenn sie unumwunden Jemand bezüchtigte.
»Nehmen Sie sich in Acht,« sprach er zu ihr, »indem Sie nichts sagen, bezüchtigen Sie die Königin; nehmen Sie sich in Acht, wenn Sie hiebei beharren, werden Sie als der Majestätsbeleidigung schuldig verurtheilt; das ist die Schande; das ist der Strang.«
»Ich klage die Königin nicht an,« erwiderte Jeanne, »doch warum klagt man mich an?«
»So bezüchtigen Sie Jemand,« sprach der unbeugsame Breteuil; »Sie haben nur dieses Mittel, um sich frei zu machen.«
Sie verschloß sich in ein kluges Stillschweigen, und diese erste Zusammenkunft zwischen ihr und dem Siegelbewahrer hatte kein Resultat.
Indessen verbreitete sich das Gerücht, es haben sich Beweise erhoben; die Diamanten seien in England verkauft worden, wo man Herrn Reteau von Villette durch die Agenten des Herrn von Vergennes verhaftete.
Der erste Sturm, den Jeanne auszuhalten hatte, war furchtbar. Mit Reteau confrontirt, den sie für ihren Verbündeten bis zum Tod halten mußte, hörte sie diesen zu ihrem Schrecken ganz demüthig gestehen, er sei ein Fälscher, er habe einen Empfangschein für die Diamanten, einen Schuldbrief der Königin geschrieben und zugleich die Unterschrift der Juweliere und Ihrer Majestät gefälscht.
Befragt, aus welchem Beweggründe er diese Verbrechen begangen, antwortete er, es sei auf das Verlangen von Frau von La Mothe geschehen.
Verwirrt, wüthend, vertheidigte sie sich wie eine Löwin; sie behauptete, Herrn Reteau von Villette nie gesehen, nie gekannt zu haben. Doch hier erhielt sie zwei harte Stöße; zwei Zeugnisse schmetterten sie nieder.
Das erste kam von einem durch Herrn von Crosne aufgefundenen Fiakerkutscher, welcher erklärte, er habe an dem von Reteau bezeichneten Tag und zu der von ihm genannten Stunde eine so gekleidete Dame nach der Rue Montmartre geführt.
Diese Dame, welche sich mit so vielen Geheimnissen umgab, die der Kutscher im Quartier Marais aufgenommen, wer konnte sie anders sein als Frau von La Mothe, die in der Rue Saint-Claude wohnte?
Und was die Vertraulichkeit betrifft, welche zwischen diesen zwei Schuldgenossen bestand, wie ließ sie sich leugnen, wenn ein Zeuge behauptete, er habe am Tag vor dem Ludwigsfeste auf dem Bock einer Postchaise, aus der Frau von La Mothe ausgestiegen, Herrn Reteau von Villette gesehen, welcher an seinem bleichen, ängstlichen Gesichte kenntlich gewesen?
Der Zeuge war einer der ersten Diener des Herrn von Cagliostro.
Dieser Name machte Jeanne aufspringen und trieb sie zum Aeußersten. Sie verbreitete sich in Anklagen gegen Cagliostro, von dem sie erklärte, er habe durch seine Hexereien und Zaubermittel den Geist des Cardinals von Rohan geblendet und diesem dadurch strafbare Gedanken gegen die königliche Majestät eingegeben.
Dieß war der erste Ring von der Kette der Anklage auf Ehebruch.
Herr von Rohan vertheidigte sich, indem er Cagliostro vertheidigte. Er leugnete Alles, was Beziehung auf die Königin hatte. Er leugnete so hartnäckig, daß Jeanne, außer sich, zum ersten Mal die Bezüchtigung einer wahnsinnigen Liebe des Cardinals für die Königin aussprach.
Herr von Cagliostro verlangte sogleich eingesperrt zu werden, was er auch erhielt, um für seine Unschuld gegen Jedermann zu bürgen. Ankläger und Richter entflammten sich, wie dieß geschieht, bei dem ersten Hauche der Wahrheit, und die öffentliche Meinung nahm unmittelbar für den Cardinal und für Cagliostro gegen die Königin Partei.
Da geschah es, daß diese unglückliche Fürstin, um ihre Beharrlichkeit in Verfolgung des Processes begreiflich zu machen, die an den König über die nächtlichen Spaziergänge erstatteten Berichte veröffentlichen ließ, und, hierüber an Herrn von Crosne appellirend, diesen aufforderte, zu erklären, was er wußte.
Geschickt berechnet, fiel der Schlag auf Jeanne, und hätte sie beinahe auf immer vernichtet.
Der Verhörrichter forderte in vollem Instructionsrath Herrn von Rohan auf, zu erklären, was er von den Promenaden in den Gärten von Versailles wisse.
Der Cardinal erwiderte, er verstehe nicht zu lügen und berufe sich auf das Zeugniß der Frau von La Mothe.
Diese leugnete, daß je Promenaden mit ihrer Theilnahme oder ihrem Wissen vorgekommen seien.
Sie erklärte die Protocolle und Berichte, welche aussagten, sie sei in den Gärten in Gesellschaft der Königin oder des Cardinals erschienen, für eitel Lügen.
Diese Erklärung sprach die Unschuld der Königin aus, wenn es möglich gewesen wäre, an die Worte einer des Diebstahls und der Fälschung bezüchtigten Frau zu glauben. Doch von dieser Seite kommend, schien die Rechtfertigung ein Act der Gefälligkeit zu sein, und die Königin ertrug es nicht, auf diese Weise gerechtfertigt zu werden.
Als Jeanne am Stärksten schrie, sie sei nie nächtlicher Weise im Garten von Versailles erschienen, und nie habe sie etwas von den Privatangelegenheiten der Königin und des Cardinals gesehen oder erfahren, da erschien Oliva, ein lebendiges Zeugniß, das die Meinung veränderte und das ganze Gerüste der von der Gräfin aufgehäuften Lügen zerstörte.
Wie wurde sie nicht unter den Trümmern begraben, wie erhob sie sich wieder gehässiger und schrecklicher als je? Wir erklären uns diese Erscheinung nur durch ihren Willen, wir erklären uns dieselbe nur durch den unseligen Einfluß, der sich an Marie Antoinette anhing.
Oliva mit dem Cardinal confrontirt, welch ein furchtbarer Schlag! Herr von Rohan bemerkte endlich, daß er auf eine schändliche Weise betrogen worden war; dieser Mann voll Zartgefühl und voll edler Leidenschaften mußte entdecken, daß eine Abenteurerin in Verbindung mit einer Spitzbübin ihn dahin gebracht, daß er ganz laut die Königin von Frankreich verachtet hatte, eine Frau, die er liebte und die nicht schuldig war!
Die Wirkung dieser Erscheinung auf Herrn von Rohan wäre, wenn wir wollten, die dramatischste und gewichtigste Scene dieser Angelegenheit, würden wir nicht, indem wir uns der Geschichte näherten, in den Koth, in das Blut und das Entsetzen fallen.
Als Herr von Rohan Oliva, diese Königin von der Straßenecke, sah und sich der Rose, des Händedrucks und der Apollo-Bäder erinnerte, da erbleichte er, und er hätte all sein Blut zu den Füßen von Marie Antoinette vergossen, würde er sie in diesem Augenblick an der Seite der Andern gesehen haben.
Welche Verzeihungen, welche Gewissensbisse sprangen aus seiner Seele hervor, um mit seinen Thränen hinzugehen und die letzten Stufen dieses Thrones zu reinigen, wo er eines Tages seine Geringschätzung nebst der Sehnsucht einer verachteten Liebe ergossen hatte!
Doch auch dieser Trost war ihm versagt; doch er konnte die Identität Oliva's nicht annehmen, ohne zu gestehen, er liebe die wahre Königin; doch das Geständniß seines Irrthums selbst war eine Anschuldigung, eine Befleckung. Er ließ Jeanne Alles leugnen und schwieg.
Und als Herr von Breteuil mit Herrn von Crosne Jeanne nöthigen wollte, sich weiter zu erklären, sprach sie:
»Das beste Mittel, zu beweisen, daß die Königin nicht in der Nacht im Parke spazieren gegangen, ist, eine Frau zu zeigen, die der Königin gleicht und behauptet, sie sei im Park gewesen. Man zeigt sie; es ist gut.«
Diese schändliche Insinuation hatte günstigen Erfolg, sie entkräftete noch einmal die Wahrheit.
Als aber Oliva in ihrer treuherzigen Angst alle Einzelheiten angab und alle Beweise lieferte, als sie nichts ausließ, als sie es dahin brachte, daß man ihr viel mehr glaubte, als der Gräfin, da nahm Jeanne ihre Zuflucht zu einem verzweifelten Mittel: sie gestand.
Sie gestand, sie habe den Cardinal nach Versailles geführt, Seine Eminenz habe um jeden Preis die Königin sehen und ihr die Versicherung seiner ehrfurchtsvollen Zuneigung geben wollen; sie gestand, weil sie hinter sich eine ganze Partei fühlte, die sie nicht hatte, wenn sie beim Leugnen verblieb; sie gestand, weil sie, indem sie die Königin anschuldigte, alle Feinde der Königin, und ihre Zahl war groß, zum Beistand für sich gewann.
Da wechselten zum zehnten Mal die Rollen in diesem höllischen Proceß: der Cardinal spielte die eines Bethörten, Oliva die einer gemeinen Dirne ohne Poesie und ohne Verstand, Jeanne die einer Intrigantin; sie konnte sich keine bessere wählen.
Doch um diesen niederträchtigen Plan gelingen zu machen, mußte die Königin auch eine Rolle darin spielen: man gab ihr die gehässigste, die verworfenste, wodurch die königliche Würde am meisten an den Pranger gestellt wurde, die Rolle einer unbesonnenen Cokette, einer Grisette, welche Mystificationen anzettelt. Marie Antoinette wurde Dorimène, wie sie mit Frosine gegen Herrn Jourdain, den Cardinal, sich verschwört.
Jeanne erklärte, diese Promenaden haben mit dem Gutheißen von Marie Antoinette stattgefunden, welche hinter einer Hagenbuche sich halb todt gelacht habe, als sie die leidenschaftlichen Reden des verliebten Herrn von Rohan gehört.
Diese letzte Verschanzung wählte die Diebin, welche nicht mehr wußte, wo sie ihren Diebstahl verbergen sollte; dieß war der königliche Mantel, gemacht aus der Ehre von Maria Theresia und Maria Leczinska.
Die Königin erlag dieser letzten Anschuldigung, denn sie konnte ihre Falschheit nicht beweisen, sie konnte sie nicht beweisen, weil Jeanne, auf das Aeußerste getrieben, erklärte, sie würde alle von Herrn von Rohan an die Königin geschriebenen Liebesbriefe veröffentlichen, und weil sie in der That diese von wahnsinniger Liebe glühenden Briefe besaß.
Sie konnte es nicht, weil Mademoiselle Oliva, welche von Jeanne in den Part geführt worden zu sein behauptete, keinen Beweis hatte, daß Jemand hinter den Hagebuchen gehorcht oder nicht gehorcht.
Endlich konnte die Königin ihre Unschuld nicht beweisen, weil zu viele Personen ein Interesse hatten, diese schändlichen Lügen für die Wahrheit zu nehmen.
XC.
Eine letzte Hoffnung
Bei der Wendung, welche Jeanne der Sache gegeben hatte, wurde es, wie man sieht, unmöglich, die Wahrheit zu entdecken.
Auf eine unverwerfliche Weise durch zwanzig von glaubwürdigen Personen herrührende Zeugschaften des Diamanten-Diebstahls überwiesen, konnte sich Jeanne nicht entschließen, für eine gemeine Diebin zu gelten. Sie bedurfte der Schande von irgend Jemand an der Seite der ihrigen. Sie überredete sich, der Lärm von dem Scandal in Versailles werde ihr eigenes Verbrechen so vollständig übertäuben, daß im Fall einer Verurtheilung der Spruch hauptsächlich die Königin treffen müßte.
Ihre Berechnung war gescheitert. Die Königin, indem sie offen die Debatte über die doppelte Ungelegenheit annahm, der Cardinal, indem er sich seinem Verhör, den Richtern und dem Scandal unterzog, raubten ihrer Feindin die Glorie der Unschuld, die sie mit allen ihren heuchlerischen Zurückhaltungen zu vergolden sich gefallen hatte.
Aber eine seltsame Erscheinung! Das Publicum sollte vor seinen Augen einen Proceß sich entrollen sehen, in dem Niemand unschuldig wäre, selbst nicht diejenigen, welche die Gerichte freisprechen würden.
Nach zahllosen Confrontationen, in denen der Cardinal beständig ruhig und artig blieb, selbst gegen Jeanne, während diese sich heftig und bösartig gegen Alle geberdete, war die öffentliche Meinung im Allgemeinen und die der Richter in's Besondere unwiderruflich festgestellt.
Alle Zwischenfälle waren beinahe unmöglich geworden, alle Offenbarungen waren erschöpft. Jeanne bemerkte, daß sie keine Wirkung auf ihre Richter hervorgebracht hatte.
Sie faßte in der Stille des Kerkers alle ihre Kräfte, alle ihre Hoffnungen zusammen.
Von Allem, was Herrn Breteuil umgab oder ihm diente, kam Jeanne der Rath zu, die Königin zu schonen und den Cardinal mitleidslos im Stich zu lassen.
Von Allem, was mit dem Cardinal in Berührung stand, einer mächtigen Familie, für die volksthümliche Sache parteiischen Richtern, einer an Mitteln fruchtbaren Geistlichkeit, kam Frau von La Mothe der Rath zu, die volle Wahrheit zu sagen, die Intriguen des Hofes zu entlarven und den Lärm auf einen Grad zu treiben, daß daraus eine für die gekrönten Häupter tödtliche Betäubung erfolgte.
Diese Partei suchte Jeanne einzuschüchtern, sie stellte ihr abermals vor, was sie nur zu gut wußte, nämlich, daß die Mehrzahl der Richter sich auf die Seite des Cardinals neige, daß sie ohne Nutzen in dem Kampf scheitern und in Stücke gehen werde, und man fügte bei, halb verloren, wie sie sei, wäre es besser für sie, sich wegen der Sache der Diamanten verurtheilen zu lassen, als Verbrechen der Majestätsbeleidigung aufzurühren, einen blutigen, im Grunde der Feudalgesetzbücher eingeschlafenen Schlamm, den man nie an die Oberfläche eines Processes rufe, ohne auch zugleich den Tod aufsteigen zu machen.
Diese Partei schien ihres Sieges gewiß. Sie war es. Die Begeisterung des Volks gab sich mit dieser zu Gunsten des Cardinals kund. Die Männer bewunderten seine Geduld und die Frauen seine Discretion. Die Männer waren darüber entrüstet, daß man ihn so schändlich hintergangen; die Frauen wollten es nicht glauben. Oliva, obgleich sie lebte, existirte für eine Anzahl Leute mit ihrer Aehnlichkeit und ihren Geständnissen gar nicht, oder wenn sie existirte, so hatte die Königin sie ausdrücklich für diesen Umstand erfunden.
Jeanne überlegte dieß Alles. Ihre Advocaten selbst verließen sie, ihre Richter verhehlten ihren Widerwillen nicht; die Rohan belasteten sie kräftig; die öffentliche Meinung verachtete sie. Sie beschloß einen letzten Schlag zu thun, um ihren Richtern Unruhe, den Freunden des Kardinals Angst einzuflößen, und den öffentlichen Haß gegen Marie Antoinette noch mehr aufzustacheln.
Ihr Mittel in Beziehung auf den Hof sollte folgendes sein:
Glauben machen, sie habe fortwährend die Königin geschont, und sie würde Alles entschleiern, wenn man sie auf das Aeußerste triebe.
In Beziehung auf den Cardinal mußte sie glauben machen, sie behaupte ihr Stillschweigen nur, um seine Zartheit nachzuahmen; doch sobald er spräche, würde sie, durch dieses Beispiel ihrer Pflicht entbunden, auch sprechen, und alle Beide würden zugleich ihre Unschuld und die Wahrheit enthüllen.
Das war wirklich nur ein Inbegriff ihres Benehmens während der Instruction des Processes. Doch ist es nicht zu leugnen, alle bekannten Gerichte lassen sich durch neue Würze verjüngen. Man vernehme, was die Gräfin ersann, um ihre zwei Stratageme aufzufrischen.
Sie schrieb an die Königin einen Brief, dessen Ausdrücke allein seinen Character und seine Tragweite enthüllen können:
»Madame,
»Was meine Lage auch Peinliches und Hartes hat, es ist mir doch nicht eine Klage entschlüpft. Alle Winkelzüge und Schleichwege, deren man sich bedient, um mir Geständnisse zu erpressen, haben nur dazu beigetragen, mich zu bestärken in dem Entschluß, meine Gebieterin nicht bloßzustellen.
»So sehr ich aber überzeugt bin, daß meine Beharrlichkeit und meine Verschwiegenheit mir die Mittel erleichtern müssen, der Verlegenheit zu entkommen, in der ich mich befinde, so bekenne ich doch, daß die Anstrengungen der Familie des Sclaven (so nannte die Königin den Cardinal in den Tagen ihrer Versöhnung) mich befürchten lassen, daß ich ihr Opfer werde.
»Eine lange Haft, Confrontationen, welche kein Ende nehmen, die Scham und die Verzweiflung, daß ich mich eines Verbrechens bezüchtigt sehe, dessen ich nicht schuldig bin, haben meinen Muth geschwächt, und ich habe bange, meine Standhaftigkeit könnte so vielen gleichzeitigen Schlägen erliegen.
»Madame könnte dieser unglücklichen Angelegenheit mit einem einzigen Wort ein Ziel setzen durch die Vermittlung des Herrn von Breteuil, der ihr in den Augen des Ministers (des Königs) die Wendung zu geben im Stande ist, die ihm sein Verstand einflüstern wird, ohne daß Madame auf irgend eine Weise bloßgestellt ist. Die Furcht, ich dürfte genöthigt sein, Alles zu enthüllen, veranlaßt mich zu dem Schritt, den ich heute in der Ueberzeugung thue, Madame werde die Beweggründe berücksichtigen, die mich zwingen, meine Zuflucht hiezu zu nehmen, und sie werde Befehle geben, mich der schmerzlichen Lage zu entziehen, in der ich mich befinde.
»Ich bin mit tiefer Ehrfurcht Eurer Majestät unterthänigste Dienerin,
Gräfin Valois von La Mothe.«
Jeanne hatte, wie man sieht, Alles berechnet.
Entweder würde der Brief an die Königin gelangen und sie durch die Beharrlichkeit, die er nach so vielen Querzügen verrieth, erschrecken, und dann würde sich die Königin, die des Kampfes müde sein müßte, entschließen, der Sache durch die Freilassung Jeanne's ein Ende zu machen, da ihre Haft und ihr Proceß zu nichts geführt hatten.
Oder, was noch viel wahrscheinlicher und durch das Ende des Briefes selbst dargethan ist, Jeanne zählte in keiner Hinsicht auf den Brief, und das ist leicht zu erweisen: denn so in den Proceß hinein versetzt, konnte die Königin nichts aufhalten, ohne sich selbst zu verurtheilen. Es ist also augenscheinlich, daß Jeanne nie darauf gerechnet hatte, der Brief würde der Königin übergeben werden.
Sie wußte, daß alle ihre Wächter dem Gouverneur der Bastille, das heißt Herrn von Breteuil ergeben waren. Sie wußte, daß alle Welt in Frankreich aus der Halsband-Sache eine ganz politische Speculation machte, was seit den Parlamenten des Herrn von Maupeou nicht mehr geschehen. Es war gewiß, daß der Bote, den sie mit diesem Briefe beauftragte, wenn er ihn nicht dem Gouverneur gab, ihn für sich oder für die Richter von seiner Meinung behalten würde. Sie hatte endlich Alles so eingerichtet, daß dieser Brief, in irgend welche Hände fallend, darin einen Sauerteig von Haß, Verachtung und Unehrerbietigkeit gegen die Königin niederlegte.
Zu gleicher Zeit, da sie diesen Brief an die Königin schrieb, faßte sie einen anderen an den Cardinal ab:
»Ich kann nicht begreifen, Monseigneur, warum Sie sich hartnäckig weigern, klar zu sprechen. Mir scheint, Sie können nichts Besseres thun, als unseren Richtern ein unbegrenztes Vertrauen gewähren: unser Loos würde sich glücklicher gestalten. Ich meines Theils bin entschlossen, zu schweigen, wenn Sie mir nicht beistehen wollen. Doch warum sprechen Sie nicht? Erklären Sie alle Umstände dieser geheimnißvollen Angelegenheit, und ich schwöre Ihnen, daß ich Alles bestätige, was Sie behaupten werden, bedenken Sie wohl, Herr Cardinal, wenn ich es auf mich nehme, zuerst zu sprechen, und Sie in Abrede ziehen, was ich sagen dürfte, so bin ich verloren, so werde ich der Rache derjenigen nicht entgehen, welche uns aufopfern will.
»Doch Sie haben nichts Aehnliches von meiner Seite zu befürchten, meine Ergebenheit ist Ihnen bekannt. Sollte sie unversöhnlich sein, so wäre Ihre Sache immer die meinige; ich würde Alles opfern, um Sie den Wirkungen ihres Hasses zu entziehen, oder unsere Ungnade wäre eine gemeinschaftliche.
»N.S. Ich habe einen Brief an sie geschrieben, der sie hoffentlich bestimmen wird, wenn nicht die Wahrheit zu sagen, doch wenigstens uns nicht zu erdrücken, da wir uns kein anderes Verbrechen vorzuwerfen haben, als unsern Irrthum oder unser Stillschweigen.«
Diesen künstlichen Brief übergab sie dem Cardinal bei ihrer letzten Confrontation im großen Sprechzimmer der Bastille, und man sah den Cardinal einer solchen Frechheit gegenüber erröthen, erbleichen, beben. Er ging hinaus, um Athem zu schöpfen.
Den Brief an die Königin übergab die Gräfin in demselben Augenblick dem Abbé Lekel, Almosenier der Bastille, der den Cardinal in's Sprechzimmer begleitet hatte und den Interessen der Rohan ergeben war.
»Mein Herr,« sagte sie zu ihm, »Sie können, indem Sie diesen Auftrag vollziehen, eine Aenderung im Schicksal des Herrn von Rohan und in dem meinigen herbeiführen. Nehmen Sie Kenntniß von dem, was er enthält. Sie sind ein durch seine Pflichten zur Verschwiegenheit verbundener Mann. Sie werden sehen, daß ich an der einzigen Thüre angeklopft habe, wo wir, der Cardinal und ich, Hilfe suchen können.
Der Almosenier weigerte sich.
»Sie sehen keinen andern Geistlichen als mich,« erwiderte er, »Ihre Majestät wird glauben, Sie haben meinen Rathschlägen gemäß geschrieben, und Sie haben mir alles gestanden; ich kann mich nicht selbst ins Verderben stürzen.«
»Nun wohl!« sprach Jeanne, am Gelingen ihrer List verzweifelnd, während sie jedoch den Cardinal durch die Einschüchterung zwingen wollte, »sagen Sie dem Herrn Cardinal, es bleibe mir ein Mittel, meine Unschuld zu beweisen, nemlich wenn ich die Briefe lesen lasse, die er an die Königin geschrieben hat. Es widerstrebte mir, von diesem Mittel Gebrauch zu machen; doch in unserem gemeinschaftlichen Interesse werde ich mich hiezu entschließen.«
Und als sie den Almosenier über diese Drohung erschrocken sah, versuchte sie es zum letzten Mal, ihm ihren furchtbaren Brief an die Königin in die Hand zu schieben.
»Nimmt er den Brief,« sagte sie zu sich selbst, »so bin ich gerettet, weil ich ihn dann in voller Sitzung frage, was er damit gemacht, ob er ihn der Königin übergeben und sie aufgefordert habe, darauf zu antworten; hat er ihn nicht übergeben, so ist die Königin verloren; das Zögern der Rohan wird ihr Verbrechen und meine Unschuld bewiesen haben.«
Doch kaum hatte der Abbé Lekel den Brief in den Händen, so gab er ihr denselben zurück, als ob er ihn brennte.
»Bedenken Sie wohl, daß Sie keine Gefahr laufen,« sagte Jeanne bleich vor Zorn, »ich habe den Brief der Königin in einem Umschlag unter der Adresse der Frau von Misery verborgen.«
»Ein Grund mehr!« rief der Abbé, »zwei Personen würden das Geheimiß erfahren. Ein doppeltes Motiv des Unwillens für die Königin. Nein, nein, ich thue es nicht.«
Und er stieß die Finger der Gräfin zurück.
»Bemerken Sie wohl,« sagte sie, »Sie treiben mich so weit, daß ich von den Briefen des Herrn von Rohan Gebrauch mache.«
»Gut,« erwiderte der Abbé, »machen sie davon Gebrauch, Madame.«
»Aber,« sprach Jeanne zitternd vor Wuth, »da ich Ihnen erkläre, daß der Beweis eines geheimen Briefwechsels mit Ihrer Majestät den Kopf des Cardinals auf einem Schaffot fallen macht, steht es Ihnen frei, zu sagen: Gut! … Ich werde Sie gewarnt haben.«
Die Thüre öffnete sich wieder, der Cardinal erschien stolz und zornmüthig auf der Schwelle und rief:
»Lassen Sie das Haupt eines Rohan auf einem Schaffot fallen, Madame, es wird nicht das erste Mal sein, daß die Bastille dieses Schauspiel gesehen hat. Doch da dem so ist, erkläre ich Ihnen, daß ich dem Schaffot, auf das mein Kopf rollt, nichts zum Vorwurf machen werde, wenn ich nur das Gerüste sehe, auf dem man Sie als Diebin und Fälscherin brandmarken wird. Kommen Sie, Abbé, kommen Sie.«