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Kitabı oku: «Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters», sayfa 24

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In Perm begannen wir Verbannten zu begegnen; es waren Polen, die entweder einen entfernten Antheil an der Verschwörung genommen, oder dieselbe nicht entdeckt hatten, und welche gleich jenen Seelen, denen Dante am Eingange der Hölle begegnet, nicht würdig geachtet waren, mit den gänzlich Verdammten zusammen zu wohnen.

Diese Verbannung ist übrigens, abgerechnet den Verlust des Vaterlandes und die Entfernung von der Familie, so erträglich, als eine Verbannung nur sein kann. Perm muß im Sommer eine hübsche Stadt sein, und im Winter steigt die Kälte gewöhnlich nicht über 35 bin 38 Grad, während man zu Tobolsk Zeiten anführt, wo sie bin zu 50 Grad gestiegen ist.

Am zweiten Tage begaben wir uns in unserer Telegue wieder auf den Weg, deren Härte wir durch die dicke den Boden bedeckende Schneelage nicht gewahr wurden; übrigens hatte uns das neue Ansehen, welches die Landschaft angenommen hatte, beim Herausfahren aus Perm das Herz beklemmt. In der That war unter dem, von der Hand Gottes ausgebreiteten Leichentuche Alles, Straßen, Wege, Flüsse verschwunden; es war ein unermeßliches Meer, auf dem man ohne einige einsam stehende Bäume, welche den mit der Örtlichkeit vertrauten Postillonen zum Anhalt dienten, wie auf einem wirklichen Meere eines Kompasses bedurft hätte.

Von Zeit zu Zeit erschien ein finsterer Tannenwald, dessen Zweige mit Diamantfransen behangen waren, gleich einer Insel zu unserer Rechten, oder zu unserer Linken, oder auf unserem Wege, und in diesem letzteren Falle erkannten wir an der durch die Bäume gebrochenen Oeffnung, daß wir und nicht von der Straße entfernt hätten. Auf diese Weise legten wir ohngefähr fünfzig Meilen Weges zurück, und vertieften uns in ein Land, das uns durch den es bedeckenden Schleier immer wilder und wilder schien. In dem Maße, als wir weiter kamen, wurden die Posten bis zu dem Grade seltener, daß sie zuweilen dreißig Werste, das heißt beinahe acht Meilen von einander entfernt waren.Im Ankommen vor diesen Posten war es nicht mehr wie auf der Strecke zwischen St. Petersburg und Moskau, wo wir immer eine lärmende und lustige Gesellschaft vor der Thür fanden; es war im Gegentheile eine beinahe gänzliche Einsamkeit. Ein oder zwei Menschen nur hielten sich in, durch einen jener großen Ofen, die das nothwendigste Möbel der ärmsten Hütte sind, geheizten armseligen Häuschen auf; bei dem Lärm, welchen wir machten, sprang einer den ihnen, eine lange Gerte in der Hand, auf ein ungesatteltes Pferd, vertiefte sich in irgend ein Tannendickicht, und kam darauf bald wieder hervor, indem er eine Heerde wilder Pferde vor sieh her trieb. Nun mußte der Postillon der letzten Post, Iwan, und zuweilen, ich selbst die Pferde an der Mähne packen, um sie mit Gewalt an unsere Telegue zu spannen. Sie zogen uns mit einer erschreckenden Schnelligkeit von dannen; aber diese Hitze beruhigte sich bald, denn, da es noch nicht gefroren hatte, so sanken sie bis an die Kniekehlen in den Schnee, und waren schnell ermüdet; nachdem wir hierauf eine Stunde länger, als wir zu jeder anderen Zeit gebraucht, auf dem Wege zugebracht hatten, verloren wir noch zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten auf jeder Post, wo sich immer dasselbe Treiben wieder erneuerte. So fuhren wir durch das ganze Gebiet, welches die Silwa und die Uja bewässert, deren Wellen, indem sie Stückchen von Gold, Silber und Platina, sowie Malachitkiesel mit sich führten, das Vorhandensein dieser reichen Metalle und dieser kostbaren Steine andeuteten.

So lange wir uns in dem ausgebeuteten Bezirke befanden, schien und das Land, durch welches wir fuhren, wegen der von den Familien der Bergleute bewohnten Dörfer wieder einiges Leben anzunehmen; aber bald hatten wir diese Gegend überschritten, und wir begannen nur Horizonte gleich einer durch einige schwarze Spitzberge ausgezackten Schneemauer des Uralgebirge zu sehen, diese mächtige Scheidewand, welche die Natur selbst zwischen Europa und Asien gestellt hat.

In dem Maße, als wir und näherten, bemerkte ich mit Vergnügen, daß die Kälte schärfer wurde, was uns einige Hoffnung gab, daß der Schnee Festigkeit genug zur Herstellung der Schlittenfahrt erhalten würde. Endlich langten wir am Fuße des Uralgebirges an, und wir hielten in einem elenden Dorfe von etwa zwanzig Häusern, in welchem wir keine andere Herberge, als die Post selbst fanden. Was und hauptsächlich zu diesem Aufenthalte bestimmte, war, daß, da die Kälte an Heftigkeit zunahm, wir unsere Telegue gegen einen Schlitten vertauschen mußten. Louise entschloß sich demnach, in diesem elenden Neste die Zeit über zuzubringen, welche und das Abwarten des vollständigen Frostes, die Auffindung eines Schlittens, und die Versetzung unseres Gepäckes in dieses neue Beförderungsmittel kosten würde. Wir traten demnach in die Hütte, welche unser Postillon kühn ein Wirthshaus nannte.

Das Hand mußte sehr arm sein, denn zum ersten Male fanden wir den klassischen Ofen nicht, sondern nur in der Mitte des Zimmers ein großes Feuer, dessen Rauch durch eine im Dach gelassen Oeffnung hinauszog; wir stiegen Nichts desto weniger aus, um unseren Platz am Heerde zu nehmen, den wir schon durch ein Dutzend Fuhrleute eingenommen fanden, welche, da sie auch über das Uralgebirge zu gehen hatten, alle warteten, bis der Uebergang möglich sei. Anfangs achteten sie nicht im Geringsten auf uns, als ich aber meinen Mantel abgeworfen, hatte mit meine Uniform bald einen Platz erobert; man zog sich ehrfurchtsvoll zurück, und ließ uns, Louisen und mir, eine ganze Hälfte des Kreises.

Das Dringendste war, und zu erwärmen, das war es demnach auch, das um der wir und zuerst bekümmerten; dann, als wir wieder ein wenig erwärmt waren, begann ich mich mit einer nicht minder wichtigen Sorge zu beschäftigen, nämlich der des Nachtessens. Ich rief den Wirth dieser unglückseligen Herberge, und gab ihm zu verstehen, was ich wünschte; aber, wie mir es vorkam, schien ihm dieser Wunsch eine sehr übertriebene Anmaßung, denn er zeigte auf mein Verlangen das höchste Erstaunen, und brachte mir die Hälfte eines schwarzen Brodes, indem er mir dabei zu verstehen gab, daß das Alles sei, was er und anzubieten vermögte. Ich sah Louisen an, welche mit ihrem süßen und ergebenen Lächeln schon die Hand darnach ausstreckte, und hielt sie auf, indem ich in den Wirth drang, ob er nicht irgend etwas Anderes fände; aber der arme Teufel, der an meiner Pantomime sah, daß ich mit dem Angebotenen unzufrieden sei, und etwas Besseres wünsche, öffnete mir Alles, was er an Schränken, Kisten und Kasten in seiner armseligen Baracke hatte, indem er mich einlud, selbst meine Nachforschung zu halten. In der That, als ich den Fuhrleuten, unseren Tischgenossen mit einiger Aufmerksamkeit zusah, so bemerkte ich, daß jeder aus seinem Kober sein Brod und ein Stück Speck nahm; nachdem er es damit gerieben, packte er seinen Speck sorgfältig wieder in seinen Kober, damit dieser fein ausgedachte Genuß so lange als möglich dauern möge. Ich stand im Begriffe, diese wackeren Leute. um die Erlaubniß zu bitten, zum Mindesten unser Brod ein wenig an ihren Speck reiben zu dürfen, als ich Iwan eintreten sah, dem es in der Ahnung unserer Noth gelungen war sich minder schwarzes Brod und zwei Hühner zu verschaffen, denen er, um unsere Empfindsamkeit zu schonen, schon den Hals umgedrehet hatte. Jetzt war an uns die Reihe, unsere Speckmänner zu verachten, die aber unserer Noth ins Fäustchen zu lachen schienen, und die jetzt durch unseren Luxus gedemüthigt waren.

Es war keine Zeit zu verlieren, denn die einen Augenblick durch den Anblick des uns von unserem Wirthe angebotenen Nachtessens unterbrochene Eßlust kehrte mit einer erschreckenden Schnelligkeit zurück; wir beschlossen, uns eine Suppe und einen Braten zu bereiten. Iwan machte einen Kochtopf los, den der Postillon aus allen Kräften auszuscheuern begann, während Louise und ich die Hühner rupften, und Iwan einen Bratspieß verfertigte. Nach Verlauf eines Augenblickes war Alles bereit, der Topf kochte in dicken Wellen, und der bei den Füßen an einen Faden aufgehängte Braten drehte sich wundervoll vor der Gluth.

Da wir anfingen, ein wenig beruhigt über unser Nachtessen zu sein, so bekümmerten wir uns um dasjenige, was hinsichtlich unserer Abreise beschlossen worden war. Es war unmöglich gewesen, sich einen Schlitten zu verschaffen, aber Iwan hatte die Schwierigkeiten abgewandt, indem er die Räder von unserer Telegue abnehmen und dieselbe auf Kufen hatte stellen lassen. Der Wagner des Ortes war in diesem Augenblicke damit beschäftigt, das Werk zu vollenden; was das Wetter: anbelangt, so schien es immer mehr und mehr auf Frost umzuschlagen, und es war die Hoffnung vorhanden, daß wir am folgenden Morgen abreisen könnten; diese gute Nachricht verdoppelte unseren Appetit, und es war lange her, daß ich nicht so gut, als an diesem Abende, zu Nacht gegessen hatte.

Was die Betten anbelangt, so wird man sich wohl einbilden, daß wir uns nicht einmal darnach erkundigt hatten, ob deren vorhanden seien; aber wir besaßen so vortreffliche Pelze, daß wir den Mangel derselben leicht ersetzen konnten. Wir hüllten uns demnach in unsere Pelze und in unsere Mäntel, und baten den Himmel, daß sich das Wetter in der guten Stimmung erhalten möge, in der es sich befand.

Gegen drei Uhr Morgens wurde ich durch ein ziemlich heftiges Prickeln im Gesicht geweckt. Ich richtete mich in sitzender Stellung auf, und bemerkte bei einem Reste der zitternden Flamme auf dem Heerde ein Hahn, das sich, am Abende vorher wohl gehütet hatte, sich zu zeigen, und das in unser Zimmer gekommen, sich die Reste unseres Mahles zu Gemüthe zu ziehen. Da ich nicht wußte, ob Iwan am folgenden Tage eben so glücklich sein würde, als er es am Abends: vorher gewesen war, und durch die Erfahrung unterrichtet, was wir in den Wirthshäusern an der Heerstraße zu finden gewärtig sein mußten, hütete ich mich wohl, das schätzenswerte Geflügel scheu zu machen, und legte mich im Gegentheile wieder, indem ich ihm alle Freiheit ließ, seine gastronomischen Nachforschungen fortzusetzen. In der That war ich kaum wieder in meine Unbeweglichkeit zurückgefallen, als es, dreist gemacht durch das Ungestrafte seines ersten Versuches, mit liebenswürdiger Vertraulichkeit wieder von meinen Füßen auf meine Kniee, und von meinen Knieen auf meine Brust hüpfte; aber da hörte seine Reise auf, ich faßte es mit der einen Hand bei den Pfoten, mit der anderen beim Kopfe, und bevor es noch Zeit gehabt hatte, einen Schrei auszustoßen, hatte ich ihm schon den Hals umgedreht.

Man wird errathen, daß nach einer solchen That, welche die Anwendung aller meiner Geisteskräfte nöthig machte, ich wenig zum Wiedereinschlafen gestimmt war; wenn ich es übrigens auch gewollt hätte, so wäre es mir wegen zwei Hähnen unmöglich gewesen, die von Minute zu Minute die Rückkehr des Morgens in verschiedenen Tönen zu begrüßen begannen. Ich stand demnach auf und ging hinaus, um die Beschaffenheit des Wetters zu untersuchen; es war so, als wir es nur hoffen konnten, und der Schnee war schon hart genug geworden, daß die Schlitten darüber hingleiten konnten.

Bei meiner Rückkunft zum Heerde sah ich, daß das Hahnengekrähe nicht mich allein erweckt hatte. Louise saß in ihre Pelze eingehüllt, indem sie lächelte, als ob sie die Nacht: im besten Bette zugebracht hätte, und schien nicht einmal an die Gefahren zu denken, die unserer wahrscheinlich in den Uralgebirgen warteten; was die Fuhrleute anbetrifft, so begannen auch sie Lebenszeichen von sich zu geben. Iwan schlief wie ein Seliger. Ob ich gleich unter gewöhnlichen Umständen die höchste Achtung vor dem Schlafe habe, so war doch die Lage zu ernsthaft, als daß ich den seinigen hätte schonen können. Die Fuhrleute waren einer nach dem anderen an die Thürschwelle gekommen, und beriethen sich unter sich; ich sah, daß dabei eine Verhandlung für und gegen die Abfahrt statt fand; ich weckte demnach Iwan, damit er an der Berathung Theil nähme, und sich an der Erfahrung dieser wackeren Leute belehrt, deren Stand es war, ohne Unterlaß den Europa nach Asien hinüber und herüber zu gehen, und Winter und Sommer den Weg zu machen, den wir einzuschlagen hatten.

Ich hatte mich nicht getäuscht, es fand eine Verschiedenheit der Meinungen statt. Einige den ihnen, und zu dieser Zahl gehörte der älteste und der erfahrenste, wollten noch einen oder zwei Tage da bleiben; die anderen, und das waren die jüngsten und die unternehmendsten, wollten abfahren; und Louise, die einige Worte den ihrer Bauernsprache verstand, war der Ansicht dieser Letzteren.

Sei es nun, daß Iwan den Bitten zugängig war, die ein hübscher Mund an ihn richtete, oder sei es, daß ihm das Wetter wirklich Bürgschaft genug zu bieten schien, er schloß sich der Partei derjenigen an, welche für die Abreise waren, und sehr wahrscheinlich führte er durch den Einfluß, den sein militairisches Kleid ganz natürlich in einem Lande ausübte, wo die Uniform Alles ist, einige den denen, die sich widersetzt hatten, zu dieser Ansicht, so daß, da die Mehrheit der Stimmen sich als Gesetz erklärte, jeder seine Vorbereitungen begann. Die Wahrheit ist, daß Iwan fürchtete, daß wir, wie auch der Entschluß der Fuhrleute ausfallen mögte, nichts desto weniger auf unserem Kopfe bestehen würden, und er den Weg lieber in Gesellschaft, als allein machen wollte.

Da es Iwan war, der unsere Rechnungen berichtigte, so trug ich ihm auf, dem Ganzen, was unser Wirth fordern würde, den Preis seines Huhnes zuzulegen, und übergab ihm dasselbe als einen Abschlag auf unser Nachtessen, indem ich ihn bat, dazu noch einigen anderen Vorrath hinzuzufügen, und besonders, wenn es möglich wäre, minder schwarzes Brod als dasjenige, auf welches wir am Abende zuvor beinahe beschränkt gewesen wären. Er machte sich nun auf die Einsammlung auf, und bald lehrte er mit einem zweiten Huhne, einem rohen Schinken, eßbarem Brode und einigen Flaschen eines rothen Branntweins zurück, der, wie ich glaube, ans Birkensaft verfertigt wird.

Während dieser Zeit schirrten die Fuhrleute ihre Pferde an, und ich ging selbst in den Stall, um die unsrigen zu wählen; aber nach dem Gebrauche befanden sie sich im benachbarten Walde. Unser Wirth weckte nun einen Knaben den zwölf bis fünfzehn Jahren, der in einem Winkel schlief, und befahl ihm, Jagd zu machen. Der arme kleine Teufel stand ohne Murren auf, nahm hierauf mit dem passiven Gehorsam eines Russischen Bauern eine lange Gerte, bestieg eines den den Pferden der Fuhrleute, und sprengte im Galopp davon. Inzwischen sollten sich die Fuhrleute einen Anführer wählen, der damit beauftragt würde, das Kommando der Karawane zu übernehmen; sobald dieser Anführer einmal erwählt ist, so muß sich jeder auf seine Erfahrung und seinen Muth verlassen, und ihm, wie ein Soldat seinem General, gehorchen; die Wahl fiel auf einen Fuhrmann Namens Georg.

Er war ein Greis von siebzig bis fünf und siebzig Jahren, dem man kaum fünf und vierzig gegeben hätte, mit athletischen Gliedmaßen, mit schwarzen, von dichten grauen Brauen beschatteten Augen und mit bleichendem langen Barte. Er trat mit einem, um den Körper herum durch einen ledernen Riemen zugeschnürten wollenen Hemde, Beikleidern von gestreiftem Molton, einer Pelzmütze und einem Hammelfell, den dem die Wolle nach inwendig gekehrt war, bekleidet. Er trug an der einen Seite des Gürtels zwei oder drei Hufeisen, die aneinander klapperten, einen Löffel und eine Gabel von Zinn, ein langes Messer, das die Mitte zwischen einem Dolche und einem Hirschfänger hielt; auf der anderen ein Beil mit kurzem Stiel, und einen Beutel, in welchem sich bunt durch einander ein Schraubenzieher, ein Bohrer, eine Pfeife, Tabak, Feuerschwamm, ein Feuerstahl, zwei Feuersteine, Nägel, Zangen und Geld befanden.

Das Costüm der anderen Fuhrleute war mit wenig Unterschied ohngefähr dasselbe.

Kann: war Georg mit seiner Würde als Anführer bekleidet worden, als er seine Verrichtungen damit begann, daß er Jedermann ohne Verzögerung anzuspannen befahl, damit man bis zur Nacht zu einer, ohngefähr auf dem dritten Theile des Weges gelegenen Art den Hütte gelangen könne; aber wie groß auch seine Eile, sich auf den Weg zu begeben, sein mochte, ich bat ihn abzuwarten, bis unsere Pferde angekommen waren, damit wir zusammen abfahren könnten. Die Bitte wurde uns auf das artigste von der Welt bewilligt. Die Fuhrleute traten wieder ein, und da unser Wirth einige Arme voll Tannen- und Birkenäste auf den Heerd geworfen hatte, so erhob sich den demselben eine Flamme, deren Werth wir in dem Momente, wo wir uns den ihr trennen sollten, erst recht zu schätzen wußten. Kaum hatten wir uns um das Feuer gereihet, als wir den Galopp der aus dem Walde zurückkehrenden Pferde hörten; zu gleicher Zeit öffnete sich die Thür, und der unglückliche Knabe, welcher die Pferde geholt hatte, stürzte, einen scharfen und unartikulirten Schrei ausstoßend, in das Zimmer; hierauf, durch den Kreis dringend, warf er sich, die Arme beinahe in die Flamme gestreckt, und als ob er sie verzehren wollte, vor unserem Feuer auf die Kniee. Alle Kräfte seines Wesens schienen der dem Wohlbehagen, dessen er genoß, zu verschwinden. So blieb er einen Augenblick lang ohne Bewegung, schweigend, gierig; endlich schlossen sich seine Augen, er sank in sich selbst zusammen stieß ein Stöhnen ans, und fiel zu Boden. Ich wollte ihn nun aufheben, und faßte ihn bei der Hand, als ich mir Schauder fühlte, daß meine Finger in sein Fleisch, wie in gekochtes Fleisch, eindrangen. Ich stieß einen Schrei aus, Louise wollte den Knaben in ihre Arme nehmen, aber ich hielt sie auf. Nun beugte sich Georg über ihn, sah ihn an, und sagte kalt: Er ist verloren.

Ich konnte nicht glauben, daß das wahr sei; der Knabe war sichtlich voller Leben, er hatte die Augen wieder geöffnet, und sah uns an. Ich verlangte dringend nach einem Arzte, aber Niemand antwortete; inzwischen entschloß sich mittelst eines Fünfrubelbilletes einer der Anwesenden aus dem Dorfe eine Art den Thierarzt zu holen, der zu gleicher Zeit Menschen und Pferde kurirte. Während dieser Seit entkleideten Louise und ich den Kranken, ließen ein Hammelfell am Feuer warmen, und wickelten ihn hinein; der Knabe murmelte Worte des Dankes, aber er rührte sich nicht, und schien an allen seinen Gliedern gelähmt. Was die Fuhrleute anbelangt, so waren sie zu ihren Pferden zurückgekehrt, und schickten sich an, abzufahren. Ich ging zu Georg und bat ihn inständig, doch nur einen Augenblick zu warten, bis der Arzt gekommen sei; aber Georg antwortete mir: Seien Sie unbesorgt, wir werden vor einer Viertelstunde nicht fortfahren, und in einer Viertelstunde wird er todt sein. Ich kehrte zu dem Knaben zurück, den ich unter Louisens Aufsicht gelassen hatte; er hatte eine Bewegung gemacht, um sich noch mehr dem Feuer zu nähern, was uns einige Hoffnung gewährte. In diesem Augenblicke trat der Arzt ein, und Iwan erklärte ihm, zu welchem Zwecke man ihn habe holen lassen. Der Arzt schüttelte den Kopf, näherte sieh dem Feuer, entfaltete das Hammelfell, und der Knabe war todt.

Louise fragte, wo die Eltern diesen unglücklichen Knabens wären, um ihnen ein Hundert Rubel zurückzulassen; aber der Wirth antwortete, daß er keine habe, und das er eine Waise sei, die er aus Barmherzigkeit erzogen habe.

XXIV

Die Vorbedeutungen waren nicht glücklich, Nichts desto weniger war es zu spät, um zurückzuweichen; es war nun Georg seiner Seite, der uns trieb; die Wagen waren vor der Thüre den Wirthshauses in einer Reihe aufgestellte Georg befand sich an der Spitze der Karawane, in deren Mitte sich unsere Troika, das heißt die mit drei Pferden bespannte Telegue befand. Nachdem Iwan mit dem Postillon auf einer an der Stelle des Bockes, der bei der Verwandlung unseren Fuhrwerken verschwunden war, angebrachten Bank Platz genommen, setzten wir uns nach einem langen Pfeifen in Bewegung.

Wie waren schon ein Dutzend Werst weit von dem Dorfe, als der Tag anbrach; vor uns, und als ob wir es mit den Händen greifen könnten, war das Uralgebirge, in das zu dringen wir im Begriffe standen; bevor wir aber weiter gingen, nahm Georg die Höhe auf, wie es ein Schiffskapitän würde gemacht haben, und erkannte an der Lage der Bäume, daß wir uns auf dem rechten Wege befänden. Wir setzten ihn demnach fort, indem wir Vorsichtsmaaßregeln trafen, um uns nicht von ihm zu entfernen, und gelangten in weniger als einer Stunde an den westlichen Abhang. Dort wurde erkannt, daß der Abhang zu steil und der Schnee noch nicht fest genug sei, als daß jeder der Wagen mit den acht ihn ziehenden Pferden hinauffahren könnte. Georg entschied demnach, daß immer nur zwei Wagen zugleich fahren, und daß man an sie alle Pferde der Karawane spannen sollte. Sobald diese zwei Wagen angelangt, gingen die Pferde wieder hinab, um zwei andere zu holen, und das so fort, bis daß die zehn Fuhrwerk, aus denen unsere Karawane bestand, sich wieder der mit den ersten vereinigt hatten. Zwei Pferde waren zurückbehalten, um an unseren Schlitten vorgespannt zu werden. Man sieht, daß unsere Reisegefährten uns als Brüder behandelten, und inzwischen geschah diesen Alles, ohne daß wir auch nur ein einzigen Mal nöthig gehabt hätten, den kaiserlichen Befehl vorzuweisen.

Hier änderte sich die Reihenfolge; da unser Fuhrwerk das leichteste war, so traten wir nun aus Mitte an die Steine; zwei Mann gingen mit langen Stangen vor uns her, um den Boden zu untersuchen. Georg nahm unser ersten Pferd beim Zügel, zwei Mann folgten uns, indem sie mit ihren Betten hinter dem Schlitten den Schnee« aufbrachen, damit an den Stellen, wo die Kufen gegangen waren, Spuren zurückblieben, welche von dem zweiten, und dann von dem dritten Wagen eingeschlagen werden konnten; ich stellte mich zwischen den Schlitten und den Abhang, erfreuet, biete Gelegenheit, ein wenig zu Fuße zu gehen, gefunden zu haben, und wir begannen, gefolgt von den beiden Wagen, unsere Auffahrt.

Nach Verlauf von anderthalb Stunden des Steigens ohne Unfall, langten wir auf einer Art von mit Bäumen besetzter Platte an. Der Ort schien günstig für den Halt. Es blieben noch andere acht Wagen übrig, welche je zwei und zwei, gleich den ersten hinausfahren mußten; das war also eine Arbeit von acht Stunden, ohne die Zeit zu rechnen, welche die Pferde zum Hinabgehen nöthig hatten, wir konnten demnach kaum hoffen, vor Anbrechen der Nacht alle versammelt zu sein.

Alle Fuhrleute, mit Ausnahme von zweien, die zur Bewachung den Gepäckes unten geblieben, waren mit mit uns hinaufgegangen, um den Boden zu untersuchen, und alle hatten erkannt, daß wir uns auf dem rechten Wege befanden. Da nur eine gemachte Spur zu befolgen war, so gingen sie mit den Pferden wieder hinab; vier von ihnen blieben mit Georg, Iwan und mir oben, um eine Hütte zu bauen.

Louise befand sich, ganz in Pelze eingehüllt, in dem Schlitten, und da sie Nichts von der Kälte zu fürchten hatte, so ließen wir sie darin ruhig abwarten, bin es Zeit sei, ihn zu verlassen, und machten uns daran, mit den Beilen die uns umgebenden Bäume abzuhauen, mit Ausnahme von vieren, die wir zu Eckpfeilern des Gebäudes bestimmten. Nun, eben so sehr, um uns zu erwärmen, als um uns eine Zufluchtsstätte zu schaffen, machten wir uns daran, eine Hütte zu bauen, welche sich, vermöge der wundervollen Geschicklichkeit unserer improvisirten Bauleute, nach Verlauf von einer Stunde aufgerichtet befand. Sogleich schaffte man im Inneren den Schnee weg, bis man den Boden fand; mit diesem Schnee stopfte man das Aeußere der Hütte aus; hierauf zündete man mit den überflüssigen Zweigen ein großes Feuer an, dessen Rauch, wie gewöhnliche, durch die in der Mitte des Daches gelassene Oeffnung hinauszog. Als die Hütte fertig, war Louise ausgestiegen, und hatte sich vor das Feuer gesetzt; das gerupfte und bei den Füßen an einem Faden aufgehängte Huhn drehete sich gleichmäßig bald zur Rechten, bald zur Linken, als der zweite Zug anlangte.

Um fünf Uhr Abends waren alle Wagen auf dem Platze aufgestellt, und die abgespannten Pferde fraßen ihr Maisstroh; was die Menschen anbelangte, so kochten sie sich in einem großen Topfe eine Art von Polenta, die mit dem rohen Speck, womit sie ihr Brod rieben, und einer Flasche Branntwein, den wir ihnen überließen, ihr ganzes Nachtessen ausmachte.

Als das Mahl beendigt, richteten wir uns so gut, als wir es vermogten, ein; die Fuhrleute wallten uns die Hütte überlassen und in freier Luft unter ihren Pferden schlafen; aber wir verlangten durchaus, daß sie die von ihnen gebauete Zufluchtsstätte benutzen; nur wurde aus Furcht vor Wölfen und Bären beschossen, daß einer von ihnen mit meiner Flinte bewaffnet als Schildwache draußen bliebe, und daß diese Schildwache von Stunde zu Stunde abgelöst werden sollte; vergeblich bestanden Iwan und ich darauf, von dieser Wache nicht ausgeschlossen zu werden.

Wie man sieht, war unsere Lage bis dahin sehr erträglich; wir schliefen demnach auch, eingehüllt in die Pelze, mit welchen uns die Gräfin Waninkoff reichlich versehen, ohne sehr von der Kälte zu leiden ein. Wir waren gerade im besten Schlafe, als wir durch einen Flintenschuß aufgeweckt wurden.

Ich sprang auf meine Füße, und, indem ich in jede Hand eine Pistole nahen, stürzte ich wie Iwan auf die Thür zu; was die Fuhrleute anbelangt, so begnügten sie sich, den Kopf mit der Frage zu erheben, was es gäbe, und zwei oder drei von ihnen erwachten sogar gar nicht.

Es war Georg, der auf einen Bären geschossen hatte; von der Neugierde gelockt, hatte sich das Thier auf etwa zwanzig Schritte der Hütte genähert; dort angelangt, hatte es sich hierauf, ohne Zweifel um besser sehen zu könnten, was bei uns vorginge, auf seine Hinterfüße aufgerichtet, und Georg hatte ihm nun, die Stellung, benutzend, eine Kugel zugeschickt. Als ich bei ihm anlangte, lud er aus Furcht vor Überraschung ruhig seine Flinte wieder. Ich fragte ihn, ob er getroffen zu haben glaube, und er antwortete mir, daß er dessen gewiß sei.

Von dem Augenblicke an, wo diejenigen, welche gefragt hatten, was es gäbe, hörten, daß es sich um einen Bären handle, machte ihre Gleichgültigkeit dem Verlangen Platz, das Thier zu verfolgen; da aber der Bär wirklich verwundet war, wie leicht aus den auf dem Schnee zurückgelassenen breiten Blutspuren zu ersehen, so hatte Georg allein das Recht dazu; dem zu Folge bat ihn sein Sohn, ein junger Mann von fünf bis sechs und zwanzig Jahren, Namens David, um die Erlaubniß, der Spur zu folgen, und als er diese Erlaubniß erhalten, entfernte er sich in der Richtung des Blutes; ich rief ihn zurück, um ihm meine Flinte anzubieten, aber er gab mir ein Zeichen, daß er sein Messer und sein Beil habe, und daß ihm diese beiden Waffen genügten.

Ich folgte ihm mit den Augen bis in eine Entfernung von ohngefähr fünfzig Schritten, und sah ihn in eine Schlucht hinabsteigen, wo er, sich in der Dunkelheit verlierend, gebückt ging, um die blutigen Fußtapfen nicht aus dem Gesicht zu verlieren. Die Fuhrleute lehrten in die Hütte zurück, Georg setzte seine Wache fort, die er noch nicht. beendigt hatte, und da ich so munter geworden war, daß ich vor einiger Zeit nicht wieder einschlafen konnte, so blieb ich bei ihm. Nach Verlauf eines Augenblickes schien es mir, als ob ich in der Richtung, in welcher Georgs Sohn verschwunden war, ein dumpfes Brüllen hörte; der Vater hörte es auch, denn ohne mir Etwas zu sagen, faßte er meinen Arm, und drückte ihn heftig. Nach Verlauf einiger Sekunden ließ sich ein neues Brüllen hören, und ich fühlte die Eisenfinger Georgs sich noch fester schließen; hierauf entstand eine Stille von ohngefähr fünf Minuten, welche dem armen Vater fünf Jahrhunderte zu dauern schien, endlich nach Verlauf dieser fünf Minuten erschallte ein menschlicher Schrei; Georg athmete geräuschvoll auf, ließ meinen Arm los und sich nach mir wendend sagte er: – Morgen werden wir ein besseres Mittagessen haben, als heute; der Bär ist todt.

– Ach mein Gott! Georg, flüsterte eine sanfte Stimme hinter uns, wie habt Ihr Eurem Sohne erlauben mögen, allein und fast ohne Waffen ein solches Thier zu verfolgen?

– Mit Ihrer Erlaubniß, meine schöne Dame, sagte Georg mit einem Lächeln voll Stolz, die Bären kennen uns schon; ich habe für mein Theil mehr als fünfzig in meinem Leben umgebracht, und niemals bei dieser Jagd etwas Anderes davon getragen, als einige Schrammen, die kaum der Mühe werth sind, daß man davon spricht. Warum sollte meinem Sohn eher ein Unglück begegnen, als mir?

– Inzwischen, sagte ich zu ihm, seid Ihr nicht immer so ruhig gewesen, als in diesem Augenblicke; mein Arm, von dem ich glaubte, daß Ihr ihn zerbrechen wolltet, ist Zeuge davon.

– Ha! sagte Georg zu mir, das kam daher, weil ich an dem Brüllen des Bären erkannte, daß er und mein Sohn Leib an Leib mit einander kämpften. Das ist freilich eine Schwäche, Excellenz: aber Sie werden zugeben, ein Vater bleibt immer ein Vater.

In diesem Augenblicke erschien der Jäger an demselben Orte wieder, wo ich ihn aus den Augen verloren hatte, denn um zurückzukommen war er eben so, wie um hinzugehen, der Spur des Blutes gefolgt. Als ob er uns den Beweis geben wollte, daß seine Schwäche vorübergegangen sei, so enthielt sich Georg, David auch nur einen Schritt entgegen zu thun, und ich ging dem jungen Manne allein entgegen.

Er brachte die vier Klauen des Thieres mit, das heißt den Theil, der für den leckerhaftesten gilt, und diese vier Klauen waren für uns bestimmt. Was den Rest anbelangt, so hatte er ihn nicht mitbringen können; der Bär war ungeheuer groß, und wog zum mindesten fünf Centner.

Bei dieser Nachricht erwachten die Schläfer alle, bis auf den Letzten, und das geschah, um sieh anzubieten, die Bärenviertel zu holen. Während dieser Zeit legte David sein Hammelfell ab und entblößte seine Schulter; er hatte von seinem schrecklichen Gegner einen Schlag mit der Tatze bekommen, der ihm beinahe den Knochen blos gelegt. Inzwischen hatte er wenig Blut verloren, da dasselbe fast sogleich gefroren war. Louise wollte die Wunde mit lauem Wasser waschen und sie mit ihrem Taschentuche verbinden; aber der Verwundete schüttelte den Kopf und antwortete, daß sie schon trocken sei; hierauf legte er sein Hammelfell wieder darüber, nachdem er die Schulter als ganzes Heilmittel mit einem Stück Speck gerieben hatte. Inzwischen verbot ihm sein Vater, die Hütte zu verlassen, und die sechs, von Georg zum Abholen der Bärenviertel bestimmten Fuhrleute gingen allein fort.

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Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
Hacim:
470 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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