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Kitabı oku: «Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters», sayfa 7

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Als ich demnach auch den Grafen Waninkoff wiedersah, sagte er zu mir:

– Nun! alles ist ja vortrefflich gewesen. Jetzt ist Ihr Ruf gegründet, es bedarf nur noch, daß ein kaiserliches Dekret ihn befestigt. Nehmen Sie, hier ist ein Brief für den General-Adjutanten des Großfürsten, er wird schon von Ihnen haben sprechen hören. Stellen Sie sich ihm dreist mit Ihrer Bittschrift für den Kaiser vor; schmeicheln Sie seiner militairischen Eigenliebe, und bitten Sie ihn um seine empfehlende Nachschrift.

– Aber, Herr Graf, fragte ich mit einigem Zögern, glauben Sie, daß er mich gut aufnehmen wird?

– Was nennen Sie gut aufnehmen?

– Kurz, auf eine anständige Weise.

– Hören Sie, mein lieber Herr, sagte der Graf Alexis lachend zu mir, Sie erzeigen uns immer zu viel Ehre. Sie behandeln uns als civilisierte Leute, während dem wir nur Barbaren sind. Hier ist der Brief, ich öffne Ihnen die Thür, aber ich stehe für nichts, und alles wird von der guten oder üblen Laune des Prinzen abhängen. An Ihnen ist es, den Moment zu wählen; Sie sind Franzose, dem zu Folge sind Sie tapfer. Es ist das ein zu bestehender Kampf, ein zu erringender Sieg.

– Ja, aber ein Vorzimmer-Kampf, der Sieg eines Hofmannes. Ich gestehe Eurer Excellenz, daß ich einen wirklichen Zweikampf vorziehen würde.

– Jean Bart war mit den gewichten Parkets und den Hof-Kleidern nicht vertrauter als Sie. Wie hat sich der herausgezogen, als er nach Versailles kam?

– Mit Faust-Schlägen, Ihre Excellenz.

– Nun! machen Sie es wie er. Apropos, ich bin von Seiten Narischkins, der, wie Sie wissen, ein Vetter des Kaisers ist, von dem Grafen Tzschernitscheff und dem Obristen Murawieff beauftragt, Ihnen zu sagen, daß sie Stunden von Ihnen zu erhalten wünschen.

– Haben Sie denn beschlossen, mich mit Güte zu überschütten?

–. Nein, und Sie sind mir nichts schuldig; ich entledige mich nur meines Auftrages, das ist alles.

– Aber es scheint mir, daß sich das nicht übel macht, sagte Louise zu mir.

– Durch Sie, und ich danke Ihnen dafür. Nun denn, es sey so; ich werde dem Rathe Eurer Excellenz folgen. Morgen will ich es wagen.

– Thun Sie es, und gutes Glück. Ich bedurfte übrigens nichts mehr, als dieser Aufmunterung. Ich kannte den Ruf des Mannes, mit dem ich zu thun hatte, und ich muß gestehen, daß ich eben so gerne einen Bären der Ukraine in seiner Höhle angegriffen hätte, als hinzugehen, und den Großfürsten, diesen sonderbaren Verein guter Eigenschaften, heftiger Leidenschaften, und unsinnigen Jähzornes, um eine Gnade zu bitten.

VI

Der Großfürst Konstantin, der jüngere Bruder des Kaisers Alexander, und der ältere Bruder des Großfürsten Nikolaus, hatte weder die liebreiche Höflichkeit des ersteren, noch die kalte Würde und Ruhe des zweiten. Er schien ganz seinen Vater beerbt zu haben, von dem er zu gleicher Zeit dessen gute Eigenschaften und dessen Wunderlichkeiten besaß, während dem daß seine beiden Brüder mehr Katharinen ähnlich waren, Alexander durch das Herz, Nicolaus durch den, Kopf, alle beide durch diese kaiserliche Größe, von der ihr Großvater der Welt ein so mächtiges Beispiel gegeben hatte.

Als Katharina unter ihren Augen diese schöne und zahlreiche Nachkommenschaft zur Welt kommen sah, hatte sie ihre Blicke besonders auf die bei den ältesten geworfen, und schon durch ihre Taufnamen, indem sie den einen Alexander, und den anderen Konstantin nannte, schien sie die Welt unter sie getheilt zu haben. Dieser Gedanke war übrigens dermaßen der ihrige, daß sie dieselben als kleine Kinder malen ließ, den einen, wie er den gordischen Knoten durchhaut, und den anderen, wie er das Labarum5 trägt. Außerdem war die Entwickelung ihrer Erziehung, deren Plan sie entworfen hatte, nur eine Anwendung dieser großen Ideen. Demnach hatte Konstantin, für das orientalische Reich bestimmt, nur griechische Ammen, und wurde nur von griechischen Lehrern umgeben, während dem daß Alexander für das abendländische Reich bestimmt nur von Engländern umringt war. Was den gemeinschaftlichen Lehrer der beiden Brüder anbelangt, so war es ein Schweizer, Namens Laharpe, ein Vetter des tapferen Generals Laharpe, der in Italien unter den Befehlen Buonapartes diente. Aber die Lehren dieses würdigen Meisters wurden von seinen beiden Zöglingen nicht mit einem gleichen Eifer aufgenommen, und die Saat, obgleich dieselbe, brachte verschiedene Früchte hervor, denn auf der einen Seite sie sie auf ein bearbeitetes und fruchtbringendes Land, und auf der anderen auf einen rohen und wilden Boden. Während

dem daß Alexander im Alter von zwölf Jahren seinem Professor der Experimental-Physik, Graft,

welcher zu ihm sagte, daß das Licht ein immerwährendes Ausströmen der Sonne wäre, antwortete: »Das ist nicht möglich, denn dann würde die Sonne mit jedem Tage kleiner werden;« antwortete Konstantin seinem Privat-Erzieher Sacken, der ihn aufforderte lesen zu lernen: »Ich will nicht lesen lernen, weil ich sehe, daß Sie alle Tage lesen, und daß sie alle Tage einfältiger werden.«

Der Charakter und der Geist der beiden Kinder lag ganz in diesen beiden Antworten.

Eben so viel Widerwillen, als Konstantin für die wissenschaftlichen Studien hatte, eben so viel

Geschmack hatte er dagegen für die militairischen Uebungen. Fechten, reiten, ein Heer manövrieren

lassen, schienen ihm weit nützlichere Kenntnisse für einen Prinzen, als das Zeichnen, die Botanik oder die Astronomie. Das war noch ein Zug, in welchem er Paul glich, und er hatte eine solche Leidenschaft für die militairischen Manöver gefaßt, daß er am Tage seiner Hochzeit um fünf Uhr Morgens aufstand, um das sich als Wache bei ihm befindende Peloton Soldaten manövrieren zu lassen.

Der Bruch Rußlands mit Frankreich kam Konstantin erwünscht. Nach Italien unter den Befehlen des Feldmarschalls Suwarow gesandt, der beauftragt war, seine militairische Bildung zu vervollständigen, wohnte er seinen Siegen an dem Mincio und seiner Niederlage in den Alpen bei. Ein solcher Lehrer, der zum mindesten eben so berühmt durch seine Sonderbarkeiten, als durch seinen Muth, war eine üble Wahl, um die natürlichen Eigenheiten Konstantins zu verbessern. Die Folge davon war, daß diese Eigenheiten, anstatt zu verschwinden, sich auf eine so außerordentliche Weise vergrößerten, daß man sich mehr als einmal fragte, ob der junge Großfürst die Aehnlichkeit mit seinem Vater nicht so weit triebe, daß er wie dieser ein wenig von der Narrheit befallen sey.

Nach dem Französischen Feldzuge und dem Frieden von Wien, war Konstantin zum Vice-König von Polen ernannt worden. An die Spitzes eines kriegerischen Volkes gestellt, hatte sein Geschmack fürs Militair sich noch verdoppelt, und in Ermangelung jener wahren und blutigen Kämpfe, denen er eben beigewohnt hatte, machten Paraden und Revüen, diese Schein-Schlachten, seine einzige Zerstreuung aus. Im Winter oder im Sommer, sey es, daß er den Brühlschen Palast neben dem sächsischen Garten bewohnte, oder sey es, daß er im Palast Belvédère residierte, stand er um drei Uhr morgens auf, und zog seine Generals-Uniform an; kein Kammerdiener hatte ihm jemals bei seiner Toilette geholfen. Dann setzte er sich in einem Zimmer, in welchem auf jedem Felde das Kostüm eines der Regimenter der Armee abgemalt war, an einen mit Regimentslisten und Militair-Befehlen bedeckten Tisch, las die am Abende zuvor durch den Obristen Axamilowski oder von dem Polizei-Präfekten Lubowidzki überbrachten Rapporte, billigte, oder verwarf sie, und fügte aber allen irgend eine Bemerkung hinzu. Diese Arbeit beschäftigte ihn bis neun Uhr morgens; er nahm dann in der Eile ein Soldaten-Frühstück, nach welchem er auf den sächsischen Platz hinabging, wo ihn gewöhnlich zwei Regimenter Infanterie und eine Eskadron Kavallerie erwarteten, deren Musik ihn sobald er erschien mit dem von Kurpinski über das Thema: Gott segne den König! componierten Marsche begrüßte. Die Revue begann sogleich. Die Pelotons marschierten in einer gleichen Entfernung und mit einer mathematischen Genauigkeit vor dem Großfürsten, der zu Fuß sie vorübergehen sah; gewöhnlich trug er dabei die grüne Chasseur-Uniform und einen mit Hahnenfedern überladenen Hut, den er so auf den Kopf setzte, daß dessen eine Ecke seine linke Epaulette berührte, während dem die andere sich gen Himmel richtete. Unter seiner schmalen und mit tiefen Furchen, die von immerwährenden und sorgenvollen Gedanken zeugten, durchzogenen Stirn verbargen zwei lange und dichte Augenbrauen, welche das eigenthümliche Runzeln seiner Haut unregelmäßig zeichnete, seine blauen Augen fast gänzlich. Die seltsame Lebhaftigkeit seiner Blicke gaben mit seiner kleinen Nase und feiner verlängerten Unterlippe seinem Kopfe etwas befremdend wildes, der von einem außerordentlichen kurzen und von Natur nach vorn gebogenen Halse getragen auf seinen Schultern zu ruhen schien. Bei dem Tone dieser Musik, bei dem Anblicke dieser Männer, die er gebildet hatte, bei dem abgemessenen Schalle ihrer Schritte, entfaltete sich alles an ihm. Eine Art von Fieber ergriff ihn, das ihm Flammen in das Gesicht steigen ließ. Seine verkürzten Arme, deren bewegungslose und festgeschlossenen Fäuste sich krampfhaft öffneten, legten sich steif längs seinem Körper herunter, während dem daß seine Füße in einer unaufhörlichen Bewegung den Takt schlugen, und daß seine gurgelnde Stimme von Zeit zu Zeit zwischen den scharf ausgesprochenen Kommandos rauhe und gestoßene Töne hören ließ, die nichts menschliches hatten, und die abwechselnd, entweder feine Zufriedenheit ausdrückten, wenn alles nach seinem Wunsche ging, oder seinen Zorn, wenn sich etwas gegen die Disciplin ereignete. In diesem letzteren Falle waren die Züchtigungen fast immer fürchterlich, denn der geringste Fehltritt zog für den Soldaten Gefängniß, und für den Officier den Verlust seines Grades herbei. Diese Strenge beschränkte sich übrigens nicht allein auf die Menschen, sie dehnte sich auf alles, und selbst auf die Thiere aus. Eines Tages ließ er in seinem Käfig einen Affen aufhängen, der zu viel Lärm machte; ein Pferd, das einen falschen Schritt gethan, weil er ihm einen Augenblick den Zügel gelassen, empfing Tausend Stockschläge, endlich ein Hund, der ihn in der Nacht durch sein Heulen erweckt hatte, wurde erschossen.

Was seine gute Laune anbelangt, so war sie nicht minder wild, als fein Zorn. Dann beugte er sich, indem er in Lachen ausbrach, rieb sich lustig die Hände, und stampfte abwechselnd den Boden mit seinen beiden Füßen. In diesem Augenblicke eilte er auf das erste beste Kind zu, drehete und wandte es nach allen Seiten, ließ sich von ihm küssen, kniff es in die Wangen, zwickte es bei der Nase, und endlich schickte er es fort, indem er ihm ein Goldstück in die Hand drückte. Dann hatte er auch noch andere Stunden, die weder Stunden der Freude, noch Stunden des Zornes waren, sondern Stunden einer gänzlichen Hinfälligkeit und tiefer Schwermuth; dann, schwach wie ein Weib, stieß er Seufzer aus und wand sich auf seinen Divans und auf seinen Fußböden. Niemand wagte sich dann ihm zu nähern, nur öffnete man in diesen Augenblicken seine Fenster und seine Thür, und eine blonde und bleiche Frau von schlankem Wuchs, gewöhnlich in ein weißes Gewand mit blankem Gürtel gekleidet, trat gleich einer Erscheinung herein. Bei diesem Anblicke, der auf den Großfürsten einen magischen Einfluß hatte, brach sein Nervenreiz aus, seine Seufzer wurden Schluchzen, und er vergoß reichliche Thränen. Dann war die Krisis vorüber; die Frau hatte sich neben ihn gesetzt, er legte sein Haupt auf ihre Kniee, schlief ein, und erwachte wieder geheilt.

Diese Frau war Johanna Grudzenska, der Schutzengel Polens. Als sie eines Tages als kleines Kind in der Metropolitan-Kirche vor dem Bilde der Jungfrau betete, war eine über dem Gemälde befestigte Immortellen-Krone auf ihr Haupt herabgefallen, und ein von ihrem Vater über dieses Ereigniß zu Rathe gezogener alter Kosack aus der Ukraine, der für einen Propheten galt, hatte ihm prophezeihet, daß diese ihr vom Himmel aufs Haupt gefallene heilige Krone eine Vorbedeutung derjenigen wäre, welche ihr auf Erden bestimmt sey. Der Vater und die Tochter hatten alle beide diese Weissagung vergessen, oder erinnerten sich ihrer vielmehr nur noch wie eines Traumes, als der Zufall Johanna und Konstantin einander gegenüber stellte.

Da wurde dieser halb wilde Mann mit glühenden und unbündigen Leidenschaften schüchtern wie ein Kind, er, dem nichts widerstand, der durch ein Wort über das Leben der Väter und die Ehre der Töchter verfügte, er kam schüchtern, um von dem Greife die Hand Johannas zu begehren, ihn anflehend, ihm nicht ein Gut zu verweigern, ohne das es für ihn kein Glück mehr auf der Welt gäbe. Der Greis erinnerte sich nun der Weissagung des Kosacken, er sah in dem Begehren Konstantins die Erfüllung des Rathschlusses der Vorsehung, und glaubte sich nicht berechtigt, sich seiner Vollstreckung zu widersetzen. Der Großfürst empfing demnach seine Zustimmung und die seiner Tochter: es fehlte ihm noch die des Kaisers.

Diese erkaufte er durch eine Abdankung.

Ja, dieser sonderbare, dieser nicht zu enträthselnde Mann, der gleich dem Olympischen Jupiter durch das Runzeln einer Stirn ein ganzes Volk zittern machte, gab für das Herz eines jungen Mädchens seine doppelte Krone des Morgen- und des Abendlandes, das heißt, ein Reich, welches den siebenten Theil der Erde einnimmt, mit seinen drei und fünfzig Millionen Einwohnern, und seinen sechs Meeren, die seine Ufer netzen.

Dagegen empfing Johanna Grudzenska von dem Kaiser Alexander den Titel als Fürstin von Lowicz.

Wie auch der Mann war, mit dem ich mich von Angesicht zu Angesicht zu befinden im Begriffe stand: er war, wie man verstohlen sagte, deshalb nach St. Petersburg gekommen, weil er in Warschau die Fäden einer ausgedehnten Verschwörung entdeckt hätte, die sich über ganz Rußland verbreitete; aber diese Fäden waren in seinen Händen durch das hartnäckige Schweigen der zwei Verschwörer, die er hatte festnehmen lassen, zerrissen. Die Umstände waren, wie man sieht, wenig günstig, um eine so geringfügige Bitte, als die meinige, zu stellen.

Nichts desto weniger entschloß ich mich, die Möglichkeiten einer Ausnahme zu wagen, die nicht ermangeln konnte, wunderlich zu werden. Ich nahm eine Droschke, und fuhr am anderen Morgen früh, mit meinem Briefe für den General Rodna, dem General-Adjutanten des Großfürsten, und meiner Bittschrift für den Kaiser Alexander versehen nach Strelna ab. Nach einer zweistündigen Fahrt auf einer prachtvollen Straße, die zur Linken ganz von Landhäusern, und zur Rechten von Ebenen begränzt ist, die sich bis an den finnischen Meerbusen ausdehnen, erreichten wir das Kloster Sanct-Sergius, des nach dem Heiligen Alexander Newski am meisten verehrten Heiligen, und zehn Minuten nachher befanden wir uns in dem Dorfe. In Mitte der großen Straße und neben der Post wandten wir uns zur Rechten; einige Secunden nachher war ich vor dem Schlosse. Die Schildwache wollte mich aufhalten, aber ich zeigte meinen Brief für den Herrn von Rodna, und man ließ mich passiren.

Ich stieg die Haupttreppe hinauf und trat in das Vorzimmer. Herr Rodna arbeitete mit dem Großfürsten. Man ließ mich in einem Salon warten, das auf prächtige, von einem Kanal, der geraden Weges in das Meer führt, durchschnittene Gärten ging, während dem ein Officier meinen Brief überbrachte, einen Augenblick nachher kam derselbe Officier zurück, und hieß mich eintreten.

Der Großfürst stand an einem Kamin, denn ob es gleich Ende September war, so begann doch das Wetter schon kalt zu werden; er beendigte eine Depesche, welche er dem sitzenden Herrn von Rodna diktirte. Ich wußte nicht, daß ich so rasch eingeführt werden würde, so, daß ich erstaunt, mich so schnell in seiner Gegenwart zu befinden, auf der Schwelle stehen blieb. Kaum war die Thüre wieder geschlossen, als er, den Kopf vorstreckend, ohne eine andere Bewegung des Körpers zu machen, und zwei durchbohrende Augen auf mich heftend, zu mir sagte:

– Dein Vaterland?

– Frankreich, Eure Hoheit.

– Dein Alter?

– Sechs und zwanzig Jahr.

– Dein Name?

– G . . . . .

– Bist Du es, der eine Anstellung als Fechtmeister in einem der Regimenter Seiner kaiserlichen Majestät, meines Bruders, zu erlangen wünscht?

– Das ist der Gegenstand meines ganzen Bestrebens.

– Du sagt, daß Du zum ersten Range gehörtest.

– Ich bitte Eure Kaiserliche Hoheit um Verzeihung, ich habe das nicht gesagt, denn es kommt mir nicht zu, das zu sagen.

– Nein, aber Du denkst es.

– Eure Kaiserliche Hoheit weiß, daß der Stolz die herrschende Sünde des armen Menschengeschlechts ist; außerdem habe ich eine öffentliche Fechtübung gegeben, und Eure Hoheit kann sich erkundigen.

– Ich weiß, was dort vorgefallen ist, aber Du hattest nur mit Liebhabern zweiten Ranges zu thun.

– Ich habe sie deshalb auch geschont.

– Ah! Du hast sie geschont; und wenn Du sie nun nicht geschont hättest, was wäre dann geschehen?

– Ich hätte sie zehn Mal gegen zwei Mal getroffen.

– Ah! Ah! . . . also, zum Beispiel, mich würdest Du zehn Mal gegen zwei Mal treffen?

– Das kommt darauf an.

– Wie so! das kommt darauf an?

– Ja, je nachdem Eure kaiserliche Hoheit von mir behandelt zu seyn wünschen. Wenn sie verlangt, daß ich sie als Prinz behandele, so ist sie es, die mich zehn Mal, und ich, der sie nur zwei Mal treffen würde. Wenn sie mir erlaubte, daß ich sie wie jeden Mann behandelte, so würde aller Wahrscheinlichkeit nach ich es seyn, der nur zwei Mal, und sie, die zehn Mal getroffen würde.

– Lubenski, rief der Großfürst aus, indem er sich die Hände rieb, Lubenski, meine Rappiere. Ah! ah! Herr Großprahler, wir werden sehen.

– Wie, Eure Hoheit erlauben?

– Meine Hoheit erlaubt nichts, meine Hoheit will, daß Du sie zehn Mal trifft, willst Du etwa ausweichen?

– Als ich nach dem Schlosse von Strelna gekommen bin, so geschah es, um mich zur Verfügung von Eurer Hoheit zu stellen. Wollen Eure Hoheit demnach befehlen.

– Nun denn, nimm dieses Rappier, nimm diese Maske, und machen wir einen kleinen Versuch.

– Es ist Eure Hoheit, die mich dazu zwingt?

– Nun ja, hundert Mal ja, Tausend Mal ja, Taufend Millionen Mal ja!

– Hier bin ich.

– Ich muß meine zehn Stöße haben, versteht Du, sagte der Großfürst, indem er begann, mich anzugreifen, meine zehn Stöße, hörst Du, nicht einen weniger. Ich erlasse Dir keinen einzigen. Ho! Ha!

Trotz der Aufforderung des Großfürsten begnügte ich mich zu parieren, und stieß nicht ein Mal zurück.

– Nun! rief er aus, indem er sich erhitzte, ich glaube, Du schont mich. Warte, warte . . . Ha! ha!

Und ich sah durch seine Maske, wie ihm die Röthe in das Gesicht stieg, und seine Augen mit Blut unterliefen.

– Nun! diese zehn Stöße, wo sind sie denn?

– Eure Hoheit, die Ehrfurcht . . .

– Geh zum Teufel mit Deiner Ehrfurcht! und triff, triff! Ich machte augenblicklich von der Erlaubniß Gebrauch, und traf ihn drei Mal hinter einander.

– Gut so! gut, rief er aus; an mir die Reihe . . . Da . . . Ha! getroffen, getroffen . . . – Es war wahr.

– Ich glaube, daß Eure Hoheit mich nicht schont, und ich muß wohl meine Rechnung mit ihr machen.

– Mach Deine Rechnung, mach . . . Ha! ha! Ich traf ihn vier andere Male, und er traf mich in einem Gegenstoße seiner Seits ein Mal.

– Getroffen, getroffen, rief er ganz vergnügt und mit den Füßen trippelnd aus. Rodna, Du hat es gesehen, ich habe ihn zwei Mal auf sieben Mal getroffen.

– Zwei Mal auf zehn, gnädiger Herr, antwortete ich, indem ich ihn meiner Seits drängte. Acht . . . neun . . . zehn . . .

Jetzt sind wir ausgeglichen.

– Gut, gut! rief der Großfürst aus. . . gut, aber das ist nicht genug, um fechten zu lehren; wozu willst Du, daß das meinen Reitern dient? Der Haudegen ist es, dessen er bedarf, der Säbel ist es. Verstehst Du mit dem Säbel zu fechten?

– Ich bin mit ihm ohngefähr eben so stark, als mit dem Rappier.

– Ja. Nun denn! kannst Du Dich zu Fuß mit dem Säbel gegen einen mit einer Lanze bewaffneten Mann zu Pferde vertheidigen?

– Ich glaube, Eure Hoheit.

– Du glaubst es, Du bist Deiner Sache nicht gewiß . . . Ah! ah! Du bist Deiner Sache nicht gewiß?

– Doch, Eure Hoheit, ich bin ihrer gewiß.

– Ah! Du bist ihrer gewiß, Du kannst Dich vertheidigen?

– Ja, Eure Hoheit.

– Du kannst einen Lanzenstoß parieren?

– Ich werde ihn parieren.

– Gegen einen Mann zu Pferde?

– Gegen einen Mann zu Pferde.

– Lubenski Lubenski! rief der Großfürst von neuem.

– Der Officier erschien.

– Laß mir ein Pferd vorführen, laß mir eine Lanze geben, eine Lanze, ein Pferd, Sie verstehen, geschwind geschwind!

– Aber, gnädiger Herr . . . . . .

– Ha! Du weicht zurück, ah! ah!

– Ich weiche nicht zurück, gnädiger Herr, und gegen jeden andern, als Eure Hoheit, würden alle diese Proben nur ein Spiel seyn.

– Nun! gegen mich, was ist es da?

– Gegen Eure Hoheit fürchte ich das Gelingen eben so sehr, als das Scheitern; denn ich fürchte, wenn es mir gelingt, daß sie vergessen mögte, daß Eure Hoheit mir befohlen hat . . .

– Ich vergesse nichts; außerdem ist hier Rodna, vor dem ich Dir befohlen habe und Dir befehle, daß Du mich behandelt, wie Du ihn behandelt haben würdest.

– Ich erlaube mir Eure Hoheit zu bemerken, daß sie es mir nicht leicht macht, denn ich würde seine Excellenz ebenfalls sehr ehrfurchtsvoll behandeln.

– Schmeichler, geh, schlechter Schmeichler, Du glaubst Dir einen Freund zu machen, aber Niemand hat Einfluß auf mich, ich urtheile nur durch mich selbst, verstehst Du, durch mich allein. Es ist Dir ein erstes Mal geglückt, wir werden sehen, ob Du auch ein zweites Mal so glücklich seyn wirst.

In diesem Augenblicke erschien der Officier vor dem Fenster, indem er ein Pferd führte, und eine Lanze in der Hand hielt.

– Es ist gut, fuhr Konstantin fort, indem er hinaus stürzte; komm her, sagte er, mir ein Zeichen gebend ihm zu folgen; und »Du, Lubenski, gieb ihm einen Säbel, einen guten Säbel, einen Säbel nach seiner Hand, einen Säbel der Garden zu Pferd. Ah! ah! wir werden sehen. Halt Dich gut, Herr Fechtmeister, ich sage Dir nichts weiter, oder ich spieße Dich auf wie die Kröten in meinem Pavillon. Du weißt wohl, Rodna, der Letzte, nun, der Letzte hat noch drei Tage mit seinem Nagel durch den Leib gelebt.

Bei diesen Worten sprang Konstantin auf ein Pferd, einen wilden Sohn der Steppen, dessen Mähne und Schweif den Boden kehrten; er ließ ihn mit einer bewunderungswürdigen Gewandtheit, und während dem er mit seiner Lanze spielte, die schwierigsten Schwenkungen machen. Während dieser Zeit brachte man mir drei oder vier Säbel, und ersuchte mich, einen auszuwählen; meine Wahl war bald getroffen, ich streckte die Hand aus, und ließ den Zufall walten.

– So ist’s recht!! so ist’s recht! bist Du fertig? rief mir der Großfürst zu.

– Ja, Eure Hoheit.

Nun setzte er sein Pferd im Galop, um das andere Ende der Allee zu erreichen.

– Aber das ist ohne Zweifel nur ein Scherz, fragte ich Herrn von Rodna.

– Nichts ist ernster, im Gegentheile, antwortete mir dieser, es handelt sich hier um Ihr Leben oder um Ihre Stelle, vertheidigen Sie sich, wie in einem Gefecht, ich kann Ihnen nichts weiter sagen.

Die Sache wurde ernstlicher, als ich geglaubt hatte, wenn es sich nur darum gehandelt hätte, mich zu vertheidigen, und Stoß für Stoß wieder zu geben, ei nun! so würde ich die Chance gelaufen haben; mit meinem scharfen Säbel und seiner spitzen Lanze konnte der Scherz sehr ernst werden; was lag daran, ich war einmal darin, es gab kein Mittel zurückzuweichen; ich rief all mein kaltes Blut und alle meine Geschicklichkeit zu Hilfe, und stellte mich dem Großfürsten gegenüber.

Er war schon am Ende der Allee angelangt, und hatte so eben sein Pferd herum gewandt. Was mir auch Herr von Rodna gesagt, so hoffte ich immer noch, daß alles nur ein Spiel sey, als ich ihn, indem er mir ein letztes Mal zurief: – Bist Du fertig? – seine Lanze auslegen und sein Pferd in Galop setzen sah. Jetzt erst war ich überzeugt, daß es sich ganz einfach darum handle, mein Leben zu vertheidigen, und ich nahm mich in Obacht.

Das Pferd verschlang den Weg, und der Großfürst lag auf die Weise auf seinem Halse, daß er sich in den im Winde flatternden Mähnen verlor, ich sah nichts, als den obern Theil seines Kopfes zwischen den Ohren feines Pferdes. An mir angelangt versuchte er mir einen Lanzenstich mitten in die Brust zu versetzen, aber ich schlug die Waffe durch eine Terz-Parade weg, und einen Sprung auf die Seite machend, ließ ich Pferd und Reiter, durch ihren Lauf fortgerissen, ohne mir irgend ein Leid zuzufügen, an mir vorüber eilen. Als der Großfürst seinen Stoß verfehlt sah, hielt er mit einer wunderbaren Gewandtheit sein Pferd kurz an.

– Es ist gut, es ist gut, sagte er; beginnen wir von neuem.

Und ohne mir die Zeit zu lassen, irgend eine Bemerkung zu machen, ließ er sein Pferd sich auf den Hinterfüßen wenden, nahm seinen Platz wieder ein, und, nachdem er mich gefragt hatte, ob ich bereit sey, sprengte er noch hitziger, als das erste Mal, auf mich los; aber, wie das erste Mal, hatte ich die Augen auf die seinigen geheftet, und verlor keine feiner Bewegungen; demnach auch, den Moment ergreifend, parierte ich mit einer Quarte, und machte einen Sprung zur Rechten, so daß Pferd und Reiter eben so fruchtlos, als sie es schon einmal gethan hatten, an mir vorüber gingen.

Der Großfürst ließ eine Art von Brüllen hören. Er hatte sich dieses Turnier wie einen ernstlichen Kampf zu Herzen genommen, und wollte, daß er sich zu seiner Ehre endige; demnach sah ich ihn auch in dem Augenblicke, wo ich seiner entledigt zu sein glaubte, sich zu einem dritten Rennen anschicken. Da ich fand, daß der Scherz zu lange dauerte, so beschloß ich, daß dieses das letzte Mal seyn sollte.

In der That, anstatt mich dieses Mal mit einer einfachen Parade zu begnügen, führte ich in dem Momente, als ich ihn im Begriffe sah mich zu erreichen, einen so heftigen Säbelhieb auf die Lanze, daß sie in zwei Stücke zersprungen den Großfürst entwaffnet ließ; nun den Zügel des Pferdes ergreifend war ich es, der es meiner Seits so gewaltig aufhielt, daß es sich auf seinen Hinterfüßen beugte; zu gleicher Zeit setzte ich dem Großfürsten die Spitze meines Säbels auf die Brust. Der General von Rodna stieß einen fürchterlichen Schrei aus, er glaubte, »daß ich Seine Hoheit tödten wollte. Konstantin hatte ohne Zweifel auch denselben Gedanken, denn ich sah ihn erbleichen; aber sogleich that ich einen Schritt zurück, und mich vor dem Großfürsten verbeugend, sagte ich zu ihm:

– Das ist es, gnädiger Herr, was ich den Soldaten Eurer Hoheit zeigen will, wenn sie mich jeden Falls für würdig hält, ihr Lehrer zu seyn.

– Ja, tausend Teufel! ja, Du bist würdig dazu, und Du sollst ein Regiment haben, oder ich will meinen Namen verlieren . . . Lubenski, Lubenski, fuhr er fort, indem er vom Pferde sprang, führe Pulk in den Stall, und Du, komm, ich will Deine Bitte empfehlen.

Ich folgte dem Großfürsten, der mich in den Salon zurückführte, eine Feder nahm, und unter meine Bittschrift schrieb:

»Ich empfehle den Unterzeichneten Seiner kaiserlichen Majestät ganz gehorsamst, indem ich ihn für durchaus würdig halte, die nachgesuchte Gunst zu erlangen.«

– Und jetzt, sagte er zu mir, nimm diese Bittschrift, und überreiche sie dem Kaiser selbst. Es steht freilich Gefängniß darauf, wenn Du Dich ihn anzureden erwischen läßt; aber, meiner Treue! wer nichts wagt, gewinnt nichts. Leb wohl, und wenn Du jemals durch Warschau kommst, so besuch mich.

Ich verbeugte mich, auf dem Gipfel der Freude, mich so glücklich aus der Sache gezogen zu haben, und wieder in meine Droschke gestiegen, schlug ich als Besitzer der allmächtigen Empfehlung den Weg nach St. Petersburg wieder ein.

Am Abend dankte ich dem Grafen Alexis für den Rath, den er mir gegeben hatte, obgleich dieser Rath mir beinahe theuer zu stehen gekommen wäre; ich erzählte ihm zum Schrecken Louisens was vorgefallen war, und am andern Tage fuhr ich gegen zehn Uhr Morgens nach der Residenz Czarsko-Selo, wo der Kaiser sich aufhielt, ab, entschlossen, in den Gärten des Palastes so lange herum zu wandeln, bis daß ich ihm begegnete, und mich der Gefahr der Gefängnißstrafe auszusetzen, welcher jedermann verfallen ist, der ihm eine Bittschrift überreicht.

5.Kriegsfahne mit den Buchstaben I. C. (Jesus Christus.) Anm. d. Uebers.

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10 aralık 2019
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