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Kitabı oku: «Der Chevalier von Maison-Rouge», sayfa 29

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XLIX.
Das Schafott

Aus dem Revolutionsplatz warteten zwei Männer an einen Scheinwerfer angelehnt.

Was sie mit der Menge erwarteten, von der sich ein Theil nach dem Platze vor dem Palaste und ein anderer Theil nach dem Revolutionsplatze begeben hatte, während sich der Rest stürmisch aus dem ganzen Wege, der diese zwei Plätze trennte, ausbreitete und drängte, war die Ankunft der Königin bei dem Werkzeuge der Hinrichtung, das, abgenutzt durch den Regen und die Sonne, abgenutzt durch die Hand des Henkers, abgenutzt gräßlicher Weise durch die Berührung der Opfer, mit einem finsteren Stolze alle unten liegende Köpfe beherrschte, wie eine Königin ihr Volk beherrscht.

Diese zwei Männer mit den verschlungenen Armen, mit den bleichen Lippen, mit den gerunzelten Stirnen, welche leise mit einander sprachen, waren Lorin und Maurice.

Unter den Zuschauern verloren und dennoch so gestellt, daß sie allgemein Neid erregten, setzten sie mit leiser Stimme ein Gespräch fort, das nicht das am mindesten interessante von allen diesen Gesprächen war, welche die Gruppen durchzogen, die, einer elektrischen Kette ähnlich, sich wie ein lebendiges Meer vom Pont au Change bis zum Pont de la Revolution bewegten.

Der Gedanke, den wir in Beziehung auf das alle Köpfe beherrschende Schafott ausgedrückt, hatte Beide berührt.

»Siehst Du,« sagte Maurice, »wie das häßliche Ungeheuer seine Arme erhebt; sollte man nicht glauben, es ruft uns, es lächle uns durch sein Pförtchen wie durch einen furchtbaren Mund zu.«

»Ah! meiner Treue,« sprach Lorin, »ich gestehe, ich gehöre nicht zu der Schule der Poesie, welche Alles roth sieht. Ich sehe rosa, und am Fuße dieser abscheulichen Maschine würde ich noch singen und hoffen. Dum Spiro spero.11«

»Du hoffst, während man die Frauen tödtet?«

«Ah! Maurice, Sohn der Revolution, verleugne Deine Mutter nicht. Ah! Maurice, bleibe ein guter und rechtschaffener Patriot. Maurice, diejenige, welche sterben wird, ist keine Frau, oder wenigstens keine Frau wie die anderen Frauen; diejenige, welche sterben wird, ist der böse Geist Frankreichs.«

»Oh! nicht sie beklage ich, nicht sie beweine ich!« rief Maurice.

»Ja, ich verstehe, es ist Geneviève.«

»Ah! siehst Du, es gibt einen Gedanken, der mich wahnsinnig macht, der Gedanke, daß sich Geneviève in den Händen dieser Guillotinelieferanten befindet, die man Hebert und Fouquier-Tinville nennt, in den Händen von Menschen, welche die arme Heloise hierher geschickt haben und heute die stolze Marie Antoinette schicken.«

»Nun wohl,« versetzte Lorin, »das ist es gerade, was mir Hoffnung gewährt; wenn der Zorn des Volkes das große Mahl von zwei Tyrannen gemacht hat, so wird er gesättigt sein, wenigstens für einige Zeit, wie die Boa, welche drei Monate braucht, um zu verdauen, was sie verzehrt. Dann wird er Niemand mehr verschlingen, und es werden ihm, wie die Propheten der Vorstadt sagen, die kleinen Stücke Furcht machen.«

»Lorin, Lorin,« erwiderte Maurice, »ich bin positiver als Du, und ich sage Dir ganz leise, bereit es zu wiederholen: Lorin, ich hasse die neue Königin, diejenige, welche mir bestimmt scheint, aus die Oesterreicherin zu folgen, die sie zerstören wird. Es ist eine traurige Königin, deren Purpur von täglichem Blute gemacht ist, und die Danton zum ersten Minister hat.«

»Bah! wir werden ihr entkommen.«

»Ich glaube es nicht,« entgegnete Maurice den Kopf schüttelnd; »Du siehst, daß wir, um nicht zu Hause verhaftet zu werden, kein anderes Mittel haben, als aus der Straße zu bleiben.«

»Bah! wir können Paris verlassen, nichts verhindert uns daran. Beklagen wir uns also nicht. Mein Oheim erwartet uns in Saint-Omer; Geld, Pässe, nichts fehlt uns, und ein Gendarme würde uns nicht verhaften; was denkst Du davon? Wir bleiben, weil wir so wollen.«

»Nein, was Du da sagst, ist nicht richtig, vortrefflicher Freund, treu ergebenes Herz. Du bleibst, weil ich bleiben will.«

»Und Du willst bleiben, um Geneviève wiederzufinden. Nun wohl, was ist einfacher, was ist billiger, natürlicher? Du denkst, sie sei im Gefängniß, das ist mehr als wahrscheinlich. Du willst über ihr wachen, und deshalb darf man Paris nicht verlassen.«

Maurice seufzte, sein Gedanke hatte offenbar eine andere Richtung.

»Du erinnerst Dich des Todes von Ludwig XVI.?« sagte er. »Ich sehe mich noch bleich vor Aufregung und Stolz. Ich war eines von den Häuptern der Menge, in deren Falten ich mich heute verberge. Ich war größer am Fuße des Schafotts, als es je der König gewesen, der es bestieg. Welche Veränderung, Lorin! und wenn man bedenkt, daß neun Monate genügten, um diese furchtbare Gegenwirkung herbeizuführen.«

»Neun Monate Liebe, Maurice!. . . Liebe, Du hast Troja zu Grunde gerichtet!«

Maurice seufzte; sein umherschweifender Geist gelangte auf einen andern Weg und erblickte einen andern Horizont.

»Der arme Maison-Rouge!« murmelte er, »daß ein trauriger Tag für ihn.«

»Ah! soll ich Dir sagen, was ich noch viel Traurigeres in den Revolutionen sehe, Maurice?« versetzte Lorin.

»Ja.«

»Daß man oft zu Feinden diejenigen hat, welche man gern zu Freunden haben möchte, und zu Freunden Leute. . .«

»Ich habe Mühe Eines zu glauben,« unterbrach ihn Maurice.

»Was?«

»Daß er nicht irgend einen Plan, und wenn er auch noch so wahnsinnig wäre, ersinnt, um die Königin zu retten.«

»Ein Mensch stärker als hundert tausend!«

»Ich sage Dir, wenn er noch so wahnsinnig wäre; ich meinerseits weiß, daß ich um Geneviève zu retten. . .«

»Ich wiederhole Dir, Maurice, Du verwirrst Dich; nein, selbst wenn Du Geneviève retten solltest, würden Du kein schlechter Bürger, Doch genug hierüber, Maurice, man hört uns. Siehst Du, die Köpfe bekommen eine wellenförmige Bewegung, siehst Du, der Knecht des Bürger Sanson erhebt sich aus seinem Korbe und schaut in die Ferne. Die Oesterreicherin kommt.«

In der That, gleichsam um die von Lorin wahrgenommene Wellenbewegung zu begleiten, bemächtigte sich ein verlängertes, wachsendes Beben der Menge, Es war wie einer von jenen Windstößen, welche, mit Pfeifen beginnen und mit Brüllen aufhören.

Maurice, der seine hohe Gestalt durch die Pfosten des Scheinwerfers noch mehr emporhob, schaute nach der Rue Saint-Honoré.

»Ja,« sagte er schauernd, »dort kommt sie.«

Man sah wirklich allmählig eine andere Maschine, beinahe so häßlich als eine Guillotine, erscheinen, nämlich den Henkerskarren.

Rechts und links glänzten die Gewehre der Escorte und vor ihr erwiderte Grammont durch das Schwingen seines Säbels das von einigen Fanatikern ausgestoßene Geschrei. Doch indes der Karren vorrückte, erlosch dieses Geschrei plötzlich unter dem kalten, finsteren Blick der Verurtheilten.

Nie flößte ein Antlitz energischer Achtung ein; nie war Marie Antoinette größer und mehr Königin gewesen. Sie trieb den Stolz ihres Muthes so weit, daß sie sogar Eindruck aus die Helfer der Schreckensideen machte. Gleichgültig gegen die Ermahnungen des Abbé Girard, der sie wider ihren Willen begleitet hatte, schwankte ihre Stirne weder nach rechts noch nach links; der im Grunde ihres Gehirnes lebende Gedanke schien unerschütterlich wie ihr Blick. Die gestoßene Bewegung des Karrens aus dem ungleichen Pflaster hob gerade durch ihre Heftigkeit die Strenge ihrer Haltung hervor; man hätte sie für eine von den Marmorstatuen halten sollen, welche aus einem Wagen fahren, nur hatte die königliche Statue ein leuchtendes Auge und ihre Haare flatterten im Wind.

Eine Stille, der der Wüste ähnlich, lagerte sich plötzlich über den dreimal hundert tausend Zuschauern dieser Szene, welche der Himmel zum ersten Mal bei seinem hellen Sonnenscheine sah.

Bald hörte man vor dem Orte, wo Maurice und Lorin standen, die Achse des Henkerskarrens knarren und die Pferde der Wachen schnaufen.

Der Karren hielt am Fuße des Schafotts an.

Die Königin, welche ohne Zweifel nicht an diesen Augenblick gedacht hatte, erwachte und begriff. Sie richtete ihren stolzen Blick aus die Menge, und derselbe bleiche junge Mann, den sie auf der Kanone gesehen hatte, erschien ihr abermals, aus einem Weichsteine stehend

Von diesem Weichsteine sandte er ihr denselben achtungsvollen Gruß zu, den er schon, als sie die Conciergerie verließ, an sie gerichtet hatte; dann sprang er von dem Weichsteine herab.

Mehrere Personen sahen ihn und, da er schwarz gekleidet war, so rührte hiervon das Gerücht her, das sich verbreitete, es habe ein Priester Marie Antoinette erwartet, um ihr die Absolution in dem Augenblick, wo sie das Schafott besteigen würde, zuzusenden.

Im Uebrigen kümmerte sich Niemand um den Chevalier. In den äußersten Augenblicken gibt es eine äußerste Achtung für gewisse Dinge.

Die Königin stieg vorsichtig die drei Stufen des Fußtrittes herab; sie wurde von Sanson unterstützt, der sie, indes er die Ausgabe erfüllte, zu welcher er selbst verurtheilt zu sein schien, bis zum letzten Augenblick mit der größten Rücksicht behandelte.

Während sie aus die Stufen des Schafotts zuging, bäumten sich einige Pferde, schienen einige Wachen zu Fuße, einige Soldaten zu wanken und das Gleichgewicht zu verlieren; dann sah man etwas wie einen Schatten unter das Schafott schlüpfen; doch die Ruhe stellte sich sogleich wieder her; Niemand wollte in diesem feierlichen Augenblick seinen Platz verlassen; Niemand wollte den geringsten Umstand des großen Dramas verlieren, das in Erfüllung gehen sollte: Aller Augen richteten sich wieder auf die Verurtheilte.

Die Königin stand schon aus der Plattform des Schafotts. Der Priester sprach immer noch mit ihr; ein Gehilfe schob sie sachte von hinten, ein anderer löste das Halstuch, das ihre Schultern bedeckte.

Marie Antoinette fühlte die ehrlose Hand ihren Hals streifen; sie machte eine ungestüme Bewegung und trat auf den Fuß von Sanson, der, ohne daß sie es sah, sie an das unselige Brett zu befestigen beschäftigt war.

Sanson zog seinen Fuß zurück.

»Entschuldigen Sie, mein Herr,« sagte die Königin, »ich habe es nicht absichtlich getan.«

Dies waren die letzten Worte, welche die Tochter der Cäsaren, die Königin von Frankreich, die Witwe von Ludwig XVI. sprach.

Es schlug ein Viertel nach zwölf Uhr in den Tuilerien, und Marie Antoinette fiel zu gleicher Zeit in die Ewigkeit.

Ein furchtbarer Schrei, ein Schrei der alle Leidenschaften: Freude, Schrecken, Trauer, Hoffnung, Triumph, Sühnung, zusammenfaßte, bedeckte wie ein Orkan einen andern, schwachen Schrei, der unter dem Schafott erscholl.

Die Gendarmen hörten ihn jedoch, so schwach er auch war; sie machten einige Schritte vorwärts; minder gedrängt, breitete sich die Menge wie ein Fluß aus, dessen Damm man erweitert, warf die Spaliere zurück, zerstreute die Wachen und schlug wie eine Fluth an die Füße des Schafotts, das gewaltig dadurch erschüttert wurde.

Jeder wollte von Nahem die Überreste des Königthums sehen, welches man für immer in Frankreich zerstört glaubte.

Doch die Gendarmen suchten etwas Anderes, sie suchten den Schatten, der ihre Linien überschritten hatte und unter das Schafott geschlüpft war.

Zwei von ihnen kamen zurück und brachten am Kragen einen jungen Mann, dessen Hand ein von Blut gefärbtes Sacktuch an sein Herz drückte.

Es folgte ihm ein spanisches Hündchen, das auf das Kläglichste heulte.

»Tod dem Aristokraten! Tod dem Ci-devant!« riefen einige Männer aus dem Volke, indem sie den jungen Mann bezeichneten; »er hat sein Sacktuch in das Blut der Oesterreicherin getaucht, tödtet ihn!«

»Großer Gott!« sagte Maurice zu Lorin,«erkennst Du ihn? erkennst Du ihn?«

»Tod dem Royalisten!« wiederholten die Wahnsinnigen, »nehmt ihm das Sacktuch, aus dem er sich eine Reliquie machen will, entreißt es ihm!«

Ein stolzes Lächeln schwebte über die Lippen des jungen Mannes, er riß sein Hemd auf, entblößte seine Brust und ließ sein Sacktuch fallen.

»Meine Herren,« sprach er, »dieses Blut ist nicht das der Königin, sondern das meinige; laßt mich ruhig sterben.«

Und eine tiefe, fließende Wunde erschien gähnend unter der linken Brustwarze.,

Die Menge stieß einen Schrei aus und wich zurück.

Dann sank der junge Mann langsam auf seine Kniee und schaute das Schafott an, wie ein Märtyrer den Himmel anschaut.

»Maison-Rouge!« flüsterte Lorin Maurice in das Ohr.

»Fahre wohl!« stammelte der junge Mann, während er das Haupt mit einem göttlichen Lächeln senkte; »fahre wohl, auf Wiedersehen!«

Und er verschied mitten unter den erstaunten Wachen.

»Man kann auch das noch thun, Lorin, ehe man ein schlechter Bürger wird,« sagte Maurice.

Der kleine Hund drehte sich erschrocken und heulend um den Leichnam.

»Halt, es ist Black,« sagte ein Mann, der einen großen, dicken Stock in der Hand hielt; »halt, es ist Black; komm hierher, mein kleiner Alter.«

Der Hund näherte sich demjenigen, welcher ihn rief, doch kaum war er in seinem Bereiche, als der Mann seinen Stock aufhob und ihm mit einem gewaltigen Gelächter den Schädel zerschmetterte.

»Oh! der Elende!« rief Maurice.

»Stille!« flüsterte Lorin, seinen Freund zurückhaltend, »stille, oder wir sind verloren . . . es ist Simon!«

L.
Die Haussuchung

Lorin und Maurice waren zu dem ersteren zurückgekehrt. Maurice hatte, um seinen Freund nicht zu offen zu gefährden, die Gewohnheit angenommen, Morgens auszugehen und erst Abends nach Hause zurückzukehren.

Indem er sich mit den Ereignissen vermengte, indem er der Überschaffung der Gefangenen beiwohnte, bespähte er jeden Tag das Vorüberkommen von Geneviève, da er nicht hatte in Erfahrung bringen können, in welchem Hause sie eingeschlossen war. Denn seit seinem Besuche bei Fouquier-Tinville hatte ihm Lorin begreiflich gemacht, daß ihn sein erster sichtbarer Schritt zu Grunde richten würde, daß man ihn dann opfern würde, ohne daß er Geneviève Hilfe zu leisten im Stande gewesen, und Maurice, der sich auf der Stelle in der Hoffnung, mit seiner Geliebten vereinigt zu werden, hätte einkerkern lassen, wurde klug durch die Furcht, für immer von ihr getrennt zu werden.

Er ging also jeden Morgen von den Carmes nach Port-Libre, von den Madelonnettes nach Saint-Lazare, von der Force nach dem Luxembourg, und stellte sich vor den Gefängnissen auf, wenn die Karren herauskamen, welche die Gefangenen nach dem Revolutionstribunal führten. Hatte er einen Blick aus die Opfer geworfen, so lies er zu einem andern Gefängniß.

Doch er bemerkte bald, daß die Thätigkeit von zehn Menschen nicht genügen würde, um aus diese Art die drei und dreißig Gefängnisse zu überwachen, welche Paris in jener Zeit besaß, und er beschränkte sich daraus, daß er zu dem Tribunal selbst ging, um die Erscheinung von Geneviève zu erwarten.

Dies war schon ein Ansang von Verzweiflung. In der That, welche Hilfsmittel blieben einem Verurtheilten nach dem Spruche? Zuweilen hatte das Tribunal, dessen Sitzungen um zehn Uhr begannen, um vier Uhr zwanzig bis dreißig Personen verurtheilt; der erste Verurtheilte genoß sechs Stunden Leben, doch der letzte, den der Spruch ein Viertel vor vier Uhr traf, fiel um halb fünf Uhr unter dem Beile.

Sich darein ergeben, eine solche Chance für Geneviève zu ertragen, hieß also müde werden, das Schicksal zu bekämpfen.

Wenn er zum Voraus von der Einsperrung von Geneviève unterrichtet gewesen wäre. . . wie hätte sich Maurice über die in jener Zeit so sehr verblendete menschliche Gerechtigkeit gefreut! wie rasch hätte er Geneviève dem Gefängniß entrissen! Nie waren Entweichungen leichter Man könnte sagen, sie seien nie seltener vorgekommen. Dieser ganze Adel, war er einmal in ein Gefängnis gebracht, setzte sich darin fest wie in einem Schiene und machten es sich bequem, um zu sterben. Fliehen hieß sich den Folgen eines Duells entziehen; selbst die Frauen errötheten über eine um diesen Preis erlangte Freiheit.

Doch Maurice hätte sich nicht so bedenklich gezeigt. Hunde tödten, einen Schließer bestechen, was konnte es Leichteres geben? Geneviève hatte keinen so glänzen Namen, daß er die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen hätte . . . Sie entehrte sich nicht, wenn sie floh, und überdies . . . wenn sie sich auch entehrt hätte!

Oh! mit welcher Bitterkeit stellte er sich sie so leicht zu erkletternden Gärten von Port-Libre vor; dann die Zimmer der Madelonnettes, die sich so bequem durchbrechen ließen, um die Straße zu erreichen, und die so nieder, Mauern des Luxembourg und die düsteren Gänge der Carmes12, in welche ein entschlossener Mann durch ein Fenster ohne alle Mühe dringen konnte.

Doch war Geneviève auch in einem von diesen Gefängnissen?«

Vom Zweifel verzehrt, von der Angst niedergedrückt, überhäufte Maurice sodann Dirmer mit Verwünschungen; er drohte ihm, er sättigte sich mit Haß gegen diesen Menschen, dessen feige Rache sich unter einem Anscheine von Ergebenheit für die königliche Sache verbarg.

»Ich werde ihn finden,« dachte Maurice, »denn wenn er die unglückliche Frau retten will, so wird er sich zeigen; will er sie verderben, so wird er sie schmähen und beleidigen. Ich werde ihn wiederfinden, den Schändlichen, und dann wehe ihm!«

Am Morgen des Tages, wo die Ereignisse vorfallen, welche wir zu erzählen im Begriffe sind, war Maurice ausgegangen, um sich au seinem Platze beim Revolutionstribunal aufzupflanzen. Lorin schlief.

Er wurde durch ein gewaltiges Geräusch erweckt, das Frauenstimmen und Flintenkolben an der Thüre machten.

Er schaute mit dem scheuen Blick des überraschten Mannes umher, der sich gern überzeugen möchte, ob nichts Gefährdendes vor den Augen bleibe.

Vier Sectionäre, zwei Gendarmen und ein Commissär traten in diesem Augenblick ein.

Dieser Besuch war so bezeichnend, daß sich Lorin eiligst ankleidete.

»Ihr verhaftet mich?« sagte er.

»Ja, Bürger Lorin.«

»Warum dies?«

»Weil Du verdächtig bist.«

»Ah! das ist richtig.«

Der Commissär kritzelte ein paar Worte unten an das Verhaftsprotokoll.

»Wo ist Dein Freund?« fragte er sodann.

»Welcher Freund?«

»Der Bürger Maurice Lindey.«

»Zu Hause wahrscheinlich.«

»Nein, er wohnt hier.«

»Er? Geht doch! Sucht und wenn Ihr ihn findet . . .«

»Hier ist die Anzeige,« sagte der Commissär, »sie ist deutlich und ausführlich.«

Er bot Lorin ein Papier mit einer häßlichen Handschrift und räthselhafter Orthographie. Es war in dieser Denunciation gesagt, man sehe jeden Morgen aus der Wohnung des Bürger Lorin den Bürger Lindey herauskommen, der verdächtig und zur Verhaftung bestimmt sei.

Die Denunciation war von Simon unterzeichnet.

»Ah! der Schuhflicker wird seine Kunden verlieren, wenn er zugleich diese beiden Handwerker treibt. Wir! Mouchard und Stiefelsohler! Dieser Herr Simon ist ein wahrer Cäsar,« sagte Lorin und brach in ein Gelächter ans.

»Der Bürger Maurice?« fragte abermals der Commissär; »wo ist der Bürger Maurice? Wir fordern Dich auf, ihn uns auszuliefern!«

»Wenn ich Euch sage, daß er nicht hier ist!«

Der Commissär ging in ein anstoßendes Zimmer, dann stieg er ein hängendes Halbgeschoß hinaus, wo der Willfährige von Lorin wohnte, endlich öffnete er eine untere Stube. Keine Spur von Maurice.

Doch ein aus dem Tische im Speisezimmer liegender, frisch geschriebener Brief erregte die Aufmerksamkeit des Commissärs.

Er war von Maurice geschrieben, der ihn am Morgen aus diese Stelle legte, als er wegging, ohne seinen Freund zu wecken, obgleich sie beisammen schliefen.

»Ich gehe nach dem Tribunal,« sagte Maurice in dem Briefe, »frühstücke ohne mich, ich werde erst diesen Abend zurückkehren.«

»Bürger,« sprach Lorin, »so sehr ich mich auch beeile, zu gehorchen, so begreifen Sie doch, daß ich Ihnen nicht im Hemd folgen kann. Erlauben Sie, daß mich mein Willfähriger anzieht.«

»Aristokrat!« rief eine Stimme, »man muß ihm seine Hosen anziehen helfen . . .«

»Oh, mein Gott, ja! ich bin wie der Bürger Dagobert. Ihr werdet merken, daß ich nicht König gesagt habe.«

»Vorwärts, laß Dich ankleiden,« sprach der Commissär, »doch beeile Dich.«

Der Willfährige stieg von seinem Halbgeschoße herab und half seinem Herrn sich ankleiden.

Es war nicht der Zweck von Lorin, einen Kammerdiener zu haben, sondern es sollte nichts von dem, was geschah, dem Willfährigen entgehen, damit dieser das, was vorgefallen, Maurice wiedersagen könnte.

»Nun, meine Herren. . . verzeiht, Bürger, nun, Bürger, bin ich bereit und folge Euch. Doch ich bitte, laßt mich den letzten Band der Briefe an Emilte von Herrn Demoustier mitnehmen, er ist so eben erschienen und ich habe ihn noch nicht gelesen, das wird die Langweile der Gefangenschaft versüßen.«

»Deine Gefangenschaft! . . .« sprach plötzlich Simon, der ebenfalls Municipal geworden war und gefolgt von vier Sectionären eintrat. »Sie wird nicht lange dauern. Du bist in dem Prozesse der Frau betheiligt, welche die Oesterreicherin entspringen zu lassen beabsichtigte. Man richtet sie heute . . . Dich wird man morgen richten, nachdem Du gezeugt hast.«

»Schuster,« sprach Lorin mit großem Ernste, »Du nähst Deine Sohlen zu schnell.«

»Ja, doch welch ein schöner Schnitt des Kneifs!« Versetzte Simon mit einen häßlichen Lächeln; »Du wirst sehen, Du wirst sehen, mein schöner Grenadier.«

Lorin zuckte die Achseln.

»Nun! gehen wir!« sagte er, »ich warte.«

Und als Jeder sich umdrehte, um die Treppe hinabzugehen, versetzte Lorin dem Municipal Simon einen so kräftigen Fußtritt, daß er brüllend die glänzende, steile Treppe hinabrollte.

»Die Sectionäre konnten sich des Lachens nicht erwehren. Lorin steckte seine Hände in seine Taschen.

»In der Ausübung meiner Functionen!« rief Simon leichenblaß vor Zorn.

»Bei Gott!« erwiderte Lorin, »sind wir nicht Alle in der Ausübung unserer Functionen begriffen?«

Man ließ ihn in einen Fiacre steigen und der Commissär führte ihn nach dem Justizpalaste.

11.So lang ich atme, hoffe ich.
12.Das ehemalige Carmeliter Kloster.
Türler ve etiketler
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Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
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