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Kitabı oku: «Der Chevalier von Maison-Rouge», sayfa 30

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LI.
L o r i n

Will uns der Leser zum zweiten Male nach dem Revolutionstribunale folgen, so werden wir Maurice an demselben Platze, wo wir ihn bereits gesehen, wiederfinden, nur werden wir ihn bleicher, bewegter finden.

In dem Augenblick, wo wir die Szene aus dem düstern Theater wiedereröffnen, zu welchem uns mehr die Ereignisse hinziehen, als unsere Vorliebe, sind die Richter in der Abstimmung begriffen, denn ein Proceß ist abgehandelt: zwei Angeklagte, welche in einer von den frechen Vorsichtsmaßregeln, mit denen man damals die Richter verspottete, ihre Toilette für das Schafott gemacht haben, unterhalten sich mit ihren Vertheidigern, deren unbestimmte Worte denen eines Arztes gleichen, welcher an seinem Todten verzweifelt.

Das Volk aus den Tribunen war an diesem Tage von einer wilden Laune, von einer Laune, welche die Strenge der Richter hervorruft: unter die unmittelbare Aufsicht der Strickerinnen und der Vorstädterinnen gestellt, halten sich die Geschworenen besser, wie der Schauspieler seine Energie vor einem schlecht gestimmten Publikum verdoppelt.

Es sind auch seit zehn Uhr Morgens schon fünf Angeklagte in eben so viele Verurtheilte durch diese unnachgiebig gemachten Geschworenen verwandelt worden.

Die zwei, welche sich gerade aus der Bank der Angeklagten fanden, warteten also in diesem Augenblick das Ja oder das Nein ab, das sie entweder dem Leben zurückgeben oder dem Tod zuschleudern sollte.

Das Volk der Anwesenden, durch die Gewohnheit dieser täglichen Tragödie, welche sein Lieblingsschauspiel geworden, roh und wild gemacht, das Volk der Anwesenden, sagen wir, bereitete sie durch Zwischenworte auf diesen furchtbaren Augenblick vor.

»Sieh! Sieh! Sieh! schau doch den Großen an!« sagte eine Strickerin, welche, da sie keine Haube hatte, an ihrem Zopfe eine handbreite dreifarbige Cocarde trug; »sieh, wie bleich er ist! man sollte glauben, er wäre schon todt!«

Dieser Verurtheilte schaute die Frau, welche so von ihm sprach, mit einem Lächeln der Verachtung an.

»Was sagst Du denn?« versetzte ihre Nachbarin, »er lächelte gerade.«

»Ja, mit der Schärfe der Zähne.«

Ein Vorstädter schaute aus seine Uhr.

»Wie viel Uhr ist es?« fragte ihn sein Kamerad.

»Ein Uhr weniger zehn Minuten, das dauert schon drei Viertelstunden.«

»Wie in Domfront, der Unglücksstadt: um zwölf Uhr angekommen, um ein Uhr gehenkt.«

»Und der Kleine, und der kleine! rief ein Anderer, »schau ihn doch an, wie häßlich wird er sein, wenn er in den Sack niest.«

»Bah! das ist zu bald geschehen, Du wirst nicht Zeit haben, es wahrzunehmen.«

»Höre, man wird seinen Kopf von Herrn Sanson zurückverlangen, man hat also das Recht, ihn zu sehen.«

«Schau doch, was für einen schönen tyrannenblauen Rock er trägt . . . es ist ein wenig angenehm für die Armen, wenn man die gut gekleideten Leute verkürzt.«

Die Armen erbten in der That, wie es der Scharfrichter zu der Königin gesagt hatte, den Nachlaß von jedem Opfer; dieser Nachlaß wurde sogleich nach der Hinrichtung in die Salpetrière gebracht, um unter die Dürftigen vertheilt zu werden, und dahin hatte man auch die Kleider der hingerichteten Königin geschickt.

Maurice hörte diese Worte schwirren, ohne darauf Acht zu geben; Jeder war in diesem Augenblick von einem mächtigen Gedanken in Anspruch genommen, der ihn vereinzelte. Seit einigen Tagen schlug sein Herz nur noch in gewissen Momenten und in Stößen; von Zeit zu Zeit schienen die Furcht oder die Hoffnung den Gang seines Lebens zu hemmen, und diese beständigen Schwankungen hatten in seinem Herzen die Empfindungskraft gleichsam gebrochen, um die Erschlaffung an ihre Stelle zu setzen.

Die Geschworenen kehrten in den Sitzungssaal zurück und der Präsident verkündigte, wie man es erwartet hatte, das Todesurtheil der zwei Angeklagten.

Man führte sie weg, sie entfernten sich mit festem Schritte . . . in jener Zeit starb Jedermann gut.

Die Stimme des Huissier erscholl finster und unheilschwanger.

»Der Bürger Ankläger gegen die Bürgerin Dirmer.«

Maurice schauerte am ganzen Leib und der Schweiß perlte aus seinem Antlitz.

Die kleine Thüre, durch welche die Angeklagten eintraten, öffnete sich und Geneviève erschien.

Sie war weiß gekleidet; ihre Haare waren mit eine reizenden Coquetterie geordnet, denn sie hatte sie zierlich in Locken über einander gelegt, statt sie zu schneiden, wie es viele andere Frauen thaten.

Ohne Zweifel wollte die arme Geneviève bis zum letzten Augenblick schön vor demjenigen erscheinen, welcher sie sehen konnte.

Maurice sah Geneviève und er fühlte, daß alle Kräfte, die er für diesen Augenblick gesammelt hatte, ihn zu gleicher Zeit verließen; er war indessen aus diesen Schlag gefasst, da er seit zehn Tagen keine Sitzung versäumte und schon dreimal der Name Geneviève, aus dem Munde des öffentlichen Anklägers hervorgehend, sein Ohr berührt hatte; doch es gibt eine gewisse Verzweiflung, welche so weit und so tief ist, daß Niemand den Abgrund ermessen kann.

Alle, welche diese so schöne, so unschuldsvolle, so bleiche junge Frau kommen sahen, stießen einen Schrei aus, die Einen vor Wuth, (es gab zu jener Zeit Menschen, welche jeden Vorzug haßten, den Vorzug der Schönheit wie den Vorzug des Geldes, des Genies oder der Geburt), die Anderen vor Bewunderung, Einige vor Mitleid.

Geneviève erkannte ohne Zweifel einen Schrei aus allen diesen Schreien, eine Stimme unter allen diesen Stimmen; denn sie wandte sich gegen Maurice um, während der Präsident in den Acten der Angeklagten blätterte, wobei er sie von Zeit zu Zeit verstohlen von unten anschaute.

Mit dem ersten Blicke sah sie Maurice, so sehr er auch unter der Krempe seines breiten Hutes begraben war; dann wandte sie sich ganz um mit einem sanften Lächeln und mit einer noch viel sanfteren Gebärde; sie drückte ihre zwei rosigen, zitternden Hände aus ihre Lippen, legte mit ihrem Hauche ihre ganze Seele hinein und gab diesem Kusse, den ein Einziger in dieser Menge für sich zu nehmen berechtigt war, Flügel.

Ein Gemurmel der Theilnahme durchlief den ganzen Saal. Ausgerufen, wandte sie sich gegen ihre Richter um, doch mitten in dieser Bewegung hielt sie inne, ihre weit ausgerissenen Augen hefteten sich mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke des Schreckens aus einen Punkt des Saals.

Maurice erhob sich vergebens auf die Fußspitzen, er sah nichts, oder vielmehr etwas Wichtigeres lenkte seine Ausmerksamkeit wieder auf die Szene, das heißt aus das Tribunal.

Fouquier-Tinville hatte die Vorlesung der Anklageakte begonnen.

Nach dieser Acte war Geneviève Dirmer die Frau eines hartnäckigen Verschwörers und stand im Verdacht, den Cechevalier von Maison-Rouge bei seinen auf einander folgenden Versuchen, die Königin zu retten, unterstützt zu haben,

Überdies hatte man sie auf den Knieen vor der Königin gefunden, wie sie diese angefleht, die Kleider mit ihr zu wechseln, wie sie sich anerboten, an ihrer Stelle zu sterben. »Dieser alberne Fanatismus,« sagte die Anklageakte, »wird ohne Zweifel Lobeserhebungen von den Gegenrevolutionären ernten. Doch heute,« fügte sie bei, »ist jeder französische Bürger sein Leben nur der Nation schuldig, und sich den Feinden Frankreichs opfern, heißt doppelt verrathen.«

Befragt, ob sie anerkenne, daß sie von den Gendarmen Duchesne und Gilbert zu den Füßen der Königin überrascht worden sei, wie sie diese angefleht, die Kleider mit ihr zu wechseln, antwortete Geneviève einfach:

»Ja!«

»So erzählen Sie uns Ihren Plan und Ihn Hoffnungen,« sprach der Präsident.

Geneviève erwiderte lächelnd:

»Eine Frau kann Hoffnungen fassen, doch sie kann keinen Plan machen wie den, dessen Opfer ich bin.«

»Warum befanden Sie sich dort?«

»Weil ich nicht mir gehörte und man mich antrieb?«

»Wer trieb Sie an?« fragte der öffentliche Ankläger.

»Leute, die mich mit dem Tode bedrohten, wenn ich nicht gehorchen würde.«

Und der gereizte Blick der jungen Frau heftete sich abermals aus den für Maurice unsichtbaren Punkt des Saales.

»Doch um dem Tod zu entgehen, mit dem man Sie bedrohte, trotzten Sie dem Tod, der für Sie aus einer Verurtheilung hervorgehen mußte?«

»Als ich nachgab, stand das Messer aus meiner Brust, während das Eisen der Guillotine noch fern von meinem Kopfe war. Ich beugte mich unter der gegenwärtigen Gewalt.«

»Warum riefen Sie nicht zu Hilfe? Jeder gute Bürger hätte Sie vertheidigt.«

»Ach! mein Herr,« erwiderte Geneviève mit einem zugleich so traurigen und so zarten Tone, daß das Herz von Maurice aufschwoll, als ob es zerspringen sollte, »ach! ich hatte Niemand mehr in meiner Nähe.«

Die Rührung folgte aus die Theilnahme, wie die Theilnahme auf die Neugierde gefolgt war. Viele Köpfe senkten sich, die Einen verbargen ihre Thränen, die Andern ließen ihnen freien Lauf.

Maurice erblickte nun auf seiner Linken einen fest gebliebenen Kopf, ein unbeugsam gebliebenes Gesicht.

Es war Dirmer, der aufrecht, düster, unversöhnlich, weder Geneviève noch das Tribunal aus dem Gesichte verlor.

Das Blut strömte den Schläfen des jungen Mannes zu; der Zorn stieg von seinem Herzen in seine Stirne und erfüllte sein ganzes Wesen mit unmäßiger Rachgier. Er schlenderte Dirmer einen mit so elektrischem, so mächtigem Hasse beladenen Blick zu, daß dieser, wie angezogen durch das brennende Fluidum, den Kopf gegen seinen Feind umwandte.

Beider Blicke kreuzten sich wie zwei Flammen. »Sagen Sie uns die Namen Ihrer Anstifter?« fragte der Präsident.

»Es war nur ein einziger, mein Herr.«

»Wer?«

»Mein Gatte.«

»Wissen Sie, wo er ist?«

»Ja.»

»Nennen Sie seinen Zufluchtsort.«

»Er ist vielleicht in Frankreich; doch ich werde nicht feig sein, es ist nicht meine Sache, seinen Zufluchtsort anzuzeigen, es ist die Ihrige, ihn zu entdecken.«

Maurice schaute Dirmer an.

Dirmer machte keine Bewegung.

Ein Gedanke durchzuckte den Kopf des jungen Mannes: der Gedanke, ihn anzuzeigen, indem er zugleich sich anzeigen würde; doch er unterdrückte ihn wieder.

»Nein, er soll nicht so sterben!« sagte er.

»Sie weigern sich also, unsere Nachforschungen zu lenken?« fragte der Präsident.

»Mein Herr, ich glaube, daß ich es nicht thun kann, ohne mich eben so verächtlich in den Augen der Andern zu machen, als er es in den meinigen ist,« antwortete Geneviève.

»Sind Zeugen vorhanden?« fragte der Präsident.

»Einer,« antwortete der Huissier.

»Rufen Sie den Zeugen aus.«

»Maximilian Jean Lorin!« quiekte der Huissier.

»Lorin!« rief Maurice. »Oh! mein Gott! was ist denn mit ihm geschehen?«

Diese Szene fiel am Tage der Verhaftung von Lorin vor und Maurice wußte noch nichts von der Verhaftung.

»Lorin!« murmelte Geneviève, mit schmerzlicher Unruhe umherschauend.

»Warum antwortet der Zeuge nicht, wenn man ihn auffordert?« fragte der Präsident.

»Bürger Präsident,« sagte Fouquier-Tinville, »auf eine neue Anzeige ist der Zeuge in seiner Wohnung verhaftet worden; man wird ihn sogleich bringen.«

Maurice bebte.

»Es war noch ein anderer, wichtigerer Zeuge vorhanden, doch diesen konnte man nicht finden,« fuhr Fouquier-Tinville fort.

Dirmer wandte sich lächelnd gegen Maurice um; vielleicht durchzog derselbe Gedanke, der sich im Kopf des Geliebten geregt hatte, gleichfalls den Kopf des Gatten.

Geneviève erbleichte und sank aus sich selbst zusammen.

In diesem Augenblick trat Lorin, gefolgt von zwei Gendarmen, ein.

Nach ihm und durch dieselbe Thüre kam Simon, der sich als ein Vertrauter des Ortes im Gerichtssaale niedersetzte.

»Ihr Name und Ihre Vorname?« fragte der Präsident.

»Maximilian Jean Lorin.«

»Ihr Stand?«

»Freier Mann.«

»Du wirst es nicht mehr lange sein,« sagte Simon, indem er ihm die Faust wies.

»Sind Sie ein Verwandter der Angeklagten?«

«Nein, doch ich habe die Ehre, zu ihren Freunden zu gehören.«

»Wußten Sie, daß sie aus die Entführung der Königin conspirirte?«

»Wie sollte ich das wissen?«

»Sie konnte es Ihnen anvertraut haben.«

»Mir, einem Mitglied der Section der Thermopylen? Stille doch!«

»Man hat Sie jedoch zuweilen bei ihr gesehen?«

»Man mußte mich sogar oft bei ihr sehen.«

»Sie kannten sie als eine Aristokratin?«

»Ich kannte Sie als die Frau eines Rothgerbermeisters.«

»Ihr Gatte trieb in Wirklichkeit das Handwerk nicht, unter welchem er sich verbarg.«

»Ah! das weiß ich nicht, ihr Gatte gehörte nicht zu meinen Freunden.«

»Erzählen Sie uns von ihm.«

»Oh! sehr gern! Es war ein gemeiner Bursche. . .«

»Herr Lorin, haben Sie Mitleid!« sagte Geneviève.

Lorin fuhr, ohne sich stören zu lassen, fort:

»Der die arme Frau, welche Sie vor Augen haben, opferte, nicht wegen seiner politischen Meinungen, sondern um seinen persönlichen Haß zu befriedigen; sich! ich stelle ihn beinahe so nieder als Simon.«

Dirmer wurde leichenbleich; Simon wollte sprechen, doch der Präsident gebot ihm durch eine Gebärde Stillschweigen.

»Sie scheinen diese ganze Geschichte vollkommen, zu kennen, erzählen Sie uns mehr davon,« sagte Fouguier.

»Ich bitte um Verzeihung, Bürger Fouquier,« entgegnete Lorin aufstehend, »ich habe gesagt, was ich wußte.«

Er grüßte und setzte sich wieder.

»Bürger Lorin,« fuhr der Ankläger fort,«es ist Deine Pflicht, das Tribunal aufzuklären.«

»Es kläre sich mit dem auf, was ich gesagt habe. . . Diese Frau aber ist unschuldig, ich wiederhole es, sie hat nur der Gewalt gehorcht. Ei! schaut sie nur einmal an, sieht sie aus wie eine Verschwörerin? Man hat sie gezwungen, zu thun, was sie getan, das ist das Ganze.«

»Du glaubst es?«

»Ich bin dessen sicher.«

»Im Namen des Gesetzes fordere ich, daß der Zeuge Lorin als der Genossenschaft mit dieser Frau angeklagt, vor das Tribunal gestellt werde,« sprach Fouquier.

Maurice stieß einen Seufzer aus.

Geneviève verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.

Simon rief in einem Freudenausbruche:

»Bürger Ankläger, Du hast das Vaterland gerettet.«

Lorin aber stieg, ohne etwas zu erwidern, über das Geländer, um sich zu Geneviève zu setzen, nahm ihre Hand, küßte sie ehrfurchtsvoll und sagte mit einem Phlegma, das die Versammlung elektrisierte:

»Guten Morgen, Bürgerin. Wie befinden Sie sich?«

Und er ließ sich aus der Bank der Angeklagten nieder.

LII.
Fortsetzung des Vorhergehenden

Diese ganze Szene war wie eine phantasmagorische Erscheinung vor Maurice vorübergegangen, der sich aus den Griff seines Säbels stützte, welcher ihn nie verließ; er sah einen nach dem andern seine Freunde in den Schlund fallen, welcher seine Opfer nicht zurückgibt, und dieses tödliche Bild war so schlagend für ihn, daß er sich fragte, warum er, der Gefährte dieser Unglücklichen sich noch an den Rand des Abgrundes anklammere und sich nicht dem Schwindel überlasse, der ihn mit ihnen fortzog.

Während Lorin über das Geländer stieg, gewahrte er das düstere, spöttische Gesicht von Dirmer.

Als er sich neben Geneviève gesetzt hatte, neigte sich diese an sein Ohr und sagte:

»Oh! mein Gott! wissen Sie, daß Maurice da ist?«

»Wo denn?«

»Schauen Sie nicht sogleich; Ihr Blick könnte ihn ins Verderben stürzen.«

»Seien Sie unbesorgt.«

»Hinter uns, bei der Thüre. Welcher Schmerz für ihn, wenn wir verurtheilt sind.«

Lorin schaute die junge Frau mit zartem Mitleid an,

»Wir werden es sein,« sagte er, »ich beschwöre Sie, nicht daran zu zweifeln. Die Täuschung wäre zu grausam, wenn Sie die Unklugheit hätten, noch zu hoffen«

»Oh, mein Gott!« versetzte Geneviève, »der arme Freund, der nun allein aus der Erde bleiben wird!«

Lorin wandte sich gegen Maurice um und Geneviève, welche nicht widerstehen konnte, warf ebenfalls einen raschen Blick aus den jungen Mann.

Maurice hatte die Augen auf sie gerichtet und drückte eine Hand aus sein Herz.

»Es gibt ein Mittel, Sie zu retten,« sagte Lorin.

»Ein sicheres?« fragte Geneviève, deren Augen vor Freude funkelten.

«Oh! dafür stehe ich«

»Wenn Sie mich retten würden, Lorin, wie wollte ich Sie segnen!«

»Doch dieses Mittel . . .« versetzte der junge Mann,

Geneviève las ein Zögern in seinen Augen.

»Sie haben ihn also auch gesehen?« sagte sie.

»Ja, ich habe ihn gesehen. Wollen Sie gerettet sein, so steige er in den eisernen Stuhl, und Sie sind es.«

Dirmer errieth ohne Zweifel an dem Ausdruck des Blickes von Lorin, welche Worte dieser sprach, denn er erbleichte Anfangs, doch bald nahm er wieder seinen düstere Ruhe und sein höllisches Lächeln an.

»Es ist unmöglich,« sagte Geneviève, »ich könnte ihn nicht mehr hassen.«

»Sagen Sie, daß er Ihren Edelmuth kennt und Ihnen trotzt.«

»Ohne Zweifel, denn er ist seiner, meiner, unserer Aller sicher.«

»Geneviève! Geneviève! ich bin minder vollkommen als Sie; lassen Sie mich ihn fortreißen, und er sterbe.«

»Nein, Lorin, ich beschwöre Sie, nichts gemein mit diesem Menschen, nicht einmal den Tod; mir scheint, ich wäre Maurice ungetreu, wenn ich mit Dirmer sterben würde.«

»Aber Sie werden nicht sterben.«

»Könnte ich leben, wenn er todt wäre?«

»Ah!« sagte Lorin, »Maurice hat Recht, Sie zu lieben! Sie sind ein Engel, und das Vaterland der Engel ist im Himmel! Armer, theurer Maurice!«

Simon, der nicht hören konnte, was die Angeklagten sagten, verschlang indessen, in Ermangelung ihrer Worte, ihre Gesichter mit dem Blick.

»Bürger Gendarme,« rief er, »verhindere doch die Verschwörer, ihre Complotte gegen die Republik sogar im Revolutionstribunale fortzusetzen.«

»Gut,« antwortete der Gendarme, »Du weißt wohl, Bürger Simon, daß man hier nicht mehr conspirirt, oder wenn man conspirirt, daß es nicht für lange Zeit geschieht. Sie plaudern, die Bürger, und da das Gesetz nicht verbietet, im Henkerskarren zu plaudern, warum sollte es das Plaudern im Tribunal verbieten?«

Dieser Gendarme war Gilbert, der, nachdem er die Gefangene erkannt, die er im Kerker der Königin gemacht hatte, mit seiner gewöhnlichen Redlichkeit die Teilnahme äußerte, welche er dem Muthe und der Ergebenheit zuzugestehen nicht umhin konnte.

Der Präsident hatte sich mit seinen Assessoren berathen; auf die Aufforderung von Fonquier-Tinville begann er seine Fragen.

»Angeklagter Lorin,« fragte er, »welcher Art war Dein Verhältnis zu der Bürgerin Dirmer?«

»Welcher Art, Bürger Präsident?«

»Ja.«

»Lamite la plus pure unisait pos deux couers,

Elle maimait en frère et je laimais en soeur.«13

»Bürger Lorin,« sagte Fouquier-Tinville, »Dein Reim ist schlecht.«

»Warum?« fragte Lorin.

»Allerdings, es ist ein s zu viel.«

»Schneide ab, Bürger Ankläger, schneide ab, das ist Dein Handwerk,«

Das unempfindliche Gesicht von Fouquier-Tinville erbleichte leicht bei diesem furchtbaren Scherze.

»Mit welchem Auge sah der Bürger Dirmer die Verbindung eines Mannes, der ein Republikaner zu sein behauptete, mit seiner Frau an?« fragte der Präsident.

»Oh! was das betrifft. . . ich kann es nicht sagen, denn ich kannte den Bürger Dirmer nicht, und bin vollkommen damit zufrieden.«

»Aber Du sagst nicht, daß Dein Freund, der Bürger Maurice Lindey, zwischen Dir und der Angeklagten der Knoten dieser so reinen Freundschaft war,« versetzte Fouquier-Tinville,

»Wenn ich es nicht sage,« antwortete Lorin, »so ist dies der Fall, weil es mir schlimm vorkommt, es zu sagen, und ich finde sogar, daß Sie ein Beispiel hätten an mir nehmen können.«

»Die Bürger Geschworenen,« sprach Fruquiei-Tinville, »werden diese seltsame Verbindung zweier Republikaner mit einer Aristokratin und zwar in einem Augenblick, wo diese Aristokratin des schwärzesten Complotts überwiesen ist, das man je gegen die Nation angezettelt hat, würdigen.«

»Wie hätte ich das Complott wissen sollen, von dem Du sprichst, Bürger Ankläger?« fragte Lorin, mehr empört als erschrocken über die Brutalität dieses Beweissatzes.

»Sie kannten diese Frau, Sie waren ihr Freund,« sie nannte Sie ihren Bruder, Sie nannten sie Ihn Schwester und Sie kannten ihre Schritte nicht? Ist es denn möglich, wie Sie selbst gesagt haben,« sprach der Präsident, »daß sie allein die Handlung, der sie angeschuldigt ist, verübt hat?«

»Sie hat sie nicht allein verübt,« entgegnete Lorin, der sich der technischen Worte bediente, welche der Präsident gebraucht hatte, »sie hat es Ihnen gesagt, ich habe es Ihnen gesagt, und wiederhole es, daß sie von ihrem Gatten angetrieben worden ist.«

»Wie kommt es denn, daß Du den Mann nicht kanntest, da der Mann mit der Frau vereinigt war?« fragte Fouquier-Tinville.

Lorin hatte nur das erste Verschwinden von Dirmer zu erzählen, Lorin hatte nur von der Liebe von Geneviève und Maurice zu sprechen, Lorin brauchte endlich nur bekannt zu machen, aus welche Art der Mann seine Frau entführt und in einem undurchdringlichen Schlupfwinkel verborgen hatte, um sich, die über der Sache schwebenden Dunkelheit zerstreuend, von jeder Connivenz zu entlasten.

Doch zu diesem Behufe hätte er das Geheimniß seiner zwei Freunde verrathen, er hätte Geneviève vor fünfhundert Personen erröthen machen müssen. Lorin schüttelte den Kopf, als wollte er sich selbst nein sagen.

»Nun!« fragte der Präsident, »was werden Sie dem Bürger Ankläger antworten?«

»Daß seine Logik niederschmetternd ist,« sprach Lorin, »und daß er mich von etwas überzeugt hat, was ich selbst nicht vermuthete.«

»Von was?«

»Daß ich, wie es scheint, einer der abscheulichsten Verschwörer bin, die man je gesehen hat.«

Diese Erklärung erregte eine allgemeine Heiterkeit. Die Geschworenen selbst konnten sich nicht bewältigen, so sehr hatte dieser junge Mann seine Worte mit der ihnen gebührenden Betonung gesprochen.

Fouquier fühlte den ganzen Spott, und da er in seiner unermüdlichen Beharrlichkeit dahin gelangt war, daß er alle Geheimnisse der Angeklagten eben so gut kannte, als die Angeklagten selbst, so vermochte er sich gegen Lorin eines Gefühles mitleidiger Bewunderung nicht zu erwehren.

»Nun,« sagte er, »Bürger Lorin, sprich, vertheidige Dich, Das Tribunal wird Dich anhören, denn es kennt Deine Vergangenheit, und Deine Vergangenheit ist die eines braven Republikaners.«

Simon wollte sprechen; der Präsident hieß ihn durch ein Zeichen schweigen.

»Sprich, Bürger Lorin, wir hören Dich,« sagte er.

Lorin schüttelte abermals den Kopf.

»Dieses Stillschweigen ist ein Geständniß,« fuhr der Präsident fort.

»Nein,« erwiderte Lorin, »dieses Stillschweigen ist Stillschweigen und nichts Anderes,«

»Noch einmal, willst Du sprechen?« fragte Fouquier-Tinville.

Lorin wandte sich gegen die Zuhörer um, in der Absicht, Maurice mit den Augen zu fragen, was er zu thun hätte.

Maurice machte Lorin kein Zeichen, zu sprechen, und er schwieg.

Dies hieß sich selbst verurtheilen.

Was nun folgte, war rasch geschehen.

Fouquier faste seine Anklage zusammen, der Präsident faste die Debatte zusammen; die Geschworenen schritten zur Abstimmung und sprachen das Schuldig gegen Lorin und Geneviève aus.

Der Präsident verurtheilte Beide zur Todesstrafe.

Die Glocke des Palastes schlug zwei Uhr.

Der Präsident brauchte gerade so viel Zeit, um die Verurtheilung auszusprechen, als die Uhr, um zu schlagen.

Maurice hörte diese zwei sich mit einander vermischen, den Geräusche. Als die doppelte Vibrirung der Stimme und der Glocke erloschen war, waren auch seine Kräfte erschöpft.

Die Gendarmen führten Geneviève und Lorin, der ihr den Arm geboten, weg.

Beide grüßten Maurice auf eine sehr verschiedene Weise; Lorin lächelte, Geneviève sandte ihm, bleich und wankend, einen letzten Kuß aus ihren mit Thränen benetzten Fingern zu.

Sie hatte bis zum äußersten Augenblick die Hoffnung, zu leben, bewahrt, und sie beweinte nicht ihr Leben, sondern ihre Liebe, welche mit ihrem Leben erlöschen seilte.

Halb wahnsinnig, erwiderte Maurice das lebewohl seiner Freunde nicht; er erhob sich, bleich, verwirrt von der Bank, auf die er gesunken. Seine Freunde waren verschwunden.

Er fühlte, daß nur noch Eines in ihm lebte: der Haß, der ihm das Herz zerfraß

Er warf einen letzten Blick umher und erkannte Dirmer, der mit andern Zuschauern wegging und sich bückte, um unter der gewölbten Thüre des Ganges durchzugehen.

Mit der Raschheit der Feder, die sich abspannt, sprang Maurice von Bank zu Bank und gelangte zu derselben Thüre.

Dirmer war schon außerhalb; er ging in der Dunkelheit durch den Corridor hinab.

Maurice folgte ihm.

In dem Augenblick, wo Dirmer mit dem Fuße die Platten des großes Saales berührte, berührte Maurice mit der Hand die Schulter von Dirmer.

13.Die reinste Freundschaft vereinigte unsere Herzen,sie liebte mich als Bruder, ich liebte sie als Schwester.  Wir mußten oben den Vers in französischer Sprache wegen des unmittelbar darauf Folgenden wiederholen, Was hier erzählt wird, ist historisch.
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04 aralık 2019
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