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Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 14

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Viertes bis sechstes Bändchen

I

Canolles hatte keinen Entschluß in sich festgestellt. In die für ihn bestimmte Wohnung zurückkehrend, fing er an rasch auf- und abzugeben, wie es die Gewohnheit unentschiedener Leute ist, ohne Castorin zu bemerken, der, seine Rückkehr erwartend, sich bei seinem Eintritte erhoben hatte und ihm nachfolgte, in seinen Händen völlig ausgespannt einen Schlafrock haltend, hinter welchem er gleichsam verschwand.

Castorin stieß an ein Geräthe, Canolles wandte sich um.

»Nun,« sagte er, »was machst Du da mit diesem Schlafrock?«

»Ich warte darauf, daß der gnädige Herr sein Kleid ablegt.«

»Ich weiß nicht, wann ich es ausziehen werde. Lege diesen Schlafrock auf einen Stahl und warte.«

»Wie! der gnädige Herr zieht sich nicht aus?« fragte Castorin, der, von Natur ein launenhafter Diener, diesen Abend nach mürrischer war, als gewöhnlich. »Der gnädige Herr gedenkt sich nicht sogleich schlafen zu legen?«

»Nein.«

»Und wann gedenkt der gnädige Herr sich niederzulegen?«

»Was kümmert es Dich?«

»Viel, insofern ich sehr müde bin.«

»Ah! in der That,« sprach Canolles stille stehend, und Castorin in das Gesicht schauend, »Du bist sehr müde?«

Und der Edelmann las deutlich auf dem Gesichte seines Lackeien den frechen Ausdruck der Bedienten, welche vor Verlangen, sich aus der Thüre werfen zu lassen, beinahe sterben.

»Sehr müde!« sprach Castorin.

Canolles zuckte die Achseln.

»Geh’,« sagte er zu ihm, »halte Dich im Vorzimmer auf; wenn ich Deiner bedarf, werde ich läuten.«

»Ich sage dem gnädigen Herrn zum Voraus, daß er, wenn er lange zögert, mich nicht mehr im Vorzimmer finden wird.«

»Und wo wirst Du sein, wenn ich fragen darf?«

»In meinem Bett; es scheint mir, wenn man zweihundert Stunden zurückgelegt hat, ist es wohl Zeit, schlafen zu gehen.«

»Herr Castorin, Ihr seid ein Unverschämter.«

»Findet der gnädige Herr, daß ein Unverschämter nicht würdig ist, in seinem Dienste zu sein, so hat der gnädige Herr nur ein Wort zu sagen, und ich werde ihn von meinem Dienste befreien,« antwortete Castorin, seine majestätische Miene annehmend.

Canolles befand sich nicht in einem Augenblick der Geduld, und wäre Castorin im Stande gewesen, nur den Schatten des Sturmes vorherzusehen, der sich im Innern seines Herrn zusammenballte, so würde er offenbar, so sehr es ihn auch drängte, sich frei zu sehen, auf einen andern Moment gewartet haben, um ihm diesen Vorschlag zu machen. Canolles ging gerade auf seinen Bedienten zu, nahm einen von den Knöpfen seines Rocken zwischen den Daumen und den Zeigefinger, eine Bewegung, weiche bei einem größeren Manne, als der arme Canolles je geworden ist, Gewohnheit war, und sprach:

»Wiederhole!«

»Ich wiederhole,« antwortete Castorin mit derselben Unklugheit, »daß ich den gnädigen Herrn, wenn er nicht mit mir zufrieden ist, sogleich von meinen Diensten befreien werde.«

Canolles ließ Castorin los und nahm mit ernster Miene seinen Stock. Castorin begriff, um was es sich handelte.

»Gnädiger Herr!« rief er, »bedenkt wohl, was Ihr thun wollt. Ich bin nicht mehr ein einfacher Lackei. Ich bin im Dienste der Frau Prinzessin.«

»Ah, ah!« rief Canolles, den bereits erhobenen Stock wieder senkend, »ah! Du bist im Dienste der Frau Prinzessin?«

»Ja, gnädiger Herr, seit einer Viertelstunde,« sprach Castorin, sich aufrichtend.

»Und wer hat Dich in ihren Dienst aufgenommen?«

»Herr Pompée, ihr Intendant.«

»Herr Pompée!«

»Ja.«

»Ei, warum sagtest Du mir das nicht sogleich?« rief Canolles. »Ja, ja, Du hast Recht, wenn Du meinen Dienst verlässest, mein lieber Castorin; und hier sind zwei Pistolen, um Dich für die Schläge zu entschädigen, die ich Dir zu geben im Begriffe war.«

»Oh!« sprach Castorin, der es nicht wagte, das Geld zu nehmen, »was soll das bedeuten? Der gnädige Herr spottet meiner?«

»Nein . . . werde im Gegentheil Lackei der Frau Prinzessin, mein Freund. Nur sage mir, wann sollte Dein Dienst beginnen?«

»Von dem Augenblick an, wo der gnädige Herr mir die Freiheit gegeben haben würde.«

»Wohl, ich gebe Dir die Freiheit morgen früh.«

»Und von jetzt bis morgen früh?«

»Bist Du immer noch mein Lackei und mußt mir gehorchen.«

»Gern! Und was befiehlt der gnädige Herr?« fragte Castorin, indem er sich entschloß, die zwei Pistolen anzunehmen.

»Ich befehle Dir, daß Du, da Du zu schlafen Lust hast, Dich quernidea und Dich in mein Bett legst.«

»Wie? was sagt der gnädige Herr? ich begreife nicht.«

»Du hast nicht nöthig, zu begreifen, sondern zu gehorchen. Kleide Dich aus, ich will Dir helfen.«

»Wie? der gnädige Herr will mir helfen?«

»Allerdings, da Du die Rolle des Chevalier von Canolles spielen sollst, muß ich wohl die von Castorin spielen.«

Und ohne die Erlaubniß seines Lackeien abzuwarten, nahm ihm der Baron seinen Rock ab, den er anzog, seinen Hut, den er auf den Kopf setzte, schloß ihn, ehe jener von seinem Erstaunen sich erholt hatte, doppelt ein und ging rasch die Treppe hinab.

Canolles fing endlich an, klar in diesem ganzen Geheimniß zu sehen, obgleich ein Theil der Ereignisse noch für ihn in eine Wolke gehüllt blieb. Seit zwei Stunden kam es ihm vor, als wäre nichts von dem, was er gesehen, nichts von dem, was er gehört, vollkommen natürlich gewesen. Die Haltung jedes Einzelnen in Chantilly war abgemessen; alle Personen, die er traf, schienen ihm eine Rolle zu spielen, und dennoch verschmolzen die Details in eine allgemeine Harmonie, welche dem von der Königin abgeschickten Wächter andeutete, daß er, wenn er nicht durch eine große Mystification bethört werden sollte, seine Aufmerksamkeit verdoppeln mußte.

Die Verbindung von Pompée mit dem Vicomte von Cambes erhellte viele Zweifel. Was von diesen bei Canolles noch übrig blieb, zerstreute sich vollends, als er, kaum in den Hof getreten, trotz der tiefen Finsternis der Nacht vier Männer einherschreiten und durch dieselbe Thüre, durch die er hinausgegangen war, einzutreten sich anschicken sah; diesen vier Männern ging derselbe Kammerdiener voran, der ihn bei den Prinzessinnen eingeführt hatte. Ein anderer Mann folgte von hinten in seinen Mantel gehüllt.

Auf der Thürschwelle blieb die kleine Truppe, die Befehle des Mannes im Mantel erwartend, stille stehen.

»Ihr wißt, wo er wohnt« sagte dieser mit gebieterischem Tone, sich an den Kammerdiener wendend; »Ihr kennt ihn, da Ihr ihn geführt habt. Ueberwacht ihn so, daß er nicht hinaus kann. Stellt Eure Leute auf der Treppe, im Gange, gleichviel, wo Ihr wollt, auf, wenn er nur, ohne etwas zu vermuthen, selbst bewacht ist, statt Ihre Hoheiten zu bewachen.«

Canolles machte sich unbemerkbarer als eine Vision in einer Ecke, wohin die Nacht ihren dichtesten Schatten warf; von hier aus sah er, ohne bemerkt zu werden, die vier Männer, die man ihm zu Wächtern gab, unter dem Gewölbe verschwinden, während der Mann in dem Mantel, nachdem er sich versichert hatte, daß seine Befehle ausgeführt wurden, den Weg wieder einschlug, auf welchem er gekommen war.

»Das zeigt noch nichts Genaues an,« sagte Canolles, ihm mit den Augen folgend, »denn der Ärger kann sie veranlassen, mir Gleiches mit Gleichem zu vergelten; wenn nur dieser Teufel von einem Castorin nicht ruft, schreit, irgend eine Dummheit begeht! . . . Ich habe Unrecht gehabt, ihn nicht zu knebeln. Leider ist es jetzt zu spät. Vorwärts, wir wollen unsere Runde beginnen.

Nachdem Canolles einen forschenden Blick hatte umher laufen lassen, durchschritt er den Hof und gelangte zu dem Flügel des Gebäudes, hinter welchem die Ställe lagen.

Das ganze Leben des Schlosses schien sich in diesen Theil der Gebäude geflüchtet zu haben. Man hörte Pferde mit den Füßen scharren und eilige Leute umher laufen. Die Sattelkammer erscholl von dem Geklirre von Gebissen und Geschirren. Man zog Wagen aus den Remisen, und Stimmen, durch die Furcht gedämpft, aber doch vernehmbar für ein aufmerksam lauschendes Ohr, riefen sich an und antworteten sich.

Canolles horchte einen Augenblick. Es unterlag keinem Zweifel, Alles schickte sich zu einer Abreise an. Er durchschritt den ganzen Raum zwischen dem einen Flügel und dem andern, ging unter ein Gewölbe und gelangte bis zur Freude des Schlosses.

Hier blieb er stehen.

Die Fenster des Erdgeschosses glänzten in der That von einem so hellen Lichte, daß man errathen mußte, es sei eine Anzahl von Kerzen im Innern angezündet, und da diese brennenden Kerzen hin- und hergetragen wurden und große Schatten und breite Lichtstreifen auf den Rasen des Gartens warfen, so begriff Canolles, daß hier, wo der Mittelpunkt der Thätigkeit war, auch der Sitz des Unternehmens sein mußte.

Canolles zögerte Anfangs, in das Geheimniß einzudringen, das man ihm zu verbergen suchte. Aber bald bedachte er, daß sein Titel als Gesandter der Königin und die Verantwortlichkeit, die ihm diese Sendung auferlegte, Vieles, selbst bei dem ängstlichsten Gewissen, entschuldigten.

Vorsichtig an der Mauer hinschreitend, an deren Base um so größere Dunkelheit herrschte, je mehr die sechs bis sieben Fuß über dem Boden liegenden Fenster glänzend waren, stieg er auf einen Weichstein, ging von dem Weichstein auf einen Mauervorsprung über, hielt sich mit einer Hand an einem Ring, mit der andern an dem Rande des Kreuzstockes und sandte von da durch einen Scheibenwinkel den schärfsten, aufmerksamsten Blick ab, der je in das Heiligthum einer Verschwörung gedrungen ist.

Man vernehme, was er sah.

Neben einer Frau, welche stand und die letzte Nadel befestigte, die auf ihrem Kopfe einen Reisehut festhalten sollte, kleideten einige Dienstmädchen ein Kind vollends in ein Jagdgewand: das Kind wandte Canolles den Rücken zu und dieser konnte nur sein blonden Haar unterscheiden.

Aber die Dame, deren ganzen Gesicht von dem Glanze zweier sechsarmiger Leuchter übergossen war, die auf jeder Seite der Toilette Bedienten, Karypatiden ähnlich, hielten, bot Canolles das genaue Original des Porträts, das er kurz zuvor in dem Halbschatten des Gemachs der Prinzessin erblickt hatte: es war das längliche Gesicht, den strengen Mund, die Nase mit der gebieterischen Biegung der Frau, deren lebendes Bild Canolles erkannte. Alles ein ihr kündigte die Herrschaft an, ihre kühne Geberde, ihr funkelnder Blick, ihre ungestümen Kopfbewegungen. Alles kündigte bei den Anwesenden den Gehorsam an, ihre Verbeugungen, die Eilfertigkeit, mit der sie den verlangten Gegenstand brachten, die Raschheit, mit welcher sie auf die Stimme ihrer Gebieterin antworteten oder ihren Blick befragten.

Mehrere Officianten des Hauses, unter denen Canolles den Kammerdiener erkannte, packten in Felleisen, in Koffer und Mantelsäcke, die Einen Juwelen, die Andern Geld, und wieder Andere das Arsenal der Frauen, Toilette genannt. Der kleine Prinz spielte und lief während dieser Zeit unter den eiligen Bedienten hin und her; aber unglücklicher Weise vermochte Canolles sein Gesicht nicht zu sehen.

»Ich hatte es vermuthet,« murmelte er; »man hintergeht mich: diese Leute treffen Vorkehrungen zur Abreise. Ja, aber mit einer Geberde kann ich diese Scene der Mystification in eine Scene der Trauer verwandeln. Ich brauche nur auf die Terrasse zu laufen und dreimal in dieses silberne Pfeifchen zu stoßen, und bei dem schrillen Tone, den es von sich geben wird, dringen zweihundert Mann in das Schloß, verhaften die Prinzessin und knebeln alle die Diener, die jetzt so duckmäuserisch lachen. Ja, fuhr Canolles fort, nur sprach er diesmal mit dem Herzen und nicht mit den Lippen, »ja, aber sie, welche dort schläft oder zu schlafen sich den Anschein gibt! Ich werde sie unwiederbringlich verlieren; sie wird einen Haß gegen mich fassen, und zwar diesmal einen wohlverdienten Haß. Mehr noch, sie wird mich verachten und sagen, ich habe mein Spionengeschäft vollständig getrieben, und dennoch, da sie der Prinzessin gehorcht, warum sollte ich nicht der Königin gehorchen?«

In diesem Augenblick, als wollte der Zufall sein Schwanken bekämpfen, öffnete sich die Thüre des Gemaches, in welchem die Toilette der Frau Prinzessin bewerkstelligt wurde, und zwei Personen, ein Mann von fünfzig Jahren und eine Frau von zwanzig, traten ganz hastig und freudig ein. Bei diesem Anblick ging das Herz von Canolles völlig in seine Augen über. Er erkannte die schönen Haare, die frischen Lippen, das geistreiche Auge des Vicomte von Cambes, welcher lächelnd und voll Ehrfurcht Clemence von Maillé, Prinzessin von Condé, die Hand küßte. Nur trug jetzt der Vicomte die Kleidung seines wahren Geschlechts und bot die reizendste Vicomtesse der Erde.

Canolles würde zehn Jahre von seinem Leben gegeben haben, hätte er ihr Gespräch hören können; aber vergebens hielt er seinen Kopf fest an die Scheibe; es drang nur ein unverständliches Gesumme zu seinem Ohr. Er sah, wie die Prinzessin der jungen Frau eine Abschiedsgeberde machte, sie auf die Stirne küßte und ihr etwas empfahl, worüber alle Anwesenden lachten; hiernach kehrte die letztere in die Ceremonienzimmer mit einigen niedrigen Officianten zurück, welche Uniformen von Oberofficieren anlegten; er sah auch den würdigen Pompée, ausgeblasen von Stolz, in einem orangefarbigen, mit Silber gestickten Kleide, wie er sich hochmüthig wiegte und wie Don Japhet von Armenien auf den Griff eines ungeheuren Raufdegens drückte, während er hinter seiner Gebieterin ging, welche auf das Anmuthigste ihr langes Atlaßgewand aufhob. Dann begann links durch eine entgegengesetzte Thüre geräuschlos das Gefolge der Prinzessin zu defilieren, welche Anfangs mit der Haltung, nicht einer Flüchtigen, sondern einer Königin einherschritt. Hierauf kam der Stallmeister Vialas, der in seinen Armen, in einen Mantel eingewickelt, den kleinen Herzog von Enghien hielt. Lenet trug ein ciselirtes Kästchen und Papierstöße, und der Schloßhauptmann endigte den Zug, der durch zwei mit entblößten Degen einherschreitende Diener eröffnet wurde.

Alle diese Menschen entfernten sich durch einen geheimen Gange sogleich sprang Canolles von seinem Observatorium herab und lief nach dem Gewölbe, dessen Lichter mittlerweile ausgelöscht worden waren. Da sah er den ganzen Cortege nach den Ställen ziehen, man wollte abreisen.

In diesem Augenblick stellte sich der Gedanke an die Verpflichtungen, die ihm durch die Sendung der Königin auferlegt waren, wieder vor den Geist von Canolles. Die Frau welche sich entfernen wollte, war der völlig gepanzerte und bewaffnete Bürgerkrieg, der, wenn er sie entschlüpfen ließ, abermals das Eingeweide Frankreichs zerfressen sollte. Allerdings war es für ihn, den Mann, schmählich, sich zum Spion und Wächter einer Frau zu machen; aber es war auch eine Frau, jene Longueville, welche das Feuer an vier Ecken von Paris gelegt hatte.

Canolles lief nach der den Park beherrschenden Terrasse und näherte seinen Lippen das silberne Pfeifchen.

Es wäre geschehen gewesen um alle diese Vorbereitungen. Frau von Condé wäre nicht aus Chantilly gekommen, oder wäre sie auch hinausgekommen, so hätte sie keine hundert Schritte gethan, ohne mit ihrem Geleite von einer dreifachen Macht umzingelt zu sein; so erfüllte Canolles seine Sendung, ohne die geringste Gefahr zu laufen; so zerstörte er mit einem Schlage das Glück und die Zukunft des Hauses Condé und mit demselben Schlage gründete er auf den Trümmern sein Glück und seine Zukunft, wie dies einst die Vitry und die Luynes und kürzlich erst die Guitaut- und die Miossens unter Umständen gethan hatten, welche für das Heil des Königreiches vielleicht noch minder wichtig waren.

Aber Canolles schlug die Augen nach dem Gemache auf, wo unter Vorhängen von rothem Sammet sanft und schwermüthig der Schimmer der Nachtlampe sichtbar war, welche bei der falschen Prinzessin brannte, deren geliebter Schatten er unbestimmt zu erblicken glaubte.

Alle Entschlüsse der Ueberlegung, alle Berechnungen der Selbstsucht verschwanden bei diesem sanften Lichtstrahle, wie bei dem ersten Schimmer des Tages alle Träume und alle Gespenster der Nacht verschwinden.

»Mazarin,« sagte er zu sich selbst mit einem leidenschaftlichen Ergusse, »Mazarin ist reich genug, um alle diese Prinzen und Prinzessinnen zu verlieren, die ihm entkommen; aber ich bin nicht reich genug, um den Schatz zu verlieren, der von nun an mir gehört, und den ich, eifersüchtig wie ein Drache, bewachen werde. Jetzt ist sie allein, in meiner Macht, von mir abhängige zu jeder Stunde des Tags und der Nacht kann ich in ihr Gemach eintreten; sie wird nicht fliehen, ohne es mir zu sagen, denn ich habe ihr heiliges Wort erhalten. Was liegt mir daran, daß die Königin hintergangen ist und daß Mazarin wüthend wird?« Man hat mich beauftragt, die Frau Prinzessin von Condé zu bewachen; ich bewache sie. Man hätte mir nur ihr Signalement geben oder einen geschickteren Spion als ich bin gegen sie ausschicken sollen.«

Canolles steckte sein Pfeifchen wieder in die Tasche und hörte, wie die Riegel klirrten, wie der entfernte Donner der Carrossen über die Brücken des Parkes rollte und das abnehmende Geräusch eines Reiterzuges sich nach und nach verlor; als Alles, Vision und Lärmen, verschwunden war, schlich er, ohne zu bedenken, daß er sein Leben gegen die Liebe einer Frau, das heißt gegen den Schatten des Glückes eingesetzt hatte, in den zweiten öden Hof und stieg vorsichtig seine Treppe hinaus, welche wie das Gewölbe in die tiefste Dunkelheit versenkt war.

Aber wie behutsam er auch zu Werke ging, er konnte es nicht verhindern, daß er, als er in den Gang kam, an eine Person stieß, welche an seiner Thüre zu lauschen schien und einen dumpfen Schrei des Schreckens ausstieß.

»Wer seid Ihr? wer seid Ihr?« fragte die Person mit ängstlichem Tone.«

»Ei, wer leid Ihr, der Ihr wie ein Spion an dieser Treppe umherschleicht?« entgegnete Canolles.

»Ich bin Pompée.«

»Der Intendant der Frau Prinzessin.«

»Ja! Ja! der Intendant der Frau Prinzessin.«

»Ah! das kommt vortrefflich!« sprach Canolles, »ich bin Castorin.«

»Castorin, der Diener von Herrn Baron von Canolles?«

»Es selbst.«

»Ah! mein lieber Castorin, ich wette, daß ich Euch große Angst eingejagt habe.«

»Mir?«

»Ja, verdammt! wenn man nicht Soldat gewesen ist. Kann ich etwas für Euch thun?« fuhr Pompée seine wichtige Miene wieder annehmend, fort.

»Ja.«

»Redet.«

»Ihr könnt sogleich der Frau Prinzessin melden, daß sie mein Herr zu sprechen wünsche.«

»Um diese Stunde?«

»Allerdings.«

»Unmöglich!«

»Ihr glaubt?«

»Ich weiß es gewiß.«

»Sie wird also meinen Herrn nicht empfangen?«

»Nein!«

»Befehl des Königs, Herr Pompée; sagt Ihr dies.«

»Befehl des Königs!« rief Pompée, »ich gehe.«

Und Pompée entfernte sich in aller Eile, angetrieben zugleich durch die Achtung und die Furcht, diese zwei Hebel, welche sogar eine Schildkröte laufen zu machen im Stande sind.

Canolles setzte seinen Weg fort, kehrte in seine Wohnung zurück, fand Meister Castorin, welcher wie ein Bürgermeister in einem großen Lehnstuhle ausgestreckt schnarchte, zog seine Officierskleider wieder an und erwartete das Ereigniß, das sich für ihn vorbereitete.

»Meiner Treue!« sagte er zu sich selbst, »wenn ich auch die Angelegenheiten von Herrn von Mazarin nicht sehr gut betreibe, so scheint es mir doch, ich besorge die meinigen nicht zu schlecht.«

Canolles erwartete vergebens die Rückkehr von Pompée; als er aber nach Verlauf von zehn Minuten sah, daß er selbst nicht und auch Niemand statt seiner kam, beschloß er, ganz allein zu erscheinen.

Er weckte daher Castorin, dessen Galle der Schlaf einer Stunde beschwichtigt hatte, schärfte ihm mit einem Tone, der keinen Widerspruch zuließ, ein, sich für Alles, was da kommen dürfte, bereit zu halten, und schlug den Weg nach den Gemächern der Prinzessin ein.

An der Thüre fand der Baron einen Bedienten in sehr übler Laune, weil ihn die Klingel im Augenblick rief, wo sein Dienst zu Ende war, und wo er, wie Meister Castorin, nach einem anstrengenden Tag einen erquickenden Schlaf beginnen zu können glaubte.

»Was wollt Ihr?« fragte der Diener, als er Canolles gewahrte.

»Ich wünsche der Frau Prinzessin von Condé meine Ehrfurcht zu bezeigen.«

»Zu dieser Stunde, mein Herr?«

»Wie zu dieser Stunde?«

»Ja, mir scheint, es ist sehr spät.«

»Was sagt Ihr da, Bursche?«

»Doch, mein Herr! Stammelte der Bediente.

»Ich wünsche nicht mehr, ich will,« sprach Canolles mit stolzem Tone.

»Ihr wollt . . . Nur die Frau Prinzessin hat hier zu gebieten.«

»Der König gebietet überall . . . Befehl des Königs!«

Der Lackei bebte und senkte den Kopf.

»Um Vergebung,« sagte er zitternd, »aber ich bin nur ein armer Diener; ich kann es also nicht auf mich nehmen, Euch die Thüre der Frau Prinzessin zu öffnen; erlaubt mir, daß ich einen Kammerherrn wecke.«

»Haben die Kammerherren im Schlosse Chantilly die Gewohnheit, sich um elf Uhr schlafen zu legen?«

»Man hat den ganzen Tag gejagt,« stammelte der Lackei.

»Das ist richtig,« murmelte Canolles, »sie brauchen Zeit, um irgend Jemand als Kammerherrn zu kleiden.«

Dann fügte er laut bei:

»Es ist gut: thut es. Ich werde warten.«

Der Lackei lief spornstreichs weg, um im Schlosse Lärm zu schlagen, wo Pompée, erschrocken über sein schlimmes Zusammentreffen, bereits unsägliche Angst verbreitet hatte.

Canolles horchte und öffnete die Augen, als er allein war.

Er hörte nun in den Gängen und Zimmern umherlaufen; er sah bei dem Schimmer erlöschender Lichter mit Musketen bewaffnete Leute in den Winkeln der Treppen sich aufstellen; er beobachtete, daß überall ein bedrohliches Gemurmel an die Stelle der stummen Furcht trat, welche einen Augenblick vorher im ganzen Schlosse geherrscht hatte.

Canolles legte die Hand an seine Pfeife und näherte sich einem Fenster, durch dessen Scheiben er wie eine wolkige Masse die Gipfel der großen Bäume hervortreten sah, an deren Fuß er die zweihundert Mann, die er mitgebracht, sich hatte in Hinterhalt legen lassen.

»Nein,« sagte er, »von würde uns geradezu zur Schlacht führen, und dabei fände ich nicht meine Rechnung. Ich will lieber warten. Das Schlimmste, was mir hierbei widerfahren kann, ist, daß ich ermordet werde, während ich, wenn ich eile, sie verlieren kann.«

Canolles hatte kaum diese Betrachtung für sich angestellt, als er eine Thüre sich öffnen und eine neue Person erscheinen sah.

»Die Frau Prinzessin ist nicht sichtbar,« sprach diese Person hastig, »sie liegt im Bette und hat verboten, irgend Jemand, wer es auch sein möchte, zu ihr zu lassen.«

»Wer seid Ihr?« fragte Canolles, diese seltsame Person vom Kopf bis zum Fuße messend, »und wer hat Euch zu der Frechheit veranlaßt, mit einem Edelmann den Hut auf dem Kopf zu sprechen?«

Und mit dem Ende seines Stockes ließ Canolles den Hut des Unbekannten springen.

»Mein Herr!« rief dieser, stolz einen Schritt zurücktretend.

»Ich habe Euch gefragt, wer Ihr wäret,« wiederholte Canolles.

»Ich bin, antwortete jener, »wir Ihr an meiner Uniform sehen könnt, der Kapiteln der Garden Ihrer Hoheit.

Canolles lächelte.

Er hatte wirklich Zeit gehabt, mit dem Blicke den zu taxieren, welcher mit ihm sprach, und er erkannte, daß er irgend einem Aufwärter mit einem Bauch so dick wie seine Flaschen, irgend einem blühenden Vatel gegenüberstand, der in einen Officiersrock eingezwängt war, welchen man aus Mangel an Zeit oder wegen zu großen Bauches nicht gehörig hatte zuhäkeln können.

»Gut, mein Herr Kapitän der Garden,« sprach Canolles, »hebt Euren Hut auf und antwortet.«

Der Kapitän führte den ersten Theil der Aufforderung von Canolles als ein Mensch aus, der die schönen Maximen der militärischen Disciplin: »Wer commandiren will, muß zu gehorchen verstehen,« studiert hat.

»Kapitän der Garden,« versetzte Canolles, »Teufel! das ist ein schöner Posten.«

»Allerdings, mein Herr, ziemlich schön; doch was weiter?« sprach der Mensch, sich in die Brust werfend.

»Werft Euch nicht so sehr auf, mein Kapitän,« sagte Canolles, »oder Ihr werdet Eure letzte Nestel zerbrechen, und Eure Hose wird Euch auf die Fersen fallen, was nicht sehr anmuthig aussieht.«

»Aber, mein Herr, wer seid Ihr?« fragte der vorgebliche Kapitän.

»Mein Herr, ich werde das Beispiel der Höflichkeit, das Ihr mir gegeben habt, nachahmen und Eure Frage beantworten, wie Ihr die meinige beantwortet habt. Ich bin Kapitän in Navailles und komme im Namen des Königs als Botschafter mit einem friedlichen oder einem gewaltthätigen Charakter bekleidet, und werde den einen oder den andern von diesen Charaktern annehmen, je nachdem man den Befehlen Seiner Majestät gehorchen oder nicht gehorchen wird.«

»Gewaltthätig!« rief der falsche Kapitän, ein gewaltthätiger Charakter? . . .«

»Sehr gewaltthätig, das sage ich Euch zum Voraus.«

»Selbst bei Ihrer Hoheit?«

»Warum nicht? Ihre Hoheit ist nur die erste Unterthanin Seiner Majestät.«

»Mein Herr, versucht nicht Gewalt. Ich habe fünfzig bewaffnete Leute, bereit die Ehre Ihrer Hoheit zu rächen.

Canolles wollte ihm nichts sagen: diese fünfzig bewaffneten Leute wären eben so viele Lackeien und Küchenjungen, würdig unter einem solchen Führer zu dienen; und was die Ehre der Prinzessin beträfe, so wäre diese gegenwärtig auf der Straße nach Bordeaux. Er antwortete nur mit jener Kaltblütigkeit, welche mehr einschüchtert, als eine Drohung, und dem muthigen, an Gefahren gewöhnten Menschen eigenthümlich ist:

»Habt Ihr fünfzig bewaffnete Leute, mein Herr Kapitän, so habe sich zweihundert Soldaten, welche die Vorhut einen königlichen Heeres bilden. Gedenkt Ihr Euch in offenen Aufruhr gegen Seine Majestät zu setzen?«

»Nein, mein Herr, nein,« antwortete rasch und, wie es schien, sehr herabgestimmt der dicke Mann. »Gott behüte mich; aber ich bitte Euch, mir zu bezeugen, daß ich nur der Gewalt weiche.«

»Das ist das Geringste, was ich Euch als einem Amtsgenossen schuldig bin.«

»Wohl, ich werde Euch also zu der Frau Prinzessin Wittwe führen, welche noch nicht eingeschlafen ist.«

Es bedurfte für Canolles keiner Ueberlegung, um die furchtbare Gefahr zu würdigen, welche für ihn in dieser Falle lag; aber er entzog sich rasch derselben mit Hilfe seiner Allmacht.

»Ich habe keinen Befehl, die Frau Prinzessin Wittwe zu besuchen, wohl aber Ihre Hoheit die junge Frau Prinzessin.«

Der Kapitän der Garben senkte abermals seinen Kopf, verlieh seinen dicken Beinen eine rückschreitende Bewegung, schleppte seinen langen Degen auf dem Boden und schritt majestätisch über die Thürschwelle zwischen zwei Schildwachen durch, welche während dieser Scene zitterten und bei der Verkündigung der Ankunft von zweihundert Mann ihren Posten beinahe verlassen hätten, so wenig waren sie geneigt, Märtyrer der Treue in einem Winkel des Schlosses Chantilly zu werden.

Nach zehn Minuten kehrte der Kapitän, gefolgt von zwei Wachen, unter unzähligen Bücklingen zurück, um Canolles abzuholen und zu der Prinzessin zu geleiten, in deren Gemach derselbe eingeführt wurde, ohne eine neue Zögerung erleiden zu müssen.

Canolles erkannte das Zimmer, die verschiedenen Geräthschaften und sogar den süßen Geruch, der ihn berauscht hatte. Aber vergebens suchte er zwei Dinge: das Porträt der wahren Prinzessin, durch welchen er, als er es bei seinem ersten Besuche gesehen, das erste Licht über die List erhalten hatte, durch welche man ihn betören wollte, und das Gesicht der falschen Prinzessin, für die er ein so großen Opfer brachte. Den Porträt hatte man weggenommen, und in Folge einer etwas verspäteten Vorsichtsmaßregel war das Gesicht der im Bette liegenden Person mit einer völlig hochgeborenen Ungezogenheit dem Bettgange zugewendet.

Zwei Frauen standen in diesem Bettgange.

Canolles wäre gern über diesen Mangel an Rücksicht weggegangen; aber da er befürchtete, eine neue Stellvertretung gestatte der Frau von Cambes zu fliehen, wie die Prinzessin geflohen war, so sträubten sich seine Haare vor Schrecken auf seinem Haupte, und er wollte sich sogleich der Identität der Person versichern, welche das Bett einnahm, wobei er die Gewalt zu Hilfe rief, die ihm seine Sendung verlieh.

»Madame,« sprach er mit einer tiefen Verbeugung, »ich bitte Eure Hoheit um Verzeihung, daß ich mich so vor sie stelle, besonders nachdem ich mein Wort gegeben habe, ich würde ihre Befehle erwarten; aber ich habe so eben ein gewaltigen Geräusch in dem Schlosse gehört.«

Die in dem Bette liegende Person bebte, antwortete aber nicht. Canolles forschte nach irgend einem Zeichen, an welchem er zu erkennen vermöchte, ob er wirklich diejenige, welche er suchte, vor Augen hätte. Aber inmitten der Wogen von Spitzen und in der schwellenden, weichen Umgebung von Eiderdauen und Vorhängen war es∂n ihm unmöglich, etwas Anderes zu erkennen, als die Form einer liegenden Person.

»Und,« fuhr Canolles fort, »und ich bin es mir selbst schuldig, mich zu versichern, ob diesen Bett wirklich immer noch dieselbe Person enthält, mit der ich eine halbe Stunde zu sprechen die Ehre gehabt habe.«

Diesmal war es nicht mehr ein einfachen Beben, sondern eine wahre Bewegung den Schreckens. Diese Bewegung entging Canolles nicht und er erschrack selbst darüber.

»Wenn sie mich getäuscht hat,« dachte er, »wenn sie, trotz ihren feierlichen Wortes, geflohen ist, so verlasse ich das Schloß, ich steige zu Pferde, ich setze mich an die Spitze meiner zweihundert Mann und hole meine Flüchtlinge ein, und sollte ich Feuer an dreißig Dörfer legen, um meinen Weg zu beleuchten.«

Canolles wartete einen Augenblicks aber die liegende Person antwortete nicht und drehte sich auch nicht um.

»Madame,« sprach Canolles endlich mir einer Ungeduld, die er zu verbergen nicht mehr den Muth besaß, »ich bitte Eure Hoheit, sich zu erinnern, daß ich der Gesandte des Könige bin und daß ich im Namen den Könige die Ehre verlange, ihr Gesicht zu sehen.«

»Oh! das ist eine unerträgliche Inquisition!« sagte nun eine zitternde Stimme, deren Klang den jungen Officier vor Freude beben machte, denn er erkannte eine Stimme, welche Niemand nachzuahmen im Stande war. »Ist es, wie Ihr sagt, mein Herr, der König, der Euch nötigt, so zu verfahren, so kann dies nur der Fall sein, weil der König also ein Kind noch nichts von den Pflichten eines Edelmannes weiß; eine Frau zwingen, ihr Gesicht zu zeigen, heißt ihr dieselbe Beleidigung anthun, als ob man ihr die Maske abreißen würde.«

»Madame, es gibt ein Wort, vor dem sich die Menschen beugen, wenn es von Königen kommt, und die Könige, wenn es vom Schicksal kommt: es muß sein.«

»Wohl, da es sein muß,« sprach die junge Frau, »da ich allein und ohne Schutz gegen den Befehl des Königs und die Forderungen seines Boten bin, so gehorche ich, mein Herr: schaut mich an.«

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