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Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 16

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Hiernach ging Canolles in seine Wohnung zurück, in der Absicht, sich anzukleiden und sich, sollte er Gewalt gebrauchen müssen, zu der Vicomtesse zu begeben. Als er aber den Fuß in sein Zimmer setzte und die Augen auf seine Pendeluhr warf, bemerkte er, daß es kaum sieben Uhr war.

Es war noch Niemand im Schlosse aufgestanden. Canolles warf sich in einen Lehnstuhl, schloß die Augen, um seine Gedanken zu erfrischen und, wenn es möglich wäre, die Phantome zu verjagen, welche um ihn her tanzten, und öffnete sie nur wieder, um von fünf zu fünf Minuten seine Uhr zu befragen.

Es schlug acht Uhr. Das Schloß begann wach zu werden und füllte sich allmählich mit Geräusch und Bewegung. Canolles wartete noch eine halbe Stunde mit unsäglicher Pein. Endlich konnte er nicht mehr länger an sich halten, ging hinab, erblickte Pompée, der umgeben von Lackeien, denen er seine Feldzüge in der Picardie unter dem verstorbenen König erzählte, mit stolzer Miene die Luft in dem großen Hofe einschlürfte, und sprach:

»Ihr seid der Intendant Ihrer Hoheit?«

»Ja, mein Herr,« antwortete Pompée erstaunt.

»Habt die Güte Ihrer Hoheit zu melden, daß ich die Ehre zu haben wünsche, ihr meine Achtung zu bezeugen.«

»Aber, mein Herr, Ihre Hoheit. . .«

»Ist aufgestanden«

»Doch . . .«

»Geht.«

»Ich glaubte, die Abreise des Herrn Baron . . .«

»Meine Abreise hängt von der Unterredung ab, die ich mit Ihrer Hoheit haben werde.«

»Ich sage dies, weil ich keinen Befehl von meiner Gebieterin habe.«

»Und ich sage dies, weil ich einen Befehl vom König habe.«

Bei diesen Worten schlug Canolles majestätisch an die Tasche seines Rockes, eine Geberde, die er als die befriedigendste von allen wählte, die er seit dem Tage vorher Saite anwenden können.

Aber während unser Botschafter diesen Staatsstreich machte, fühlte er, wie ihn sein Muth verließ. Seit dem vorhergehenden Abend hatte sich seine Wichtigkeit in der That bedeutend vermindert: die Frau Prinzessin war bereits zwölf Stunden abgereist und ohne Zweifel die ganze Nacht marschiert; sie mußte also zwanzig bis fünfundzwanzig Lieues von Chantilly entfernt sein. Wie sehr Canolles auch seine Leute eilen lassen würde, es war nun keine Möglichkeit mehr, sie einzuholen, und holte er sie auch ein, wer bürgte ihm dafür, daß die Escorte der Flüchtigen, welche bei ihrem Aufbruch etwa hundert Edelleute bei sich gehabt hatte, nicht bereits auf drei bis vierhundert Parteigänger angewachsen war? Es blieb Canolles immer noch übrig, sich tödten zu lassen, wie er am Abend vorher gesagt hatte; aber hatte er auch das Rechts die Leute, die ihn begleiteten, mit sich tödten und sie so die blutige Strafe für seine verliebten Launen ausstehen zu lassen? Frau von Cambes, hatte sie sich am Tage vorher über ihre Gefühle in Beziehung auf seine Person getäuscht, war ihre Unruhe nur eine Komödie gewesen, Frau von Cambes konnte seiner öffentlich spotten; dann Verhöhnung von Seiten der Lackeien, Verhöhnung von den im Walde verborgenen Soldaten, Ungnade von Mazarin, Zorn der Königin und, mehr als Alles, der Untergang seiner entstehenden Liebe; denn nie hat eine Frau denjenigen geliebt, welchen sie einen einzigen Augenblick lächerlich zu machen beabsichtigte.

Während er diese Gedanken in seinem Innern hin und her drehte, kam Pompée zurück, um ihm zu sagen, die Prinzessin erwarte ihn.

Diesmal war jedes Ceremoniel verbannt, die Vicomtesse erwartete ihn ganz angekleidet und stehend in einem kleinen Salon. Spuren von Schlaflosigkeit, die man vergebens zu verwischen gesucht hatte, waren auf ihrem reizenden Antlitz sichtbar; ein leichter, blauer Kreis um ihre Augen besonders deutete an, daß sich diese kaum oder gar nicht geschlossen hatten.

»Ihr seht, mein Herr,« sagte sie, ohne ihm Zeit zu lassen, zuerst zu sprechen, »ich füge mich Eurem Wunsche, doch, ich gestehe es, in der Hoffnung, daß diese Zusammenkunft die letzte sein werde und daß Ihr Euch ebenfalls dem meinigen fügt.«

»Verzeiht, Madame, aber nach unserer Unterredung gestern Abend hoffte ich auf weniger Strenge in Euren Forderungen, und ich zählte darauf, im Austausch für das was ich für Euch, für Euch allein gethan habe, denn ich kenne Frau von Condé nicht, versteht mich wohl? würdet Ihr die Gnade haben, mich länger in Chantilly zu dulden.«

»Ja, mein Herr, ich gestehe, die von meiner Lage unzertrennliche Unruhe . . . die Größe des Opfers, das Ihr mir beachtet, dass Interesse der Frau Prinzessin für welche ich Zeit gewinnen sollte, vermochten meinem Munde einige Worte zu entreißen, welche nicht im Einklange mit meinem Innern standen; aber während dieser Nacht habe ich nachgedacht, ein längerer Aufenthalt von Euch oder von mir in diesem Schlosse wird unmöglich.«

»Unmöglich, Madame!« rief Canolles. »Ihr vergeßt, daß Alles für den möglich ist, welcher im Namen des Königs spricht?«

»Herr von Canolles, ich hoffe, daß Ihr vor Allem Edelmann seid und die Lage nicht mißbrauchen werdet, in welche mich meine Ergebenheit für die Prinzessin versetzt hat.«

»Madame, vor Allem bin ich verrückt; mein Gott! Ihr habt es wohl gesehen, denn nur ein Verrückter konnte thun, was ich gethan habe. Übt also Mitleid mit meiner Verrücktheit, Madame, schickt mich nicht fort, ich flehe Euch an!«

»Dann werde ich den Platz verlassen, mein Herr. Ich werde Euch, wider Euren Willen, zu Euren Pflichten zurückbringen. Wir wollen sehen, oh Ihr mich mit Gewalt zurückhaltet, ob Ihr uns Beide dem Lärmen eines Scandals preisgebt. Nein, nein, mein Herr!« fuhr die Vicomtesse mit einem Tone fort; den Canolles zum ersten Male wahrnahm, »nein, Ihr werdet bedenken, daß Ihr nicht ewig in Chantilly bleiben könnt; Ihr werdet bedenken, daß man Euch anderswo erwartet.«

Dieses Wort, welches wie ein Blitz in den Augen von Canolles glänzte, erinnerte ihn an die Scene im Wirthshause von Biscarros, an die Entdeckung, welche Frau von Cambes von der Liebschaft des jungen Mannes mit Nanon gemacht hatte, und Alles war ihm klar. Ihre Schlaflosigkeit war nicht durch die Angst vor der Gegenwart, sondern durch die Erinnerung an die Vergangenheit veranlaßt worden. Der Entschluß am Morgen Canolles zu meiden, war nicht das Resultat der Überlegung, sondern der Ausdruck der Eifersucht.

Es trat nun zwischen den einander gegenüberstehenden Personen ein kurzes Stillschweigen ein; jedes horchte auf das Wort seines eigenen Geistes, der in seiner Brust mit den Schlägen seines Herzens sprach.

»Eifersüchtig!« sagte Canolles zu sich selbst, »eifersüchtig! Oh! nun begreife ich Alles. Ja, ja! sie will sich versichern, das ich sie hinreichend liebe, um ihr jede andere Liebe zu opfern! Es ist eine Probe!«

Frau von Cambes aber sprach zu sich selbst:

»Ich bin für Herrn von Canolles eine Zerstreuung des-Geistes; er hat mich auf seinem Wege in dem Augenblick getroffen, wo er die Guienne zu verlassen genöhigt war, und folgte mir, wie der Reisende einem Irrlichte folgt: aber sein Herz ist in dem kleinen von Bäumen umgebenen Hause geblieben, in welches er sich an dem Abend begeben wollte, wo ich ihn traf. Ich kann also unmöglich einen Mann bei mir behalten, der eine Andere liebt, und den ich, wenn ich ihn länger sehen würde, vielleicht zu lieben die Schwäche hätte. Oh! es hieße nicht nur meine Ehre, sondern auch die Interessen der Frau Prinzessin verrathen, wäre ich so feig, den Agenten ihrer Verfolger zu lieben!«

Plötzlich rief sie, ihren eigenen Gedanken beantwortend:

»Oh! Nein, nein, Ihr müßt abreisen, mein Herr; geht oder ich gehe.«

»Ihr vergeßt, Madame,« sprach Canolles, »ich habe Euer Wort, daß Ihr nicht abreist, ohne mich zuvor davon in Kenntniß gesetzt zu haben.«

»Wohl, mein Herr, ich benachrichtige Euch, daß ich Chantilly in diesem Augenblick verlasse.«

»Und Ihr glaubt, ich werde es gestatten?«

»Wie!« rief die Vicomtesse, »Ihr wollt mir Gewalt antun!«

»Madame, ich weiß nicht, was ich thun werde, aber das weiß ich, daß es nur unmöglich ist, Euch zu verlassen.«

»Also bin ich Eure Gefangene?«

»Ihr seid eine Frau, die ich bereits zweimal verloren habe und nicht zum dritten Male verlieren will.«

»Gewalt also?«

»Ja, Madame, Gewalt,« antwortete Canolles, »wenn es das einzige Mittel ist, Euch zu behalten.«

»Ah!« rief Frau von Cambes, »welch ein Glück, eine Frau zu behalten, welche seufzt, welche nach Freiheit ruft, uns nicht liebt, uns haßt.«

Canolles bebte und suchte rasch auszuscheiden, was in dem Worte und was im Geiste lag.

Er begriff, daß der Augenblick gekommen war, Alles gegen Alles einzusetzen.

»Madame,« sagte er, »die Worte, die Ihr mit einem so wahren Ausdruck gesprochen habt, daß ich mich über ihre Bedeutung nicht täuschen kann, haben jede Ungewißheit in mir gelöst. Ihr seufzend, Ihr eine Sklavin! ich eine Frau zurückhalten, die mich nicht liebt, die mich haßt! Nein, Madame, nein, seid unbesorgt, es wird nicht so sein. Ich glaubte nach dem Glücke, das ich fühlte, Euch zu sehen, Ihr würdet meine Gegenwart ertragen; ich hoffte, nachdem ich Achtung, Ruhe des Gewissens, Zukunft, vielleicht die Ehre verloren habe, Ihr würdet mich für dieses Opfer durch das Geschenk einiger Stunden entschädigen, welche ich vielleicht nie wieder finden werde. Alles dies wäre möglich gewesen, wenn Ihr mich geliebt hättet, sogar wenn ich Euch gleichgültig gewesen wäre; denn Ihr seid gut, und hättet aus Mitleid gethan, was eine Andere aus Liebe gethan haben würde. Aber ich habe nicht mehr mit der Gleichgültigkeit, sondern mit dem Hasse zu schaffen. Hiernach ist es etwas Anderes; Ihr habt Recht. Vergeht mir nur, Madame, daß ich nicht begriff, wie man gehaßt werden kann, wenn man wahnsinnig liebt. Es ist an Euch, Königin, Gebieterin und frei in diesem Schlosse wie überall zu bleiben; es ist an mir, mich zu entfernen, und ich entferne mich. In zehn Minuten habt Ihr Eure Freiheit wiedererlangt. Lebt wohl, Madame, lebt wohl auf ewig.«

Und in einer Verwirrung, welche, am Anfang gespielt, am Ende seiner Rede wahrhaft und schmerzlich geworden war, verbeugte sich Canolles vor Frau von Cambes, drehte sich um, suchte die Thüre, die er nicht fand, und wiederholte dabei die Worte:

»Lebt wohl! Lebt wohl!« mit einem tief gefühlten Ausdrucke, der vom Herzen kommend auch zum Herzen ging. Wahre Betrübnis hat ihre Stimme wie der Sturm.

Frau von Cambes hatte diesen Gehorsam von Canolles nicht erwartet; sie hatte Kräfte für einen Kampf und nicht für einen Sieg gesammelt, und wurde ihrer Seits durch so viel Resignation, gemischt mit so viel Liebe, überwältigt; und als der junge Mann die Arme auf den Zufall ausstreckend und mit einer Art von Schluchzen bereits zwei Schritte gegen die Thüre gemacht hatte, fühlte er plötzlich, wie sich eine Hand mit dem bezeichnendsten Drucke auf seine Schulter lenkte: man berührte ihn nicht nur, man hielt ihn zurück.

Er wandte sich um.

Sie stand immer noch vor ihm. Anmuthig ausgestreckt, berührte ihr Arm immer noch seine Schulter, und der Ausdruck von Würde, den er einen Augenblick vorher auf ihrem Antlitz wahrgenommen hatte, war in ein köstliches Lächeln zerschmolzen.

»Schön, mein Herr!« sprach sie, »so gehorcht Ihr der Königin! Ihr würdet abreisen, während Ihr Befehl habt, hier zu bleiben, Verräther, der Ihr seid!«

Canolles stieß einen Schrei aus, fiel auf die Kniee und rief, seine Stirne auf die Hände drückend, die sie ihm reichte:

»Oh! das ist um vor Freude zu sterben!«

»Ach! freut Euch noch nicht,« entgegnete die Vicomtesse; »denn wenn ich Euch zurückhalte, so geschieht es, damit wir uns nicht so verlassen, damit Ihr nicht die Meinung von mir mit fortnehmt, ich sei eine Undankbare, damit Ihr mir freiwillig mein Wort zurückgebt, damit Ihr in mir wenigstens eine Freundin sehen da die entgegengesetzten Parteien, denen wir folgen, mich hindern, je etwas Anderes für Euch zu sein.«

»Oh, mein Gott!« sprach Canolles, »ich habe mich also abermals getäuscht: Ihr liebt mich nicht!«

»Sprechen wir nicht von unseren Gefühlen, Baron, sondern von der Gefahr, der wir uns aussetzen, wenn wir Beide hier bleiben; geht oder laßt mich gehen; es muß sein.«

»Was sagt Ihr da?«

»Die Wahrheit. Laßt mich hier; kehrt nach Paris zurück; sagt Mazarin, sagt der Königin, was Euch begegnet ist. Ich werde Euch unterstützen, so viel ich vermag; aber geht, geht.«

»Muß ich Euch denn wiederholen,« rief Canolles, »Euch verlassen ist sterben!«

»Nein, nein, Ihr werdet nicht sterben, denn Ihr dürft die Hoffnung bewahren, daß wir uns in glücklicheren Zeiten wiederfinden.«

»Der Zufall hat mich auf Eure Straße geworfen, Madame, oder vielmehr Euch bereits zweimal auf die meinige gebracht. Der Zufall wird müde werden, und wenn ich Euch verlasse, finde ich Euch nicht wieder.«

»Wohl, ich werde Euch suchen!»

»Oh, verlangt von mir, daß ich für Euch sterbe; der Tod ist ein schmerzhafter Augenblick und nicht mehr. Aber verlangt noch nicht, daß ich Euch verlasse. Schon bei diesem Gedanken bricht mein Herz. Bedenkt doch, ich habe Euch kaum gesehen, kaum mit Euch gesprochen.«

»Gut . . . wenn ich Euch erlaube, heute noch zu bleiben, wenn Ihr mich den ganzen Tag sehen und sprechen könnt, werdet Ihr zufrieden sein.«

»Ich verspreche nichts.«

»Dann ich auch nicht. Ich habe nur die Verbindlichkeit gegen Euch übernommen, Euch von dem Augenblick in Kenntniß zu setzen, wo ich abreisen würde. Wohl, in einer Stunde reise ich.«

»Man muß also Alles thun, was ihr wollt? Man muß Euch in jedem Punkte gehorchen? Ich muß also Selbstverleugnung üben, um blindlings Euren Willen zu befolgen? Nun denn, wenn es sein muß seid unbesorgt: Ihr habt nur noch einen Sklaven vor Euch, der bereit ist, Euch zu gehorchen. Befehlt, Madame, befehlt.«

Claire reichte dem Baron die Hand und sprach mit ihrem sanftesten, einschmeichelndsten Tone:

»Ein neuer Vertrag im Austausch gegen mein Worte wenn ich Euch von diesem Augenblick bis heute Abend um neun Uhr nicht verlasse, werdet Ihr um neun Uhr abreisen?«

»Ich schwöre es Euch.«

»Kommt also; der Himmel ist blau, er verheißt uns einen herrlichen Tag; der Thau benetzt den Rasen, Wohlgeruch durchströmt die Luft, balsamisch duftet das Gehölze. Holla, Pompée!«

Der würdige Intendant, welcher ohne Zweifel Befehl erhalten hatte, vor der Thüre zu warten, trat ein.

»Meine Lustrosse,« sprach Frau von Cambes mit ihrer fürstlichen Miene; »ich reite diesen Morgen nach den Teichen und komme durch den Pachthof zurück, wo ich frühstücken werde . . . Ihr begleitet mich, Herr Baron,« fuhr sie fort; »es liegt in den Attributen Eures Amtes, da Ihr von Ihrer Majestät der Königin den Befehl erhalten habt, mich nicht aus dem Auge zu lassen.«

Eine Wolke erstickender Freude blendete den jungen Mann und umhüllte ihn, wie jene Dünste, welche einst die Götter im Himmel entzückten; er ließ sich ohne Widerstand, beinahe ohne Willen führen; er athmete heftig, er war berauscht, er war verrückt. Inmitten eines reizenden Gehölzes, unter geheimnisvollen Baumgängen, deren schwankende Zweige auf seine entblößte Stirne fielen, öffnete er bald seine Augen wieder für die materiellen Dinge: er war zu Fuß, stumm, das Herz gepreßt durch eine Freude beinahe so brennend, als der Schmerz, einherschreitend, seine Hand verschlungen mit der Hand von Frau von Cambes, welche so bleich, so stumm, und wohl so glücklich war wie er.

Pompée ging hinter ihnen, nahe genug, um Alles zu sehen, fern genug, um nichts zu hören.

II

Das Ende diesen berauschenden Tages kam, wie das Ende einen Traumes immer kommt; die Stunden waren wie Sekunden für den seligen Edelmann vorübergegangen, und dennoch kam es ihm vor, als hätte er an diesem einzigen Tage Erinnerungen genug für drei gewöhnliche Existenzen zusammengehäuft. Jede von diesen Alleen war mit einem Worte, mit einer Erinnerung an die Vicomtesse bereichert worden; ein Blick, eine Geberde, ein Finger auf den Mund gelegt, Alles hatte seine Bedeutung. Den Park hinabgehend, hatte sie ihm die Hand gedrückt; am Ufer hinaufsteigend, hatte sie sich auf seinen Arm gestützt; an der Mauer des Parkes hinschreitend, war sie müde geworden und niedergesessen; und bei jeder von diesen Erscheinungen, welche wie Blitze vor den Augen des jungen Mannes vorübergingen, war die Landschaft, durch einen phantastischen Schimmer erleuchtet, seiner Erinnerung nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch in ihren geringsten Einzelheiten gegenwärtig geblieben.

Canolles sollte die Vicomtesse den Tag hindurch nicht verlassen: frühstückend, lud sie ihn zum Mittagessen, beim Mittagessen lud sie ihn zum Abendbrod ein.

Mitten unter allem Glanze, den die falsche Prinzessin entwickeln mußte, um den Gesandten des Königs zu empfangen, unterschied Canolles die süßen Aufmerksamkeiten der verliebten Frau. Er vergaß die Diener, die Etiquette, die Welt; er vergaß sogar sein Versprechen, sich zu entfernen, und wähnte sich für die Ewigkeit in dieses irdische Paradies einquartiert, dessen Adam er wäre, während Frau von Cambes die Eva sein sollte.

Als aber die Nacht gekommen war, als man das Abendbrod, wie die andern Acte des Tages, mit unsäglicher Freude beendigt hatte, als bei dem Dessert eine Ehrendame Herrn Pierrot, der immer noch als Herzog von Enghien verkleidet war und die Umstände benützte, um zu speisen, wie es kaum vier Prinzen von Geblüt mit einander gethan hätten, einführte, und die Glocke der Pendeluhr zu schlagen anfing, sagte Frau von Cambes, nachdem sie sich versichert hatte, daß es zehnmal schlagen sollte:

»Nun ist die Stunde eingetreten.«

»Welche Stunde?« fragte Canolles, der zu lächeln und einem großen Unglück durch einen Scherz zu begegnen suchte.

»Die Stunde, das Wort zu halten, das Ihr mir gegeben habt.«

»Ei, Madame,« versetzte Canolles traurig, »Ihr vergeßt also nichts?«

»Vielleicht hätte ich vergessen wie Ihr; aber dieses verleiht mir das Gedächtniß.«

Und sie zog aus ihrer Tasche einen Brief, den sie in dem Augenblick, wo sie sich zu Tische setzte, empfangen hatte.

»Von wem ist dieser Brief?« sagte Canolles.

»Von der Frau Prinzessin, die mich zu sich ruft.«

»Das ist wenigstens ein Vorwand! Ich danke Euch, daß Ihr diese Schonung für mich gehabt habt.«

»Täuscht Euch nicht, Herr von Canolles,« erwiederte die Vicomtesse mit einer Traurigkeit, welche sie zu verbergen sich nicht die Mühe nahm. »Ich hätte diesen Brief nicht so früh empfangen, würde ich Euch zur verabredeten Stunde an Eure Abreise erinnert, haben. Glaubt Ihr, die Leute, von denen wir umgeben sind, konnten lange unser Einverständniß gar nicht wahrnehmen? Unsere Umgangsverhältnisse, Ihr müßt es gestehen, sind nicht die einer verfolgten Prinzessin mit ihrem Verfolger. Nun aber, wenn Euch diese Trennung so grausam ist, als Ihr vorgeht, laßt Euch sagen, Herr Baron, daß es nur von Euch abhängt, wenn wir uns nicht trennen sollen.«

»Sprecht! oh sprecht!« rief Canolles.

»Errathet Ihr nicht?«

»Oh gewiß, Madame! ich errathe und zwar vollkommen. Ihr wollt davon sprechen, daß ich der Frau Prinzessin folge? . . .«

»Sie selbst spricht hiervon in diesem Briefe,« sagte lebhaft Frau von Cambes.

»Ich freue mich, daß dieser Gedanke nicht von Euch, kommt, ich freue mich über die Verlegenheit, mit der Ihr mir diesen Vorschlag macht; nicht als ob sich mein Gewissen über die Idee, dieser oder jener Partei zu dienen, empörte; nein, ich habe keine Ueberzeugung; wer hat eine solche bei diesem Krieg, abgesehen von den Betheiligten? Ist das Schwert aus der Scheide gezogen, mag der Streich von hier oder von dort kommen, was ist mir daran gelegen? Ich kenne nicht den Hof, ich kenne nicht die Prinzen: unabhängig durch mein Vermögen, ohne Ehrgeiz, erwarte ich nichts von den Einen, nichts von den Andern. Ich bin Offizier, sonst nichts.«

»Ihr willigt also ein, mir zu folgen?«

»Nein.«

»Warum nicht, wenn die Dinge sind, wie Ihr sagt?«

»Weil Ihr mich weniger schätzen würdet.«

»Ist dies das einzige Hinderniß, das Euch zurückhält?«

»Ich schwöre es Euch.«

»Oh, dann fürchtet nichts.«

»Ihr glaubt selbst nicht an das, was Ihr in diesem Augenblick sagt,« versetzte Canolles lächelnd und den Finger aufhebend; »ein Ueberläufer ist stets ein Verräther. Das erste Wort ist süßer, aber beide Worte sind gleich bedeutend.«

»Wohl, Ihr habt Recht,« sprach Frau von Cambes, »und ich werde nicht weiter darauf bestehen. Wäret Ihr in einer gewöhnlichen Lage, so hätte ich Euch für die Sache der Prinzen zu gewinnen gesucht. Aber abgesandt vom König, beauftragt mit einer Vertrauenssendung von Ihrer Majestät der Königin Regentin und dem ersten Minister, geehrt durch das Wohlwollen des Herrn Herzogs von Epernon, der trotz des Verdachts, den ich Anfangs geschöpft hatte, Euch, wie man mich versichert, auf eine ganz besondere Weise begünstigt . . .«

Canolles erröthete.

»Werde ich mit der größten Discretion zu Werke gehen. Dach hört mich, Baron: seid versichert, wir verlassen uns nicht auf immer; wir sehen uns wieder, das sagen mir meine Ahnungen.»

»Wo dies?« fragte Canolles.

»Ich weiß es nicht; aber wir sehen uns gewiß wieder.«

Canolles schüttelte traurig den Kopf und erwiederte:

»Ich zähle nicht darauf; es besteht Krieg unter uns: das ist zu viel, besonders wenn nicht zugleich Liebe obwaltet.«

»Und dieser Tag?« fragte er mit einer bezaubernden Betonung die Vicomtesse, »rechnet Ihr ihn nichts?«

»Es ist der einzige, an welchem ich gelebt zu haben überzeugt sein darf, seitdem ich auf der Welt bin.«

»Ihr seht also, daß Ihr undankbar seid?«

»Gewährt mir einen zweiten Tag, wie diesen.«

»Ich kann nicht, ich muß heute Abend reisen.«

»Ich verlange ihn nicht für morgen, nicht für übermorgen; ich bitte darum einmal in der Zukunft. Nehmt die Zeit, die ihr wollt, wählt den Ort, der Euch beliebt, aber laßt mich mit einer Gewißheit leben; ich würde zu sehr leiden, hätte ich nur eine Hoffnung.«

»Wohin geht Ihr, wenn Ihr mich verlaßt?«

»Nach Paris, um von meiner Sendung Rechenschaft abzulegen.«

»Und sodann?«

»In die Bastille vielleicht.«

»Aber vorausgesetzt, Ihr geht nicht dahin?«

»Dann kehre ich nach Libourne zurück, wo mein Regiment sein muß.«

»Und ich nach Bordeaux, wo ohne Zweifel die Prinzessin verweilt. Kennt Ihr ein sehr vereinzelt liegenden Dorf aus der Straße von Bordeaux nach Libourne.«

»Ich kenne eines, dessen Andenken mir beinahe so theuer ist als Chantilly.«

»Jaulnay,« sagte lächelnd die Vicomtesse.

»Jaulnay,« wiederholte Canolles.

»Wohl, man braucht vier Tage, um nach Jaulnay zu gelangen; wir haben heute Dienstag; ich werde mich den ganzen Sonntag dort aufhalten.«

»Oh Dank! Dank!« rief Canolles, eine Hand an seine Lippen drückend, welche ihm zu entziehen Frau von Cambes nicht den Muth hatte.

Doch nach einem Augenblick sagte sie:

»Nun bleibt uns noch übrig, unsere kleine Komödie zu spielen.«

»Ah! Ja, das ist wahr, Madame. Die Komödie, welche mich in den Augen von ganz Frankreich vollkommen lächerlich machen muß. Ader ich habe nichts dagegen zu sagen: ich wollte es so, ich habe die Rolle, die ich spiele, nicht gewählt aber die Entwickelung veranlaßt, welche dieselbe krönt.«

Frau von Cambes schlug die Augen nieder.

»Nun lehrt mich, was ich noch zu thun habe,« sagte Canolles gelassen, »Ich erwarte Eure Befehle und bin zu Allem bereit.«

Claire war so bewegt, daß Canolles den Sammet ihres Kleides unter den ungleichen, hastigen Schlägen ihres Busens sich heben sehen konnte.

»Ihr bringt mir ein ungeheures Opfer, ich weiß es; aber beim Himmel, glaubt mir, ich bewahre Euch eine ewige Dankbarkeit. Ja, Ihr setzt Euch für mich der Ungnade des Hofes aus; ja, man wird Euch streng beurtheilen. Ich bitte Euch, verachtet Alles dies, wenn Euch der Gedanke, Ihr habet mich glücklich gemacht, ein gewisses Vergnügen bereitet.«

»Ich werde darnach trachten, Madame.«

»Glaubt mir, Baron,« fuhr Frau von Cambes fort, »der kalte Schmerz, dem ich Euch preisgegeben sehe, ist eine furchtbare Gewissenspein für mich. Andere würden Euch vielleicht vollständiger belohnen, als ich es thue; aber, mein Herr, eine Belohnung, die man so leicht bewilligte, wurde Euer Opfer nicht würdig bezahlen.«

Bei diesen Worten schlug Claire die Augen mit einem Seufzer schamhafter Betrübniß nieder.

»Ist dies Alles, was Ihr mir zu sagen habt?« fragte Canolles.

»Nehmt,« sprach die Vicomtesse, aus ihrer Brust ein Porträt ziehend, das sie Canolles überreichte; »nehmt dieses Porträt, und bei jedem Schmerz, der für Euch aus dieser unglücklichen Angelegenheit hervorgehen wird, schaut es an, sagt Euch, das Ihr für diejenige leidet, deren Bildnis Ihr vor Euch habt, und daß jedes von Euren Leiden mit Bedauern bezahlt wird«

»Ist dies Alles?«

»Mit Achtung.«

»Ist dies Alles?«

»Mit Sympathie.«

»Ei, Madame, noch ein Wort!« rief Canolles, was kostet es Euch, mich vollkommen glücklich zu machen?«

Claire machte eine rasche Bewegung gegen den jungen Mann, reichte ihm die Hand und öffnete den Mund, um beizufügen:

»Mit Liebe.«

Aber in derselben Zeit wie der Mund, öffneten sich die Thüren, und der vorgebliche Kapitän der Garden erschien begleitet von Pompée.

»In Jaulnay werde ich vollenden,« sprach die Vicomtesse.

»Euren Satz oder Euren Gedanken?«

»Beides: der eine drückt immer den andern aus.«

»Madame,« sprach der Kapitän der Garden, »die Pferde Eurer Hoheit sind angespannt.«

»Spielt den Erstaunten,« sagte ganz leise Claire zu Canolles.

Der Edelmann lächelte mitleidig gleichsam gegen sich selbst und fragte:

»Wohin gebt Eure Hoheit?«

»Ich reife ab.«

»Vergißt Eure Hoheit, daß ich von Ihrer Majestät beauftragt bin, Euch nicht einen Augenblick zu verlassen?«

»Mein Herr, Eure Sendung ist vorbei.«

»Was soll das bedeuten?«

»Daß ich nicht Ihre Hoheit, die Frau Prinzessin von Condé, sondern nur die Frau Vicomtesse von Cambes, ihre erste Ehrendame bin. Die Frau Prinzessin ist gestern Abend abgereist, und ich gehe jetzt ab, um sie wieder einzuholen.«

Canolles blieb unbeweglich; es widerstrebte ihm sichtbar, diese Komödie vor einem Haufen von Lackeien fortzuspielen.

Um ihn zu ermuthigen, sandte ihm Frau von Cambes ihren süßesten Blick zu. Dieser Blick verlieh ihm einigen Muth.

»Man hat also den König getäuscht?« sprach er. »Und wo ist der Herr Herzog von Enghien?«

»Ich habe Pierrot den Befehl gegeben, auf den Rasen zurückzugehen,« sprach eine ernste Stimme am Eingang des Gemaches.

Diese Stimme war die der Frau Prinzessin, welche von zwei Gesellschaftsdamen unterstützt, an der Thüre stand.

»Kehrt nach Paris, nach Nantes, nach Saint-Germain, an den Hof zurück, Eure Sendung ist vollbracht. Ihr werdet dem König melden, daß diejenigen, welche man verfolgt, zur List ihre Zuflucht nehmen und dadurch die Anwendung der Gewalt zunichte machen. Es steht Euch jedoch frei, in Chantilly zu bleiben, um mich zu bewachen, mich, die ich das Schloß nie verlassen habe und nie verlassen werde, weil dies nicht in meiner Absicht liegt. Wonach ich mich von Euch verabschiede, Herr Baron.«

Roth vor Scham, fand Canolles kaum die Kraft, sich zu verbeugen; er schaute die Vicomtesse an und sprach mit einem Tone des Vorwurfs:

»Oh Madame, Madame!«

Die Vicomtesse begriff diesen Blick und hörte diese Worte.

»Eure Hoheit erlaubt mir,« sagte sie sich an die Wittwe wendend, »daß ich noch eine Secunde lang die Rolle der Frau Prinzessin spiele. Ich will dem Herrn Baron von Canolles im Namen der erhabenen Gäste für die Achtung und Zartheit danken, womit er bei Erfüllung einer so schwierigen Ausgabe zu Werke gegangen ist. Ich glaube, daß Eure Hoheit derselben Ansicht ist, und hoffe folglich, daß sie ihren Dank mit dem meinigen verbinden wird.«

Gerührt durch diese so festen Worte und mit ihrer Scharfsichtigkeit vielleicht einen Theil dieses neuen Geheimnisses durchdringend; sprach nun die Wittwe mit einer Stimme, in der die Bewegung nicht zu verkennen war:

»Für Alles was Ihr gegen uns gethan habt, Vergessenheit; für Alles was Ihr für mein Haus gethan habt, Dank!«

Canolles setzte ein Knie vor der Prinzessin auf die Erde, und sie reichte ihm dieselbe Hand zum Kusse, welche Heinrich IV. so oft geküßt hatte.

Dies war die Vollendung der Scene; dies war der unabweisbare Abschied, und es blieb Canolles nur noch übrig, abzureisen, wie Frau von Cambes dies zu thun sich anschickte. Er zog sich also in sein Gemach zurück und beeilte sich, Mazarin das verzweiflungsvollste Bulletin zu schicken, das er zu ersinnen vermochte: dieses Bulletin sollte ihm das Aufbrausen und Anfahren der ersten Bewegung des Erstaunens ersparen; dann durchschritt er mit einiger Furcht vor Beleidigungen die Reihen der Diener des Schlosses Ersatz drang in den Hof, wo man ihm sein Pferd bereit hielt.

In dem Augenblick, wo er den Fuß in den Steigbügel zu setzen im Begriffe war, ließ eine gebieterische Stimme die Worte vernehmen:

»Erweist dem Gesandten Seiner Majestät den Königs, unseres Herrn, die schuldige Ehre!«

Bei diesen Worten senkten sich alle Stirnen vor Canolles, der, nachdem er, sich vor dem Fenster, woran die Frau Prinzessin stand, verbeugt hatte, seinem Pferde die Sporen gab und den Kopf hochgetragen verschwand.

Castorin aber, aus dem Zauber den schönen Traumes gerissen, den ihm Pompée in seiner falschen Intendantenrolle bereitet hatte, folgte seinem Gebieter mit hängenden Ohren.

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04 aralık 2019
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