Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 29
IV
Indessen setzten sich, wie es Nanon gesagt hatte, der König, die Königin, der Cardinal und Herr de La Meilleraye in Bewegung, um die rebellische Stadt zu bestrafen, welche es gewagt hatte, offen für die Prinzen Partei zu ergreifen; sie näherten sich langsam, aber sie näherten sich:
Als der König in Libourne anlangte, empfing er eine Deputation von Bordelesen, welche erschienen, um ihn ihrer Ehrfurcht und Ergebenheit zu versichern; so wie die Dinge standen, war dies eine seltsame Versicherung.
Die Königin empfing auch die Abgesandten von der Höhe ihres österreichischen Stolzes herab.
»Meine Herren,« sagte sie, »wir werden unsern Weg durch Vayres verfolgen; wir können also bald selbst beurtheilen, ob Eure Ehrfurcht und Eure Ergebenheit so groß sind, als Ihr sagt.«
Bei dem Worte Vayres schauten sich die Abgeordneten, ohne Zweifel von einem der Königin unbekannten Umstande unterrichtet, mit einer gewissen Unruhe an. Anna von Oesterreich, der nichts entging, gewahrte auch dieses gegenseitige Anschauen, und sie sprach:
»Brechen wir sogleich nach Vayres auf, der Platz ist gut, wie uns der Herr Herzog von Epernon versichert hat; wir werden den König dort einquartieren.«
Dann sich gegen ihren Kapitän und die Leute ihres Gefolges umwendend:
»Wer commandirt in Vayres?«
»Madame, man sagt, ein neuer Gouverneur,« antwortete Guitaut.
»Hoffentlich ein sicherer Mann?« versetzte die Königin die Stirne faltend.
»Ein Mann des Herrn Herzogs von Epernon.«
Die Stirne der Königin klärte sich auf, und sie rief: »Wenn es sich so verhält, wollen wir rasch marschieren.«
»Madame,« entgegnete der Herzog de La Meilleraye, »Eure Majestät mag nach ihrem Belieben handeln, aber ich glaube, man sollte nicht rascher marschiren, als die Armee. Ein kriegerischer Einzug in die Citadelle von Vayres müßte eine vortreffliche Wirkung hervorbringen, denn es ist sehr ersprießlich, wenn die Unterthanen des Königs die Kräfte Seiner Majestät kennen lernen, das ermuthigt die Getreuen und entmuthigt die Treulosen.«
»Ich glaube, Herr de La Meilleraye hat Recht,« sprach der Cardinal Mazarin,
»Und ich sage, er hat Unrecht,« erwiederte die Königin. »Wir haben von Bordeaux nichts zu befürchten; der König ist stark durch sich selbst und nicht durch seine Armee; seine Haustruppen werden genügen.«
Herr de La Meilleraye beugte das Haupt als Zeichen des Gehorsams und sprach:
»Eure Majestät befehle, sie ist die Königin.«
Die Königin rief Guitaut und befahl ihm, die Garden, die Musketiere und die Chevauxlegers zu versammeln. Der König stieg zu Pferde und stellte sich an die Spitze derselben. Die Nichte von Mazarin und die Ehrendamen stiegen in einen Wagen.
Man brach sogleich nach Vayres auf. Die Armee folgte, und da man nur zehn Lieues zurückzulegen hatte, so sollte sie drei bis vier Stunden nach dem König eintreffen und sich auf dem linken Ufer der Dordogne lagern.
Der König zählte kaum zwölf Jahre und war dennoch bereits ein schmucker Reiter, der sein Pferd mit aller Anmuth führte und in seiner ganzen Person jenen Racestolz offenbarte, welcher in der Folge aus ihm den in Dingen der Etiquette anspruchsvollsten König Europas machte. Unter den Augen der Königin erzogen, aber verfolgt von den ewigen Knickereien des Cardinals, der es ihm an den nothwendigsten Dingen fehlen ließ, erwartete er mit wüthender Ungeduld die Stunde seiner Volljährigkeit, welche am nächsten September schlagen sollte, und es entschlüpften ihm zuweilen mitten unter seinen Kinderlaunen königliche Aufwallungen, welche andeuteten, was er eines Tages sein würde. Dieser Feldzug war ihm daher sehr lächelnd erschienen: es war gleichsam ein Austritt aus den Knabenschuhen, eine Lehre im Feldherrnthum, ein Versuch in der Königswürde. Er marschierte daher stolz, bald an dem Schlage der Carrosse, die Königin grüßend und um Frau von Frontenac liebäugelnd, in welche er, wie man sagte, verliebt war, bald an der Spitze seiner Haustruppen mit Herrn de La Meilleraye und dem alten Guitaut von den Feldzügen Ludwig XIII. und den Heldenthaten des verstorbenen Herrn Cardinals plaudernd.
Während man sich so unterhielt und marschierte, legte man eine Meile nach der andern zurück und man fing an die Thürme und Gallerieen des Fort von Vayres zu erblicken. Das Weiter war herrlich, die Landschaft malerisch, die Sonne schoß ihre Strahlen schräge auf den Fluß; man hätte glauben sollen, es wäre eine Spazierfahrt, in solchem Grade heuchelte die Königin eine heitere, frohe Laune. Der König marschierte zwischen Herrn de La Meilleraye und Guitaut und hatte sein Augenmerk auf den Platz gerichtet, in welchem man keine Bewegung wahrzunehmen vermochte, obgleich höchst wahrscheinlich die Schildwachen, die man erblickte, ihrer Seits diese glänzende Vorhut der Armee des Königs entdeckt und signalisiert hatten.
Die Carrosse der Königin verdoppelte ihren Gang und nahm ihren Platz in der ersten Reihe ein.
»Eines setzt mich in Erstaunen Herr Marschall,« sagte Mazarin.
»Was, Monseigneur?«
»Mir scheint, die guten Gouverneurs wissen in der Regel, was um ihre Festung her vorgeht, und sie sind einem König, wenn er die Gnade hat, nach dieser Festung zu marschiren, wenigstens eine Deputation schuldig.«
»Ah, bah!« sprach die Königin, in ein schallendes, aber gezwungenes Lachen ausbrechend: »Ceremonien! Geht, das ist unnöthig, die Treue ist mir lieber.«
Herr de La Meilleraye bedeckte sich das Gesicht mit seinem Taschentuche, um, wenn nicht eine Grimasse, doch wenigstens seine Lust zu verbergen, eine solche zu machen.
»Aber es rührt sich in der That kein Mensch,« sagte der junge König, unzufrieden über ein solches Vergessen der Regeln der Etiquette, woraus er einst die Basen seiner Größe machen sollte.
»Sire,« erwiederte Anna von Oesterreich, »hier sind die Herren de La Meilleraye und Guitaut, welche Euch sagen werden, daß es die erste Pflicht eines Gouverneurs, besonders in einem feindlichen Lande ist, sich aus Furcht vor einem Ueberfall ruhig und gedeckt hinter seinen Mauern zu halten. Seht Ihr nicht Eure Fahne, die Fahne von Heinrich IV. und Franz I. auf der Citadelle flattern?«
Und sie deutete mit Stolz auf dieses bezeichnende Emblem, welches bewies, wie sehr sie in ihrer Hoffnung Recht hatte.
Der Zug setzte seinen Marsch fort und entdeckte ein vorgeschobenes Werk, das erst seit einigen Tagen errichtet zu sein schien.
»Ah! Ah!« sagte der Marschall, »der Gouverneur scheint in der That ein Mann vom Handwerk zu sein. Dieser Vorposten ist gut gewählt und die Verschanzung geschickt angelegt.«
Die Königin schaute aus dem Kutschenschlag hervor, und der König erhob sich in seinen Steigbügeln.
Eine einzige Schildwache ging auf dem Halbmonde4 auf und ab; sonst schien die Verschanzung so öde und stumm, wie die Citadelle.
»Gleich viel,« sprach Mazarin, »obschon ich die militärischen Pflichten eines Gouverneur nicht kenne, obschon ich kein Soldat bin, finde ich doch diese Art, sich gegen eine Majestät zu benehmen, sehr seltsam.«
»Rücken wir immer vor,« sprach der Marschall, »wir werden sehen.«
Als die kleine Truppe nur noch hundert Schritte von der Verschanzung entfernt war, blieb die Schildwache, welche bis jetzt auf und ab gegangen war, stille stehen. Nachdem sie einen Augenblick geschaut hatte, rief sie:
»Wer da?«
»Der König!« antwortete Herr de La Meilleraye.
Bei diesem einzigen Worte erwartete Anna von Oesterreich die Soldaten laufen, die Officiere sich beeilen, die Brücken niederfallen, die Thore sich öffnen, die Schwerter hoch in der Luft schwingen zu sehen.
Nichts von allem Dem fand statt.
Die Schildwache zog ihr rechtes Bein gegen das linke zurück, kreuzte die Muskete vor den Ankommenden, und beschränkte sich darauf, mit lauter fester Stimme »Halt!« zu rufen.
Der König erbleichte vor Zorn; Anna von Oesterreich biß sich die Lippen blutig; Mazarin murmelte einen in Frankreich durchaus nicht anständigen italienischen Fluch, den er sich nie hatte abgewöhnen können: der Herr Marschall de La Meilleraye hatte nur einen Blick für Ihre Majestäten, aber dieser war beredt.
»Ich liebe die Vorsichtsmaßregeln für meinen Dienst,« sagte die Königin, bemüht, sich selbst zu belügen; denn trotz der scheinbaren Sicherheit ihres Gesichtes fing sie an, in ihrem Innern unruhig zu werden.
»Ich liebe die Achtung vor meiner Person,« murmelte der König, seinen verdrießlichen Blick auf die unempfindliche Schildwache heftend.
Indessen wurden die Worte: »Der König! der König!« von der Schildwache mehr als Meldung, denn als Zeichen der Achtung ausgerufen, von verschiedenen Stimmen wiederholt und gelangten bis in das Innere der Festung. Man sah nun oben auf dem Walle einen Mann erscheinen, an den sich die ganze Garnison anschloß.
Dieser Mann hob seinen Commandostab in die Höhe; sogleich schlugen die Trommler den Marsch, die Soldaten des Fort präsentierten die Gewehr, und ein Kanonenschuß erscholl ernst und feierlich.
»Seht Ihr!« sagte die Königin, »sie entprechen ihrer Schuldigkeit; besser spät, als gar nicht. Vorwärts!«
»Verzeiht, Madame,« entgegnete der Marschall de La Meilleraye, »aber ich sehe durchaus nicht, daß sie die Thore öffnen, und wir können nur hinein, wenn die Thore offen sind.«
»Sie vergessen dies zu thun, in dem Erstaunen und der Begeisterung, worein sie dieser erhabene Besuch, den sie nicht erwarteten, versetzt hat, erlaubte sich ein Höfling zu bemerken.
»Man vergißt dergleichen Dinge nicht, mein Herr,« erwiederte der Marschall.
Dann sich gegen den König und die Königin umwendend, fügte er bei:
»Erlauben mir Ihre Majestäten, ihnen einen Rath zu geben?«
»Sprecht, Marschall.«
»Ihre Majestäten sollten sich auf fünfhundert Schritte von hier mit Guitaut und seinen Garden zurückziehen, während ich mit den Musketieren und den Chevauxlegers den Platz recognosciren gehen würde.«
Die Königin antwortete nur:
»Vorwärts und wir werden sehen, ob man uns den Durchgang zu verweigern wagt.«
Der junge König gab entzückt seinem Pferde die Sporen und befand sich zwanzig Schritte voraus.
Der Marschall und Guitaut sprengten ihm nach und holten ihn ein.
»Man kommt hier nicht durch,« «sagte die Schildwache, welche ihre feindliche Stellung nicht verlassen hatte.
»Es ist der König!« riefen die Pagen.
»Zurück« schrie die Schildwache mit einer drohenden Gebärde.
Zu gleicher Zeit sah man über der Brustwehr die Hüte und Musketen der Soldaten erscheinen, welche die erste Verschanzung bewachten.
Ein lang anhaltendes Gemurmel empfingt diese Worte und diese Erscheinung. Herr de La Meilleraye ergriff das Pferd des Königs am Saume, ließ es umwenden und befahl zugleich dem Kutscher der Königin, sich zurückzubegeben. Die zwei beleidigten Majestäten zogen sich ungefähr auf die Entfernung von tausend Schritten von den ersten Schanzen zurück, während sich ihr Gefolge wie eine Schaar von Vögeln nach dem Flintenschusse des Jägers zerstreute.
Der Marschall de La Meilleraye ließ etwa fünfzig Mann zur Bewachung des Königs und der Königin zurück, sammelte den Rest der Truppe und wandte sich wieder nach den Verschanzungen.
Als er hundert Schritte von den Gräben entfernt war, blieb die Schildwache, welche ihren ruhigen, abgemessenen Marsch wieder fortgesetzt hatte, abermals stehen.
»Nehmt einen Trompeter, steckt Euer Sacktuch an die Spitze Eures Degens, Guitaut,« sprach der Marschall »und fordert den unverschämten Gouverneur auf, sich zu ergeben.«
Guitaut gehorchte, steckte die friedlichen Zeichen auf, welche in allen Ländern der Welt die Herolde beschützen und rückte gegen die Verschanzung vor.
»Wer da?« rief die Schildwache.
»Parlamentär,« antwortete Guitaut, seinen Degen und das Tuch, womit derselbe verziert war, schwingend!
»Laßt ihn kommen,« sagt derselbe Mann, welchen man bereits auf dem Walle der Festung hatte erscheinen sehen; ohne Zweifel hatte sich derselbe durch einen bedeckten Weg an diesen Posten begeben.
Das Thor würde geöffnet, eine Brücke senkte sich ’nieder.
»Was wollt Ihr?« fragte ein Offizier, der an dem Thore wartete.
»Mit dem Gouverneur sprechen,« antwortete Guitaut.
»Hier bin ich,« sagte der Mann, welcher bereits zweimal erschienen war, einmal auf dem Walle der Festung, einmal an der Brustwehr der Verschanzungen.
Guitaut bemerkte, daß dieser Mann sehr bleich, aber ruhig und höflich war.
»Ihr seid der Gouverneur, von Vayres?« fragte Guitaut.
»Ja, mein Herr.«
»Und Ihr weigert Euch, das Thor Eurer Festung Seiner Majestät dem König und der Königin Regentin zu öffnen?«
»Zu meinem Schmerze«
»Und was verlangt Ihr?«
»Die Freiheit der Herren Prinzen, deren Gefangenschaft das Land verheert und zu Grunde richtet.«
»Seine Majestät unterhandelt nicht mit ihren Unterthanen.«
»Ach! das ist uns bekannt, mein Herr; wir sind auch bereit zu sterben, im Bewußtsein, daß wir für den Dienst des Königs den Tod empfangen, obgleich es den Anschein hat, als führten wir Krieg gegen ihn.«
»Es ist gut,« sagte Guitaut, »mehr wollten wir nicht wissen.«
Und er entfernte sich, nachdem er auf eine ziemlich vornehme Weise den Gouverneur gegrüßt hatte, der äußerst höflich dankte.
Nichts rührte sich in der Bastei.
Guitaut kehrte zu dem Marschall zurück und meldete den Erfolg seiner Sendung.
Der Marschall rief, die Hand nach dem Dorfe Inon ausstreckend:
»Sogleich sollen fünfzig Mann im Galopp in jenen Flecken reiten und auf der Stelle alle Leitern zurückbringen, die sie daselbst finden.«
Fünfzig Mann sprengten mit verhängten Zügeln fort, und da das Dorf nicht sehr entfernt war, so befanden sie sich in einem Augenblick an Ort und Stelle.
»Nun steigt ab, meine Herren,« sagte der Marschall: »die Hälfte von Euch wird, mit Musketen bewaffnet, den Sturm beschützen; der Rest erklettert die Leitern.«
Der Vorschlag wurde mit Freudengeschrei aufgenommen. Die Garden, die Musketiere und die Chevauxlegers stiegen rasch ab und hielten ihre Waffen in Bereitschaft.
Mittlerweile kamen die fünfzig Reiter mit etwa zwanzig Leitern zurück.
Es war immer noch Alles ruhig in der Bastei; die Schildwache ging auf und ab, und man sah immer noch das Ende der Musketen und die Ecken der Hüte über die Gallerie emporragen.
Die Haustruppen setzten sich, von dem Marschall selbst commandirt, in Marsch; sie bestanden im Ganzen ans ungefähr vierhundert Mann, von denen sich die eine Hälfte, wie es der Marschall befohlen hatte, anschickte, die Mauern zu ersteigen, die andere, den Sturm zu unterstützen.
Der König, die Königin und ihr Hof folgten von ferne mit Bangen den Bewegungen der kleinen Truppe. Die Königin selbst schien ihre ganze Sicherheit verloren zu haben; um besser zu sehen, hatte sie ihren Wagen umdrehen lassen, der nun eine seiner Seiten den Festungswerken bot.
Kaum hatten die Eingreifenden fünfzig Schritte gemacht, als sich die Schildwache dem Rande des Walles näherte und mit einer Donnerstimme: »Wer da!« rief.
»Antwortet nicht,« sagte Herr de La Meilleraye, »und vorwärts!«
»Wer da!« rief zum zweiten Male die Schildwache, ihr, Gewehr zurecht machend.
»Wer,da!« wiederholte sie zum dritten Male.
Und sie schlug an.
»Feuer auf, diesen Burschen!« sprach Herr de La Meilleraye.
In demselben Augenblick brach eine Salve von Musketenschüssen aus den königlichen Reihen hervor; getroffen wankte die Schildwache, ließ ihre Muskete entsinken, welche in den Graben rollte, und stürzte mit dem Rufe: »Zu den Waffen« nieder.
Ein einziger Kanonenschuß erwiederte das Beginnen der Feindseligkeiten. Die Kugel pfiff über die erste Reihe hin, tauchte in die zweite und dritte, warf vier Soldaten nieder und riß zurückprallend einem von den Pferden am Wagen der Königin den Bauch auf.
Ein langer Schrei des Schreckens ertönte aus der Gruppe, welche Ihre Majestäten bewachte; der König wich zurück. Anna von Oesterreich fiel beinahe vor Wuth und Mazarin vor Angst in Ohnmacht. Man schnitt die Stränge des todten Pferdes, so wie die der lebendigen Rosse ab, welche sich vor Schrecken bäumten und den Wagen zu zertrümmern drohten. Acht bis zehn Garden spannten sich an denselben an und zogen die Königin aus dem Bereiche der Kugeln.
Während dieser Zeit demasquirte der Gouverneur eine Batterie von sechs Stücken.
Als der Marschall de La Meilleraye diese Batterie erblickte, welche in einigen Sekunden seine drei Compagnien aufzureiben drohte, dachte er, es wäre unnütz, den Angriff weiter zu treiben, und befahl den Rückzug.
In dem Augenblick, wo die Haustruppen den ersten Schritt rückwärts machten, verschwanden die feindlichen Anstalten von der Festung.
Der Marshall kehrte zu der Königin zurück und ersuchte sie irgend einen Punkt der Umgegend zu ihrem Hauptquartiere zu wählen. Die Königin gewahrte auf der andern Seite der Dordogne das kleine, vereinzelte, unter den Bäumen verloren, einem Schlößchen ähnliche Haus.
»Seht nach, wem jenes Haus gehört,« sagte sie zu Guitaut, »und bittet um Gastfreundschaft für mich.«
Guitaut entfernte sich schleunig setzte in der Fähre des Schiffers von Ison über den Fluß, kehrte bald zurück und meldete, das Haus würde nur von einem Intendanten bewohnt; dieser hätte geantwortet, dasselbe gehörte Herrn von Epernon und stände Ihrer Majestät zu Diensten.
»Vorwärts also!« sprach die Königin; »aber wo ist der König?«
Man rief nun den kleinen Ludwig XIV. der etwas bei Seit geritten war; er kehrte zurück und man sah, obgleich er seine Thränen zu verbergen suchte, daß er geweint hatte.
»Was habt Ihr denn, Sire?« fragte die Königin.
»Oh! nichts, Madame,« antwortete das Kinde »ich werde hoffentlich eines Tags König sein . . . und dann wehe denen, welche mich beleidigt haben.«
»Wie heißt der Gouverneur?« fragte die Königin.
Niemand konnte ihr antworten, Niemand wußte es.
Man erkundigte sich nun bei dem Fährmann, und dieser nannte Richon.
»Es ist gut,« sagte die Königin, »ich werde mich dieses Namens erinnern.«
»Und ich auch,« sprach der junge König.
V
Ungefähr hundert Mann von den königlichen Haustruppen setzten mit Ihren Majestäten über die Dordogne; der Rest blieb bei dem Marschall de La Meilleraye, welcher fest entschlossen, Vayres zu belagern, die Armee erwartete.
Kaum war die Königin in dem kleinen Hause einquartiert, das sie, in Folge des Aufwandes von Nanon, weit über ihre Hoffnung wohnbar fand, als Guitaut erschien, um ihr zu sagen, ein Kapitän, der eine wichtige Angelegenheit verhandeln zu müssen behaupte, erbitte sich die Ehre einer Audienz.
»Wer ist dieser Kapitän?« fragte die Königin.
»Der Kapitän Cauvignac, Madame.«
»Gehört er zu meiner Armee?«
»Ich glaube nicht.«
»Erkundigt Euch, und gehört er nicht zu meiner Armee, so sagt ihm, ich könne ihn nicht empfangen.«
»Ich bitte Eure Majestät um Vergebung, daß ich in diesem Punkte nicht ihrer Ansicht bin,« sagte Mazarin, »aber es scheint mir, daß sie ihn gerade wenn er nicht von ihrem Heere wäre, empfangen müßte.«
»Warum?«
»Weil er, wenn er zu der Armee Eurer Majestät gehört und sich von der Königin eine Audienz erbittet, nur ein getreuer Unterthan sein kann, während er, wenn er im Gegentheil zur feindlichen Armee gehört, möglicher Weise ein Verräther ist. Die Verräther aber, Madame sind in diesem Augenblick nicht zu verachten, in Betracht, daß sie sehr nützlich sein können.«
»Laßt ihn also eintreten, da dies die Ansicht des Herrn Cardinals ist,« sprach die Königin.
Der Kapitän wurde sogleich eingeführt und erschien mit so viel Ungezwungenheit und Leichtigkeit, daß die Königin, gewohnt, auf diejenigen, welche sich ihr näherten, einen entgegengesetzten Eindruck hervorzubringen, sehr darüber erstaunte.
Sie maß Cauvignac vom Kopf bis zu den Füßen; aber dieser hielt den königlichen Blick vortrefflich aus.
»Wer seid Ihr, mein Herr?« fragte die Königin.
»Der Kapitän Cauvignac,« antwortete der Eintretende.
»In wessen Dienst seid Ihr?«
»Im Dienste Eurer Majestät, wenn sie gnädigst will.«
»Ob ich will? Allerdings. Gibt es übrigens einen andern Dienst im Königreich? Sind wir zwei Königinnen in Frankreich?«
»Gewiß nicht, es gibt nur eine Königin in Frankreich und das ist diejenige, welcher ich in diesem Augenblick meine tiefste Ehrfurcht zu Füßen zu legen das Glück habe; aber es gibt zwei Meinungen, wie es mir wenigstens so eben geschienen hat.«
»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte die Königin, die Stirne faltend.
»Ich will damit sagen, Madame, daß ich in der Gegend umherspazierte und mich gerade auf einer Anhöhe befand, welche die ganze Landschaft beherrscht, die, wie Eure Majestät bemerken konnte, bewunderungswürdig schön ist, als ich wahrzunehmen glaubte, daß Herr Richon dieselbe nicht mit aller ihr schuldigen Achtung empfingt dies bestätigte mir, was ich übrigens bereits vermuthet hatte, daß es in Frankreich zwei Meinungen gibt: die royalistische und eine andere, und daß Herr Richon zu dieser andern gehört.«
Das Gesicht von Anna von Oesterreich verdüsterte sich immer mehr.
»Ah! ihr glaubtet dies zu sehen?« sagte sie.
»Ja, Madame,« antwortete Cauvignac mit vollkommen naivem Tone. »Ich glaubte sogar zu sehen, daß ein Kanonenschuß mit einer Kugel aus der Festung abgefeuert wurde, und daß diese Kugel die Carrosse Eurer Majestät verletzte.«
»Genug, mein Herr . . . Habt Ihr Euch nur von mir Audienz erbeten, um Eure albernen Bemerkungen zu machen?«
»Ah! Du bist unhöflich,« sagte Cauvignac in einem Innern, »dann sollst Du theuerer bezahlen.«
»Nun, Madame, ich habe mir Audienz erbeten, um Euch zu sagen, daß Ihr eine sehr große Königin seid, und daß meine Bewunderung für Euch ohne Gleichen ist.«
»Ah! Wirklich?« versetzte die Königin mit trockenem Tone.
»In Betracht dieser Größe und dieser Bewunderung, welche eine natürliche Folge davon ist, habe ich beschlossen, mich ganz und gar dem Dienste Eurer Majestät zu weihen.«
»Ich danke,« sprach die Königin mit Ironie; dann sich gegen ihren Kapitän der Garden umwendend: »Guitaut, man jage diesen Schwätzer hinaus!«
»Um Vergebung, Madame,« sagte Cauvignac, »ich werde gehen, ohne daß man mich hinausjagt, aber wenn ich gehe, bekommt Ihr Vayres nicht.«
Und Cauvignac verbeugte sich anmuthig vor Ihrer Majestät und pirouettirte auf seinen Absätzen.
»Madame,« sagte Mazarin leise, »ich glaube, Ihr habt Unrecht, daß Ihr diesen Menschen fortschickt.«
»Kehret um,« rief die Königin, »und sprecht; Ihr seid ein seltsamer Bursche und scheint mir belustigend.«
»Eure Majestät ist sehr gut,« erwiederte Cauvignac sich verbeugend.
»Was spracht Ihr vorhin von Vayres?«
»Madame, ich sagte, wenn Eure Majestät immer noch die Absicht hätte, welche ich sie diesen Morgen kundgeben zu sehen glaubte, die Absicht, in die Feste Vayres zu gelangen, so würde ich mir eine Pflicht daraus machen, sie dort einzuführen.«
»Wie dies?«
»Ich habe hundert und fünfzig Mann in Vayres, welche mir gehören.«
»Euch?«
»Ja, mir.«
»Nun?«
»Ich trete diese hundert und fünfzig Mann Eurer Majestät ab.«
»Hernach?«
»Hernach?«
»Ja.«
»Hernach müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn sich Eure Majestät mit diesen hundert und fünfzig Portiers nicht ein Thor öffnen lassen könnte.«
Die Königin lächelte.
»Der Bursche hat Witz,« sagte sie.
Cauvignac errieth ohne Zweifel das Compliment, denn er verbeugte sich zum zweiten Male.
»Wie viel verlangt Ihr, mein Herr?« fragte die Königin.
»Oh! mein Gott, Madame, fünfhundert Livres für den Portier, das ist die Gage, die ich den Meinigen gebe.«
»Ihr sollt sie haben.«
»Und für mich?«
»Ah! Ihr verlangt auch etwas für Euch.«
»Ich wäre stolz, wenn ich einen Grad von der Großmuth Eurer Majestät erhielte.«
«Welchen Grad verlangt Ihr?«
«Ich würde gern Gouverneur von Braune. Ich habe immer Gouverneur zu sein gewünscht.«
»Bewilligt.«
»Dann ist die Sache, abgesehen von einer kleinen Förmlichkeit, abgemacht.«
»Was für eine Förmlichkeit ist dies?«
»Beliebt Eurer Majestät dieses Papierchen zu unterzeichnen, das ich zum Voraus entworfen habe, in der Hoffnung, meine Dienste würden von meiner großmüthigen Fürstin angenommen?«
»Was enthält dieses Papier?«
»Leset, Madame.«
Und anmuthig den Arm ausstreckend und das Knie mit der ehrfurchtsvollsten Miene beugend, überreichte Cauvignac der Königin ein Papier.
Die Königin las:
»An-dem Tage, an welchem ich ohne Schwertstreich in Vayres einziehe, bezahle ich an den Herrn Kapitän Cauvignac die Summe nun fünf und siebzigtausend Livres und mache ihn zum Gouverneur von Braune.«
»Also,« sprach die Königin mit gedrängtem Zorne, »also traut der Kapitän Cauvignac nicht genug unserem königlichen Wort und will eine Schrift haben?«
»Madame, eine Schrift scheint mir immer das Beste in wichtigen Angelegenheiten,« erwiederte Cauvignac sich verbeugend. »Verba volant, sagt ein alten Sprichwort, die Worte fliegen, und Eure Majestät wolle entschuldigen: es ist mir schon Manches fortgeflogen.«
»Unverschämter!« rief die Königin, »diesmal hinaus!«
»Eure Majestät, ich gehe, aber Ihr bekommt Vayres nicht.«
Das Manoeuvre wiederholend, das ihm bereits einmal gelungen trat, pirouettirte der Kapitän auch jetzt wieder auf seinen Absätzen und ging nach der Thüre zu.
Aber mehr aufgebracht, als das erste Mal, rief ihn Anna nun Oesterreich nicht zurück.
Cauvignac ging hinaus.
»Man verhafte diesen Menschen,« rief die Königin.
Guitaut machte eine Bewegung, um zu gehorchen.
»Verzeiht, Madame,« sagte Mazarin, »aber ich glaube, Eure Majestät hatte Unrecht, wenn sie sich einer ersten Bewegung des Zornes überließe.«
»Und warum dies?« fragte die Königin.
»Weil ich befürchte, Ihr werdet diesen Menschen später nöthig haben, und wenn ihn Eure Majestät auf irgend eine Weise belästigt, so wird sie dann gezwungen sein, ihm das Doppelte zu bezahlen.«
»Gut,« sprach die Königin, »man wird ihm bezahlen, was man bezahlen muß; mittlerweile aber verliere man ihn nicht aus dem Blick.«
»Oh! das ist etwas Anderes, und ich bin der Erste, der dieser Vorsichtsmaßregel vollkommen beipflichtet.«
»Guitaut, seht, wohin er geht,« sagte die Königin.
Guitaut entfernte sich und kehrte nach einer halben Stunde zurück.
»Nun,« fragte Anna von Oesterreich, »was ist aus ihm geworden?«
»Oh! Eure Majestät kann vollkommen ruhig sein,« antwortete Guitaut, »Euer Mann sucht nicht im Geringsten, sich zu entfernen. Ich habe mich erkundigt; er wohnt drei hundert Schritte von hier, bei einem Wirthe Namens Biscarros.«
»Und dahin hat er sich zurückgezogen?«
»Nein, Madame, er hat sich auf eine Anhöhe begeben und betrachtet von dort aus die Vorbereitungen, welche Herr de La Meilleraye trifft, um die Verschanzungen zu überwältigen. Diesen Schauspiel scheint ihn ungemein zu interessieren.«
»Und das übrige Heer?«
»Es kommt und stellt sich nach Maßgabe seines Eintreffens in Schlachtordnung auf.«
»Der Marschall wird also sogleich angreifen?«
»Madame, ich glaube, es wäre besser, wenn man den Truppen eine Nacht Ruhe ließe, ehe man einen Angriff wagte.«
»Eure Nacht Ruhe!« rief Anna von Oesterreich, »die königliche Armee soll einen Tag und eine Nacht vor einem solchen Neste aufgehalten worden sein! Unmöglich, Guitaut, sagt dem Marschall, er habe sogleich anzugreifen. Der König will diese Nacht in Vayres schlafen.«
»Aber, Madame,« flüsterte ihr Mazarin zu, »mir scheint, diese Vorsicht des Marschalls . . .«
»Mir scheint,« sprach Anna von Oesterreich, »wenn das königliche Ansehen verletzt worden ist, kann man nicht schnell genug Rache dafür nehmen. Geht, Guitaut, und sagt Herrn de La Meilleraye, die Königin schaue auf ihn.«
Und mit einer majestätischen Geberde Guitaut entlassend, nahm die Königin ihren Sohn bei der Hand, ging ebenfalls hinaus und stieg, ohne sich darum zu bekümmern, ob man ihr folgte, eine Treppe hinaus, welche auf eine Terrasse führte.
Diese Terrasse, für welche man schmale Fernsichten mit der größten Kunst gemacht hatte, beherrschte die ganze Gegend.
Die Königin warf einen raschen Blick auf die Landschaft. Hundert Schritte hinter ihr zog sich die Straße von Libourne hin, an der sich das Haus unseres Freundes Biscarros weiß hervorhob. Zu ihren Füßen floß die Gironde ruhig und majestätisch, zu ihrer Rechten erhob sich das Fort Vayres, schweigsam wie eine Ruine; rings um das Fort her breiteten sich kreisförmig die neu errichteten Verschanzungen aus. Einige Schildwachen gingen auf der Gallerie auf und ab; fünf Kanonen streckten durch die Schießscharten ihren ehernen Hals und ihren gähnenden Schlund vor; zu ihrer Linken traf Herr de La Meilleraye Vorkehrungen zum Lagern. Das ganze Heer war eingetroffen, wie Guitaut gesagt hatte, und drängte sich um ihn.
Auf einer Anhöhe stand ein Mann und verfolgte aufmerksam mit seinen Blicken alle Bewegungen der Belagernden und der Belagerten; dieser Mann war Cauvignac.
Guitaut setzte in der Fähre des Fischers von Ison über den Fluß.
Die Königin stand auf der Terrasse, unbeweglich, die Stirne gerunzelt, und an ihrer Hand den kleinen König haltend, der diesen Schauspiel mit einer gewissen Neugierde betrachtete und von Zeit zu Zeit zu seiner Mutter sagte:
»Madame, erlaubt doch, daß ich mein schönen Schlachtroß besteige, und laßt mich mit Herrn de La Meilleraye ziehen, der die Unverschämten bestrafen wird.«
Neben der Königin stand Mazarin, dessen seinen, spöttisches Gesicht für den Augenblick den Charakter ernsten Nachdenkens angenommen hatte, was nur bei großen Veranlassungen der Fall war, und hinter der Königin und dem Minister hatten sich die Ehrendamen aufgestellt, welche, das Stillschweigen von Anna von Oesterreich nachahmend, kaum unter sich ein paar hastige Worte mit leiser Stimme auszutauschen wagten.
Alles dies hatte von Anfang den Anschein vollkommener Ruhe, aber man begriff, daß es die Ruhe der Mine war, welche ein Funke in Sturm und Zerstörung verwandelt.
Es war besondere Guitaut, dem alle Blicke folgten, denn von ihm sollte die Explosion kommen, die man mit so verschiedenartigen Gefühlen erwartete.
Von Seiten des Heeres war die Erwartung ebenfalls groß, denn kaum hatte der Bote das linke Ufer der Dordogne berührt, kaum hatte man ihn erkannt, als Aller Augen sich nach ihm wandten. Sobald Herr de La Meilleraye ihn erblickte, verließ er die Gruppe, in deren Mitte er sich befand, und ging ihm entgegen.
Guitaut und der Marschall sprachen einen Augenblick mit einander. Obgleich der Fluß an dieser Stelle ziemlich breit und die Entfernung groß war, welche die königliche Gruppe von den zwei Officieren trennte, so war sie doch nicht groß genug, daß man nicht hätte den Ausdruck des Erstaunens auf dem Gesichte des Marschalls wahrnehmen können. Offenbar kam ihm der Befehl, den er erhielt, unzeitgemäß vor; er erhob auch einen Blick des Zweifels nach der Gruppe, in deren Mitte die Königin sichtbar war. Aber Anna von Oesterreich, die den Gedanken des Marschalls begriff, machte zugleich mit dem Kopfe und der Hand eine so gebieterische Geberde, daß der Marschall, der seit langer Zeit seine herrische Souverainin kannte, den Kopf als Zeichen, wenn nicht der Beipflichtung, doch des Gehorsams senkte.