Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 28
II
Diese zweite Rückkehr der Armee der Prinzen war sehr verschieden von der ersten. Diesmal gab es Lorbeeren für Jedermann, selbst für die Besiegten. Das Zartgefühl von Frau von Cambes hatte einen guten Theil davon für Canolles vorbehalten, der, sobald er an der Seite seines Freundes Ravailly durch die Barrière einzog, wie ein großer Kapitän umgeben und wie ein tapferer Soldat beglückwünscht wurde.
Wohl bewahrten die Besiegten vom zweiten Tage vorher, und besonders diejenigen, welche einen Puff im Kampfe bekommen hatten, einen gewissen Groll gegen ihren Besieger. Aber Canolles war so gut, so schön, so einfach, er ertrug zugleich so heiter und so würdig seine neue Lage, er war umgeben von einem Geleite so eifriger Freunde, die Officiere und Soldaten des Regimentes Navailles priesen ihn so sehr als ihren Kapitän und als Gouverneur der Insel Saint-George, daß die Bordelesen bald vergaßen. Sie hatten überdies ganz Anderes zu denken; Herr von Bouillon kam am nächsten Tage oder zwei Tage nachher an. Und aus den genauesten Nachrichten ging hervor, der König würde spätestens in acht Tagen in Libourne sein.
Frau von Condé zitterte vor Begierde, Canolles zu sehen; sie betrachtete ihn im Vorübergehen hinter dem Fenstervorhang verborgen und fand an ihm eine wahre Eroberermiene, welche vortrefflich dem Rufe entsprach, den ihm Freunde und Feinde bereitet hatten. Frau von Tourville behauptete, im Gegensatz gegen die Meinung der Frau Prinzessin, es fehle ihm an Distinction. Lenet versicherte, er halte ihn für einen muthigen Mann, und Herr von Larochefoucault beschränkte sich auf die Bemerkung:
»Ah! Ah! hier ist also der Held!!«
Man wies Canolles eine Wohnung in der großen Festung der Stadt, im Schlosse Trompette an. Am Tage hatte er vollkommene Freiheit, in der Stadt spazieren zu gehen, seine Geschäfte zu besorgen oder seinem Vergnügen nachzulaufen. Bei dem Zapfenstreiche kehrte er nach Hause, Alles auf sein Ehrenwort, nie eine Flucht zu versuchen und nicht mit Denen außen zu correspondiren.
Ehe Canolles diesen letzten Schwur leistete, hatte er um Erlaubniß gebeten, vier Zeilen schreiben zu dürfen; diese Erlaubniß wurde ihm ertheilt, und er schrieb an Nanon folgenden Brief:
»Gefangen, aber frei in Bordeaux, aus mein Ehrenwort, keine Correspondenz mit Außen zu unterhalten, schreibe ich Euch diese paar Worte, theuere Nanon, um Euch meiner Freundschaft zu versichern, an der Ihr meines Stillschweigens wegen zweifeln könntet. Ich verlasse mich auf Euch, daß Ihr meine Ehre bei dem König und der Königin vertheidigen werdet.
»Baron von Canolles.«
In diesen, wie man sieht, sehr sanften Bedingungen, ließ sich der Einfluß von Frau von Cambes erkennen.
Canolles brauchte fünf bis sechs Tage, bis er mit allen Mahlen, mit allen Festen zu Ende war, die ihm seine Freunde gaben; man traf ihn beständig mit Ravailly, welcher, den linken Arm in dem von Canolles und den rechten in der Binde, mit ihm spazieren ging; wenn die Trommel ertönte und die Bordelesen zu irgend einer Expedition aufbrachen oder zu irgend einem Aufstande eilten, war man sicher, auf ihrem Wege Canolles zu sehen, entweder Ravailly am Arm oder allein, die Hände auf dem Rücken, neugierig, lächelnd, harmlos.
Seit seiner Ankunft hatte er indessen Frau von Cambes nur selten gesehen und kaum ein paar Worte mit ihr gesprochen; es schien der Vicomtesse zu genügen, daß er nicht mehr bei Nanon war, und sie fühlte sich glücklich, daß sie ihn, wie sie es gesagt hatte, bei sich behalten konnte. Canolles schrieb ihr und beklagte sich auf eine zarte Weise, und sie ließ ihn in einigen Häusern der Stadt durch die für das Auge unsichtbare, aber für das Herz fühlbare Protection der Frau empfangen, welche liebt, ohne errathen sein zu wollen.
Noch mehr: Canolles erhielt durch die Vermittlung von Lenet die Erlaubniß, Frau von Condé seine Huldigung darzubringen, und der schöne Gefangene zeigte sich hier zuweilen, coquettirend und die Frauen der Prinzessin umschwirrend.
Uebrigens schien kein Mensch weniger an den politischen Angelegenheiten Theil zu nehmen, als Canolles: Frau von Cambes sehen, ein paar Worte mit ihr wechseln, wenn es ihm nicht gelang, mit ihr zu sprechen, eine zärtliche Geberde von ihr erhaschen, ihr die Hand drücken, wenn sie in den Wagen stieg, obgleich er ein Hugenott war, ihr das Weihwasser reichen, das war die große Beschäftigung der Tage des Gefangenen.
In der Nacht dachte er an die große Angelegenheit des Tages.
Nach einiger Zeit genügte übrigens diese Zerstreuung dem Gefangenen nicht mehr. Da er aber das Zartgefühl von Frau von Cambes begriff, welche noch mehr für die Ehre von Canolles, als für die ihrige befürchtete, so suchte er den Kreis seiner Zerstreuungen auszudehnen. Zuerst schlug er sich mit einem Officier der Garnison und mit zwei Bürgern, wobei immerhin einige Stunden verflossen. Da er aber den Einen von seinen Gegnern entwaffnete und die andern Zwei verwundete, so entging ihm bald dieser Zeitvertreib in Ermangelung von Menschen, welche ihn zu zerstreuen geneigt waren.
Dann hatte er einige Male Glück bei Frauen. Canolles war, abgesehen vom schönen Mann, seitdem er als Gefangener in Bordeaux verweilte, äußerst interessant geworden. Drei volle Tage und den ganzen Morgen des vierten sprach man von seiner Gefangenschaft; das war beinahe so viel, als bei der des Herrn Prinzen.
Eines Tages, als Canolles Frau von Cambes in der Kirche zu sehen hoffte, und Frau von Cambes, vielleicht aus Furcht, ihn daselbst zu treffen, nicht gekommen war, bot Canolles, seinem Posten bei der Säule getreu, einer reizenden Frau, die er noch nicht gesehen hatte, Weihwasser; das war nicht der Fehler von Canolles, sondern der von Frau von Cambes; wäre die Vicomtesse gekommen, so würde er nur sie gesehen, nur ihr Weihwasser angeboten haben.
An demselben Tage, während Canolles in sich selbst nachforschte, wer die reizende Brunette sein könnte, erhielt er ein Einladungsschreiben, um den Abend bei dem Generalanwalt Lavie zuzubringen, bei demselben, der sich dem Einzug der Frau Prinzessin hatte widersetzen wollen und als Stütze der königlichen Herrschaft beinahe eben so sehr verhaßt war, als Herr von Epernon. Canolles, der immer mehr das Bedürfniß fühlte, sich zu zerstreuen, nahm die Einladung dankbar an und begab sich um sechs Uhr zu dem Generalanwalt.
Die Stunde mag unsern modernen Löwen seltsam vorkommen, aber Canolles entsprach aus zwei Gründen so frühzeitig der Einladung des Herrn Generalanwalts: einmal speiste man zu jener Zeit am zwölf Uhr zu Mittag und die Abendunterhaltungen begannen unendlich weniger spät; zweitens kehrte Canolles regelmäßig spätestens um halb zehn Uhr in das Schloß Trompette zurück, und er mußte daher, wenn er mehr als blos erscheinen wollte, unter den Ersten sich einfinden.
Als Canolles in den Salon trat, stieß er einen Freudenschrei aus; Madame Lavie war niemand Anderes, als die reizende Brunette, der er am Morgen so artig Weihwasser gereicht hatte.
Canolles wurde in dem Salon des Generalanwalts als ein Royalist empfangen, der seine Probe abgelegt hat. Kaum fand die Vorstellung statt, als er sich von Huldigungen umgeben sah, welche einen von den sieben Weisen Griechenlands zu betäuben im Stande gewesen wären. Man verglich seine Vertheidigung bei dem ersten Angriff mit der von Horatius Cocles, und seine Niederlage mit der Einnahme des durch die List von Ulysses überwältigten Troja.
»Mein lieber Herr von Canolles,« sagte der Generalanwalt zu ihm, »ich weiß von guter Hand, daß bei Hofe stark von Euch und der schönen Vertheidigung, die Euch mit Ruhm bedeckt hat, die Rede gewesen ist; die Königin hat auch geschworen, Euch, sobald sie könnte, auszuwechseln und Euch am Tage Eurer Rückkehr in ihren Dienst zum Grade eines Regimentschef oder eines Brigadier zu erheben; wollt Ihr nun ausgetauscht sein?«
»Meiner Treue,« antwortete Canolles, Madame Lavie einen mörderischen Blick zuwerfe, »ich schwöre Euch, es ist mein größter Wunsch, daß die Königin nicht zu sehr eile; sie müßte mich gegen Geld oder gegen einen guten Militär austauschen. Ich bin diese Ausgabe nicht werth und verdiene diese Ehre nicht. Ich werde warten, bis Ihre Majestät Bordeaux genommen hat, wo ich mich vortrefflich befinde; dann kann sie mich umsonst haben.«
Madame Lavie lächelte anmuthreich.
»Teufel,« sagte ihr Gatte, »Ihr sprecht lau von Eurer Freiheit, Baron.
»Ei, warum soll ich mich dafür erwärmen?« entgegnete Canolles; »glaubt Ihr, es sei mir sehr angenehm, wieder activen Dienst zu nehmen, um mich täglich der Gefahr ausgesetzt zu sehen, einen von meinen Freunden zu tödten?«
»Aber welches Leben führt Ihr hier?« Es versetzte der Generalanwalt; »ein Leben unwürdig eines Mannes von Eurer Bedeutung. Ihr bleibt fremd jedem Rathe, jedem Unternehmen, und seid genöthigt, Andere der Sache dienen zu sehen, der sie angehören, während Ihr die Arme kreuzt. Ihr seid hier unnütz, machtlos, und diese Lage Muß Euch drücken.«
Canolles schaute Madame Lavie an, und diese schaute ihn ebenfalls an.
»Nein,« erwiederte Canolles, »Ihr täuscht Euch, ich langweile mich nicht im Geringstem Ihr beschäftigt Euch mit Politik, was sehr langweilig ist, ich beschäftige mich mit Liebe, was sehr unterhaltend ist. Ihr seid die Einen Diener der Königin, die Andern Diener der Prinzessin. Ich hänge mich nicht ausschließlich an eine Gebieterin, ich bin der Sklave aller Frauen.«
Diese Antwort fand Anklang, und die Herrin des Hauses drückte ihre Meinung durch ein Lächeln aus.
Bald bildeten sich die Partien, Canolles setzte sich zum Spiele. Madame Lavie betheiligte sich zur Hälfte mit ihm gegen ihren Gatten, welcher Fünfhundert Pistolen verlor.
Am andern Tage fiel es dem Volke, ich weiß nicht, aus welcher Veranlassung, ein, einen Aufstand zu machen. Ein Parteigänger der Prinzen schlug, mehr Fanatiker als die Uebrigen, vor, mit Steinwürfen die Scheiben von Herrn den Lavie zu zerschmettern. Als die Scheiben zerschmettert waren, schlug ein Anderer der, Feuer an sein Haus zu legen, Man lief bereits nach den Bränden, als Canolles mit einer Abtheilung des Regiments Navailles anlangte, Madame Lavie in Sicherheit brachte und ihren Gatten einem Dutzend Wüthender entriß, welche, da sie ihn nicht verbrennen konnten, den Generalanwalt wenigstens hängen wollten.
»Nun, mein lieber Mann der Tätitigkeit,« sagte Canolles zu Herrn Lavie, den der Schrecken ganz entfärbt hatte, »was haltet Ihr nun den meiner Trägheit? Ist es nicht gescheiter von mir, daß ich nichts thue?«
Wonach er nach dem Schlosse Trompette zurückkehrte, in Betracht, daß eben der Zapfenstreich ertönte. Bei seiner Rückkehr fand er auf seinem Tische einen Brief, dessen Form sein Herz schlagen, dessen Handschrift den ganzen Mann erbeben machte.
Es war die Handschrift von Frau von Cambes.
Er öffnete den Brief und las:
»Seid morgen gegen sechs Uhr Nachmittags allein in der Carmeliterkirche und setzt Euch in den ersten Beichtstuhl rechts vom Eingange. Ihr werdet die Thüre offen finden.«
»Halt!« rief Canolles, »das ist ein origineller Gedanke.«
Es war noch eine Nachschrift dabei:
«Macht kein Rühmens,« sagte diese, »daß Ihr dahin geht, wo Ihr gestern und heute gewesen seid, bedenkt wohl, Bordeaux ist keine royalistische Stadt; das Schicksal, das der Herr Generalanwalt ohne Euch erlitten haben dürfte, möge Euch zur Ueberlegung bringen!«
»Gut,« dachte Canolles, »sie ist eifersüchtig. Ich habe also, was sie auch sagen mag, Recht gehabt, heute und gestern zu Herrn Lavie zu gehen.«
III
Es ist nicht zu leugnen, Canolles hatte seit seiner Ankunft in Bordeaux alle Qualen der unglücklichen Liebe durchgemacht. Er hatte die Vicomtesse umschmeichelt, von Anbetern umgeben gesehen, ohne sich ihr huldigend nähern zu dürfen, und zum Troste war ihm nicht mehr, als im Vorübergehen ein von Claire den Forschungen der Lästersüchtigen entzogener geheimer Blicks zu Theil geworden. Nach der Scene in dem unterirdischen Gewölbe, nach den glühenden Worten, die zwischen ihm und der Vicomtesse in diesem äußersten Augenblick ausgetauscht worden waren, schien ihm der Stand der Dinge nicht mehr Lauheit, sondern Eis. Da aber Canolles im Grunde dieser Kühle fühlte, daß er wahrhaft und tief geliebt wurde, so hatte er den Entschluß gefaßt, der Unglücklichste der glücklichen Liebhaber zu sein. Die Sache war im Ganzen leicht. In Folge den Wortes, das er hatte geben müssen, keine Correspondenz mit Außen zu unterhalten, war Nanon von ihm in den kleinen Winkel des Gewissens, bestimmt für Liebesvorwürfe verbannt worden; da er nun keine Kunde von der jungen Frau hatte und sich folglich den Ärger ersparte, den der Buchstabe, das heißt, die fühlbare Erinnerung an die Frau, der man untreu ist, immer verursacht, so waren diese Vorwürfe durchaus nicht unerträglich für ihn.
Zuweilen jedoch, in dem Augenblick wo das freudigste Lächeln das Antlitz des jungen Mannen erleuchtete, in dem Augenblick, wo sich seine Stimme in den witzigsten, lustigsten Worten hörbar machte, zog eine Wolke über seine Stirne und ein Seufzer drang, wenn nicht aus seinem Herzen, doch aus seinen Lippen hervor. Dieser Seufzer galt Nanon; diese Wolke war die Erinnerung an vergangene Zeiten, welche ihren Schatten auf die Gegenwart warf.
Frau von Cambes bemerkte diese Sekunden der Traurigkeit. Ihr Auge durchforschte alle Tiefen des Herzens von Canolles, und sie bedachte, daß sie Canolles nicht ganz allein sich selbst überlassen konnte. Zwischen einer alten Liebe, welche noch nicht ganz erloschen war, und einer neuen Leidenschaft, deren Entstehen völlig in den Grenzen der Möglichkeit lag, konnte sich der Ueberschuß des glühenden Saftes, der sonst durch militärische Beschäftigungen und durch die Vertretung eines hohen Postens verbraucht wurde, in ein der reinen Liebe, die sie ihm einzuflößen suchte, entgegengesetztes Element verwandeln. Sie wollte übrigens nur Zeit gewinnen, damit die Erinnerung an so viele romanhafte Abenteuer, welche die Neugierde aller Höflinge wach erhalten hatten, verschwinden möge. Vielleicht täuschte sich Frau von Cambes, vielleicht hätte sie es ganz laut ihre Liebe gestehend dahin gebracht, daß man sich weniger oder minder lang damit beschäftigt haben würde.
Derjenige aber, welcher mit schärferer Aufmerksamkeit und mit mehr Erfolg als die Anderen die Fortschritte dieser geheimnißvollen Liebe verfolgte, war Lenet. Sein forschendes Auge hatte seit einiger Zeit das Dasein dieser Liebe wahrgenommen, ohne den Gegenstand derselben zu kennen; er hatte die Lage und die Stellung dieser Liebe allerdings nicht genau errathen, er wußte nicht, ob sie einseitig oder getheilt war: zuweilen zitternd und unentschieden, zuweilen stark und entschlossen, beinahe immer gleichgültig gegen die Lustbarkeiten, weiche man um sie her genoß, war ihm Frau von Cambes nun wahrhaft im Herzen getroffen erschienen; plötzlich war der Eifer, den sie für den Krieg gezeigt hatte, erloschen; sie war weder mehr zitternd, noch stark noch unentschieden, noch entschlossen; sie war nachdenkend, sie lächelte ohne Grund, sie weinte ohne Ursache, als antworteten ihre Lippen und ihre Augen den Variationen ihres Gedankens, den entgegengesetzten Sprüngen ihres Geistes; diese Veränderung hatte sich seit sechs oder sieben Tagen gestaltet; seit sechs oder sieben Tagen war Canolles gefangen. Canolles war also unzweifelbar der Gegenstand dieser Liebe.
Lenet fühlte sich übrigens ganz geneigt, diese Liebe zu begünstigen, welche eines Tags der Frau Prinzessin einen so tapfern Vertheidiger geben konnte.
Herr von Larochefoucault war vielleicht in der Erforschung des Herzens von Frau von Cambes noch weiter vorgerückt, als Lenet. Aber seine Geberden, seine Augen, sein Mund sagten so genau, was er ihnen allein zu sagen gestattete, daß Niemand zu behaupten im Stande gewesen, wäre, ob er Liebe oder Haß für Frau von Cambes hegte. Von Canolles sprach er nicht, er schaute ihn nicht an, und er beachtete ihn überhaupt so wenig, als ob er gar nicht vorhanden gewesen wäre; im Uebrigen zeigte er sich mehr als je kriegerisch, suchte eine Heldenstellung zu behaupten, worin ihn ein über jede Prüfung erhabener Muth und wahre militärische Geschicklichkeit unterstützten, und verlieh seinem Verhältniß als Generalissimus jeden Tag mehr Gewicht. Herr von Bouillon dagegen, kalt, geheimnißvoll, berechnend, vortrefflich in seiner Politik durch Gichtanfälle bedient, welche zuweilen so zur rechten Zeit kamen, daß man die Wirklichkeit derselben zu leugnen versucht war, unterhandelte beständig, verstellte sich so viel als möglich, indem er sich nicht daran gewöhnen konnte, die Kluft zu ermessen, welche Richelieu und Mazarin trennte, und stets für seinen Kopf befürchtete, den er beinahe auf demselben Schaffot wie Cing-Mars verloren hätte, und nur dadurch erkauft hatte, daß er seine Stadt Sedan hergab und wenn nicht rechtlich doch faktisch auf seine Eigenschaft als souveräner Fürst Verzicht leistete.
Was die Stadt selbst betrifft, so wurde diese von der Gewalt der galanten Sitten fortgerissen, welche von allen Seiten auf sie überströmten. Zwischen zwei Feuern, zwischen zwei Ruinen waren die Bordelesen so wenig sicher den kommenden Tages, daß man dieses precäre Dasein, welchen die Zukunft nur nach Sekunden zählen konnte, etwas versüßen mußte,
Man erinnerte sich der mächtigen Stadt La Rochelle, die von Ludwig XIII. Verheert worden war, und der tiefen Bewunderung, welche Anna von Oesterreich dieser Waffenthat zollte; warum sollte Bordeaux nicht dem Hasse und Ehrgeize dieser Fürstin eine zweite Ausgabe von La Rochelle bieten?«
Man vergaß immer, daß derjenige, welcher seine Bleiwage über die zu hohen Köpfe und Mauern hatte hingehen lassen, todt war, und daß der Cardinal Mazarin kaum als ein Schatten des Cardinal Richelieu betrachtet werden konnte.
Es ließ sich also Jeder gehen, und dieser Schwindel ergriff Canolles wie die Andern; wohl suchte er zuweilen Allee in Zweifel zu ziehen, und in seinen skeptischen Anfällen zweifelte er an er Liebe von Frau von Cambes wie an den anderen Dingen der Welt. In solchen Augenblicken wuchs Nanon in seinem Herzen und sie gestaltete sich gerade in Folge ihrer Abwesenheit zärtlicher und ergebener. Wäre Nanon in solchen Augenblicken vor ihm erschienen, der Unbeständige würde Nanon zu Füßen gefallen sein.
Mitten unter allen diesen unzusammenhängenden Gedanken, welche nur diejenigen Herzen begreifen können, welche zwischen zwei Liebesleidenschaften gestanden sind, empfing Canolles den Brief der Vicomtesse. Natürlich verschwand sogleich jede andere Idee. Nachdem er den Brief gelesen, begriff er nicht, daß er je eine Andere, als Frau von Cambes hatte lieben können; nachdem er ihn zum zweiten Male gelesen hatte, glaubte er immer nur sie geliebt zu haben.
Canolles brachte eine von den fieberhaften Nächten hin, welche zugleich brennen und beruhigen, indem die Glückseligkeit das Gegengewicht der Schlaflosigkeit bildet. Obgleich er die ganze Nacht kaum ein Auge geschlossen hatte, stand er doch schon am frühen Morgen auf.
Man weiß, wie die Verliebten die Stunden zubringen, die einem Rendezvous vorhergehen; sie schauen ihre Uhr an, laufen dahin und dorthin und stoßen mit dem Kopfe an ihre theuersten Freunde, die sie nicht mehr erkennen. Canolles machte alle Thorheiten die sein Zustand heischte.
Genau zur bestimmten Stunde (er trat zum zwanzigsten Male in die Kirche) ging er auf den Beichtstuhl zu, den er offen fand. Durch die düstern Glasscheiben drangen die Strahlen der untergehenden Sonne; das ganze Innere des religiösen Gebäudes war durch jenes geheimnißvolle Licht erleuchtet, das so sanft ist für die Betenden und für die Liebenden. Canolles hätte ein Jahr von seinem Leben gegeben, um nicht in diesem Augenblick eine Hoffnung zu verlieren.
Er schaute umher, um sich zu versichern, daß die Kirche verlassen war, durchforschte mit den Augen jede Kapelle; als er sich überzeugt hatte, daß ihn Niemand sehen konnte, trat er in den Beichtstuhl, den er wieder hinter sich schloß.
Einen Augenblick nachher erschien Claire selbst in einen dicken Mantel gehüllt an der Thüre, vor der sie Pompée als Wache zurückließ; nachdem sie sich ebenfalls versichert hatte, daß sie nicht Gefahr lief, man könnte sie sehen, kniete sie auf einen der Fußschämel des Beichtstuhls nieder.
»Endlich,« sagte Canolles, »endlich seid Ihr hier, Madame! endlich habt Ihr Gnade mit mir gehabt.«
»Ich mußte wohl, da Ihr Euch in das Verderben stürztet,« erwiederte Claire, äußerst unruhig darüber, daß sie im Tribunal der Wahrheit eine, allerdings sehr unschuldige, Lüge sagte, die darum aber doch eine Lüge war.
»Madame, also nur einem Gefühle des Erbarmens habe ich die Wohlthat Eurer Gegenwart zu verdanken? Oh! Ihr müßt zugeben, ich hatte das Recht, etwas Besseres als dies den Euch zu erwarten.«
»Sprechen wir ernsthaft und wie es sich an einem heiligen Orte geziemt,« sagte Claire, vergebens bemüht, ihre bewegte Stimme zu befestigen; »ich wiederhole, Ihr stürztet Euch in das Verderben, indem Ihr zu Herrn Lavie dem geschworenen Feinde der Prinzessin ginget. Gestern erfuhr es Frau den Condé von Herrn von Larochefoucault, der Alles weiß, und sie sprach folgende Worte, welche mich mit Schrecken erfüllten:
»»Wenn wir auch die Komplotte unserer Gefangenen zu befürchten haben, so müssen wir da Strenge anwenden, wo wir nachsichtig gewesen sind; bei precären Lagen bedarf es kräftiger Entschließungen; wir sind nicht nur bereit, solche zu fassen, sondern auch entschieden, sie auszuführen.«
Die Vicomtesse sprach diese Worte mit festerer Stimme; es schien ihr, Gott würde zu Gunsten des Vorwandes die Handlung entschuldigen. Sie legte eine Art von Dämpfer auf ihr Gewissen.
»Ich bin nicht der Ritter Ihrer Hoheit, Madame,« erwiederte Canolles, »ich bin der Eurige: Euch habe ich mich ergeben, Euch ganz allein; Ihr wißt unter welchen Umständen und unter welcher Bedingung.«
»Ich glaubte nicht, es wären Bedingungen gemacht worden.
»Nicht mit dem Munde vielleicht, aber mit dem Herzen. Ah! Madame, nach dem, was Ihr mir gesagt hattet, nach dem Glücke, das Ihr mich hattet erschauen lassen, nach den Hoffnungen, die ihr mir gegeben! . . . Ah! Madame, gesteht offen, daß Ihr sehr grausam gewesen seid.«
»Freund,« entgegnete Claire, »ist es an Euch, mir einen Vorwurf darüber zu machen, daß ich auf Eure Ehre wie auf die meinige bedacht war? Begreift Ihr nicht, ahnet Ihr nicht, daß ich eben so viel gelitten habe, als Ihr, mehr als Ihr, weil ich nicht die Kraft besaß, dieses Leiden zu ertragen? Hört mich, und mögen die,Worte, die aus der tiefsten Tiefe meines Herzens hervorkommen, in die Tiefe des Eurigen dringen. Freund, ich habe Euch gesagt, ich litt mehr als Ihr, denn eine Furcht quälte mich, die Ihr nicht haben konntet, denn Ihr wißt wohl, daß ich nur Euch liebe. Fühlt Ihr, indem Ihr hier verweilt, ein Bedauern in Beziehung auf diejenige, welche nicht hier ist, und hegt Ihr in den Träumen über Eure Zukunft eine Hoffnung, die nicht mich betrifft?«
»Madame, Ihr habt an meine Offenherzigkeit appelliert und ich will offenherzig sprechen; ja, wenn Ihr mich meinen schmerzlichen Betrachtungen überlaßt, wenn Ihr mich der Vergangenheit gegenüber allein laßt, wenn Ihr mich durch Eure Abwesenheit dazu verdammt, mit den schalen Tröpfen, welche den Bürgermädchen den Hof machen, in den Spielhäusern umherzuschweifen, wenn Ihr mich mit den Augen vermeidet oder mich so theuer ein Wort, eine Geberde, einen Blick, dessen ich vielleicht unwürdig bin, erkaufen laßt, ja, dann grolle ich mir, daß ich nicht kämpfend gestorben bin, ich mache es mir zum Vorwurf, daß ich mich ergeben habe, ich fühle Gewissensbisse.«
»Gewissensbisse?«
»Ja, Madame, Gewissensbisse, denn so wahr Gott, auf diesem heiligen Altar ist, vor welchem ich Euch sage, daß ich Euch liebe, weint, seufzt zu dieser Stunde, eine Frau, die ihr Leben für mich geben würde, und dennoch sagt sie sich, ich sei entweder ein Feiger oder ein Verräther.«
»Oh! mein Herr!«
»Allerdings, Madame: hatte sie mich nicht zu dem gemacht, was ich bin? hatte ich ihr nicht geschworen, sie zu retten?«
»Ihr habt sie auch gerettet, wie mir scheint.«
»Ja, von den Feinden, welche ihr Leben hätten martern können, aber nicht von der Verzweiflung, welche ihr Herz zerreißt, wenn diese Frau erfährt, daß Ihr es seid, der ich mich ergeben habe.«
Claire neigte das Haupt und seufzte.
»Ah! Ihr liebt mich nicht,« sagte sie.
Canolles seufzte ebenfalls.
»Ich will Euch nicht in Versuchung führen, mein Herr,« fuhr sie fort, »ich will nicht Schuld sein, daß Ihr eine Freundin verliert, der ich nicht an Werth gleich komme; doch Ihr wißt, ich liebe Euch ebenfalls; ich habe eine völlig ergebene, eine ausschließliche Liebe von Euch verlangt; ich sprach zu Euch: Ich bin-frei, hier ist meine Hand; ich biete sie Euch, denn ich habe Euch Niemand entgegenzusetzen, ich kenne Niemand, der für mich über Euch stünde.«
»Ah! Madame,« rief Canolles, »Ihr entzückt mich, Ihr macht mich zum Glücklichsten der Sterblichen!«
»Oh!« entgegnete Claire traurig, »Ihr, Herr, Ihr liebt mich nicht.«
»Ich liebe Euch, ich bete Euch an, nur läßt sich nicht ausdrücken, was ich durch Euer Stillschweigen, durch Eure Zurückhaltung gelitten habe.«
»Mein Gott, Ihr Männer errathet also nicht?« erwiederte Claire, ihre schönen Augen zum Himmel aufschlagend. »Ihr habt nicht begriffen, Canolles, daß ich Euch nicht wollte eine lächerliche Rolle spielen lassen, daß man nicht möglicher Weise glauben sollte, die Zurückgabe der Insel Saint-George wäre eine unter uns abgemachte Sache? Nein, Ihr solltet, ausgewechselt von der Königin oder von mir losgekauft ganz mir gehören. Ach! Ihr wolltet nicht warten.«
»Oh! Madame, nun werde ich warten. Eine Stunde wie diese, ein Versprechen Eurer sanften Stimme, die mir sagt, Ihr lieber mich, und ich werde Stunden, Tage, Jahre warten. . .«
»Ihr liebt noch Fräulein von Lartigues?« versetzte Frau von Cambes den Kopf schüttelnd.
»Madame,« antwortete Canolles, »wenn ich Euch sagte, ich hege für sie nicht eine dankbare Freundschaft, so würde ich lügen; glaubt mir, nehmt mich mit diesem Gefühle. Ich gebe Euch Alles, was ich Euch an Liebe geben kann, und das ist viel.«
»Ach! ich weiß nicht, ob ich es annehmen soll, denn Ihr legt zwar ein sehr edles, aber auch sehr liebendes Herz an den Tag.«
»Hört,« sprach Canolles, »ich würde sterben, um Euch eine Thräne zu ersparen, und ich mache, ohne bewegt zu werden, diejenige weinen, welche Ihr nennt: arme Frau! sie hat Feinde, und die Menschen, welche sie nicht kennen, versuchen sie. Ihr habt nur Freunde, die Menschen, welche Euch nicht kennen, achten Euch; diejenigen, welche Euch kennen, lieben Euch; beurtheilt also den Unterschied dieser zwei Gefühle, von denen das eine mein Gewissen, das andere mein Herz heischt.«
»Ich danke, mein Freund. Aber vielleicht folgt Ihr einer Euch fortreißenden, durch meine Gegenwart veranlaßten Bewegung, was Ihr einst bereuen dürftet? Legt Eure Worte auf die Wagschale. Ich gebe Euch bis morgen Zeit, mir zu antworten. Wenn Ihr Fräulein von Lartigues etwas sagen wollt, wenn Ihr zu ihr gehen wollt, . . . Ihr seid frei, Canolles, ich nehme Euch bei der Hand und führe Euch selbst aus den Thoren von Bordeaux.«
»Madame,« antwortete Canolles, »es ist nicht nöthig, bis morgen zu warten; ich sage Euch mit glühendem Herzen, aber mit kaltem Kopf: Ich liebe Euch, ich liebe nur Euch, ich werde immer nur Euch lieben.«
»Ah! Dank, Dank, mein Freund,« rief Claire, indem sie das Gitter auf die Seite gleiten ließ und ihre Hand durchschob. Euch meine Hand, Euch mein Herz.«
Canolles ergriff diese Hand und bedeckte sie mit Küssen.
»Pompée macht mir ein Zeichen, daß es Zeit sei, zu gehen,« sagte Claire; »ohne Zweifel wird man die Kirche schließen. Leber wohl, mein Freund, oder vielmehr auf Wiedersehen. Morgen werdet Ihr erfahren, was ich für Euch, das heißt, für uns zu thun gedenke. Morgen seid Ihr glücklich, denn ich werde glücklich sein.«
Und unfähig, das Gefühl zu bemeistern, das sie zu dem jungen Manne hinriß, zog sie ebenfalls seine Hand an sich, küßte die Spitze seiner Finger, entfloh mit leichten Schritten und ließ Canolles zurück, freudig wie die Engel, deren himmlische Concerte ein Echo in seinem Herzen zu haben schienen.