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Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 33

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»Nein, mein Herr, im Gegentheil, auf der Stelle,« sagte Frau von Tourville; »je schneller der König geschlagen hat, desto mehr müssen wir uns beeilen, mit demselben Schlage zu antworten.«

»Ei! Madame,« rief Lenet, »Ihr sprecht in der That vom Blutvergießen, als ob Ihr Königin von Frankreich wäret. Sagt Eure Meinung wenigstens erst, wenn Ihre Hoheit Euch darum fragt.«

»Madame hat Recht,« rief der Kapitän der Garden, »Repressalien, so lautet das Kriegsgesetz.«

»Höret,« versetzte der Herzog von Larochefoucault, stets ruhig und unempfindlich, »wir wollen die Zeit nicht mit Worten verlieren. Die Nachricht wird die Stadt durchlaufen, und in einer Stunde vermögen wir weder mehr die Ereignisse, noch die Leidenschaften, noch die Menschen zu beherrschen. Die erste Sorge Eurer Hoheit muß es sein, eine so feste Stellung zu nehmen, daß man sie für unerschütterlich hält.«

»Wohl,« erwiederte die Prinzessin, »ich übertrage Euch diese Sorge, Herr Herzog, und verlasse mich ganz und gar darauf, daß Ihr meine Ehre und Eure Zuneigung rächen werdet, denn ehe Richon in meinen Dienst trat, war er in dem Eurigen; ich erhielt ihn von Euch, und Ihr gabet ihn mir mehr als einen Eurer Freunde, denn als einen Eurer Diener.«

»Seid unbesorgt,« sprach der Herzog, »ich werde mich dessen, was ich Euch, mir und diesem armen Todten schuldig bin, erinnern.«

Und er näherte sich dem Kapitän der Garden und sprach lange ganz leise mit ihm, während sich die Frau Prinzessin, gefolgt von Frau von Tourville und von Lenet, der sich voll Schmerz an die Brust schlug, entfernte.

Die Vicomtesse war an der Thüre. Als sie wieder zu sich kam, war es ihr erster Gedanke, zu Frau von Condé zurückzukehren; Claire traf sie auf dem Wege, aber mit einem so strengen Gesicht, daß sie dieselbe nicht persönlich zu fragen wagte.

»Mein Gott! mein Gott! was wird man machen?« rief die Vicomtesse schüchtern und wie zum Gebete die Hände faltend.

»Man wird sich rächen,« antwortete Frau von Tourville mit Majestät.

»Sich rächen! und wie?« fragte Claire.

Frau von Tourville ging weiter, ohne sich zu einer Antwort herbeizulassen; sie dachte bereite über ihr Requisitorium nach.

»Sich rächen!« wiederholte Claire »Oh! Herr Lenet, was wollen sie damit sagen?«

»Madame,« antwortete Lenet, »wenn Ihr einigen Einfluß auf die Prinzessin habt, gebraucht ihn, daß sie nicht unter dem Namen von Repressalien einen furchtbaren Mord begehn.«

Und er ging ebenfalls vorüber und ließ Claire ganz erschrocken zurück.

Durch eine jener inneren Anschauungen, welche an Ahnungen glauben lassen, hatte sich wirklich sogleich die Erinnerung an Canolles auf eine schmerzliche Weise vor den Geist der jungen Frau gestellt. Sie hörte in ihrem Herzen gleichsam eine traurige Stimme, welche ihr von diesem abwesenden Freunde sprach; sie stieg mit wüthender Hast in ihre Wohnung hinauf, begann rasch sich anzukleiden, um zu dem Rendezvous zu gehen, als sie wahrnahm, daß dasselbe erst in drei bis vier Stunden statthaben sollte.

Canolles hatte sich indessen der ihm von der Vicomtesse gegebenen Vorschrift gemäß bei Frau von Lalasne eingefunden. Es war der Geburtstag des Präsidenten und man gab ihm eine Art von Fest. Da man gerade in der schönsten Jahreszeit war, versammelte sich die ganze Gesellschaft im Garten, wo man auf einem großen Rasen ein Ringspiel eingerichtet hatte. Canolles, der eine außerordentliche Gewandtheit und sehr viel Anmuth besaß, ließ sich so gleich in mehre Ausforderungen ein und fesselte mit seiner Geschicklichkeit den Sieg beständig an seine Seite.

Die Damen lachten über die Ungeschicklichkeit der Nebenbuhler von Canolles und bewunderten seine Gewandtheit; bei jedem neuen Schlag, den er that, erschollen lange anhaltende Bravos, die Sacktücher flatterten in der Luft, und es war Alles, daß die Sträuße nicht den Händen entschlüpften, um zu seinen-Füßen zu fallen.

Dieser Triumph war für Canolles nicht hinreichend, um ihn von dem großen Gedanken abzubringen, der seinen Geist beschäftigte, aber er ließ ihn Geduld fassen. Wie sehr man auch Eile haben mag, um zum Ziele zu gelangen, so nimmt man doch die Zögerungen des Marsches in Geduld hin, wenn diese Zögerungen Huldigungen sind. Je näher aber die erwartete Stunde kam, desto häufiger, wandten sich die Blicke den jungen Mannes nach dem Gitter, durch welchen die Gäste aus und eingingen, und durch das natürlich auch der verheißende Gesandte kommen mußte.

Plötzlich und während Canolles sich Glück wünschte, daß er aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch eine sehr kurze Zeit zu warten hätte, ging ein sonderbaren Geräusch in dieser freudigen Menge umher. Canolles bemerkte, daß sich da und dort Gruppen bildeten, leise mit einander sprachen und ihn mit einer seltsamen, wie es schien, schmerzlichen Theilnahme anschauten; Anfangs schrieb er diese Theilnahme seiner Person und seiner Geschicklichkeit zu und erwies sich die Ehre dieses Gefühls, dessen wahre Ursache zu errathen er weit entfernt war.

Er fing indessen, wie gesagt, mittlerweile an zu bemerken, daß etwas Schmerzliches in dieser Aufmerksamkeit, lag, deren Gegenstand er war; lächelnd näherte er sich einer von den Gruppen; die Personen, aus denen sie bestand, suchten ebenfalls zu lächeln, aber ihr ganzes Wesen verrieth eine gewisse Verlegenheit, und diejenigen, welche nicht mit Canolles sprachen,– entfernten sich.

Canolles wandte sich um; er sah, daß allmälig alle Gäste verschwanden. Es war, als hatte sich plötzlich eine unselige Kunde in der Versammlung verbreitet und alle Welt mit Schrecken und Schauer erfüllt. Der Präsident Lalasne ging, eine Hand am Kinn, die andere auf der Brust, mit finsterer Miene hinter ihm hin und her. Die Präsidentin, welche ihre Schwester am Arm hielt, benutzte einen Augenblick, wo sie Niemand sehen konnte, machte einen Schritt gegen Canolles und sagte, ohne das Wort an irgend Jemand zu richten, mit einem Tone, der die Seele des jungen Mannes im höchsten Maße in Unruhe versetzte:

»Wäre ich Kriegsgefangener, selbst auf Ehrenwort, so würde ich aus Furcht, man konnte mir gegenüber das gegebene Wort nicht halten, auf ein gutes Pferd springen und nach dem Flusse jagen; ich gäbe einem Schiffer zehn, zwanzig, hundert Louisd’or, wenn es sein müßte, aber ich würde mich aus dem Staube machen.«

Canolles schaute die zwei Frauen erstaunt an, und diese machten gleichzeitig ein Zeichen des Schreckens, das für ihn unbegreiflich blieb. Er schritt vorwärts und wollte sich von den zwei Frauen die Erklärung der Worte erbitten, die sie gesprochen hatten, aber sie entflohen, wie Gespenster, wobei die eine den Finger auf den Mund legte, um ihm anzudeuten, er möge schweigen, während die andere den Arm emporhob, um ihm zu bezeichnen, er möge fliehen.

In diesem Augenblick erscholl der Name Canolles am Gitter.

Der junge Mann bebte am ganzen Leibe.

Dieser Name sollte von dem Boten von Frau von Cambes ausgesprochen werden. Er stürzte nach dem Gitter.

»Ist der Herr Baron von Canolles hier?« fragte eine rauhe Stimme.

»Ja,« rief Canolles, »Alles vergessend, um sich nur des Versprechens von Claire zu erinnern; »ja, hier bin ich!«

»Ihr seid Herr von Canolles?« sagte nun ein Sergent, die Schwelle des Gitters überschreitend, hinter welchem er gestanden hatte.

»Ja, mein Herr.«

»Der Gouverneur der Insel Saint-George?«

»Ja.«

»Der Excapitän vom Regiment Navailles?«

»Ja.«

Der Sergent wandte sich um, machte ein Zeichen, und vier hinter einem Wagen verborgene Soldaten rückten sogleich vor. Der Wagen selbst fuhr so nahe heran, daß sein Fußtritt die Schwelle des Gitters berührte; der Sergent forderte Canolles auf, einzusteigen. Der junge Mann schaute umher, er war ganz allein und sah nur in der Ferne unter den Bäumen, wie zwei Schatten, Frau von Lalasne und ihre Schwester, welche, an einander angelehnt, ihn voll Mitleid zu betrachten schienen.

»Bei Gott!« sagte Canolles zu sich selbst, denn er begriff durchaus nicht, was vorging, »bei Gott! Frau von Cambes hat da ein seltsames Geleite gewählt. Aber,« fügte er über seine eigenen Gedanken lächelnd bei, »wir wollen in Beziehung auf die Wahl der Mittel nicht häkelig sein.«

»Wir warten auf Euch, Commandant,« sagte der Sergent.

»Verzeiht, meine Herren, »hier bin ich,« erwiederte Canolles.

Und er stieg in den Wagen. Der Sergent und zwei Soldaten stiegen mit ihm ein; die zwei anderen setzten sich der eine neben den Kutscher, der andere hinten auf, und die plumpe Maschine entfernte sich so schnell, als sie zwei kräftige Pferde fortziehen konnten.

Alles dies war sonderbar und fing an Canolles zu denken zu geben; er wandte sich auch an den Sergenten und fragte:

»Nun, da wir allein sind, mein Herr, könnt Ihr mir wohl sagen, wohin Ihr mich führt?»

»Zuerst ins Gefängniß,« antwortete der Mann, an den die Frage gerichtet war.

Canolles schaute diesen Mann äußerst erstaunt an und entgegnete:

»Wie, ins Gefängniß! Kommt Ihr nicht im Auftrage einer Frau?«

»Allerdings.«

»Und diese Frau ist nicht die Vicomtesse von Cambes?«

»Nein, mein Herr, die Frau Prinzessin von Condé.«

»Die Frau Prinzessin von Condé« rief Canolles.

»Armer junger Mann!« murmelte eine Frauenperson, welche eben vorüberging.

Und sie machte das Zeichen des Kreuzes.

Canolles fühlte, wie ein jäher Schauer seine Adern durchlief.

Etwas entfernten blieb ein Mann, der mit einer Pike in der Hand auf der Straße einherschritt, plötzlich stille stehen, als er den Wagen und die Soldaten erblickte. Canolles neigte sich heraus; ohne Zweifel erkannte ihn dieser Mann, denn er zeigte ihm die Faust mit einem drohenden, wüthenden Ausdruck.

»Oh! sie sind wahre Narren in Eurer Stadt,« sagte Canolles, indem er noch zu lächeln versuchte; »bin ich denn seit einer Stunde ein Gegenstand des Mitleids oder des Hasses geworden, daß mich die Einen beklagen und die Andern bedrohen?«

»Ei, mein Herr,« antwortete der Sergent, »diejenigen, welche Euch beklagen, haben nicht Unrecht, und diejenigen welche Euch bedrohen, könnten wohl Recht haben.«

»Wenn ich nur wenigstens verstünde . . .«

»Ihr werdet sogleich verstehen,« erwiederte der Sergent.

Man langte vor dem Thore des Gefängnisses an und ließ Canolles mitten unter dem Volke, das sich zu versammeln anfing, aussteigen. Nur hieß man ihn, statt ihn in sein gewöhnlichen Zimmer zu führen, in einen mit Wachen gefüllten Kerker hinabgehen.«

»Ich muß doch am Ende erfahren, woran ich mich zu halten habe,« sagte Canolles zu sich selbst.

Und er zog zwei Louisd’or aus der Tasche, näherte sich einem Soldaten und drückte sie ihm in die Hand.

Der Soldat zögerte das Geld anzunehmen.

»Nimm, mein Freund,« sprach Canolles zu ihm, »denn die Frage, die ich an Dich richten will, kann Dich in keiner Beziehung gefährden.«

»So sprecht, mein Commandant,« erwiederte der Soldat und steckte vorläufig die zwei Louisd’or in die Tasche.

»Nun, ich möchte gern die Ursache meiner plötzlichen Verhaftung erfahren?«

»Man sollte glauben, Ihr wüßtet nichts von dem Tode des armen Herrn Richon.«

»Richon ist todt!« rief Canolles und stieß einen Schrei des tiefsten Schmerzen aus, denn man erinnert sich, daß sie eine innige Freundschaft verband. »Mein Gott! wäre er todt geschossen worden?«

»Nein, mein Commandant, man hat ihn gehenkt.«

»Gehenkt!« murmelte Canolles erbleichend und die Hände faltend; und er schaute die düsteren Geräthschaften, die ihn umgaben, und die wilde Miene seiner Wächter an und fügte bei: »Gehenkt! Teufel! das könnte wohl meine Heirath auf unbestimmte Zeit vertagen!«

IX

Frau von Cambes hatte ihre Toilette, eine einfache reizende Toilette, beendigt; sie warf eine Art von Mantel über ihre Schultern und machte Pompée ein Zeichen, ihr voranzugehen, es war beinahe Nacht, und da sie zu Fuße weniger bemerkt zu werden glaubte, als in einer Carrosse, hatte sie Befehl gegeben, ihren Wagen am Ausgang der Carmeliter-Kirche in der Nähe einer Kapelle warten zu lassen, in der sie getraut werden sollte. Pompée stieg die Treppe hinab, und die Vicomtesse folgte ihm. Dieses Recognoscirgeschäft erinnerte den alten Soldaten an die bekannte Patrouille die er am Vorabend der Schlacht von Corbie gemacht hatte.

Unten an der Treppe, als die Vicomtesse an dem Saale hinschritt, in welchem ein gewaltiger Lärmen stattfand, begegnete sie Frau von Tourville, die den Herzog von Larochefoucault, sich eifrig mit ihm besprechend, nach dem Cabinet der Prinzessin fortzog:

»Oh! ich bitte, Madame, nur ein Wort,« sagte sie; »was hat man beschlossen?»

»Mein Plan ist angenommen,« rief Frau von Tourville triumphierend.

»Und worin bestand Euer Plan, Madame? ich kenne ihn nicht.«

»Die Repressalien, meine Liebe, die Repressalien.»

»Verzeiht, Madame, aber ich bin unglücklicher Weise nicht so mit den Kriegsausdrücken vertraut, wie Ihr; was versteht Ihr unter dem Worte Repressalien?«

»Das ist ganz einfach, liebes Kind.«

»So erklärt Euch doch.«

»Nicht wahr, sie haben einen Officier der Herren Prinzen gehenkt?«

»Ja, nun?«

»Nun! wir wollen in Bordeaux einen Officier der königlichen Armee suchen und ihn ebenfalls aufhängen.«

»Großer Gott!« rief Frau von Cambes erschrocken, »was sagt Ihr da, Madame?«

»Herr Herzog,« fuhr die Wittwe fort, ohne daß es schien, als bemerkte sie den Schrecken von Claire, »hat man nicht bereits den Gouverneur verhaften der auf Saint-George commandirte?«

»Ja, Madame,« antwortete der Herzog.«

»Herr von Canolles ist verhaftet? rief Claire.

»Ja, Madame,« erwiederte der Herzog mit kaltem Tone; »Canolles ist verhaftet oder wird es werden; der Befehl ist in meiner Gegenwart gegeben worden, und ich habe mit der Ausführung beauftragten Leute abgehen sehen.«

»Man wußte also, wo er war?« fragte Claire mit einer letzten Hoffnung.

»Er war in dem kleinen Hause unseres Wirthes, des Herrn Präsidenten Lalasne, wo er, wie man mir sagt, bedeutende Siege im Ringspiele davontrug.«

Claire stieß einen Schrei aus; Frau von Tourville wandte sich erstaunt um; der Herzog schaute die junge Frau mit einem unmerklichen Lächeln an.

»Herr von Canolles ist verhaftet!« sprach die Vicomtesse; »mein Gott, was hat er denn gethan, was hat er mit dem furchtbaren Ereigniß gemein, das uns trostlos Macht?«

»Was er damit gemein hat? Alles, meine Liebe. Ist, es nicht ein Gouverneur wie Richon?«

Claire wollte sprechen, aber ihr Herz schnürte sich dergestalt zusammen, daß das Wort aus ihren Lippen zu Eis wurde. Den Herzog beim Arm fassend und ihn voll Schrecken anschauend, gelang es ihr jedoch zu murmeln:

»Oh! nicht wahr, Herr Herzog, das ist nur eine Finte, eine Manifestation, und weiter nicht? Man kann, so scheint es mir wenigstens, einem Gefangenen auf Ehrenwort nichts thun?«

»Madame, Richon war ebenfalls Gefangener auf Ehrenwort.«

»Herr Herzog, ich flehe Euch an . . .«

»Ersparet Euch die Bitten, Madame, sie sind fruchtlos. Ich vermag nichts in dieser Angelegenheit, der Rath allein wird entscheiden.«

Claire ließ den Arm von Herrn von Larochefoucault los und lief geraden Wegs in das Cabinet von Frau von Condé. Lenet ging bleich und bewegt mit großen Schritten auf und ab; Frau von Condé sprach mit dem Herzog von Bouillon.«

Frau von Cambes schlich sich, leicht und bleich wie ein Schatten, zu der Prinzessin.

»Oh! Madame, im Namen des Himmels, eine Unterredung von nur einer Sekunde, ich flehe Euch an.«

»Ah! Du bist es, Kleine; ich habe in diesem Augenblick keine Muße dazu,« antwortete die Prinzessin; »aber nach dem Rathe gehöre ich ganz Dir.«

»Madame, Madame, gerade vor dem Rathe muß ich Euch sprechen.«

Die Prinzessin war auf dem Punkte, nachzugehen, als eine Thüe, der gegenüber, durch welche die Vicomtesse eingetreten war, sich öffnete und Herr von Larochefoucault erschien.

»Madame,« sagte er, »der Rath ist versammelt und erwartet ungeduldig Eure Hoheit.«

»Du siehst, Kleine,« sprach Frau von Condé »es ist mir in diesem Augenblick unmöglich, Dich zu hören; aber komm’ mit uns in den Rath, und wenn er beendigt ist, gehen wir miteinander und plaudern.«

Es gab für Claire kein Mittel, auf ihrer Bitte zu beharren, Geblendet durch die furchtbare Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse vorrückten, fing die arme Frau an von einem Schwindel befallen zu werden; sie befragte alle Blicke, sie verdolmetschte alle Geberden, ohne etwas zu sehen, ohne daß ihre Vernunft ihr begreiflich machte, um was es sich handelte, ohne daß ihre Thatkraft sie diesem furchtbaren Traume zu entziehen vermochte.

Die Prinzessin begab sich in den Saal. Claire folgte ihr maschinenmäßig, ohne zu bemerken, daß Lenet ihre eisige Hand gefaßt hatte, welche sie mir ein Leichnam herabhängen ließ.

Man trat in das Rathszimmer; es mochte ungefähr acht Uhr Abends sein.

Der Versammlungsort war ein weiter, schon an und für sich düsterer, aber durch große Vorhänge noch mehr verdüsterter Saal. Eine Art von Estrade war zwischen den zwei Thüren errichtet worden, welche den zwei Fenstern gegenüberlagen, durch die der letzte Schimmer des verscheidenden Tages eindrang. Auf dieser Estrade standen zwei Lehnstühle der eine für Frau von Condé, der andere für den Herrn Herzog von Enghien. Von jeder Seite dieser Lehnstühle ging eine Reihe von Tabourets aus, welche für die Frauen bestimmt waren, die den Geheimenrath Ihrer Hoheit bildeten. Alle andere Richter mußten sich auf die zu diesem Behufe aufgestellten Bänke setzen. Der Herzog von Bouillon stürzte sich auf den Lehnstuhl der Frau Prinzessin, der Herzog von Larochefoucault auf den des kleinen Prinzen.

Lenet setzte sich dem Greffier gegenüber; neben ihm stand, zitternd, ganz verwirrt, Frau von Cambes.

Man führte sechs Officiere von der Armee von Condé, sechs,Officiere den der Municipalität, und sechs Juraten der Stadt ein.«

Sie nahmen ihre Plätze auf den Bänken.

Zwei Candelaber, jeder drei Kerzen tragend, beleuchteten allein diese improvisierte Versammlung; sie standen auf einem Tische vor der Frau Prinzessin und setzten die Hauptrunde in’s Licht, während die übrigen Anwesenden allmälig sich mit dem Schatten vermischten, je mehr sie sich von dem schwachen Mittelpunkte der Helle entfernten.

Die Soldaten der Armee der Frau Prinzessin bewachten, die Hellebarde in der Hand, die Eingänge.

Man hörte außen den Lärmen der brüllenden Menge. Der Greffier rief die Namen auf, Jeder erhob sich, sobald die Reihe an ihn kam, und antwortete.

Dann setzte der Berichterstatter die Angelegenheit aus einander: er erzählte die Einnahme von Vayres, den Wortbruch von Herrn de La Meilleraye, den entehrenden Tod von Richon.

Ein besondere dazu aufgestellter Officier, der zum Voraus hierzu Befehl erhalten hatte, öffnete in diesem Augenblick ein Fenster, und es drang ein wahrer Strom von Stimmen ein; diese Stimmen riefen: »Rache für den braven Richon! Tod den Mazarinern!«

So bezeichnete man die Royalisten.

»Ihr hört, was die große Stimme des Volkes verlangt,« sprach Herr von Larochefoucault. »In zwei Stunden hat nun dieses Volk, unsere Macht verachtend, sich selbst Gerechtigkeit verschafft oder die Repressalien sind nicht mehr der Sache und Zeit gemäß. Urtheilen wir also, meine Herren, und zwar ohne Verzug.«

Die Prinzessin stand auf und rief:

»Und warum urtheilen? wozu ein Urtheil? Ihr habt das Urtheil so eben vernommen, das Volk von Bordeaux hat es ausgesprochen.«

»In der That,« sagte Frau den Tourville, »nichts ist einfacher, als die Lage der Dinge. Es ist die Strafe der Wiedervergeltung, und nichts Anderes. Dergleichen müßte sich gleichsam durch Eingebung, und nur von Profoß zu Profoß machen.«

Lenet konnte nicht mehr länger zuhören; er sprang von seinem Platze auf mitten in den Kreis und rief:

»Ah! kein Wort mehr, ich bitte Euch, Madame, denn eine solche Ansicht wäre zu unheilvoll, wenn sie vorherrschte. Ihr vergeßt, daß selbst die königliche Gewalt, auf ihre Art, das heißt auf eine schändliche Weise strafend, die Achtung vor den juridischen Formen wahrte und die gerechte oder ungerechte Strafe durch einen Spruch von Richtern bestätigen ließ.«

»Ah! ich darf nur ein Wort aussprechen, und Herr Lenet ist sicherlich der entgegengesetzten Meinung,« erwiederte Frau von Tourville. »Leider steht diesmal meine Meinung im Einklang mit der Ihrer Hoheit.«

»Ja, leider,« sprach Lenet.

»Mein Herr! . . . « rief die Prinzessin.

»Ei! Madame, waret wenigstens den Schein,« entgegnete Lenet; »wird es Euch nicht immer freistehen, zu verurtheilen?«

»Herr Lenet hat Recht,« sprach der Herzog von Larochefoucault; »der Tod eines Menschen ist eine zu ernste Sache, besondere unter solchen Umständen, als daß wir die Verantwortlichkeit auf einem Haupte lasten lassen dürften, und wäre es auch ein fürstliches Haupt.«

Dann sich an das Ohr der Prinzessin neigend, sagte er so, daß es nur die Gruppe der Vertrauten allein hören konnte:

»Madame, vernehmet die Meinung von Allen, und behaltet, um das Urtheil auszusprechen, nur diejenigen, deren Ihr sicher seid. Auf diese Art haben wir nicht zu befürchten, unsere Rache könnte uns entgehen.«

»Einen Augenblick,« sprach Herr von Bouillon, sich auf seinen Stock stützend und sein gichtisches Bein aufhebend: »Ihr habt davon gesprochen, man solle die Verantwortlichkeit von dem Haupte der Prinzessin entfernen; ich weise sie nicht zurück, aber ich verlange, daß die Uebrigen sie mit mir theilen. Ich will nichts Anderes, als fortwährend Rebell sein, doch in Gesellschaft, mit der Frau Prinzessin einer Seits und dem Volke anderer Seits. Teufel! man soll mich nicht vereinzeln. Ich habe meine Souveränität in Sedan über einem Spaße dieser Art verloren. Damals hatte ich eine Stadt und einen Kopf. Der Cardinal von Richelieu nahm meine Stadt; heute habe ich nur noch einen Kopf, und es gelüstet mich nicht, mir diesen von Cardinal Mazarin nehmen zu lassen. Ich verlange daher die Herren Notabeln von Bordeaux als Beisitzer.

»Solche Unterschriften neben den unsern!« murmelte die Prinzessin, »pfui!«

»Der Pflock hält den Balken, Madame,« erwiederte der Herzog von Bouillon, den die Verschwörung von Cing-Mars für sein ganzes übriges Leben klug gemacht hatte.

»Ist das Eure Ansicht, meine Herren?«

»Ja,« antwortete der Herzog von Larochefoucault.

»Und Ihr, Lenet?«

»Madame,« sprach Lenet, »ich bin glücklicher Weise weder Prinz, noch Herzog, noch Officier, noch Jurat. Ich habe also das Recht, mich jedes Ausspruchs zu enthalten, und enthalte mich.«

Da erhob sich die Prinzessin und ermahnte die Versammlung, welche sie berufen hatte, die königliche Ausforderung durch einen kräftigen Akt zu erwiedern. Kaum hatte sie ihre Rede geendigt, als sich das Fenster abermals öffnete und man in den Saal des Tribunals eindringend zum zweiten Male die tausend Stimmen des Volkes wie mit einem Munde schreien hörte:

»Es lebe die Frau Prinzessin! Rache für Richon! Tod den Epernonisten und Mazarinern!«

Frau von Cambes faßte Lenet beim Arm und sagte:

»Herr Lenet ich sterbe.«

»Die Frau Vicomtesse von Cambes bittet Ihre Hoheit um Erlaubniß, sich entfernen zu dürfen,« sprach Lenet.

»Nein, nein,« versetzte Claire, »ich will. . .«

»Euer Platz ist nicht hier, Madame,« unterbrach sie Lenet, »Ihr möget nichts für ihn, ich werde Euch Alles mittheilen, und wir werden ihn zu retten suchen.«

»Die Vicomtesse mag sich entfernen,« sprach die Prinzessin, »Denjenigen Damen, welche der Sitzung nicht beiwohnen wollen, steht es frei, ihr zu folgen. Wir wollen nur Männer hier.«

Keine von allen den Frauen rührte sich: eine der ewigen Bestrebungen der zum Verführen bestimmten Hälfte, des Menschengeschlechts ist es, sich die Ausübung der Rechte des zum Herrschen bestimmten Theiles anzumaßen. Diese Damen fanden, wie die Prinzessin gesagt hatte, Gelegenheit, sich für einen Augenblick zu Männern zu machen, und das war ein zu glücklicher Umstand, als daß sie ihn nicht hätten benützen sollen.

Frau von Cambes entfernte sich unterstützt von Lenet. Auf der Treppe begegnete sie Pompée, den sie auf Erkundigung ausgeschickt hatte.

»Nun?« fragte sie.

»Nun!« antwortete er, »er ist verhaftet.«

»Herr Lenet,« sprach Claire, »ich habe nur noch Vertrauen zu Euch und hoffe nur noch auf Gott!«

Und sie kehrte völlig niedergeschmettert in ihr Zimmer zurück.

»Nennt mir die Fragen, die ich demjenigen vorzulegen habe, welcher erscheinen wird,« sprach die Prinzessin in dem Augenblick, wo Lenet wieder seinen Platz beim Greffier einnahm; »und sagt mir, auf wen das Loos fallen soll?«

»Das ist ganz einfach, Madame,« antwortete der Herzog. »Wir haben ungefähr Dreihundert Gefangene, worunter zehn bis zwölf Officiere; fragen wir sie nur nach ihren Namen und ihren Graden in der königlichen Armee; der Erste, der als Festungscommandant erkannt wird, wie es mein armer Richon war, ist derjenige, welchen das Schicksal bezeichnet hat.«

»Es ist unnöthig, unsere Zeit damit zu verlieren, daß; wir zehn bis zwölf verschiedene Officiere befragen, meine Herren,« sagte die Prinzessin. »Ihr habt das Register, Herr Greffier, sucht und nennt die Gefangenen von gleichem Grade mit dem, welchen Herr Richon einnahm.«

»So sind nur zwei,« antwortete der Greffier: »der Gouverneur der Insel Saint-George und der Gouverneur von Branne.«

»Allerdings, wir haben zwei,« rief die Prinzessin; »Ihr seht, das Schicksal hat uns gut bedacht. Sind sie verhaftet, Labussiére?«

»Gewiß, Madame,« antwortete der Kapitän der Garden, »und Beide harren in der Festung dem Befehle, hier zu erscheinen, entgegen.«

»Sie mögen erscheinen,« sagte die Prinzessin.

»Welchen soll man bringen?« fragte Labussiére.

»Bringt sie Beide,« erwiederte die Prinzessin, »nur werden wir mit dem ersten dem Datum nach, mit dem Herrn Gouverneur von Saint-George, anfangen.«

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04 aralık 2019
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