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Kitabı oku: «Der Graf von Moret», sayfa 5

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Der Schrei der Bewunderung, welchen die Gesellschaft ausstieß, war ein einstimmiger. Man wusste, dass sich hinter der Mauer der Garten des Hospitals der Dreihundert befinde, und sah nun plötzlich ein so wohl eingerichtetes, so herrlich tapeziertes und so schön gemaltes Zimmer, dass man glauben musste, es sei von Feenhänden erbaut und von einem Zauberer ausgeschmückt worden.

Während die Gesellschaft noch mit extatischen Ausrufungen über den Geschmack und Reichtum dieses Gemaches beschäftigt war, welches in der Folge unter dem Namen »blaues Zimmer« eine Berühmtheit erlangte, drängte sich Voiture bleich, atemlos und mit Blut bedeckt durch die Versammlung.

»Ist ein Arzt zugegen?« schrie er, »der Graf Pisani hat sich soeben mit Souscarières geschlagen und ist gefährlich verwundet.«

Zur selben Zeit konnte man im Hintergrunde des Saales den bewusstlosen und leichenähnlichen Körper Pisani's sehen, der auf den Armen von Brancas und Chavaroche ruhte.

»Mein Sohn! mein Bruder! der Marquis!« waren die drei Schreie, welche zu gleicher Zeit ausgestoßen wurden, und ohne sich weiter um das »blaue Zimmer« zu bekümmern, welches aus eine so traurige Art eingeweiht worden war, drängte sich Jedermann in die Nähe des Verwundeten.

In demselben Augenblicke, in welchem der Graf Pisani bewusstlos in das Hotel Rambouillet getragen wurde, setzte ein unerwartetes Ereignis, welches die Situation in eigentümlicher Weise verwickeln sollte, die Bewohner des Gasthauses »zum gefärbten Barte« in nicht geringes Erstaunen'.

Stephan Latil, welchen man todt glaubte und auf einen Tisch gelegt hatte, um ihn daselbst zu lassen, bis Bretter zu einer Tragbahre zusammengefügt waren, stieß plötzlich einen schweren Seufzer aus, schlug die Augen auf und sagte mit schwacher, doch vollkommen vernehmbarer Stimme:

»Ich habe Durst!«

VII.
Marina und Jaquelino

Wenige Minuten, bevor Latil durch jene zwei Worte ein Lebenszeichen gegeben hatte, welche in der Regel jeder Verwundete hervorstößt, wenn er aus einer Ohnmacht erwacht, welche aber besonders unserem Raufbolde geläufig waren, kam in das Wirtshaus »zum gefärbten Barte« ein junger Mann, der sich angelegentlich erkundigte, ob das im ersten Stockwerke gelegene Zimmer Nr. 13 von einer Bäuerin aus der Umgegend von Pau, Namens Marina, in Beschlag genommen sei. »Dieselbe ist,« fügte er hinzu, »an ihren schönen Haaren und glänzenden schwarzen Augen kenntlich, die so gut zu ihrem roten Mieder passen, sowie zu ihrem ganzen Anzug, welcher an die Kleidung der öden Berge von Lorasse erinnert, die Heinrich IV. als kleines Kind so oft mit bloßem Kopf und barfuß erklettert hat.«

Frau Soleil ließ mit ihrem reizendsten Lächeln dem jungen Manne Zeit zu allen diesen Auseinandersetzungen, denn ohne Zweifel fand sie Gefallen an ihm und wollte sich Gelegenheit verschaffen, ihn länger betrachten zu können; als er zu Ende war, antwortete sie mit einem Blicke, der vollkommenes Verständnis ausdrückte, dass die junge Bäuerin, welche sich Marina nenne, indem bezeichneten Zimmer sei und daselbst schon länger als eine halbe Stunde warte.

Und mit einer graziösen Bewegung, wie sie Frauen von 30 bis 35 Jahren stets gegenüber von jungen Männern zwischen zwanzig und zweiundzwanzig anzuwenden pflegen, zeigte sie dem jungen Manne die Treppe, welche nach dem Zimmer Nr. 13 führte.

Der Ankömmling war ein hübscher Junge, der das Alter von zwanzig Jahren nicht weit hinter sich haben mochte; er war von mittlerer Statur, aber gut gewachsen, und jede seiner Bewegungen war voll Eleganz und verriet dabei männliche Kraft. Er hatte die blauen Augen des Nordens, die schwarzen Haare und Augenbrauen des Südens, einen gebräunten Teint, einen feinen Schnur-und einen im Entstehen begriffenen Vollbart. Ein paar feingeschwungene Lippen, welche, sich öffnend, zwei Reihen blendend weißer, kleiner Zähne sehen ließen, um die ihn manche Dame beneidet hätte, vervollständigten die bestechende Physiognomie des Jünglings.

Sein baskischer Bauernanzug war eben so bequem als hübsch. Er bestand aus einem blutroten Barett, aus dessen Mitte eine schwarze Quaste auf die Schulter herabfiel, und das mit roten und schwarzen Federn geziert war, einem Wams von derselben Farbe wie das Barett, mit hängenden Ärmeln, unter welchen man die Ärmel eines eng anschließenden Panzercollets gewahrte, bauschiger Pluderhose und hohen Stiefeln von grauem Büffelleder. Ein lederner Gürtel, in welchem neben einem langen Rappiere ein breiter Dolch stak, vervollständigte den Anzug des jungen Mannes, den wir nicht als Bauer betrachten dürfen, da ihm seine Waffen den Charakter eines Landedelmannes gaben.

Vor der Tür des bezeichneten Zimmers angekommen, überzeugte er sich, ob wirklich die Nummer 13 über derselben angeschrieben sei, und erst als er darüber außer Zweifel war, klopfte er in einer eigenthümlichen Weise, indem er zwei Schläge rasch hintereinander folgen ließ, denen er nach einer Pause zwei andere Schläge beifügte, während ein fünfter Schlag erst nach Verlauf einiger Sekunden den Schluß dieser Art von Signal bildet.«

Sofort nach dem fünften Schlage öffnete sich die Tür, zum Beweis, dass der Besucher erwartet wurde.

Die Person, welche öffnete, war eine Frau in dem Alter von etwa 30 Jahren und in dem vollen Glanz einer blendenden Schönheit; ihre Augen, welche in dem Signalement, das der junge Mann der Wirtin gegeben hatte, eine so große Rolle spielten, funkelten wie zwei Diamanten aus dem Schatten ihrer langen dunklen Wimpern hervor; ihre Haare waren von so tiefem Schwarz, dass alle üblichen Vergleiche mit der Kohle, mit den Rabenflügeln u.s.w. ihnen gegenüber als unzureichend erscheinen mussten; ihre Wangen waren von jener warmen Blässe – mit einem tieferen, das wallende Blut verratenden Farbtone, welche Leidenschaften andeutet, die häufiger stürmisch und vorübergehend, als tief und dauernd sind; ihr von einer vierfachen Corallenschnur umschlossener Hals war in kräftige Schultern eingefügt und verlief in einen Busen, dessen Conturen sowohl, als das stürmische Wogen, das ihn bewegte, wahrlich nicht den geringsten Reiz der ganzen junonischen Gestalt ausmachten; die Taille war fein, und erschien noch feiner, als sie wirklich war, durch die echt spanische Wölbung der Hüfte. Der kurze Rock, von demselben Roth wie das Mieder, ließ ein tadellos, fast aristokratisch geformtes Unterbein und einen Fuß sehen, dessen Kleinheit im Verhältnisse zu der ganzen kräftigen Gestalt wahrhaft staunenswert war.

Die Tür wurde zuerst ein klein wenig geöffnet, und erst nachdem der junge Mann den Namen Marina ausgesprochen, worauf die Öffnende wie bei dem Austausch einer Parole mit dem Namen Jaquelino geantwortet hatte, tat sich die Tür ganz auf und Marina trat von derselben weg, um den Erwarteten ins Zimmer eintreten zu lassen, worauf sie die Tür rasch ins Schloss drückte und den Riegel vorschob, dann aber sich schnell umwandte, gleich als drängte es sie, den Mann genauer zu besehen, der sie aufzusuchen gekommen war.

Beide blickten sich nun eine Zeit lang mit gleicher Neugier an; Jaquelino mit gekreuzten Armen, zurückgeworfenem Kopfe und lächelnden Lippen, Marina den Kopf vorgebeugt, die Hände rückwärts noch auf das Türschloss gestützt und in einer Stellung, die an die katzenartigen Raubtiere erinnern musste, die ihre Beute beschleichen, bereit, jede Sekunde auf dieselbe zuzuspringen.

»Ventre-Saint-Gris,« rief der junge Mann, »da habe ich, wie es scheint, eine reizende Cousine!«

»Und ich,« erwiderte die junge Frau, »einen sehr hübschen Vetter!«

»Meiner Treu,« fuhr Jaquelino fort, »wenn man so nahe mit einander verwandt ist, wie wir, und einander noch niemals gesehen hat, so sollte es mir scheinen, dass man die Bekanntschaft am besten damit anfängt, dass man einander umarmt.«

»Ich habe nichts gegen diese Art des Bewillkommmens,« erwiderte Marina und hielt dem jungen Manne ihre Wangen hin, welche sich mit einer flüchtigen Rothe bedeckten, die ein Kenner nicht der Schamhaftigkeit, sondern im Gegenteile einer leichten Erregbarkeit zuschreiben musste.

Die beiden jungen Leute umarmten sich.

»Es wäre doch, bei der Seele meines Vaters,« rief der junge Mann mit dem Ausdruck guter Laune, welche bei ihm gewöhnlich zu sein schien, »die angenehmste Sache von der Welt, eine schöne Frau zu umarmen, wenn es nicht noch angenehmer wäre, diese Umarmung zu wiederholen!«

Und er breitete nochmals seine Arme aus, um die Tat dem Worte folgen zu lassen.

»Mein schöner Vetter,« sagte aber Marina, ihn abwehrend, »wir werden davon später reden, wenn es Euch beliebt; nicht als ob es mir nicht ebenso angenehm schiene, als Euch, aber weil uns die Zeit dazu mangelt. Es ist dies Euer eigener Fehler; warum habt Ihr mich länger als eine halbe Stunde auf Euch warten lassen?«

»Das ist bei Gott eine schöne Frage! Weil ich glaubte,, von irgend einer dicken, deutschen Amme oder von einer vertrockneten spanischen Duenna erwartet zu werden. Aber sollte noch einmal die Gelegenheit kommen, dass wir Zwei zusammentreffen, so schwöre ich Euch, schöne Cousine, dass ich es sein werde, der Euch erwartet.«

»Ich nehme Notiz von diesem Versprechen,doch habe ich darum nicht mindere Eile, Der, die mich geschickt hat, die Nachricht zu hinterbringen, dass Ihr bereit seid, in allen Stücken ihren Befehlen so pünktlich zu gehorchen, wie es sich für einen höflichen Cavalier gegenüber einer großen Fürstin, geziemt.«

»Ich erwarte diese Befehle in Demut,« sagte der junge Mann, sich auf ein Knie niederlassend.

»O, o! Ihr vor mir auf den Knien! Monseigneur, Monseigneur, denkt Ihr wirklich an so etwas?« rief Marina, ihn aufhebend.

Dann fügte sie mit ihrem herausforderndsten Lächeln hinzu:

»Es ist eigentlich schade; Ihr nehmt Euch so gut in dieser Stellung aus.«

»Vor Allem,« sagte der junge Mann, die Hand seiner angeblichen Cousine drückend und sie veranlassend, sich neben ihn zu setzen, »hat man die Nachricht von meiner Rückkehr mit Befriedigung aufgenommen?«

»Mit Freude sogar.«

»Und bewilligt man mir gern diese Audienz?«

»Mit Entzücken.«

»Und wird die Botschaft, mit der ich betraut bin, gut aufgenommen werden?«

»Enthusiastisch!«

»Und dennoch sind bereits acht Tage verflossen, dass ich zurückgekehrt bin, und zwei Tage, dass ich warte.«

»Ihr seid in der Tat köstlich. Monseigneur! Und wie lange ist es denn, dass wir selbst von La Rochelle zurückgekehrt sind? Zwei Tage und ein halber.«

»Das ist wahr!«

»Und womit ist diese Zeit zugebracht worden?«

»Mit Festlichkeiten; ich weiß es, denn ich habe sie gesehen.

»Von wo aus?«

»Mein Gott, von der Straße aus, wie ein anderer einfacher Sterblicher.«

»Wie habt Ihr dieselben gefunden?«

»Entzückend!«

»Nicht wahr? Er besitzt Einbildungskraft, unser treuerer Kardinal. Seine Majestät Ludwig XIII. als Jupiter.«

»Ja, als Jupiter Stator

»Stator oder ein anderer, darauf kommt es wohl nicht an.«

»O, es kommt wohl darauf an, meine schöne Cousine: der Schwerpunkt der Frage liegt vielmehr in diesem Worte.«

»In welchem Worte?«

»In dem Worte Stator; wisst Ihr, was es bedeutet?«

»Nein!«

»Es will sagen, Jupiter, welcher aufhält oder auch welcher sich aufhält, mit andern Worten, welcher stehen bleibt.«

»Nehmen wir an, es hieße: Jupiter, welcher stehen bleibt.«

»Am Fuße der Alpen, nicht wahr?«

»Wir wenigstens werden unser Bestes tun, trotz des Blitzes, den Jupiter in der Hand hielt, und mit welchem er Österreich und Spanien zugleich bedrohte.«

»Ein Blitz von Holz —«

»Und ungeflügelt; die Flügel des Blitzes sind in Bezug auf den Krieg stets die Geldkassen, und ich halte weder den König noch den Kardinal für besonders reich. Jupiter Stator wird also, nachdem er dem Osten und dem Westen genug drohte, wahrscheinlich den Blitz aus der Hand legen, ohne ihn geschleudert zu haben.«

»O, sagt Ihr das heute Abend unseren armen Königinnen und Ihr werdet sie glücklich machen.«

»Ich habe ihnen Besseres als das zu sagen; ich habe ihnen, wie ich es bereits Ihre Majestäten wissen ließ, einen Brief des Fürsten von Piemont zu übergeben, welcher schwört, dass die französische Armee die Alpen nicht überschreiten wird.«

»Wenn er nur diesmal Wort hält; es ist, Ihr wisst es, sonst nicht seine Gewohnheit.«

»Aber diesmal hat er alles Interesse dabei, Wort zu halten.«

»Wir plaudern, Vetter, wir plaudern und lassen die Zeit unnütz verstreichen.«

»Das ist Eure Schuld, Cousine,« sagte der junge Mann mit einem Lächeln, das seine schönen Zähne sehen ließ, »Ihr wollt die Zeit nicht mit nützlichen Dingen ausfüllen.«

»Da sei einmal Jemand seiner Herrschaft ergeben und nehme sich ihretwegen das Brot aus dem Munde; nichts als Vorwürfe werden diese Ergebenheit belohnen. Mein Gott, wie undankbar ist doch die Welt!«

»Nun, ich höre Euch an, Cousine!«

Und der junge Mann gab seiner Miene den ernstesten Ausdruck, den er hervorzubringen vermochte.

»Gut! Am heutigen Abende gegen elf Uhr werdet Ihr im Louvre erwartet.«

»Wie? Heute Abend schon soll ich die Ehre haben, von Ihren Majestäten empfangen zu werden?«,

»Heute Abend!«

»Ich dachte, dass heute Schauspiel und Gelegenheitsballett bei Hofe ist?«

»Ja, aber als die Königin dies hörte, hat sie sich sofort über große Müdigkeit und unerträglichen Kopfschmerz beklagt; sie sagte, dass nur der Schlaf sie wieder herstellen könne. Man holte Bouvard; dieser erkannte alle Symptome einer heftigen Migräne; Bouvard gehört nämlich uns, obwohl er Arzt des Königs ist, mit Leib und Seele. Er verordnete die absoluteste Ruhe und die Königin ruht aus, indem sie Euch erwartet.«

»Aber auf welche Weise gelange ich in den Louvre? Ich setze voraus, dass dies nicht dadurch geschehen soll, dass ich meinen Namen nenne.«

»Seid ruhig, es ist für Alles gesorgt. Ihr werdet Euch heute Abend in der Kleidung eines Edelmannes in die Rue des Fosses St. Germain begeben. Ein Page, in die Farben der Prinzeß – chamois und blau – gekleidet, wird Euch an der Ecke der Rue des Poulies erwarten; er wird das Losungswort haben und Euch bis an den Eingang des Corridors geleiten, wo die Ehrendame vom Dienst Euch in Empfang nehmen wird, um Euch sogleich zu Ihrer Majestät zu führen, wenn dieselbe Euch sofort empfangen kann, oder Euch in einem benachbarten Kabinett warten zu lassen, bis der Augenblick der Audienz gekommen sein wird.«

»Und warum gebt Ihr, teure Cousine, Euch nicht selbst die Mühe, mich während des Wartens geduldig zu erhalten; ich gestehe Euch, dass das mir außerordentlich angenehm wäre.«

»Weil die Woche meines Dienstes zu Ende ist, und ich, wie Ihr seht, meinen Dienst außerhalb des Schlosses verrichte.«

»Und Ihr habt mir ganz das Aussehen, als wüsstet Ihr Euch diesen äußeren Dienst möglichst angenehm einzurichten.«

»Was wollt Ihr, lieber Vetter, man lebt nur einmal!«

In diesem Augenblicke hörte man die Uhr vom Turme der Carmeliter schlagen. ^

»Neun Uhr!« . rief Marina, »umarmt mich schnell, lieber Vetter, und lasst mich hinaus; ich habe kaum noch Zeit, in den Louvre zurückzukehren und daselbst zu erzählen, dass ich einen sehr liebenswürdigen Mann zum Vetter habe, welcher – was würdet Ihr wohl für die Königin geben?«

»Mein Leben! Ist das genug?«

»Es ist Zuviel! gebt nur immer das, was Ihr zurücknehmen könnt, und nie das, was, einmal gegeben, auf ewig, verloren ist. Auf Wiedersehen, Cousin!«

»Apropos!« rief der junge Mann, sie zurückhaltend, »gibt es kein Erkennungszeichen, keine Parole, die mit dem Pagen ausgetauscht werden müsste?« .,

»Es ist wahr! ich vergaß; Ihr werdet ihm Casale sagen und er wird Mantua antworten.«

Und die junge Frau bot dem jungen Manne jetzt nicht ihre Wangen, sondern ihre frischen, vollen Lippen zu einem Kusse, den er auch recht herzlich darauf drückte.

Dann lief sie die Treppe mit einer Schnelligkeit hinab, als ob sie gefürchtet hätte, nicht widerstehen zu können, wenn man den Versuch machen sollte, sie zurückzuhalten.

Jaquelino sah ihr eine Weile nach, setzte dann seine rote Kappe wieder auf seinen Kopf und stieg, ein Liedchen trällernd, langsam genug die Stiege hinab, um der Botin aus dem Louvre Zeit zu lassen, sich indessen aus dem Hause zu entfernen.

Er war bei der dritten Strophe seines Liedes und auf der letzten Stufe der Stiege angelangt, als ihm ein Blick in den Saal des Erdgeschosses, dessen Tür offen stand, einen bleichen und blutigen Mann zeigte, der ausgestreckt auf einem Tische lag und an dessen Seite ein Kapuziner kniete, der die Beichte des Sterbenden zu hören schien. An den Fenstern und der Tür drängten sich Neugierige, welche jedoch durch die Gegenwart des Mönches und die Feierlichkeit der Szene abgehalten wurden, den Saal zu betreten.

Dieser Anblick ließ das Lied auf den Lippen des jungen Mannes ersterben und da der Wirt sich im Bereiche seiner Stimme befand, rief er:

»He. Meister Soteil

Meister Soleil kam, die Mütze in der Hand, herbei.

»Was steht denn zu Diensten, mein schöner junger Herr?« fragte er.

»Was zum Teufel tut dort jener Mann auf dem Tische, mit dem Mönche an seiner Seite?«

»Er beichtet.«

»Ich sehe wohl, dass er beichtet, aber wer ist er und warum beichtet er?«

»Wer er ist?« sagte der Wirt mit einem Seufzer; »er ist ein braver und rechtschaffener Bursche Namens Stephan Latil und gehört zu den besten Kunden meines Hauses. Warum er beichtet? Weil er aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch wenige Stunden zu leben hat. Da er ein religiöses Gemüt hat und mit großem Geschrei nach einem Priester verlangte, hat meine Frau diesen würdigen Kapuziner herbeigeholt, der eben von den Carmelitern kam.«

»Und woran stirbt Euer rechtschaffener Bursche?«

»O, mein Herr! Ein Anderer wäre schon zehnmal daran gestorben, Er stirbt an zwei fürchterlichen Degenstößen, wovon der eine in den Rücken hinein und bei der Brust hinausging, während der andere gerade den entgegengesetzten Weg nahm.«

»Ihr kämpfte also mit mehreren Leuten?«

»Mit vieren, mein Herr, mit vieren!«

»Ein Duell?«

»Nein, ein Racheakt.«

»Ein Racheakt?«

»Ja, man fürchtete,dass er reden würde.«

»Und wenn er geredet hätte, was hätte er sagen können?«

»Dass man ihm tausend Pistolen angeboten hätte, damit er den Grafen von Moret tödte, und dass er dieses Anerbieten ausgeschlagen habe.«

Der junge Mann erbebte bei der Nennung dieses Namens und sah den Gastwirt scharf an.

»Damit er den Grafen von Moret tödte,« wiederholte der junge Mann, »seid Ihr dessen auch vollkommen sicher, was Ihr da behauptet, guter Mann?«

»Ich habe es aus seinem eigenen Munde; es ist das Erste, was er gesagt hat, nachdem er zu trinken verlangte.«

»Den Grafen von Moret,« sagte der junge Mann vor sich hin sinnend, »Anton von Bourbon

»Anton von Bourbon, so ist es!«

»Den Sohn des Königs Heinrich IV.«

»Und der Frau Jaqueline von Beuil, Gräfin von Moret

»Das ist sonderbar!« flüsterte der junge Mann.

»So sonderbar es auch sein mag, verhält es sich doch nicht anders.«

Nach einem Stillschweigen, welches einige Augenblicke gewährt hatte, schritt der junge Mann zum großen Erstaunen Soleil's und trotz seiner Rufe: »Wohin geht Ihr?« durch die Neugierigen, welche die Tür belagerten, sich Bahn machend, in den Saal und gerade auf den Tisch zu, auf welchem Latil sich vor Schmerzen krümmte, und eine reichlich gefüllte Börse auf den Tisch werfend, sagte er:

»Stephan Latil! Wenn Ihr von Euren Wunden genesen solltet, so begebt Euch nach dem Hotel des Herzogs von Montmorency in der Rue des Blancs Manteaux; solltet Ihr aber sterben, so sterbt ruhig im Vertrauen auf den Herrn; die Messen sollen der Ruhe Eurer Seele nicht fehlen!«

Bei der Annäherung des jungen Mannes hatte sich Latil auf seinem Ellbogen aufgerichtet und verharrte in dieser Stellung mit starrem Blicke, gerunzelten Augenbraunen und geöffnetem Munde, als ob er ein Gespenst sähe.

Als der junge Mann aber wiederum den Rücken gekehrt hatte, flüsterte er:

»Der Graf von Moret!« und ließ sich wieder auf die Tischplatte zurückfallen.

Der Kapuziner aber zog, als er des falschen Jaquelino ansichtig geworden, schnell die Capuze tief ins Gesicht, gleich als ob er gefürchtet hätte, von dem jungen Manne erkannt zu werden.

VIII.
Treppen und Corridors

Aus dem Wirtshaus »zum gefärbten Barte« kommend, durchschritt der Graf von Moret, dessen Inkognito wir nun nicht mehr aufrecht zu halten brauchen, die Rue d l'Homme Armé und wandte sich dann nach rechts in die Rue des Blancs Manteaux, wo er an das Thor des dem Herzog von Montmorency, Heinrich II., gehörigen Hotels klopfte. Dieses Hotel hatte noch einen andern Ausgang, der in die Rue St. Avoye führte.

Ohne Zweifel genoss der Sohn Heinrichs IV. ein großes Ansehen in diesem Hause, denn kaum war er erkannt worden, als ein Page von etwa fünfzehn Jahren einen Armleuchter ergriff, die vier Wachskerzen auf demselben anzündete, und ihm voran leuchtete.

Der Prinz folgte dem Pagen.

Die Wohnung des Grafen von Moret befand sich im ersten Stockwerke, der Page beleuchtete eines der Zimmer, indem er die wohlriechenden Kerzen zweier Candelaber anzündete, und fragte dann:

»Haben Eure Hoheit irgend einen Auftrag für mich?«

»Bist Du heute Abend bei deinem Herrn beschäftigte Galaor?« fragte der Graf von Moret.

»Nein, Monseigneur, ich habe Urlaub.«

»Willst Du mich begleiten?«

»Mit großem Vergnügen, Monseigneur!«

»In diesem Falle kleide Dich warm an und versieh Dich mit einem guten Mantel; die Nacht wird kalt werden.«

»O, o,« sagte der kleine Page, der durch seinen Herrn an dergleichen Abenteuer gewöhnt worden war, »ich werde, wie es scheint, irgendwo Wache zu stehen haben.«

»Ja, und zwar wird es eine Ehrenwache im Louvre sein, aber, Galaor, das; Du ja keine Silbe davon erwähnst, nicht einmal deinem Herrn gegenüber.«

»Das versteht sich!« sagte der Knabe lächelnd und einen Finger an seine Lippen legend.

Dann machte er eine Bewegung, um das Zimmer zu verlassen.

»Warte!« sagte der Graf von Moret, »ich habe Dir noch einige Verhaltungsbefehle zu geben.«

Der Page verbeugte sich.

»Du wirst selbst ein Pferd satteln und zwei geladene Pistolen in die Halfter stecken.«

»Ein Pferd bloß?«

»Ja, bloß ein Pferd, Du wirst hinter mir auf die Croupe steigen; würden wir ein zweites Pferd nehmen, so würden wir die Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«

»Die Befehle Monseigneurs werden pünktlich vollzogen werden.«

Es schlug zehn Uhr; der Graf horchte, indem er die Schläge zählte.

»Zehn Uhr!« sagte er, »beeile Dich, Galaor, damit in einer Viertelstunde Alles bereit ist.«

Der Page verbeugte sich und verließ das Zimmer, ganz stolz darüber, dass ihn der Graf von Moret zum Vertrauten gemacht hatte.

Dieser wählte unter seiner Garderobe einen einfachen, aber höchst eleganten Anzug aus und bekleidete sich damit. Das Wams war von granatbraunem, die weiten Beinkleider von blauem Samt. Die kostbarsten Brüsseler Spitzen bildeten den Kragen und die Manschetten eines feinen Hemdes, welches zwischen Wams und Beinkleidern sich ein wenig hervorbauschte; hohe Reiterstiefel von Büffelleder um, schlossen die Beine, und ein Schlaghut, an welchem zwei Straußenfedern ebenfalls in Granatbbraun und Blau durch eine Diamantenagraffe festgehalten wurden, bildete die Kopfbedeckung. In einem reichen Wehrgehänge stak ein Degen, dessen Griff fein ziseliert war, während die Klinge aus dem besten Stahl bestand, der also als Luxus-, wie als Verteidigungswaffe gleich trefflich diente.

Dann wendete er mit der der Jugend eigentümlichen und natürlichen Koketterie auf sein Gesicht einige Sorgfalt; er kämmte seine natürlich gelockten Haare zu beiden Seiten der Stirne herab, gab seinem Schnurrbart einen graziösen Schwung, strich seinen Vollbart gerade, der zu seinem Leidwesen gar zu langsam in die Länge wuchs, und nahm dann aus einer Schublade eine Börse, welche die an Latil verschenkte zu ersetzen bestimmt war. Durch diese Börse wurde er an das Abenteuer mit Latil erinnert, und er stellte sich wiederholt die Frage:

»Wer zum Teufel mag ein Interesse daran haben, mich aus der Welt zu schaffen?«

Da er sich jedoch aus diese Frage keine befriedigende Antwort zu erteilen vermochte, verwischte er die Erinnerung an Latil und seine Beichte mit der Sorglosigkeit der Jugend aus seinem Gedächtnisse, betastete sich, ob er nichts vergessen, warf noch einen Seitenblick in den Spiegel und stieg die Treppe hinab, indem er die letzte Strophe jenes Liedes summte, dessen erste Strophen er in dem Wirtshause »zum gefärbten Barte« gesungen hatte, als ihn der Anblick des Schwerverwundeten so unerwartet aus dem Concepte brachte.

Vor dem Thore des Hotels fand der Graf das Pferd und den Pagen, welche ihn erwarteten. Er schwang sich mit der Leichtigkeit und Eleganz eines vollendeten Reiters in den Sattel; auf seine Aufforderung sprang Galaor hinter ihm auf die Croupe des Pferdes. Nachdem der Graf sich überzeugt hatte, dass der Knabe sicher und bequem sitze, ließ er sein Pferd aus traben und befand sich eine kleine Viertelstunde nachher in der Rue des Poulies.

An der Ecke, welche die Rue des Poulies mit der Rue des Fosses St. Germain bildet, saß unter einem von einer Lampe beleuchteten Madonnenbilde ein junger Knabe, der, sobald er den Reiter erblickte, der hinter sich auf dem Pferde einen Pagen sitzen hatte, sofort erkannte, dass das der Edelmann sei, auf den zu warten ihm befohlen worden war, und seinen Mantel auseinander schlug.

Dieser Mantel bedeckte einen Anzug in Chamois und Blau, welche Farben die Livree der Frau Prinzeß bildeten.

Auch der Graf erkannte den Pagen, den man ihm bezeichnet hatte; er hieß Galaor absteigen, und nachdem auch er sich aus dem Sattel geschwungen, trat er auf den Knaben zu.

Dieser erhob sich von dem Ecksteine, auf dem er gesessen hatte, und nahm eine respektvolle Haltung an.

»Casale,« sagte der Graf.

»Mantua,« gab der Page zurück.

Der Graf machte Galaor ein Zeichen, sich zu entfernen, und sich wieder zu Dem wendend, der ihm als Führer dienen sollte, sagte er:

»Du bist es also, dem ich jetzt folgen soll, mein schöner Junge?«

»Ja, Herr Graf, wenn es Euch beliebt,« antwortete der Page mit einer so feinen und wohlklingenden Stimme, dass dem Grafen im Augenblicke die Idee kam, er habe eine Frau vor sich.

»Gut denn!« sagte der Graf, indem er aufhörte, seinen Führer zu duzen, »zeigt mir also den Weg, den ich zu gehen habe.«

Diese Veränderung in den Worten des Grasen entging keineswegs demjenigen oder derjenigen, an den oder an die sie gerichtet waren. Der Page warf einen schalkhaften Blick auf den Grafen, bemühte sich nicht einmal ein Lächeln zu verbergen, das auf seine Lippen trat, nickte mit dem Kopfe und setzte sich in Bewegung.

Sie überschritten, ohne angehalten zu werden, die Zugbrücke, Dank einem Worte, das der Page der Schildwache zugeflüstert hatte, kamen ebenso unangefochten durch das Thor des Louvre, und schlugen die Richtung nach dem nördlichen Flügel ein.

Als man zu dem Garten kam, nahm der Page den Mantel ab, damit man seine Livree sehen solle, und sagte mit einer Stimme, die er sich bemühte, so männlich als mir immer möglich ertönen zu lassen:

»Hofstaat der Frau Prinzeß!«

Aber in der Bewegung, welche er hierbei zu machen gezwungen war, musste der Page sein Gesicht bloß geben, ein Strahl der Laterne auf der Treppenflur beleuchtete dasselbe und ließ den Grafen von Moret an der üppigen Fülle goldblonder Haare, an den blauen Augen, in denen die Schalkhaftigkeit ihren Sitz hatte, an dem fein gezeichneten Munde, der ebenso freigebig Bosheiten wie Küsse austeilte, Marie de Rohan-Montbazon, Herzogin von Chevreuse, erkennen.

Er näherte sich ihr lebhaft und fragte sie, als man die Treppe hinan stieg:

»Theure Marie, erzeigt mir der Herr Herzog noch immer die Ehre, auf mich eifersüchtig zu sein?«

»Nein, mein lieber Graf, namentlich nicht, seitdem er weiß, dass Ihr in Frau von Montagne in dem Grade verliebt seid, dass Ihr ihretwegen Tollheiten begeht.«

»Gut geantwortet,« lachte der Graf, »und ich sehe hieraus, dass Ihr noch immer die geistreichste und hübscheste Frau von der Welt seid.«

»Wenn ich aus keiner andern Ursache aus Holland zurückgekehrt wäre, als um aus Eurem Munde Komplimente zu hören, mein Prinz,« sagte der Page, sich verneigend, »wahrhaftig, es würde mir um die Reisekosten nicht leid sein.«

»Aber ich glaubte, dass Ihr seit dem Abenteuer in den Gärten von Amiens verbannt wäret?«

»Man hat meine Unschuld, wie die Ihrer Majestät, anerkannt, und auf die Bitten der Königin hat der Herr Kardinal die Güte gehabt, mich zu pardonniren.«

»Ohne jede Bedingung?«

»Man verlangte von mir das heilige Versprechen, dass ich mich nicht mehr in die Intrigen des Hofes mischen würde.«

»Und Ihr haltet Euer gegebenes Wort?«

»Auf's Gewissenhafteste, wie Ihr seht.«

»Und euer Gewissen sagt Euch nichts darüber?«

»Ich habe einen päpstlichen Ablass.«

Der Graf lachte laut auf.

»Im Übrigen,« sagte der falsche Page, »heißt es wohl nicht intrigieren, wenn man Schwager und Schwägerin zusammenführt.«

»Teure Marie,« sagte der Graf von Moret, dem Pagen die Hand drückend und sie an seine Lippen pressend, mit jener leicht erregten Leidenschaftlichkeit, die er von seinem Vater geerbt hatte, »solltet Ihr mir die Überraschung aufgespart haben, dass sich auf meinem Wege zur Königin Euer Zimmer befindet?«

»O, man sieht wohl, dass Ihr der rechtmäßige Sohn Heinrichs IV. seid und dass die Anderen nur Bastarde sind.«

»Auch mein Bruder Ludwig XIII.?« fragte lächelnd der Graf von Moret.

»O, vor Allem dieser Ludwig XIII., den Gott in seinen Schutz nehmen möge. Warum hat er nicht ein wenig von Eurem Blute in seinen Adern?«

»Wir sind ja nicht von derselben Mutter, Herzogin!«

»Und vielleicht auch nicht einmal von demselben Vater —« .

»Marie, Ihr seid anbetungswürdig und ich, muss Euch umarmen.«

»Seid Ihr toll? Einen Pagen auf der Stiege zu umarmen; wollt Ihr Euch um Euren Ruf bringen, besonders da Ihr erst aus Italien zurückgekommen seid?«

»Ich bin entschieden heute Abend im Unglücke,« sagte der Graf, den Arm der Herzogin fahren lassend.

»Da sehe man! Die Königin schickt ihm eine unserer schönsten Frauen in das Wirtshaus »zum gefärbten Barte« und er wagt es noch, sich zu beklagen.«

»Meine Cousine Marina

»Ja, meine Cousine Marina,« spottete die Herzogin.

»Ah, Ventre-Saint-Gris, Ihr müsst mir wirklich sagen, wer diese reizende Hexe ist.«

»Wie? Ihr kennt sie nicht?«

»Nein!«

»Ihr kennt die Fargis nicht?«

»Fargis, die Frau unseres Gesandten in Spanien?«

»Dieselbe; man platzierte sie nach jener verhängnisvollen Szene in den Gärten von Amiens, von denen wir eben gesprochen haben, in die Nähe der Königin.«

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10 aralık 2019
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