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Kitabı oku: «Der Graf von Moret», sayfa 68

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»So nehmen wir Boccan dazu, meinen Geigenspieler,« antwortete Richelieu, »er ist verschwiegen, für ihn kann ich bürgen.«

»Wenn Ihr dies thut,« sagte die Königin, »werde ich selbst anerkennen, daß keine Liebe der Eurigen gleicht.«

»Madame,« rief Richelieu entzückt, »Euer Wunsch soll erfüllt werden. Erwartet mich morgen um dieselbe Stunde.«

Die Königin reichte ihm die Hand zum Kusse und er entfernte sich in einem noch größeren Wonnerausche als gestern.

Der nächste Tag verging in großer Spannung. Die Königin wollte nicht glauben, daß Richelieu wirklich einer so großen Thorheit fähig wäre.

Am andern Abende um zehn Uhr saß die Königin in ihrem Cabinete. Die Chevreuse und die du Fargis waren hinter dem großen Ofenschirme versteckt.

Boccan trat mit der Geige ein und meldete, daß sein Gebieter ihm auf dem Fuße nachfolge.

Zehn Minuten hierauf erschien ein Mann in einen großen Mantel eingehüllt, den er abwarf, als er die Thür hinter sich geschlossen hatte.

Es war Richelieu in dem Costume eines spanischen« Grotesktänzers. Er trug ein Wamms von grünem Sammte, silberne Glöckchen an den Kniebändern und hatte Castagnetten in den Händen.

Anna von Oesterreich hatte Mühe ernsthaft zu bleiben, als sie den Mann vor welchem nicht nur ganz Frankreich, sondern auch Europa zitterte, in solch seltsamen Aufzuge erblickte; sie beherrschte sich aber, dankte ihm in der anmuthigsten Weise und forderte ihn auf, die Selbstverläugnung bis zum Aeußersten zu treiben.

Richelieu, den seine Leidenschaft blind gemacht hatte, sträubte sich nicht im Mindesten gegen das Verlangen der Königin und bei den ersten Tönen des Instrumentes von Boccan begann er die Figuren der Sarabande, eine Art Cancan, mit vieler Lebhaftigkeit; durch den Eifer, welchen er dabei zeigte, wurde aber die Sache derart grotesk, daß die Königin nicht lange an sich halten konnte, sondern in ein lautes Lachen ausbrach.

Dieses Lachen hatte aber ein doppeltes Echo, welches hinter dem Schirme erscholl.

Da erkannte Richelieu, daß das, was er für eine besondere Gunst gehalten, eine Mystification gewesen und im größten Zorne stürzte er aus dem Zimmer fort.

Die Königin spielte mit dem Zorne Richelieu's. Allerdings kannte sie damals diesen Zorn noch nicht.

Von da an war der Cardinal der unversöhnlichste Feind Annas von Oesterreich, an der er sich auf Kosten ihrer Ehre zu rächen schwur. Wie er diesen Schwur mit seinen sonstigen Plänen in Einklang zu bringen wußte, werden wir alsbald sehen.

XII.
Im Dunkel der Nacht

Volle zwei Monate nach Richelieu's Besuch im Magdalenenkloster zu Paris und zwar Anfang December 1637 ließ sich des Morgens der Marschall von Schomberg durch den Gardecapitän Stephan von Latil, der jetzt ein höchst würdevolles, gravitätisches Aeußeres zur Schau trug, anmelden.

Der Cardinal empfing seinen bewährten und verwendbaren Anhänger, welcher heute Früh vom Kriegsschauplatze in Flandern in Paris angelangt war, bestens.

»Eminenz,« begann der Marschall, » empfangt meinen innigsten Dank für den neuerlichen, unverhofften Beweis Eurer Gnade, welche abermals ihr Füllhorn über mich ausgegossen hat.«

»Ich wünsche nur, daß Eure eheliche Verbindung Euch all das Glück bescheren möge, welches Ihr wirklich verdient.

»Seid Ihr der Zustimmung des Fräuleins von Hautefort in der That versichert?« bemerkte Schomberg.

»Aurora wird binnen wenigen Tagen majorenn und sie ist viel zu klug, um nicht einzusehen, daß es für sie nunmehr höchste Zeit geworden sei, an eine entsprechende Heirat zu denken.«

»Aber der König?« warf der Marschall mit besorgter Miene ein.

»Pah!« antwortete Richelieu geringschätzig, »der gute Herr wird etwas schmollen, sich vielleicht auf vierzehn Tage nach Versailles oder Fontainebleau zurückziehen, und dann nicht weiter an die Marschallin von Schomberg denken, zumal Ihr mit Eurer jungen Gemalin eine Mission nach Holland antretet. Uebrigens habe ich für ihn bereits einen neuen Favoriten, einen gewissen Cinq-Mars, in petto. Noch Eins, mein lieber Marschall, genügt Euch die Domäne Beauregard als Mitgift? wenn nicht, so sagt es ungescheut; Ihr wißt, bei Freunden wie Ihr pflege ich kein Knauser zu sein.«

»O Eminenz!« rief Schomberg, mit der Hand eine abwehrende Bewegung machend, »das Erträgniß von Beauregard mit mehr als 40.000 Thalern übersteigt weit meine Bedürfnisse; ich war stets ein einfacher, mit sehr Wenigem zufriedener Soldat und auch Fräulein von Hautefort ist meines Wissens nie eine Freundin des Luxus gewesen.«

»Nun dann überlaßt wenigstens die Sorge für den Brautschmuck und Eure sonstige Ausstattung mir,« erwiderte der Cardinal und holte aus einem Fache seines Secretärs ein Etui hervor, welches einen ebenso geschmackvollen als kostbaren Schmuck enthielt. Lächelnd zeigte er ihn dem Marschall, der von den glitzernden Diamanten ganz geblendet, unwillkürlich einen Ausruf des Erstaunens von sich gab und dann sagte:

»Das ist ja ein königliches Geschenk!«

»Es war in der That vor Jahren für eine Königin der Schönheit und der Tugend bestimmt!« bemerkte Richelieu und ein Anflug von tiefer Trauer verdüsterte einen Augenblick seine Züge.

Den Marschall plagte wohl sehr verzeihlicher Weise die Neugierde, wer wohl jene Königin au Schönheit und Tugend, welche den Cardinal zu einem solchen Geschenke vor Jahren veranlassen konnte, gewesen sei; aber er schwieg und Richelieu, aus seinem melancholischen Nachsinnen erwachend, fuhr fort:

»Arme Isabella, armer Pontis! mit Eurem geträumten Glücke ist es wohl für immer aus.«

»Ist in dem Befinden des Fräulein von Lautrec noch immer keine wesentliche Besserung eingetreten,« frug Schomberg theilnehmend, »als ich vor sieben Monaten nach Flandern abging, gaben die Aerzte, wie es hieß, doch einige Hoffnung.«

»Die nunmehr fast vollends entschwunden ist,« ergänzte der Cardinal, »denn Ihre Idee, daß der Graf von Moret aus dem Grabe gestiegen sei, um sie in der Capuzinerkirche zu Toulouse an ihren Eid zu mahnen, ist fixer als je geworden. Ein verzehrendes Fieber schleicht durch ihre Adern, und im Frühjahr, wenn die Natur zu neuem Leben erwacht, werden die Rosen ihrer zarten Wangen wohl für immer erbleichen.«

Armes, armes Kind!« seufzte Schomberg mit ungeheucheltem Mitleiden und ihm, dem rauher Krieger, glänzten Thränen in den Augen; »jetzt, mein wackerer de Pontis begreife ich deine Sucht nach dem Tode, dem Du tollkühn täglich ins Antlitz blickst und der Dich dennoch flieht, als wäre dein Leben hundertfach gefeit.«

Der Cardinal, welchem dieser Gegenstand offenbar höchst peinlich wurde, stellte die Frage:

»Nun, Herr Marschall, seid Ihr bereit, innerhalb von vierzehn Tagen Eure Hochzeit zu feiern?«

»Ich überlasse Alles dem Ausspruche Ew. Eminenz!«

»Wohlan denn, Ihr sollt bei Zeiten avistit sein; vor der Hand treibt Euch als Reué in Paris herum und sorget, daß Eure Verbindung nicht vorzeitig lautmäulig werde. Auch Fräulein von Hautefort wird darüber, bis ich nicht das Signal dazu gebe, das größte Geheimniß bewahren. Erführe der König etwas von unserer Absicht zur Unzeit, er wäre im Stande, uns einen bösen Streich zu spielen.«

»Noch Eins, Eminenz!« begann der Marschall nach einer längeren Pause etwas verlegen, »Ihr werdet mir wohl nicht zürnen, wenn ich eine Frage, die mir sehr am Herzen liegt, denn sie steht mit meiner Ehre im innigsten Zusammenhange, nochmals zu stellen wage.«

»Ich errathe,« entgegnete der Cardinal lächelnd, »Ihr seid eifersüchtig und wollt abermals meine Versicherung hören, daß die Natur der Beziehungen, welche zwischen dem Könige und Aurora stattfanden, Euch nicht etwa in einer gewissen Beziehung zum Nachfolger Eures Monarchen machen.«

»So ist es, Eminenz, und auf diese Ehre müßte ich ganz entschieden verzichten. Ich bin ein Deutscher, Eminenz, und in solchem Punkte ganz anderer Ansicht, als hierzu Lande gang und gäbe.«

»Beruhigt Euch, mein lieber Marschall!« erwiederte Richelieu ebenso ruhig als bestimmt; »ich gebe Euch mein Ehrenwort, daß Auroras Tugend noch nie von einem Manne bedroht wurde; solltet Ihr Euch getäuscht finden, so erkläre ich hiermit die Ehe für null und nichtig. Wollt Ihr dies schriftlich? Kann ich mehr thun?«

»Euer Wort, genügt, Eminenz!« entgegnete der Marschall Schomberg rasch und empfahl sich.

An diesem in der Geschichte Frankreichs denkwürdigen Tage, nämlich dem 5. December 1637, verließ Richelieu nach der Entfernung Schombergs sein Arbeitscabinet und fuhr auf seine Besitzung nach Ruelle, in dessen Park er dicht in seinen Mantel gehüllt, bis zur nahen Mittagsstunde in fieberhafter Aufregung lustwandelte, gefolgt in einiger Entfernung von Latil und seinem Kammerdiener Guillemot. Ihm zur Seite schritt Chicon sein Leibarzt.

»Chicot!« rief der Cardinal, »wenn Euch Eure Voraussicht nicht täuscht, wenn heute über sechs Wochen die ersten Anzeichen eintreten, dann geht zu Charpentier und nehmt vorläufig 10.000 Pistolen in Empfang. Ist es aber heute über neun Monate wirklich ein gesunder Thronerbe, dessen Geburt der Donner der Geschütze begrüßt, dann könnt Ihr Euch jene Domäne, die Euch am besten gefällt, selbst wählen.«

»Eminenz!« rief Chicot, »ich werde schon morgen zu Herrn Mazarin gehen und mir das Inventar der Staatsgüter zeigen lassen.«

»Chicot! Chicot!« drohte der Cardinal mit dem Finger, »Ihr rechnet vielleicht allzuvermessen aus Eure Kunst und Eure Wissenschaft Ihr wißt zu wohl, welches gewagte Spiel für die heutige Nacht in Aussicht steht. Die Königin zählt bereits volle siebenunddreißig Jahre, denn auf dieser unglückseligen Ehe lastet schon seit zweiundzwanzig Jahren der Fluch der Unfruchtbarkeit.«

Chicot's zuversichtliche Miene blieb dieselbe und er erwiderte kurz:

»Wenn Madame du Fargis das Ihrige thut, wie ich das Meinige gethan, darf und kann der Erfolg nicht ermangeln. Ich habe den Grafen von Moret erst heute Morgens wieder zum Objekte einer eindringlichen Untersuchung gemacht, und ich versichert Euch, Eminenz, er war noch nicht bald so gut bei Gesundheit wie zur Stunde; er brennt vor Begierde nach der schönen Erscheinung, welche auch heute sein heißes Blut calmiren soll.«

Der Cabalero de Lerida kam in diesem Augenblicke aus einer Seitenallee den Lustwandelnden entgegen. Er sah etwas verdrießlich, ja piquirt aus. Des Cardinals scharfer Blick gewahrte dies sogleich.

»Oho! mein schöner Cabalero!« rief er, sich zu einem möglichst freundlichen Tone zwingend, »mich will bedünken, daß etwas Eifersucht an Eurem Herzen nagt. Seid großmüthig und drückt in Gottes Namen für dieses eine und einzige Mal Eure schönen Aeuglein zu.«

»Eminenz!« entgegnete de Lerida rasch und ziemlich verdrossen, »was Ihr für heute von mir verlangt, ist jedenfalls in den Bedingungen unseres Vertrages nicht vorgesehen. Ich widme Euch seit sieben Jahre meine Dienste und ich glaube, daß ich Euch mitunter sehr gefährliche und sehr wichtige Dienste geleistet, dafür aber nie etwas Anderes angesprochen habe, als den ungeschmälerten Besitz des armen Wahnsinnigen. Ihr verlangt ein Opfer von mir, welches meine Kräfte übersteigt, denn Ihr vergeßt, daß spanisches und italienisches Blut in meinen Adern rollt.«

»Schöne« liebe Mathilde,« schmeichelte Richelieu,« »nur dieses einzige Mal seid großmüthig; Ihr kennt das wichtige Geheimniß, welches sich an Euer Opfer knüpft; Ihr kennt die folgenschweren Pläne, die in der heutigen Nacht endlich, endlich ihre Verwirklichung finden sollen, und Ihr wollet Anstand nehmen, meiner Bitte zu willfahren?«

»Was kümmert sich meine Liebe um Eure Politik!« rief de Lerida, in Thränen des Schmerzes und der Eifersucht ausbrechend.

»Aber meine Politik hat sich um Eure Liebe bekümmert, und wenn Ihr das Band zwischen uns lösen wollt, indem Ihr mir den Gehorsam verweigert, nun gut, dann hört auch Moret auf für mich eine Nothwendigkeit zu sein und —«

»Und Ihr werdet ihn tödten!« schrie de Lerida entsetzt; » haltet ein, fürchterlicher Mann, ich füge mich Eurem Gebote.«

»Wohlan,« bemerkte Richelieu kurz, »so möge sich denn der Graf von Moret bei Euch für sein ferneres Dasein bedanken, und damit Ihr seht, daß ich Eure Entsagung zu schätzen weiß und Euch zu belohnen suche, so vernehmt – von morgen an, wenn Alles glücklich abgelaufen ist, wird Moret ganz und gar Euren Händen übergeben und Ihr dürft Euch mit ihm in die Heimat Eurer Mutter, nach Majorka, zurückziehen.«

»Das wollet Ihr thun, Eminenz!« rief de Lerida jubelnd; »mein, mein, nur mein für alle Zukunft soll der · arme Irre sein!«

»Es ist mein fester Wille, so wahr Gott lebt!« betheuerte der Cardinal ernst.

Wie berauscht vor Wonne eilte de Lerida davon«.

Kurz darauf nahte sich ein Diener mit der Meldung, daß Madame du Fargis soeben angelangt und auch das Mittagsmahl servirt sei.

Der Cardinal und Chicot begaben sich in das Wohngebäude, in dessen unterem, wohl durchwärmten Saale eine kleine Tafel mit nur drei Gedecken bereitstand. Madame du Fargis harrte bereits daselbst auf Richelieu und seinen Leibarzt.

Madame du Fargis war reizend, und wenn der Cardinal nicht mit vielen, ihm so außerordentlich wichtigen Dingen gerade heute beschäftigt gewesen wäre, hätte er dies gewiß bemerkt, denn er pflegte sonst nichts weniger als ungalant und unempfindlich zu sein, und eine du Fargis gehörte eben nicht zu den Unerbittlichsten ihres Geschlechtes.

»Also wirklich, Eminenz,« lachte Madame du Fargis, als man beim Desserte angelangt und die Dienerschaft verschwunden war, »also wirklich wäre es Euer Ernst, daß ich heute Nacht die Stelle der Gebieterin vertreten soll; ich dachte anfangs, als Herr Chicot mit mir gestern davon sprach, es wäre nur so ein persönlicher Witz von ihm.«

Der Cardinal zog schweigend aus seiner Tasche ein Sammtetuis, öffnete es und hielt dem weiblichen Kobold ein prachtvolles Collier unter die Augen, dessen Werth wenigstens zehntausend Thaler betragen mochte.

Madame du Fargis seufzte begehrlich. Die höchst geschmackvoll gefaßten Edelsteine glitzerten und flimmerten in der That auch wundervoll.

»Dieser Schmuck wäre würdig von der Königin selbst getragen zu werden!« äußerte Madame du Fargis, die sich an den Brillanten nicht satt sehen konnte, nach einer Weile.

»Die wird ihn wohl schwerlich bekommen, aber vielleicht ihre Substitutin,« antwortete Richelieu kurz, klappte das Etui zu und schob es wieder in die Tasche.

»Welche Bedingungen schließt dieses vielleicht in sich?« frug Madame du Fargis rasch.

»Daß Alles glücklich und nach Wunsch vorübergeht, entgegnete ebenso rasch der Cardinal mit bedeutsamen Blicken.

»Dann werde ich mir gleich morgen die Toilette wählen, welche zu diesem Schmucke paßt.«

»Es würde mir zum besonderen Vergnügen gereichen, Euch morgen Früh durch Guillemot das Etui senden zu können

»Herr Guillemot wird sich morgen zuverlässig zu mir bemühen müssen!« bemerkte Madame du Fargis und, von dem genossenen Champagner etwas aufgeregt, brach sie in ein nicht enden wollendes Lachen aus.

»Ach!« rief sie, nachdem ihr Lachkrampf sich etwas beschwichtigt hatte, »wenn ich mir im voraus den zimperlichen tugendhaften Schwächling vorstelle, wie er heute – — ha, ha, ha!« und abermals krümmte sie sich wie unsinnig unter den heftigen Erschütterungen ihres Zwerchfelles.

Der Cardinal blickte nach der Uhr und schritt im Speisesaale einige Male auf und ab. Dann wandte er sich an Madame du Fargis, welche inzwischen wieder etwas zu sich gekommen war, und sagte:

»Es ist bald drei Uhr; um fünf Uhr nimmt die Königin Milch mit Brödchen; es ist Zeit, meine liebe du Fargis, daß Ihr nach Paris zurückkehrt; Niemand darf ahnen, wo Ihr heute dinirtet. Ihr wißt doch wohl genau die Dosis von dem Pülverchen, das Ihr der Milch beizumischen habt; nicht mehr und nicht weniger, als Euch Chicot angab.«

»Euer Eminenz wird mit meinen Leistungen auch in dieser Beziehung zufrieden sein,« entgegnete Madame du Fargis, »jedenfalls mehr zufrieden als ich. Dach lebt wohl, die Zeit drängt.«

Die Schelmin hüpfte davon, nachdem sie sowohl Richelieu als auch Chicot ein Kußhändchen mit bezaubernder, unnachahmlicher Grazie zugeworfen hatte.

Während dem langte ein Eilbote von Guitaut, Capitän – der Garde der Königin, in Ruelle an. Guitaut war ein alter Plauderer, der in seinen hinterlassenen Papieren den Ruf Anna's von Oesterreich sehr arg bloßgestellt hat.

Seine ebenso gehässigen als undankbaren Aeußerungen verlieren aber ihren giftigen Stachel, sobald wir wissen, daß er von jeher im geheimen Solde Richelieus stand, und es daher seine, sowie aller Cardinalisten Hauptaufgabe war, die arme Königin nach Thunlichkeit in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.

Guitauts Bote überbrachte ein von dem Leibarzte der Königin, Namens Dupont, in lateinischer Sprache verfaßtes, an Chicot adressirtes Briefchen, welches folgendermaßen lautete:

»Lieber Herr Collega!

»Madame ist in Folge der gestern von Euch übersendeten Mixtur, welche sie heute Früh einnahm, äußerst aufgeregt. Schreibet mir sogleich, ab diese Wirkung in Eurer Absicht lag, oder was ich dagegen anwenden soll. Eurer und Eures Herrn ganz ergebenster D.«

»Soll ich dem Boten eine Antwort geben?« frug Chicot das Briefchen dem Cardinal reichend, welcher jedoch verneinend den Kopf schüttelte und sagte:

»In derlei Affairen schreibt man so wenig als möglich, handelt aber umso mehr. Ueberdies bringen wir heute Nacht das Medicament für die Dame selbst mit nach Paris. Der Vorsicht wegen haltet vielmehr den Boten bis morgen Früh in Ruelle zurück.«

Ueberspringen wir nun einen Zeitraum von fünf Stunden. Ein äußerst schlechtes Wetter war gegen Abend eingetreten. Schnee und Regen rieselten so dicht vom Himmel herab, daß man keine zehn Schritte vor sich hin zu sehen vermochte. Die Straßenbeleuchtung, welche damals erst seit kaum zwanzig Jahren in Paris eingeführt war und sich nur auf die Hauptstraßen erstreckte, gehörte ob ihrer miserablen, höchst primitiven Einrichtung für diesen Abend zu den total unsichtbaren Dingen.

Während des größten Schneegestöbers war Ludwig XIII., welcher schon seit mehreren Monaten den Louvre, wo die Königin wohnte, mit keinem Fuße betreten hatte, von Versailles, seinem dermaligen Aufenthaltsorte, nach Paris und zwar zu dem Kloster der »Büßerinnen« in der Rue des Postes gefahren.

Auch diesen Ort hatte der König schon seit mehreren Wochen nicht mehr mit seinem Besuche beehrt.

Daß er heute auf diesen Einfall gerieth, war aber kein bloßer Zufall, sondern nur die Folge eines geschickten Arrangements von Seite des Cardinals. Dieser ließ nämlich dem ebenso leichtgläubigen als erregbaren Könige in's Ohr blasen, daß Fräulein von Hautefort seit einiger Zeit den Besuch eines Verehrers zwischen acht und zehn Uhr Abends empfange, und daß er seinen Rivalen gerade heute auf der That ertappen könnte.

Damit aber diese ganz aus der Luft gegriffene Beschuldigung, von deren Unwahrheit der König sich alsbald überzeugen mußte, nicht den eigentlichen Urhebern unangenehme Folgen zuziehen könne, verstand man es so einzurichten, daß die Einflüsterung durch eine dem Cardinal notorisch feindlich gesinnte Person geschah, dieser Coup also schließlich wieder nur Richelieu zu Gute kam.

Der König, welcher mit der allerfinstersten Miene das Kloster betreten hatte, fühlte sich in der That alsbald auf das Angenehmste enttäuscht, und um Aurora für die etwas harten Worte, die er bei seinem Eintritte fallen gelassen, zu entschädigen, gab er sich nun Mühe, doppelt höflich und zuvorkommend zu sein.

Der König fühlte sich auch, nachdem er ein paar Stunden in Aurora's Gesellschaft verbracht hatte, weit behaglicher, gestimmt, als schon seit lange und er ließ sich das Abendbrot, welches er regelmäßig mit der zehnten Stunde einzunehmen pflegte, er mochte sich befinden, wo er wollte, außerordentlich munden. Der Oberin war ein- für allemal die hohe Ehre bewilligt worden, bei solchen Anlässen den König in eigener Person bedienen zu dürfen, sowie selbe überhaupt stets von der Ankunft bis zu der Entfernung des Königs auf dessen eigenen Wunsch im Zimmer zu verbleiben pflegte.

Ludwig XIII. verspürte heute Abends großen Durst; er verlangte bereits das dritte Glas Wein. Seine Wangen waren ungewöhnlich geröthet und seine Augen glänzten in einem unheimlichen Feuer wie noch nie.

Als die Oberin sich auf einen Augenblick entfernt hatte, um den außerhalb harrenden Dienern einen Befehl zu ertheilen, schnellte der König zähneklappernd vor Fieber und keuchenden Athems von seinem Stuhle empor. – Er wankte auf Aurora zu, breitete seine Arme aus und wollte sie umfassen. —

Diese aber wand sich sanft von ihm los, streckte gebieterisch ihre Arme von sich und sagte imponirenden Tones:

»Majestät, Ihr vergeßt, daß Ihr eine Gemalin besitzt, schön und reizend, welche seit vollen zweiundzwanzig Jahren auf die Liebe wartet, welche Ihr mir jetzt erweisen wollt.«

Ludwig XIII. taumelte zurück; ein Sinnenrausch, wie er ihn noch nie gekannt, machte seinen Kopf wirbelnd. Aber das Bewußtsein der Scham über die erlittene Zurechtweisung war ihm geblieben und er stammelte halb vernichtet einige unzusammenhängende Entschuldigungen.

Die Oberin war indessen wieder eingetreten. Aurora trat aus den König zu, faßte so vertraulich, wie sie es noch nie gethan, seinen Arm und flüsterte ihm in's Ohr:

»Wenn Ihr mich je geliebt habt, wenn ich Euere Unart verzeihen, vergessen soll, so eilt in den Louvre und beglückt mit Euerer Liebe die arme Anna von Oesterreich.«

Der König hauchte ein leises »Ja« als Antwort, drückte seinen Hut tief in die Stirne und stürzte hinab zu seinem Wagen. – Er hatte Aurora zum letzten Male in seinem Leben gesehen. —

»Nach Versailles?« frug der bei dem Wagen harrende Officier von des Königs Leibgarde.

»Noch dem Louvre!« preßte Ludwig XIII. aus seiner keuchenden Brust und seine Augen loderten wo möglich in noch unheimlicherem Feuer als zuvor. – Chicots Pulverchen, welches er heute unbewußt in einem Glase Wein genossen, that bereits seine volle Schuldigkeit.

Im Louvre angekommen, eilte Ludwig XIII. mit einer bei ihm ganz ungewohnten Hast durch die langen Corridors in der Richtung fort, welche zu den Gemächern der Königin führte.

Er ließ Frau von Bellier, die erste Kammerfrau der Königin holen.

Die Gerufene, eine bereits bejahrte Dame, erschien so rasch« als ob sie darauf bereits vorbereitet gewesen wäre.

»Frau von Bellier,« stammelte der König und wurde im Verlaufe dieser und seiner folgenden Rede wiederholt über und über roth. »Frau von Bellier« ist die Königin schon zu Bette?«

»Ja, Sire!«

»Nun denn« dann sagt ihr, daß ich sie noch für heute um ein Gehör bitten lasse in ihrem Gemache.«

Frau von Bellier wollte forteilen, der König rief sie zurück.

»Noch Eins,« fuhr er höchst beklommen fort, »aber ich wünschte, daß, daß – ich kein Licht auf meinem Wege und in den Zimmern treffe. – Ich werde mich hier selbst des Nothwendigsten bedienen, und Ihr werdet mich dann führen, nicht wahr?«

Frau von Bellier verschwand; in zwei Minuten war sie wieder retour. Zu ihr besaß Ludwig XIII. ein gewisses Zutrauen, da sie in seiner zartesten Jugend seine Aja gewesen.

Sie half nun dem vor innerer Gluth ganz und gar unbeholfenen Könige bei der Toilette, wie sie es schon vor etlichen dreißig Jahren dem Knäblein Ludwig gethan.

Als dies endlich zu Stande gebracht war, faßte Frau von Bellier den König sanft am Arme und beide verschwanden im Dunkel der Nacht.

Zur selben Stunde, als, der König in den Louvre fuhr, nahm dahin auch ein anderer, fest verschlossener Wagen, welcher von Ruelle kam, seinen Weg.

In diesem Wagen, welcher bei einer der geheimen Eingangsthüren hielt, befanden sich der Arzt Chicot, Cabalero – de Lerida und der wahnsinnige Graf von Moret, dessen – Augen von einer Binde geblendet waren.

Der Irre, welcher auch sonst folgsam wie ein Kind zu sein pflegte, war besonders heute durch das Versprechen, daß seine schon seit sechs Wochen ausgebliebenen Visionen in den nächsten Stunden ihn abermals beglücken sollten, vollkommen zahm geworden. Um keinen Preis hätte er auch nur einen Laut von sich gegeben, würde man ihm selbst einen Dolch in den Leib gerannt haben, denn man wußte ihn zu beschwatzen und durch mehrfache geschickte vorangegangene Experimente so zu sagen zu überzeugen, daß seine Visionen nur dann stattfanden, wenn er sich freiwillig blenden ließ und stumm wie das Grab verhielt. Vor Jahren versuchte es zwar der Irre einige Male diese beiden Gebote zu übertreten, sobald die Nebelbilderformen verschwanden und ihm dann die Binde umgelegt wurde. Aber immer war dann, statt daß hierauf die Extase erfolgte, nicht nur der Spuk für lange Zeit verschwunden, sondern er fühlte sich auch jedes mal unter brausenden Fluten, die auf ihn erbarmungslos herabstürzten, den schrecklichsten Qualen ausgesetzt. Man gab ihm nämlich dann immer zur Strafe eine barbarische kalte Douche.

Der Graf von Moret, welcher seit seiner Gefangennahme bei Castelnaudary einen Vollbart getragen hatte, war heute ganz rasirt bis auf einen Schnur- und Knebelbart, genau, wie ihn der König zu tragen pflegte. Seine ganze Gestalt war in einen Mantel dicht eingehüllt.

Chicot und de Lerida, zwischen welchen der durch die Binde geblendete Irre dahintappte, schlugen nur geheime und dunkle Gänge in den Sousterrains ein. In der Nähe, wo oberhalb die Gemächer der Königinnen sich befanden, stiegen sie eine geheime Wendeltreppe hinan, an deren Ende Frau von Bellier ihrer bereits seit einer Viertelstunde harrte.

Sie zog Chicot etwas bei Seite und flüsterte ihm in's Ohr:

»Gott sei Dank, daß Ihr endlich da seid, der König ist bereits seit zwanzig Minuten dahier.«

»Bei der Königin,« ergänzte Chicot trocken; »sputet Euch also jetzt; dieser Cabalero und ich werden hier hinter jener verborgenen Thür bis drei Uhr Morgens warten.« So sanft, daß der Irre einen Personenwechsel gar nicht bemerkte, ergriff nun Frau von Bellier dessen Arm und zog ihn mit sich fort – in das Dunkel der Nacht.

De Lerida warf sich weinend und stille schluchzend in dem stockfinstern geheimen Gange, wohin er und Chicot sich zurückgezogen hatten, auf das eiskalte Steinpflaster.

Was nun weiter geschah, wissen wir nicht zu erzählen, wegen des Dunkels der Nacht.

Nur Folgendes ist uns gestattet als positiv der Neugierde des Lesers zum Ersatze zu bieten:

Erstens, trug Herr Guillemot den kostbaren Brillantschmuck am folgenden Morgen zu Madame du Fargis.

Zweitens, sechs Wochen später zahlte Herr Charpentier dem Arzte Chicot 10.000 Pistolen als vorläufige Gratifikation aus.

Drittens, einige Tage später war der Cabalero de Lerida in die Heimat seiner Mutter, nämlich nach der zur Krone Spaniens gehörigen Baleareninsel Majorka mit dem ihm als unbedingt leibeigen überlassenen Grafen von Moret abgereist.

Viertens, ließ vom 5. December 1637 an die Königin nie mehr eine Aeußerung über die so oft bespöttelte Schwäche ihres Gemals fallen.

Was den König selbst anbelangt, so scheint auf ihn diese »sonderbare« Nacht, welche ihm doch so viel des Neuen bot, keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben, denn er suchte keine Wiederholung, sondern kehrte zu seinen früheren Angewohnheiten zurück.

Der Cardinal that seinerseits nichts, am ihn hierin zu stören; er begünstigte vielmehr jetzt die Neigung Ludwig XIII. zu Cinq-Mars ein Fovorite, dessen meteorähnlichem Erscheinen und tragischem Ende wir vielleicht etwas später einige Beachtung widmen wollen.

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10 aralık 2019
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