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Kitabı oku: «Der Page des Herzogs von Savoyen», sayfa 35

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IX.
Florentinische Politik

Vesalius trat zu dem Verwundeten, untersuchte ihn, fragte, wie er behandelt worden sey, billigte alles Geschehene und verlangte dann den Lanzensplitter zu sehen.

Paré hatte an demselben bezeichnet, wie weit er eingedrungen gewesen, stieß ihn dann sogar in das Auge des Kopfes, den er da hatte, bis zu jener Stelle und genau in der Richtung, welche der Splitter im Auge des Königs gehabt hatte.

»Ich wollte eben den Kopf da öffnen, um zu sehen, welche Zerstörung durch eine solche Verletzung darin entstehen kann,« sagte Paré.

Vier Verbrecher waren bereits enthauptet worden, damit die Aerzte an den Köpfen derselben Versuche machen konnten.

Vesalius aber sagte:

»Es ist nicht nöthig, ich sehe schon, welche Zerstörungen der Splitter machen mußte.«

Und er schilderte das verletzte Gehirn genau so, wie es Paré gefunden hatte, als er Versuche gemacht.

»Und was haltet Ihr von der Wunde?« fragte Paré.

»Sie ist tödtlich,« antwortete Vesalius.

Hinter ihm hörte man einen tiefere Seufzer.

Catharina von Medici war bereits eingetreten und hatte das Gespräch der Aerzte gehört.

»Tödtlich?« fragte sie; »Ihr sagt, die Wunde sey tödtlich?«

»Ich halte es für meine Pflicht,« antwortete Vesalius, »Ew. Majestät dies mitzutheilen. Der Tod eines Königs ist keine gewöhnliche Begebenheit, und die, welche ein Reich erben, müssen auf den Eintritt dieses Falles vorbereitet werden. Ich wiederhole also; so schmerzlich es mir ist, die Wunde des Königs ist durchaus tödtlich.«

Die Königin strich mit dem Taschentuche über die schweißbedeckte Stirn.

»Wird er sterben, ohne wieder zum Bewußtseyn zu kommen?« fragte sie.

Vesalius faßte die königliche Hand und zählte die Pulsschläge.

»Neunzig!« sagte er zu Paré.

»Dann hat das Fieber nachgelassen,« antwortete dieser, »denn in den ersten Tagen zählte ich bis hundert und zehn Schläge.«

»Madame,« fuhr Vesalius fort, »wenn der Puls so fort abnimmt, läßt sich erwarten, daß der König vor dem Verscheiden noch ein- oder ein paarmal sprechen könne.«

»Wann?« fragte Catharina gespannt.

»Fragt die menschliche Wissenschaft nicht mehr als sie weiß! Der Wahrscheinlichkeit nach könnte der König um die Mitte des nächsten Tages zur Besinnung kommen.«

»Hört Ihr, Vieilleville?« sagte die Königin. »Daß ich sofort erfahre, wenn sich ein Lebenszeichen des Königs kund gibt; ich muß da seyn, sonst Niemand, um zu hören was der König sagt.«

Am andern Tage, gegen zwei Uhr Nachmittags, war der Puls auf zweiundsiebzig Schläge gesunken, der Verwundete bewegte sich leicht und seufzte.

»Herr von Vieilleville,« sagte Vesalius, »meldet der Königin, daß der König aller Wahrscheinlichkeit nach aus seiner Ohnmacht erwachen und etwas sagen werde.«

Als die Königin nach kaum fünf Minuten erschien, murmelte der König in der That kaum verständlich:

»Die Königin! Man hole die Königin…«

»Hier bin ich,« entgegnete Catharina, die an dem Bette ihres Gemahls auf die Knie sank.

Ambrosius Paré sah staunend den Mann an, der, wenn er auch nicht über Tod und Leben gebot, doch in alle Geheimnisse derselben eingeweiht zu seyn schien.

»Sollen wir in dem Zimmer bleiben oder nicht?« fragte Vesalius die Königin.

Die Königin blickte den Verwundeten fragend an.

»Sie sollen bleiben,« sagte der König… »Ich bin so schwach, daß ich jeden Augenblick ohnmächtig zu werden fürchte.«

Da winkte Vesalius, nahm aus der Tasche ein Fläschchen mit einer blutrothen Flüssigkeit, goß einige Tropfen davon in einen Löffel und brachte sie zwischen die Lippen des Königs.

Heinrich seufzte wie erleichtert; sein Auge erhielt Glanz.

»Ich fühle mich besser,« sagte er; dann sah er sich um und fuhr fort: »Ach Du hast mich nicht verlassen, Vieilleville?«

»Nein, Sire,« antwortete dieser schluchzend, »nicht eine Minute.«

»Du sagtest es mir… Du sagtest es,« flüsterte Heinrich… »aber ich wollte Dir nicht glauben… Euch auch nicht Madame… und Coligny nicht… Madame, vergeßt nicht, daß Coligny zu meinen wahren Freunden gehört, denn er hat mir mehr gesagt als sonst Jemand: er nannte mir Montgomery als den, der mir den Tod geben müsse.«

»Er nannte Euch Montgomery?« fragte Catharina.

»Woher wußte er…«

»Durch eine Prophezeiung, die dem Kaiser Carl V. gemacht worden… «

»Hoffentlich ist Montgomery frei?«

Catharina antwortete nicht.

»Hoffentlich ist er es,« fuhr Heinrich fort… »Ich verlange und befehle, daß man ihm nichts zu Leide thue.«

»Ja, Sire,» antwortete Vieilleville, »Montgomery ist frei und er sendet Tag und Nacht, um sich nach eurem Befinden zu erkundigen. Er ist in Verzweiflung.«

»Er tröste sich, der arme Lorges! Er hat mir immer treu gedient… und noch zuletzt bei der Regentin von Schottland…«

»Ach,» fiel Catharina ein, »warum ist er nicht bei ihr geblieben!«

»Nicht sein Wille, mein Befehl hat ihn zurückgebracht,« sagte der König… »Er wollte nicht gegen mich rennen… ein Befehl von mir zwang ihn dazu… Mein Unstern hat Alles gethan, nicht er. Lehnen wir uns nicht auf gegen Gott, benutzen wir vielmehr diesen Augenblick des Lebens, den er mir wunderbarlich gibt, um das Dringendste zu ordnen.«

»Ach, Herr!« flüsterte Catharina.

»Zuerst, fuhr Heinrich fort, »denken wir an unsere Versprechungen, an unsere Freunde, dann an die Verträge mit den Feinden.«

»Ihr wißt, was Vieilleville versprochen ist?«

»Ja, Sire.«

»Ich kann ohne große Schmerzen mich nicht bewegen, lasset das ihm zugedachte Patent holen, unterzeichnet es statt meiner unter dem heutigen Tage und gebt die Ursache an, warum Ihr statt meiner unterschreibt.«

Das Patent wurde gebracht und Catharina schrieb darunter: »Für den verwundeten König und auf dessen Befehl, neben seinem Bett.

Catharina, Königin. 4. Juli 1559.«

Sie las es vor, der König billigte es und wünschte, daß sie das Patent Vieilleville übergebe, der da kniete.

Sie that es, setzte aber leise hinzu:

»Ihr habt das Patent, aber haltet nichts destoweniger euer Versprechen, guter Freund, denn man könnte es Euch doch entziehen.«

»Sind der Herzog von Savoyen und meine Schwester vermählt?« fragte der König.

»Nein, Sire,« antwortete die Königin. »Die Zeit wäre zu einer Hochzeit übel gewählt.«

»Im Gegentheil, im Gegentheil!« entgegnete der König. »Ich wünsche, daß die Vermählung sobald als möglich erfolge. Vieilleville, holt mir Beide hierher.«

Catharina begleitete ihn bis an die Thür und sagte leise:

»Holt sie nicht früher bis ich diese Thür wieder aufgemacht und Euch selbst Befehl gegeben habe. Wartet in dem Vorzimmer und – bei eurer Freiheit, bei eurem Leben, bei eurem Seelenheile! – kein Wort von dieser Rückkehr des Königs zum Bewußtseyn, namentlich gegen die Frau Valentinois!«

»Wo seyd Ihr?« fragte der König. »Was thut Ihr… Ich möchte die Zeit nutzen.«

»Ich bin da,« antwortete die Königin, »Ich sagte Vieilleville nur, wo er den Prinzen finden würde, wenn er nicht zu Haus wäre.«

»Wo?«

»Er wird wohl da seyn, denn erst Abends verläßt er das Schloß und immer ist er vor Tagesanbruch zurück.«

»Ach!« sagte der König mit einem neidischen Seufzer. »Es gab eine Zeit, wo auch ich in schöner Nacht, auf gutem Pferde dahineilte… Das Fieber brannte da nicht so in mir wie jetzt… Mein Gott! Mein Gott! erbarme Dich meiner, denn ich leide sehr!«

Catharina war wieder an das Bett getreten, hatte aber den beiden Aerzten einen Wink gegeben, sich davon zu entfernen.

»Sie kommen, nicht wahr?« fragte der König.

»Ja, aber wollt Ihr mir vorher erlauben, Sire, etwas über die Angelegenheiten des Staates zu sagen?«

»Sprecht,« antwortete er mit Anstrengung.

»Sire, erinnert Ihr Euch an das, was Guise in meinem Zimmer in dem Augenblicke sagte, als Ihr den unseligen Beitrag von Cateau-Cambrésis unterzeichnen wolltet? Guise ist ein großer Freund Frankreichs.«

»Ein Lothringer,« sagte der König.

»Ich aber, ich bin keine Lothringerin…«

»Nein, aber eine…«

Er unterbrach sich.

»Sprecht es nur aus,« sagte Catharina, »ich bin eine Florentinerin, folglich eine wirkliche Bundesgenossin Frankreichs. So sage ich denn auch, der Lothringer und die Florentinerin sind besser französisch gewesen als manche Franzosen.«

»Ich läugne das nicht.«

»Der Lothringer und die Florentinerin sagten…«

»Ja,« fiel der König ein, als erwache er aus einem Traume, »ich that Unrecht«

»Ihr erkennt es?« fragte Catharina mit leuchtenden Augen.

»Ja, aber es ist zu späht.«

»Es ist nie zu spät, Sire,« entgegnete die Florentinerin.

»Ich verstehe das nicht.«

»Wollet Ihr mich handeln lassen?« fiel Catharina ein. »Ich bringe Euch alle Städte Frankreichs, Piemont, Nizza zurück, und eröffne Euch den Weg nach dem Mailändischen.«

»Und was soll ich thun?«

»Ihr ernennt, trotz der Volljährigkeit des Dauphins, wegen seiner schwachen Gesundheit, einen Regentschaftsrath, der ein Jahr oder länger besteht, aus dem Herrn von Guise, dem Cardinal von Lothringen und mir zusammengesetzt ist und alle Angelegenheiten ordnet.«

»Was wird Franz dazu sagen?«

»Er wird sich darüber freuen. Er denkt nur an seine kleine Schottin und strebt nach nichts Anderem.«

»Ach ja, es ist ein großes Glück jung und der Gatte einer Frau zu seyn, die man liebt! Etwas indeß verdirbt die ganze Sache doch; er ist König von Frankreich, und als solcher muß er erst an das Land und dann an seine Liebe denken.«

»Wir übernehmen Alles,« fiel Catharina ein.

»Was versteht Ihr unter Alles?«

»Alles wieder zu ändern, was durch den Vertrag verdorben wurde.«

»Und ich,« meinte der König, »erscheine unterdeß vor Gott als ein Eidbrüchiger. Madame, die Sünde ist zu groß, als daß ich sie auf mich nehmen könnte. Wenn ich am Leben bliebe, ließe sich davon reden, denn in diesem Falle hätte ich Zeit zur Reue.«

Lauter setzte er hinzu:

»Vieilleville!«

Dieser hörte den Ruf und kam herein.

»Ihr thatet Recht, auf einen zweiten Befehl zu warten,« sagte er, »wie Euch die Königin geboten hat, aber ich gebe Euch jetzt diesen zweiten Befehl. Geht augenblicklich, und holt mir den Prinzen von Savoyen und meine Schwester.«

Er fühlte seine Kräfte abnehmen und sah sich nach den Aerzten um, die bei seinem Lautsprechen näher getreten waren.

»Man gab mir einige Tropfen, die mich wunderbar stärkten,« sagte er.

»Eine Stunde noch muß ich leben; man gebe mir noch einige Tropfen von jener Arznei.«

Vesalius that es, und Vieilleville, der nicht ungehorsam zu seyn wagte, begab sich zu dem Herzoge.

Catharina stand lächelnd an dem Bette, während die Wuth in ihrem Herzen kochte.

X.
Ein König von Frankreich muß sein Wort halten

Nach wenigen Minuten erschienen Emanuel Philibert und die Prinzessin Margarethe und Catharina trat etwas bei Seite, um ihnen Platz an dem Bette zu machen.

Sie knieten vor dem sterbenden Könige nieder.

»Ich danke Gott,« sagte Heinrich, »daß ich das Bewußtseyn wieder erlangt habe, wenn mir auch keine Hoffnung bleibt… Lasset uns deshalb die Zeit benützen… Emanuel, nehmt die Hand meiner Schwester.«

Emanuel gehorchte, zumal die Hand Margarethens der seinigen den halben Weg entgegen kam.

»Prinz,« fuhr der König fort, »ich wünschte eure Verbindung mit Margarethe, als ich gesund war; jetzt liege ich im Sterben und wünsche sie nicht nur noch immer, sondern fordere sie.«

»Sire!« fiel Emanuel ein.

»Hört, Emanuel,« fuhr der König feierlich fort, »Ihr seyd nicht nur ein großer Fürst jetzt wegen der Provinzen, die ich Euch zurück gegeben, ein Edelmann wegen eurer Ahnen, sondern auch ein Ehrenmann wegen eures redlichen Herzens. Ich wende mich jetzt an den ehrlichen Mann in Euch.«

Emanuel Philibert richtete sein edles Haupt empor; die Redlichkeit seiner Seele leuchtete in seinen Augen und er sagte in dem ihm eigenen sanften und doch festen Tone:

»Sprecht, Sire.«

»Emanuel,» fuhr der König fort, »es ist ein Friede unterzeichnet worden; der Friede ist unvortheilhaft für Frankreich.»

Der Prinz machte eine Bewegung.

»Aber gleichviel, er ist unterzeichnet. Dieser Friede macht Euch zum Bundesgenossen Frankreichs und Spaniens zugleich; Ihr seyd ein Vetter des Königs Philipp und werdet der Oheim des Königs von Frankreich seyn. Euer Schwert ist von nun an von großem Gewicht in der Wagschale, in welcher Gott das Geschick der Reiche wägt… ich beschwöre dieses Schwert, so gerecht zu seyn, wie sein Herr redlich ist, so schrecklich, wie sein Herr muthig. Wird der von mir und dem Könige Philipp II. beschworene Friede von Frankreich gebrochen, so wende sich dies Schwert gegen Frankreich; wird er von Spanien gebrochen, so wende es sich gegen Spanien. Wäre die Stelle des Connétable zu besetzen, Gott ist mein Zeuge, Herzog Emanuel, ich gäbe sie dem Fürsten, der sich mit meiner Schwester vermählte; aber die Stelle ist im Besitze eines Mannes, dem ich sie entziehen müßte, der mir aber im Herzen doch treu gedient hat. Schwört Ihr mir, mit eurem Schwerte immer gerecht zu seyn?«

Emanuel streckte die Hand nach Heinrich aus und sagte:

»Bei dem treuen Herzen, das sich an meine Treue wendet, schwöre ich es.«

»Ich danke,« entgegnete Heinrich aufathmend. »Und nun, an welchem Tage soll die bis jetzt verschobene Vermählung stattfinden?«

»Am 9. Juli, Sire.«

»So schwört mir auch, daß eure Vermählung am 9. Juli stattfinde, ich mag leben oder todt seyn.«

Margarethe sah Emanuel etwas besorgt an, er aber zog ihren Kopf an sich, küßte sie auf die Stirn wie eine Schwester und sagte:

»Sire, empfangt diesen zweiten Schwur wie den ersten: Gott strafe mich gleich schwer, wenn ich den einen oder den andern breche!«

Margarethe erbleichte und schien einer Ohnmacht nahe zu seyn.

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür etwas und – das Gesicht des Dauphins zeigte sich.

»Wer kommt?« fragte Heinrich.

»Ach, mein Vater spricht!« sagte der Dauphin und eilte hinzu.

Das Gesicht Heinrichs heiterte sich auf.

»Ja, mein Sohn,« antwortete Heinrich. »Komm, ich habe Dir etwas Wichtiges zu sagen… Man lasse mich mit dem Dauphin allein.«

Emanuel und Margarethe gingen, Catharina aber blieb und fragte:

»Ich auch?«

»Ihr auch. Nach meiner Unterredung mit dem Dauphin könnt Ihr zurückkommen.«

Catharina that als wolle sie gehen, kehrte aber um, küßte dem Könige die Hand und entfernte sich dann.

»Verriegle die Thür,« sagte der König zu dem Dauphin, »und komme dann schnell wieder zu mir, denn ich fühle, daß meine Kräfte mich verlassen… Rufe die Aerzte.«

Vesalius und Paré traten hinzu.

»Habt Ihr noch von dem Mittel, das mich stärkt?« fragte der König.

»Ja,« antwortete Vesalius, »aber die Kraft, die es Euch gibt, ist nur eine scheinbare und ein Mißbrauch könnte das Leben Eurer Majestät verkürzen.«

»Es handelt sich nicht mehr um die Dauer meines Lebens; wenn ich nur dem Dauphin noch sagen kann, was ich ihm zu sagen habe, will ich gern bei dem letzten Worte sterben.«

Der Kopf des Königs sank matt zurück und Vesalius gab ihm nochmals einige Tropfen.

Es vergingen diesmal einige Secunden, ehe das Mittel wirkte, dann aber athmete der König tief und bat, daß man ihn etwas aufrichte und seinen Arm um den Nacken des Dauphin lege. So wolle er die letzte Stufe in sein Grab hinabsteigen.

Man that was der König wünschte und entfernte sich dann von der rührenden Gruppe.

»Mein Sohn,« sagte der König, »Du bist sechzehn Jahre alt, ein Mann also und ich will mit Dir wie mit einem Manne sprechen, ja wie mit einem König, denn ich zähle bereits nicht mehr. Ich habe nie aus Haß oder Bosheit, wohl aber bisweilen aus Schwachheit gefehlt…«

Franz machte eine Bewegung.

»Laß mich reden und Dir, meinem Nachfolger, beichten, damit Du die Fehler vermeidest, in die ich gefallen bin. Einer der letzten und größten war der, welchen ich auf Antrieb des Connétable und der Frau von Valentinois beging; ich hatte eine Binde auf den Augen; ich bitte Dich um Vergebung, mein Sohn.«

»Sire! Sire!«

»Dieser Fehler ist der Friede mit Spanien, den ich unterzeichnete… Eben war deine Mutter da; sie hielt mir diesen Fehler vor und wollte ihn wieder gut machen…«

»Da euer Wort gegeben ist, Sire?«

»Gut, Franz, gut! der Fehler war groß, aber mein Wort ist gegeben. Also, Franz, was man Dir auch sage, was man aufbiete – und wenn ein Weib im Alcoven Dich bäte, wenn ein Priester im Beichtstuhle Dich beschwörte, wenn Zauberei meinen Schatten kommen ließe – ändere nichts an dem unterzeichneten Vertrage und gedenke stets des Ausspruchs: »Ein König von Frankreich muß sein Wort halten.«

»Ich schwöre bei der Ehre eures Namens, mein Vater, es soll so seyn, wie Ihr es wünschet.«

»Und wenn deine Mutter in Dich dringt?«

»So sage ich ihr, ich sey euer Sohn so gut wie der ihrige.«

»Und wenn sie befiehlt?«

»So antworte ich ihr, ich sey König, ich habe Befehle zu geben, nicht zu empfangen.«

»Gut, mein Sohn… das hatte ich Dir zu sagen… Nun lebe wohl, ich fühle, daß ich schwach werde und mein Auge sich schließen will. Wiederhole mir deinen Schwur, wenn ich todt bin, damit Du gegen deinen lebenden und deinen verstorbenen Vater verpflichtet seyst. Küsse deinen Vater nun zum letzten Male. Sire, Ihr seyd König.«

Heinrich ließ sein Haupt matt auf das Kissen zurück sinken und Franz sank mit ihm nieder; dann sprach er:

»Mein Vater, ich wiederhole Euch, treu den beschworenen Frieden zu halten, wie nachtheilig er auch für Frankreich seyn möge. Ein König von Frankreich muß sein Wort halten.«

Er küßte zum letzten Male die bleichen Lippen seines Vaters und öffnete dann die Thür wiederum seiner Mutter, die steif und unbeweglich hinter derselben stand und mit Ungeduld auf die Beendigung der Unterredung wartete, der sie nicht hatte beiwohnen dürfen.

Am 9. Juli nahm Emanuel Philibert am Bette des Königs, der noch immer lebte, obgleich dies Leben kaum noch durch ein kleines Zeichen sich kund gab, feierlich die Prinzessin Margarethe zur Gemahlin im Beiseyn des ganzen Hofes.

Am andern Tage, am 10. Juli, zehn Tage nach der unseligen Verwundung, gab der König den Geist auf, ruhig, wie Vesalius es vorher gesagt hat.

Er war vierzig Jahre, drei Monate und zehn Tage alt.

An demselben Tage verließ Frau von Valentinois den Palast Tournelles, in dem sie bis zu dem letzten Hauche des Königs geblieben war, und begab sich in ihr Schloß Anet.

Denselben Abend kehrte der ganze Hof in den Louvre zurück; nur die beiden Aerzte und vier Priester blieben bei der königlichen Leiche, die Aerzte, um sie einzubalsamiren, die Priester, um bei ihr zu beten.

An dem Thore unten trafen Catharina von Medici und Maria Stuart zusammen.

Catharina wollte wie sonst voran geben, aber plötzlich blieb sie stehen, ließ Maria Stuart den Vortritt und sagte mit einem Seufzer:

»Gebt voraus, denn Ihr seyd die Königin.«

XI.
Der Vertrag erhält seine Ausführung

Heinrich II. war als echter König gestorben, der hält, was er verspricht.

Am 3. Juli 1559 wurden die Patente abgesandt, welche Emanuel Philibert seine Staaten zurückgaben, aber dadurch erbitterte er auch den ganzen Adel Frankreichs, und es fehlte wenig, daß die Franzosen in Piemont offen dem königlichen Befehle sich widersetzten. Emanuel Philibert selbst wurde noch durch Pflichten von seinem Lande fern gehalten; zunächst mußte er nach Brüssel gehen, um sich von dem Könige Philipp II. zu verabschieden und ihm die Verwaltung der Niederlande zu übergeben, die ihm anvertraut gewesen, und die nun die Schwester Philipps, Margarethe von Oestereich, Herzogin von Parma, erhielt. Dann kam Emanuel Philibert nach Paris zurück, um bei der Salbung des jungen Königs gegenwärtig zu seyn, und er erkrankte, doch konnte er bald die Reise in sein Herzogthum antreten, wohin ihm Leona voraus gegangen war, um in Oleggio am 17. November den Geliebten wieder zu sehen. Emanuel unternahm die Reise allein, und Scianca-Ferro geleitete die neue Herzogin von Rheims nach Paris zurück. In den Thälern Savoyens aber herrschte die größte Aufregung in Folge der Verfolgung der Waldenser, als Emanuel am 16. September in Vercelli ankam.

Am 17. November stieg ein Reiter, den ein großer Mantel umhüllte, an einem Häuschen in Oleggio von dem Pferde und in seine Arme sank ein Mädchen, halb ohnmächtig vor Freude.

Der Reiter war Emanuel Philibert, das Mädchen Leona.

Obgleich kaum fünf Monate vergangen, seit Emanuel Leona in Écouen verlassen hatte, war in ihr doch eine gewaltige Veränderung vorgegangen; ihre Wange erbleicht, ihr Auge traurig, ihre Stimme ernst geworden.

Auch sah Emanuel sie verwundert an und sie antwortete dem fragenden Blicke:

»Ich sehe, Du suchst den Pagen des Herzogs von Savoyen, den armen Leone.«

Emanuel seufzte.

»Der,« fuhr sie mit schwermüthigem Lächeln fort, »der ist todt und Du wirst ihn nicht wieder sehen, aber seine Schwester Leona lebt noch, und ihr hat er seine Liebe zu Dir hinterlassen.«

»Nun,« entgegnete Emanuel, »Leona ist’s ja, die ich liebe.«

»So liebe mich schnell und innig, denn mein Vater starb jung, meine Mutter starb jung und binnen eines Jahres erreiche ich das Alter meiner Mutter.«

Emanuel drückte sie an sein Herz und sagte betrübt:

»Aber was sprichst Du da, Leona?«

»Nichts Schreckliches, da ich nun weiß, daß die Todten über die Lebenden wachen dürfen.«

»Ich verstehe Dich nicht, Leona.«

»Wie viele Stunden hast Du mir zu schenken, Geliebter?« fragte diese.

»Den ganzen Tag, die ganze Nacht. Sind wir nicht überein gekommen, daß Du mir einmal im Jahre einen ganzen Tag angehörst?«

»Ja… Morgen also, was ich Dir zu sagen habe… bis dahin laß uns in der Vergangenheit leben. Ach,« setzte sie hinzu, »in der Vergangenheit ist ja meine Zukunft!«

Und sie winkte Emanuel ihr zu folgen.

Sie hatte das Häuschen gekauft und eingerichtet, war aber Allen noch unbekannt, wie die Bauern noch weniger in dem schönen jungen Manne, der in ihrem Dorfe erschien, ihren Herzog vermutheten.

Sie suchten und fanden die Stelle, an welcher vor langen Jahren die Mutter Leona’s verschmachtend gelegen hatte.

»Hier,« sagte Emanuel, »soll der heiligen Jungfrau eine Capelle erbaut werden.«

»Der Schmerzensmutter,« fiel Leona ein.

Und sie wanderten weiter umher. Da plötzlich drückte Emanuel die Geliebte an sein Herz und sprach:

»Du warst der sichtbare Engel, der auf rauhen Wegen mir folgte und vor fünfundzwanzig Jahren mich von diesem Punkte, von dem ich ausging, zu ihm zurückgeführt hat.«

»Und ich schwöre Dir, geliebter Herzog, auch in der Welt der Geister mein Amt, das mir Gott gegeben, fortzuführen.«

Emanuel sah das Mädchen verwundert an, das schon jetzt mehr einem Schatten glich, senkte den Kopf und seufzte.

»Verstehst Du mich endlich?« fragte Leona. »Da ich nicht dein seyn, in dieser Welt nicht bleiben konnte, durfte ich nur noch Gott angehören.«

»Leona! Leona! Das war es nicht, was Du mir in Brüssel und Écouen versprachst!«

»Ich halte mehr noch, als ich Dir versprach, mein geliebter Herzog: ich hatte Dir versprochen, einmal im Jahre Dich wiederzusehen und dein zu seyn; ich finde, daß das nicht genug ist und habe Gott gebeten, mich bald sterben zu lassen, um gar nicht mehr von Dir zu weichen.«

Emanuel erbebte, als habe der Fittig des Todesengels ihn berührt.

»Sterben?« sagte er. »Weißt Du denn, was jenseits des Lebens ist?«

Leona lächelte und antwortete:

»Ich bin nicht in das Grab gestiegen wie Dante, aber ein Engel ist aus ihm herausgestiegen und hat mit mir über Tod und Leben gesprochen.«

»Mein Gott,« fragte Emanuel bestürzt, »bist Du bei Sinnen?«

Leona lächelte heiter und ruhig.

»Ich habe meine Mutter gesehen,« sagte sie.

»Deine Mutter? Wann?«

»In der letzten Nacht, an meinem Bett, und sie sprach mit mir.«

»So sage mir, was Du sahst und was geschahe.«

»Seit ich Dich verlassen habe, träumte ich jede Nacht von den beiden Wesen, die ich allein in der Welt geliebt habe, von Dir und meiner Mutter, aber in der letzten Nacht war es kein Traum. Mich weckte aus dem Schlafe ein Gefühl von Kälte; ich schlug die Augen auf und an meinem Bett stand eine weibliche Gestalt, weiß gekleidet und verschleiert. Sie hatte mich auf die Stirn geküßt. Ich wollte schreien; da schlug sie den Schleier zurück und ich erkannte meine Mutter. Ich breitete die Arme nach ihr aus, aber sie winkte mir und meine Arme sanken zurück. »Mutter!« flüsterte ich. »Nicht zum ersten Male, mein Kind,« sagte sie zu mir, »erlaubt mir Gott nach meinem Tode Dich zu sehen; oft hast Du in deinem Schlafe meine Nähe fühlen müssen, denn oft erschien ich, um Dich zu betrachten, aber zum ersten Male gestattet mir Gott, daß ich sprechen darf. Wegen des weißen Kreuzes Savoyens, dem Du deine Liebe geopfert hast, verzeiht Dir Gott nicht nur, sondern er gestattet Dir, daß Du bei jeder großen Gefahr, die dem Herzoge drohet, ihn warnest… Morgen, wenn er Dich besucht, sage ihm, welches Amt der Herr Dir übertragen, und wenn er zweifelt, theile ihm mit, daß in der Stunde, in welcher er an der Stelle, wo er mich fand, erklären wird, er wolle eine Capelle da erbauen, ein Vogel sich auf die Weiden setzt und singt und Scianca-Ferro in Vercelli mit einem Briefe der Herzogin Margarethe erscheint. Dann wird er wohl glauben müssen… Lebe wohl, mein Kind, Du wirst mich wiedersehen wenn es Zeit ist.« Und die Gestalt verschwand.

Kaum hatte Leona ausgesprochen, so kam ein Vogel, den Beide nicht kannten, geflogen, setzte sich auf den Baume und sang – Leona lächelte und sprach:

»Siehst Du? In demselben Augenblicke kommt auch Scianca-Ferro in Vercelli an, wo Du ihn morgen finden wirst.«

»Wenn das, was Du mir sagst, geschieht, so ist es allerdings ein Wunder,« antwortete Emanuel.

»Und Du glaubst?

»Ja.«

»Nun bin ich zufrieden. . . Komm hinein in das Haus.«

Am andern Tage als Emanuel nach Vercelli zurückkam, traf er da Scianca-Ferro, der auf ihn wartete. Er war genau zu der Zeit angelangt, die Leona angegeben, er brachte einen Brief von Margarethe.

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10 aralık 2019
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