Kitabı oku: «Der Secretair der Marquise Du-Deffand», sayfa 12
Neuntes Kapitel
Ich hatte versprochen, Frau von Parabère zu begleiten, und außerdem, ich muß es gestehen, empfand ich selbst eine große Lust dazu. Ich ließ mich also nicht bitten, ihr zu folgen. Cauche, der Vertraute im Palais-Royal, meldete uns an. Der Fürst ließ uns unmittelbar darauf eintreten. Ich las auf seinem Gesichte die Ueberraschung, die er bei meinem Anblicke empfand. Dessenungeachtet empfing er mich freundlich, und bat mich sehr artig, daß ich mich setzen möge.
– Gnädiger Herr, sagte die Marquise heftig, der Graf von Horn befindet sich in der Conciergerie.
. – Ich weiß es; er hat in der Straße Quincampoix einen Menschen ermordet.
– Sagen Sie vielmehr, daß er eine ihm zugefügte Beleidigung gerächt hat.
– Sie sind schlecht unterrichtet, Madame; er hat einen Wucherer, der große Summen bei sich trug, ermordet und »bestohlen«. Ein piemontesischer Abenteurer, der sich Chevalier von Milhn nennt und der Bruder eines Stallmeisters der Prinzessin von Carignan ist, hat ihm geholfen.
– Mein Herr, das ist nicht wahr! Sie wissen es, und doch wiederholen Sie es. Das ist abscheulich!
– Ich sage die Wahrheit.
– Es ist nicht die Wahrheit. Hören Sie die Wahrheit: Der Graf von Horn hatte einem Juden viel Geld anvertraut. Um dieses Geld zurückzufordern, suchte er den Juden in einem Wirthshause auf, das er zu besuchen pflegte. Der Jude weigerte sich, es zurückzugeben. Herr von Horn, sehr heftig, überschüttete ihn mit Beleidigungen, und dieser Elende hat Hand an ihn gelegt. Da, mein Herr, hat er gethan, was jeder gute Edelmann gethan haben würde, was Sie selbst gethan haben würden – er hat ihm den Degen durch den Leib gestoßen.
– Ihr Bericht ist eine Fabel.
– Wie?
– Ich habe den officiellen Bericht, der Graf hat gestanden, und das Portefeuille ist bei seinem Genossen vorgefunden. Hundert Zeugen haben es dargethan.
– Was beabsichtigen Sie zu thun?
– Die Sache wird ihren Gang gehen. Das Parlament entscheidet. Man ermordet die Unterthanen des Königs nicht ungestraft.
– Wie, einer Ihrer Verwandten? Ein Fremder? Ein Prinz? Sie wissen, daß er nicht bei vollem Verstande ist, daß die Narrheit in der Familie fast erblich geworden.
– Ich habe ihn nur für vernarrt in Sie gehalten, Madame, und dies ist eine Narrheit, die wir Alle mit ihm theilen,
– Mein Herr, Sie stehen im Begriffe, eine schlechte Handlung zu begehen, eine Unwürdigkeit gegen sich selbst. Ueberlegen Sie wohl!
– Sie sind für meinen Ruhm sehr besorgt, Madame!
– Und wenn nun diese Verleumdungen Glauben finden, wenn die Richter ihn für schuldig erklären?
– So werden sie ihn verurtheilen.
– Und… wozu?
– Ohne Zweifel zum Tode!
Die Marquise stieß einen Schrei aus.
Ich zitterte am ganzen Körper.
– Zum Tode! O dieser unglückliche junge Mann! Dieser Unsinnige, der fast noch ein Kind ist! Ach, Sie werden ihn nicht sterben lassen, Sie werden ihn begnadigen!
– Der König kann es.
– Und Sie sind der König. Nun bin ich ruhig.
– Aber ich müßte mich rächen. Ihr beharrliches Bitten verräth, daß Sie ihn lieben.
– Und wenn ich ihn nun liebte? rief sie heftig. Wäre dies nicht für Sie ein Grund mehr, mein gnädigster Herr, ihm Gerechtigkeit angedeihen zu lassen? Ein so großer Fürst wie Sie, rächt sich nicht durch einen Verrath. Sie fürchten sich, Blut zu vergießen – Sie werden nicht wollen, daß das seinige vergossen werde.
In diesem Augenblicke kündigte man den Herzog von Saint-Simon an.
– Ah, rief die Marquise, indem sie ihm entgegenlief, da kommt mir eine Hilfe!
Herr von Saint-Simon grüßte ernst, denn er war der Ernst, die Wichtigkeit und die Arglist in Person. Er glich seinen Memoiren, die wir gelesen haben, und die eine der schönsten Schriften über jenes Jahrhundert sind. Ueberaus streng in seinen Sitten, hatte er für Nichts Nachsicht, und am wenigsten für die Galanterie, Alle Maitreffen des Regenten haßten ihn, und es bedurfte des ganzen Ernstes der obwaltenden Verhältnisse, um Frau von Parabère abzuhalten, daß sie ihm Verachtung für Verachtung zurückgab.
– Sie kommen wegen des Grafen Horn, sagte sie… nicht wahr, mein Herr?
– Diese unglückliche Geschichte führt mich wirklich hierher, Madame. Bevor ich nach der Festung abgehe, wie um diese Zeit meine Gewohnheit ist, komme ich, um von dem Herrn Regenten Abschied zu nehmen und ihn an das verwandtschaftliche Band zu erinnern, das Madame und das Haus Horn verbindet.
– Ich weiß das.
– Sie werden nicht zugeben, mein Herr, daß der Graf von Horn entehrt werde; Sie werden mir Ihr Wort geben, daß weder die Bitten Ihrer Vertrauten, noch sonst eine persönliche Rücksicht Sie veranlassen, die Augen über dem zu schließen, was vorgehen muß. Ich werde nicht ruhig abreisen können, wenn ich nicht Ihr Ehrenwort mit mir nehme. Bedenken Sie, daß die Strafe dieses jungen Mannes die Wappen aller Häuser von Europa befleckt, und das Ihrige zunächst.
– Wir sind soweit noch nicht,
– Das Parlament hält seine Schlußsitzung, und es ist im Stande, bis zum Rade zu gehen.
– Bis zum Rade! der Graf Horn auf dem Rade! Wenn der Herr Regent diese Abscheulichkeit duldet, so müssen ihn alle Fürsten ächten!
Die Lippen des Regenten umspielte ein bitteres Lächeln.
– Ich bin erfreut, zu sehen, wie Sie Ihre Freunde vertheidigen, Madame, sagte er. Und Sie, mein Herr, reisen Sie ruhig ab; Ihr Protege hat gute Advokaten, Sie sehen es ja. Wird seine Unschuld dargethan, so werden wir uns Alle dazu Glück wünschen. Soupiren Sie nicht mit uns, Marquise? Und Sie, Madame, wollen Sie nicht unser Gast sein?
Diese Einladung ward in einem Tone gesprochen, daß sie mehr einer Entlassung glich. Frau von Parabère hatte keine Lust, sie anzunehmen, und ich noch viel weniger. Wir verbeugten uns, oder richtig gesagt, ich verbeugte mich, und dann gingen wir. In ihrer Wohnung angekommen, rief sie eine bretagnische Frau, die in ihren Diensten stand. Diese Frau hing mit einer Liebe an ihr, daß sie sich für ihre Herrin hätte hängen lassen.
– Hier sind fünfundzwanzig Louisd'or, sagte sie; gehen Sie zu dem Schließer der Conciergerie, und geben Sie ihm das Geld, damit er dem Grafen von Horn ein Billet einhändige.
In diesem Briefe beruhigte sie den Gefangenen und kündigte ihm an, daß der Regent ihr sein Wort gegeben habe, und daß ihm nichts Böses widerfahren solle.
Auf diesen Brief antwortete der Unbesonnene: ihm sei Alles gleich, er verlange Nichts von ihr, und liebe sie nicht mehr, weil sie seine Verzeihung von einem Andern erbeten habe.
Die Verliebten sind die thörichtsten Menschen, die es auf der Welt giebt.
Dieser unglückliche Prozeß ward vor dem Parlamente fortgesetzt; man wandte alle nur möglichen Mittel an; der Adel empörte sich, denn man konnte den Gedanken seiner Verurtheilung nicht ertragen. Der Graf gestand den Mord ein und vertheidigte sich wie ein Mörder, während der Chevalier Milhn im Gegentheil darauf beharrte, daß sie gemeinschaftlich den Juden getötet, nachdem sie ihn hinterlistig aufgelauert, und daß sie den Inhalt des Portefeuilles unter sich getheilt hätten.
Dies Alles, mit Hilfe geheimer Einflüsse – Gott möge es dem Regenten wie seinen würdigen Rathgebern verzeihen – machte auf die Richter einen Übeln Eindruck. Nach vielen Debatten und endlosen Berathungen ward der Graf Anton von Horn des Diebstahls und des Mordes für schuldig erkannt und zur Todesstrafe durch das Rad verurtheilt.
Ein Schrei der tiefsten Indignation durchzuckte ganz Paris. Die großen Häuser von Frankreich, die Eltern und Verwandten des Angeklagten waren zuvor in dem
Justizpalaste gewesen, um die Richter zu begrüßen. Als das Urtheil gesprochen war, hatten sie eine neue Zusammenkunft gehalten. Man fertigte eine neue Bittschrift an, die von aller Welt, von Männern und Frauen unterzeichnet, und dem Regenten officiell in seinem Palais- Royal überreicht ward.
Am Morgen dieses Tages hatten der Fürst und die Marquise eine stürmische Unterredung. Sie hatte ihm ein neues Versprechen entrissen: das Leben des Grafen sollte unter der Bedingung verschont bleiben, daß er dem Regenten niemals wieder unter die Augen käme, daß er weder direct noch indirect in eine Beziehung zu ihm träte. Während des Tages blieb der Cardinal mehrere Stunden bei seinem Zögling, wo sein Meister, als die Deputation erschien, ihn kalt und unbeweglich fand. Trotz aller Bitten war die Verzeihung für den Grafen nicht zu erhalten.
– Der Graf von Horn ist wahnsinnig, sagte Herr von Crequy.
– Dann ist er ein gefährlicher Wahnsinniger, mein Herr, dessen sich die Welt bei Gelegenheit entledigen muß.
– Aber die Schmach, mein gnädigster Herr, die Schmach für alle unsere Familien!
– Ich theile sie mit Ihnen, meine Herren.
– Er hat die Ehre, mit Ew. Hoheit von einem und demselben Geblüt zu sein; Madame ist mit dem Hause Horn nahe verwandt.
– Wenn ich schlechtes Blut habe, so lasse ich es mir ab. Mir steht nur das Recht zu, über die Todesart zu entscheiden. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß er nicht auf den Grèveplatz gehen wird. Es soll im Hofe der Conciergerie ein Schaffot erbauet werden – wenn man ihn dort enthauptet, bleibt uns die Schande seiner Strafe erspart. Der Befehl zur Milderung der Strafe soll morgen an den Generalprocurator abgehen, ich verspreche es Ihnen.
Zehntes Kapitel
Nocé, der der Frau von Parabère zugethan war, benachrichtigte sie von dem, was sich ereignet hatte.
– Dubois und Law, die für ihr hündisches System fürchten, sorgen dafür, daß der Regent sich nicht erweichen läßt. Ihr beharrliches Dringen, verbunden mit seinen geheimen Beweggründen, werden ihm eine ungewöhnliche Festigkeit geben, fügte er hinzu. Der Graf muß sterben. Ihnen bleibt nur ein Mittel, und ich an Ihrer Stelle würde es anwenden. Lassen Sie den Grafen entfliehen.
Dieser Rathschlag war vielleicht der beste; aber man hätte früher daran denken müssen. Wer konnte indeß voraussehen, was kommen würde? Ich blieb bei der Marquise und verließ sie nur selten. Die arme Frau jammerte mich, ich vergaß darüber Larnage und seine gestirnten Nächte. Sie schlug mir vor, ich möge sie in die Conciergerie begleiten, denn sie selbst mußte dahin gehen, um den Schließer durch ihre unwiderstehliche Schönheit und durch ihre Thränen zu verleiten. Ich konnte es ihr nicht abschlagen, da ich noch nicht so alt war, um klug zu handeln. Wir verkleideten uns, füllten unsere Taschen mit Gold, und suchten vor einem Spielhause einen Fiacre auf. Die Bretagnerin, die den Schließer schon kannte, begleitete uns der Kutscher sagte uns Dummheiten, denn er hielt uns für Nachtläuferinnen.
Um ihn zu beruhigen und uns Respect zu verschaffen, wollte ihm Frau von Parabère einen Louisd'or geben; die Kammerfrau war so verständig, sie daran zu hindern, denn er würde uns vielleicht ermordet haben, wenn er gesehen hätte, daß wir so wohl versorgt waren. Ich verhehlte mir die Gefahr nicht, sie war in jeder Beziehung groß: wären wir erkannt, so würden wir dem Grafen Unrecht gethan haben, denn die Eifersucht des Regenten hätte uns diesen tollen Streich nicht verziehen. Wie in aller Welt war er zu dieser Eifersucht gekommen, er, der nie eifersüchtig gewesen? Der Mann ist doch ein bizarres Geschöpf!
Der Schließer empfing uns in einem kleinen, finstern Zimmer, das von einem rauchenden Lichte erhellt ward. Eine Nässe fiel auf unsern Rücken wie ein eisiger Mantel.
Ich zitterte am ganzen Körper.
Frau von Parabère befand sich in einem fieberhaften Zustande,
Der Schließer ließ sie ihre Anrede nicht vollenden, wenn das, was sie sprach, eine Anrede war; mit geschlossenen Augen wies er das Gold zurück, das sie ihm handvoll zeigte. Der gute Mann hatte große Lust, es anzunehmen, aber die Unmöglichkeit hinderte ihn daran.
– Das Gefängniß ist rings von einer starken Wache besetzt, Madame. Man lauscht und beobachtet dergestalt, daß ich nicht allein in eine Zelle zu gehen wage. Ich habe tausend Kunstgriffe anwenden müssen, um dem Gefangenen Ihren Brief zu übergeben und seine Antwort in Empfang zu nehmen. Glauben Sie mir, Madame, ich kann nicht einmal den Versuch wagen.
Frau von Parabère brach in Thränen aus. Auf einer schlechten Holzbank sitzend und mit groben Kleidern bekleidet, war sie schöner als je. Ihre Thränen glichen Perlen. Der Schließer ward davon gerührt.
– Madame, sagte er, glauben Sie mir: Sie thun besser, wenn Sie dieses Geld dem Henker von Paris geben, damit er den armen Grafen nicht so lange leiden läßt. Ich fürchte. Sie können in dieser Welt Nichts mehr für ihn thun – die Gebete sind für die andere Welt.
Die Marquise schluchzte laut.
– Mein Herr, mein Herr, rief sie, lassen Sie mich ihn wenigstens zum letzten Male sehen! Nehmen Sie mein Gold, nehmen Sie Alles, was Sie wollen!
– Mit der Erlaubniß des Herrn Regenten, oder des Herrn Generalprocurators, ja; anders ist es mir unmöglich.
– Mein Gott, er wird sterben, indem er mich anklagt!
– Schreiben Sie ihm, setzen Sie ihm die Sache auseinander, wie sie ist – er wird es begreiflich finden.
– Nein, er liebt mich zu sehr, er wird Nichts davon begreifen!
Ich bot ihr Feder und Dinte. Sie schrieb einige kaum leserliche Zeilen, ihre Thränen benetzten das Papier. Der Schließer trieb uns zur Eile an, er mußte sich entfernen, um eine Runde zu machen. Andernfalls hätten wir uns compromittirt. Es war wirklich Zeit. Bevor wir unsern Fiacre erreichten, wurden wir durch eine Nachtwache aufgehalten, die ein Officier vorbeiführte.
Das unglückliche Geschöpf befand sich in einem solchen Zustande, daß ich es nicht verlassen konnte. Ich ließ mir in dem Zimmer der Marquise ein Bett zurecht machen. Erschöpft von krampfhaftem Schluchzen und Weinen schlief sie gegen Morgen ein. Auch ich bedurfte des Schlafes, ich bekenne es ich schlief mit ihr ein.
Gegen neun Uhr stürzte die Bretagnerin in das Zimmer; sie sank vor ihrer Herrin auf die Knie, und stieß ein gräßliches Geschrei aus.
– Was giebt es? Was giebt es denn? fragten wir erschreckt.
– Ach, Madame, es ist gräßlich!
– So rede!
– Der Herr Graf von Horn…
– Um Gottes willen!
– Man hat ihn auf das Rad geschleppt!
– Auf das Rad? Großer Gott!
– Ja, auf das Rad! Ich komme von dem Grèveplatze, ich habe ihn gesehen, ich habe sein Gesicht und seine Glieder gesehen! Ach, wie er leidet!
Die Marquise stieß einen Schrei aus, den ich jetzt noch höre. Sie sprang aus dem Bette, öffnete alle ihre Schränke und zog daraus hervor, was ihr in die Hand fiel.
– Geh', schnell, geh', er leidet! Ich erinnere mich des Rathes, den jener Mann mir gestern gab. Er kannte ohne Zweifel diese abscheuliche Treulosigkeit. O mein Gott, und ich schlief! Ach, ich bin feig! Trage Alles zu dem Henker, daß er den Todeskampf endige – ich beschwöre Dich! Nimm meine Carosse, nimm Alles, was Du willst, aber beeile ich! Ich werde zu dem Regenten gehen, und…
– Madame, bedenken Sie…
– Was soll ich bedenken, Madame? Ich kann nur an Den denken, der stirbt, und an Den, der ihn getödtet hat. Einen Trauerschleier – gleichviel, was es ist – ich will Nichts, wenn man Nichts findet! Ich gehe!
Halb angekleidet, mit fliegenden Haaren, und mit herabhängenden Strümpfen eilte sie der Treppe zu und verschwand in einem Augenblicke. Im Hofe traf sie den Wagen eines ihrer Pächter, der gekommen war, um mit ihrem Intendanten zu verhandeln, Sie sprang in diesen Wagen, und ließ sich nach dem Palais-Royal. fahren.
Man verweigerte ihr den Zutritt zu dem Regenten, da die Thür geschlossen war. Sie klopfte so heftig an, und warf den Zimmer-Huissier, der ihr den Weg vertrat, so gewaltig zurück, daß sie endlich Eintritt erlangte.
Der Abbé Dubois arbeitete mit dem Regenten.
– Gehen Sie hinaus, mein Herr! sagte sie zu ihm, wie zu einem Laquais.
– Ich erwarte den Befehl des gnädigen Herrn, Madame!
– Befehlen Sie diesem Menschen, daß er hinausgeht, mein Herr, oder ich öffne die Fenster dieses Zimmers und rufe von dem Balcon hinab, was hier vorgeht und was der Regent von Frankreich eigentlich ist.
– Ich verlasse Sie, mein gnädigster Herr, denn die Scene wird stürmisch! flüsterte leise der Cardinal.
Der Regent runzelte die Stirn. Er wäre lieber gegangen, als sein Minister. Bis so weit erstreckte sich seine Festigkeit nicht.
– Mein Herr, fuhr heftig die Marquise fort, glauben Sie, daß ein Fürst nicht dieselben Pflichten zu erfüllen hat, wie ein Edelmann?
– Was wollen Sie sagen, Madame?
– Ich will sagen, daß ein Edelmann sein Wort nicht bricht, ohne sich zu entehren, und Sie, Philipp von Orleans, erster Prinz von Geblüt und Regent des Königreichs, Sie haben zweimal Ihr Wort gebrochen!
– Madame!
– Sie sind ein Feiger, ein Elender, mein Herr! Als mir die Marquise diese Scene erzählte, überlief ein kalter Schauder meine Haut.
Der Zorn stieg in dem Regenten auf, aber er mäßigte sich, denn er fühlte sich schuldig.
– Mäßigen Sie Ihre Worte, Madame! sagte er verweisend.
– Nein, ich werde mich nicht mäßigen, und Sie werden mich hören. Sie haben Ihr Wort gebrochen, das Sie mir gegeben, und obgleich ich nur eine Frau bin, so ist dies ein Meineid! Sie haben Ihr Wort gebrochen, das Sie dem Adel gegeben; weder der Adel noch ich werden es vergessen. Sie haben einen Unschuldigen getödtet, Sie haben seine Familie und die Ihrige entehrt, Sie haben sich im Kothe gewälzt!
– Madame, haben Sie nicht auch das Ihrige gebrochen? Hatten Sie nicht versprochen, jede Verbindung mit dem Gefangenen abzubrechen? Haben Sie ihm nicht geschrieben? Hier sind Ihre Briefe! Haben Sie nicht versucht, ihn entfliehen zu lassen? Ich habe auf Ihren Meineid durch einen andern geantwortet. Vielleicht habe ich Unrecht, aber Sie theilen dieses Unrecht. Ohne Sie hätte ich ihn gerettet; ohne Sie, und ohne die Beweise, die man mir diese Nacht gebracht und die mir den Befehl, den ich bedauere erlassen zu haben, entrissen, hätte er diese Strafe nicht erlitten Es ist zu spät!
– Mein Herr! Mein Herr! rief die Marquise, außer sich vor Wuth. Es ist nicht zu spät, Sie können ihn noch retten, und Sie werden ihn retten!
Man klopfte an die Thür. Auf den Befehl des Regenten, der erfreut war, daß diese Scene unterbrochen wurde, trat ein Palast-Officier ein.
Elftes Kapitel
– Was giebt es, mein Herr? fragte der Fürst.
– Gnädigster Herr, der Polizeilieutenant läßt Ew. Hoheit melden, daß alle die Personen, die sich beehrten, Ihnen ein Bittschreiben zu überreichen, auf dem Grèveplatze in großer Trauer und schwarz behangenen Wagen angekommen sind, daß sie schweigend der Hinrichtung des Grafen von Horn beiwohnten, und nun erwarten, man löse seinen Körper vom Rade, damit sie ihn mit sich nehmen und ihm die letzte Ehre erweisen können. Was befiehlt mein gnädigster Herr?
– Ist der Graf todt?
– Ja, gnädigster Herr. Bevor man ihn neben den Chevalier Milhn auf das Rad flocht, hat er die Tortur erlitten.
Als Frau von Parabère diese Worte hörte, sank sie halbtodt auf ein Sopha, und stieß ein klagendes Gewimmer aus, ohne sich um den Officier zu kümmern.
– Man gebe seinen Körper den Verwandten, sie mögen damit machen, was sie wollen.
Die Marquise sank in sich zusammen und bedeckte das Gesicht mit ihren langen Haaren.
Als der Officier sich entfernt hatte, sah sie um sich. Ihre Züge waren bleich und verstört, aber sie hatten dabei einen so stolzen Ausdruck, daß der Regent unwillkürlich die Augen zu Boden schlug.
– Sie haben gehört, mein Herr Regent, was man soeben gesagt hat. Der ganze Adel von Frankreich befindet sich auf dem Grèveplatze; er protestirt durch seine Gegenwart, durch sein Schweigen selbst, Angesichts des Volks, gegen die Treulosigkeit des Regenten von Frankreich und verlangt deshalb Gerechtigkeit.
Der Herzog von Orleans wich vor ihr zurück, denn ihre Augen schossen Flammenblicke; sie schien die Gerechtigkeit in Person zu sein.
– Sie haben den Grafen von Horn getödtet, weil ich ihn liebte. Ja, mein Herr, ich liebte ihn, ich liebe ihn noch, ich liebe ihn mehr als je, jetzt, da er todt ist, jetzt, wo Sie das Maß meiner Schande gehäuft, wo Sie meinen Namen mit einem blutigen Flecken gebrandmarkt haben. Ich werde Ihnen verzeihen. – Hören Sie?
– Sie irren, Madame; meine Eifersucht hat meinen Willen nicht irre geleitet. Wenn der Graf von Horn unbestraft geblieben wäre, so hätte man dadurch ein System…
– Sagen Sie das Andern, aber nicht mir, mein Herr! Sie wagen es, mir so etwas in das Gesicht zu sagen? O, ich werde gehen, ich werde diesen Hof verlassen Ich will nicht länger einem Edelmanne ohne Treu und Glauben angehören!
Hierauf hatte der Regent nicht gerechnet. Eine so tragische Entwickelung hatte er nicht erwartet, denn gewöhnlich lief keine Sache im Palais-Royal tragisch aus. Gedrängt von Law und Dubois, hatte er sich eines Nebenbuhlers entledigt, der Rache und Grausamkeit war er unfähig. Jetzt bereuete er, was er gethan. Er hatte die Sache nicht so ernst angesehen. Die Verzweiflung und die Drohungen der Marquise zeigten ihm, was er gewöhnlich nicht sehen wollte, und darum wandte er sich ab.
– Ich werde nicht bleiben! wiederholte sie. Ihre Orgien und Ihre Lustbarkeiten widern mich jetzt an. Ich verachte, ich hasse Sie! Ich werde mich in irgend einem Kloster verbergen, und nie soll man mehr von mir hören.
– Eine ewige Verzweiflung, Marquise! Das wäre zu lange für einen so reizenden Kopf. Diese schönen Augen können nicht immer weinen.
Er nahm zum Scherze und zur Galanterie seine Zuflucht, zu den gewöhnlichen Waffen in diesen kleinen Kämpfen. Aber diesmal ward er besiegt. Sie warf ihm einen stolzen Blick zu, dann verließ sie das Kabinet, indem sie geringschätzend sagte:
– Sie dauern mich!
Sie kam in einem fürchterlichen Zustande zurück. Eine Krankheit von sechs Monaten hätte sie nicht mehr verändern können. Ich war aufgestanden und hatte mich angekleidet, da ich ihretwegen besorgt war.
– Kommen Sie, kommen Sie! sagte sie. Ich will ihn noch einmal sehen.
Und ohne mir Zeit zur Antwort zu lassen, zog sie mich mit sich fort, die Treppe hinab, stieß mich in den Wagen des Pächters, der ein solches Fest nicht vermuthete, setzte sich neben mich, und rief dem Kutscher zu:
– Nach dem Grèveplatze!
Ich würde Nichts davon verstanden haben, wenn sie mich nicht nach einem Orte geführt Härte, wohin zu gehen ich durchaus keine Neigung hatte, und wo vielleicht eine öffentliche Scene stattfinden würde, die ich vermeiden wollte. So ruhig als möglich machte ich ihr darüber Vorstellungen.
Sie antwortete mir:
– Lassen Sie! Lassen Sie! Sie werden dort gute Gesellschaft finden.
Dann sank sie in den Fond des Wagens zurück, verhüllte ihr Gesicht mit dem Schnupftuche und begann zu schluchzen. Ich hätte sie eines so wahren und so tiefen Schmerzes nicht für fähig gehalten. Ich muß bekennen, daß ich sie nicht begriff, und daß mir dieser Schmerzensausbruch wegen eines Geliebten, den sie nicht anerkennen durfte, sehr unzeitig erschien.
Wir kamen nur langsam weiter, da eine große Volksmenge die Straßen erfüllte. Je näher dem Grèveplatze, je mehr häuften sich die Schwierigkeiten. Endlich bemerkten wir den Platz und das Hochgericht, Die Marquise steckte den Kopf aus dem Wagen, um zu sehen. Ihre Thränen waren verschwunden.
Als die berittenen Soldaten, die Wache hielten, den Wagen des Pächters sahen, warfen sie sich den Pferden entgegen, um uns zu hindern, weiter vorzudringen. Sie riefen dem Kutscher zu, einen andern Weg einzuschlagen. Der Kutscher blieb unbeweglich auf seinem Sitze, denn er hatte noch nie eine solche Ceremonie gesehen, und wußte nicht, was geschehen sollte. Frau von Parabère rief ihm zu, daß er den Weg fortsetzen solle. Die Soldaten lachten und antworteten, daß die Familie des Grafen allein das Recht habe, sich zu nähern, und daß ein Steuereinnehmer augenscheinlich bei der Familie Horn Nichts zu thun habe.
– Man lasse sie, sagte einer derselben; es ist das Haus des Juden, den sie ermordet haben; es kommt, um sich das Ragout des Opfers zu holen.
Die Marquise hörte diese Worte. Rasch wie der Gedanke erhob sie sich, und rief der Menge zu:
– Ich bin die Marquise von Parabère, macht mir Platz!
– Die Maitresse des Regenten! riefen einige Stimmen.
– Ja, die Maitresse des Regenten, und deshalb muß man mir Platz machen.
Es erfolgte keine Antwort; schweigend traten sie zurück.
Ihr schönes, durch den Schmerz verwirrtes Gesicht, ihre zerzausten Haare, ihre unordentliche Toilette, ihre von Thränen geschwollenen Augen verriethen diesen Leuten eine Verzweiflung, die in allen Lagen Achtung auferlegt, selbst mit der Schande.
Nie werde ich vergessen, was ich nun sah. Meine Augen haben dieses Bild meinem Gedächtnisse tief eingeprägt. Es war ein seltsames, schreckliches Schauspiel.
Der Grèveplatz war dergestalt mit Menschen angefüllt, daß kein Apfel zur Erde fallen konnte.
Die Stadtsoldaten mit ihren Partisanen umgaben oder bewachten das Schaffot, auf dem sich der Chevalier von Milhn noch wand und krümmte, indem er laut den armen Grafen, der ihn nicht mehr hörte, um Verzeihung bat; er klagte sich zugleich an, der einzige Thäter dieses räuberischen Ueberfalls zu sein.
Die Menge war bewegt, und murrte selbst; aber Alles dies erweckte den Unschuldigen nicht wieder zum Leben.
Die Fenster, selbst die Dächer waren mit Neugierigen angefüllt, die einen Prinzen des heiligen Reichs, dessen Name und Unschuld ihn nicht vertheidigt hatten, auf dem Rade leiden und sterben sehen wollten.
Und nun diese behangenen Carossen mit den Wappen des ganzen hohen Adels, in denen die vornehmsten Herren Europas saßen, in tiefer Trauer, ernst und still, protestirend durch ihr Erscheinen, protestirend gegen den Treuebruch eines regierenden Fürsten. Alle diese Wagen folgten dem des Marquis von Crequiy, auf den man den' Körper des Grasen von Horn mit allen Ehrenbezeigungen legte, um ihn nach einem erleuchteten Trauergerüste zu bringen, das im Hotel Crequiy errichtet war, und wo er sechs Tage auf einem Paradebette ausgestellt blieb.
Ach, und außerdem hatte ich diese Frau neben mir, die weder ihre Thränen, noch ihre Trauer verbarg, die laut schluchzte und den, Adel folgte, der sie verstoßen hatte, obgleich sie ihm angehörte.
Mir wollte das Herz zerspringen. Ich war so ergriffen, daß ich nicht weinen konnte, daß ich stumm und unbeweglich blieb.
Wir waren die Letzten in dem Zuge. Als wir an dem Schaffotte vorüberfuhren, sahen wir eine große Blutlache, die den Platz bezeichnete, den der Unglückliche eingenommen hatte. Bei diesem Anblicke konnte sich Frau von Parabère nicht länger halten – sie stieß einen Schrei aus, und sank ohne Bewußtsein zurück.,
Ich gab rasch Befehl, auf einem Umwege zurückzukehren, damit wir dem Anblicke dieser Schreckensscene entzogen würden.