Kitabı oku: «Der Wolfsführer», sayfa 5
IV
Der schwarze Wolf
Thibault ließ sein erstes Geschäft darin bestehen, daß er sich Etwas zu Gemüthe führte, denn er war sehr erschöpft.
Der Tag war ereignißreich, und unter seinen Ereignissen waren mehrere von der Art gewesen, daß er wohl einen langen Magen davon bekommen konnte.
Sein Abendbrod war bei Weitem nicht so schmackhaft, als er sich bei seiner Jagd auf den Damhirsch gelobt hatte.
Aber der Damhirsch hatte sich, wie wir bereits erzählt, von Thibault nicht erlegen lassen, und so mußte der schreckliche Heißhunger, der den unglücklichen Wilderer quälte, seinem schwarzen Brod den Damhirschgeschmack verleihen.
Kaum hatte dieses äußerst bescheidene Mahl begonnen, als Thibault bemerkte, daß seine Ziege – wir glauben gesagt zu haben, daß er eine Ziege besaß – ganz verzweifelt blöckte.
Er dachte, daß sie ebenfalls nach einem Abendbrod verlange, holte also unter dem Schirmdach einen Armvoll frisches Gras und wollte es ihr bringen.
Als er das Stallthürchen öffnete, sprang die Ziege so heftig heraus, daß sie ihren Herrn beinahe umgeworfen hätte.
Sodann jagte sie, ohne das Futter zu berühren, das Thibault ihr brachte, ins Haus.
Thibault warf seinen Vorrath zur Erde und fing das Thier ein, um es in seine Wohnung zurück zubringen. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Er mußte Gewalt anwenden, und auch der Gewalt setzte das arme Thier die ganze Widerstandskraft entgegen, deren eine Ziege fähig ist, indem es sich auf seine Hinterbeine stemmte, während der Holzschuhmacher es an den Hörnern zerrte.
Nach langem Kampf gab sich die Ziege endlich überwunden und ging in ihren Stall zurück.
Aber obschon Thibault ihr mehr als genug Futter dagelassen hatte, stieß sie fortwährend klägliche Töne aus.
Voll Ungeduld und Aerger stand der Holzschuhmacher zum zweiten Male von seinem Tische auf und öffnete den Stall von Neuem, aber so behutsam, daß die Ziege nicht ausreißen konnte.
Dann tappte er mit seinen Händen in allen Ecken und Winkeln umher, um der Ursache dieser Beängstigung auf den Grund zu kommen.
Auf einmal geriethen seine Finger in den dicken und warmen Pelz eines fremden Thieres.
Thibault war kein Hasenfuß, nichts weniger.
Gleichwohl zog er sich eiligst zurück.
Er ging in seine Stube, nahm das Licht und kam in den Stall zurück.
Die Lampe wollte seinen Händen entfluten, als er in dem Thier, das seine Ziege so sehr erschreckt hatte, den Damhirsch des Barons Jean erkannte, denselben, den er verfolgt, gefehlt und sich im Namen des Teufels gewünscht hatte, da er ihn in Gottes Namen nicht bekommen konnte; denselben, an welchem sämmtliche Hunde irre geworden waren, und der ihm so schöne Prügel eingetragen hatte.
Thibault näherte sich ihm sachte, nachdem er sich versichert, daß die Thüre fest verschlossen war.
Das arme Thier war entweder so abgehetzt oder so merkwürdig zahm, daß es keine Bewegung machte, um zu entfliehen, sondern blos mit seinen großen schwarzen Sammtaugen, denen die Angst noch mehr Ausdruck verlieh, Thibault ansah.
»Ich muß die Thüre offen gelassen haben,« brummte der Holzschuhmacher vor sich hin, »und so hat sich der Damhirsch, der kein anderes Versteck mehr finden konnte, hierher geflüchtet.«
Aber als er seine Erinnerungen zusammensuchte, entsann er sich ganz genau, daß, als er vor zehn Minuten den Stall zum ersten Male hatte öffnen wollen, der hölzerne Thürschieber so fest zugedrückt gewesen war, daß er ihn mit einem Stein hatte aufschlagen müssen.
Ueberdies würde die Ziege, die, wie man gesehen hat, der Gesellschaft des neuen Gastes keinen sonderlichen Geschmack abzugewinnen schien, diese Gelegenheit zur Flucht benützt haben, wenn die Thüre offen gestanden hätte.
Sodann bemerkte Thibault bei genauerer Betrachtung, daß der Damhirsch mit einem Strick an die Raufe gebunden war.
Obschon es unserem Holzschuhmacher, wie gesagt, »keineswegs an Muth gebrach, so begann doch jetzt ein kalter Schweiß in dicken Tropfen an seinen Haarwurzeln zu Perlen, ein seltsamer Schauder überlief ihn am ganzen Leib, und seine Zähne klapperten laut an einander.
Er verließ den Stall, verschloß ihn und suchte seine Ziege wieder auf, welche den Augenblick, wo der Holzschuhmacher Licht geholt, zur Flucht benützt und sich in der Herdecke niedergelegt hatte, allem Anschein nach fest entschlossen, diesmal einen Platz nicht wieder aufzugeben, den sie, wenigstens für die kommende Nacht, ihrem gewöhnlichen Lager weit vorzuziehen schien.
Thibault erinnerte sich ganz genau des gottlosen Wunsches, den er an den Satan gerichtet; aber obschon er zugestehen mußte, daß dieser Wunsch auf eine wunderbare Art in Erfüllung gegangen war, so konnte er doch an keine wirkliche Einmischung des Teufels glauben.
Da ihm jedoch diese Gönnerschaft des Geistes der Finsternis; instinctmäßig Furcht einflößte, so versuchte er zu beten; aber als er seine Hand zur Stirne erheben wollte, um das Zeichen des Kreuzes zu machen, da versagte ihm sein Arm allen Dienst, und obschon er bisher tagtäglich sein Ave Maria gesprochen hatte, so fiel ihm doch seht nicht ein einziges Wörtchen davon ein.
Während unser armer Thibault sich mit diesen beiden vergeblichen Versuchen abquälte, ging es in seinem Innern schrecklich wild und wirr durch einander.
Die bösen Gedanken strömten ihm von Neuem so massenhaft zu, daß er ihr Geflüster in sein Ohr zu hören meinte, wie man das Getöse der Wogen hört, wenn die Fluth steigt, oder das Geknister in den Bäumen, wenn der Winterwind durch die entblätterten Zweige fährt.
»Am Ende,« murmelte er mit bleicher Stirne und starrem Auge, »ist dieser Damhirsch, ob er nun von Gott oder vom Teufel kommt, immerhin ein guter Fund, und ich müßte ein großer Narr sein, wenn ich meinen Kittel abschütteln wollte, so lange es Manna darauf regnet. Wenn ich fürchte, daß dieses Thier Höllenfleisch haben könnte, so bin ich ja nicht gezwungen, es zu essen; ohnehin könnte ich es nicht allein essen, und diejenigen, die ich etwa dazu einluden wollte, würden mich nur anzeigen, aber ich kann diesen Hirsch lebendig ins Kloster von Saint-Remy führen, wo ihn mir die Aebtissin für schweres Geld abkaufen wird, um ihren Nonnen eine Freude zu machen; die Luft eines heiligen Hauses wird ihn reinigen, und die Handvoll guter geweihter Thaler, die ich an Zahlungsstatt erhalten werde, kann weine Seele nicht in Gefahr bringen. Wie manchen Tag müßte ich bei der Arbeit schwitzen und wie viel hundert Mal meinen Bohrer drehen, um nur den vierten Theil von dem zu verdienen, was ich da bekommen werde, ohne mir eine andere Mühe zu nehmen, als daß ich das Thier in seinen neuen Stall führe! Ein Teufel, der mir Gutes thut, muß mir natürlich lieber sein, als ein Engel vom Himmel, der mich im Stich läßt. Wenn mich der gnädige Herr Satan gar zu weit führen will, so habe ich ja immernoch Zeit, mich aus seinen Klauen zu ziehen; ich bin, bei Gott, kein Kind, und auch kein Lämmlein, wie Georgine, ich kann geradeaus gehen und wohin ich will.«
Der unselige, der geradeaus und in der ihm beliebigen Richtung zu gehen behauptete, vergaß jetzt blos, daß er vor kaum fünf Minuten nicht im Stande gewesen war, seine Hand an seine Stirne zu führen.
Thibault gab sich selbst so gute und so triftige Gründe an, daß er den Damhirsch, von welcher Seite er ihm nun zugekommen sein mochte, zu behalten beschloß, und den Erlös zum Anlauf des Hochzeitkleides seiner Braut bestimmte.
Denn sonderbarer Weise trat auf einmal Agnelette wieder vor seine Augen.
Er sah sie in einem langen weißen Kleid mit einem weißen Lilienkranz auf der Stirne und einem großen Schleier.
Ihm war zu Muth, als könnte, wenn er einen so lieblichen Schutzengel in seinem Haus hätte, der Teufel, trotz all seiner Stärke und List, es niemals wagen, seine Schwelle zu überschreiten.
»Ja, so ist’s,« sagte er, »ich habe noch ein Mittel: wenn mich der gnädige Herr Satan gar zu arg quält, so laufe ich stracks zu Agnelettes Großmutter, halte um die Dirne an und heirathe sie. Fallen mir dann auch meine Gebete nicht mehr ein, und kann ich auch kein Kreuz mehr schlagen, so habe ich jedenfalls ein hübsches Weibchen, das mit dem Satan nicht verhängt ist und alles dies für mich thun wird.«
Und mit dieser Art von Vergleich, immer vorausgesetzt, daß der Damhirsch Nichts von seinem Werth verlor und der heiligen Damen würdig blieb, an die ihn zu verkaufen gedachte, beruhigte sich Thibault so ziemlich, steckte Futter in die Raufe, und überzeugte sich, ob die Streu dicht genug war, damit der Gast weich ruhen konnte.
Die Nacht verging ohne ein neues Ereigniß und sogar ohne einen bösen Traum.
Am folgenden Tag jagte der edle Herr Jean von Neuem.
Nur gingen die Hunde diesmal keinem schüchternen Damhirsch zu Leibe, sondern dem Wolfe, welchen Markotte Tags zuvor ausgekundschaftet und erst diesen Morgen von Neuem aufgetrieben hatte.
Es war dies ein ächter Wolf.
Er mochte viele Jahre zählen, obschon man ihn beim Austreiben nur flüchtig gesehen und mit Staunen bemerkt hatte, daß er ganz schwarz war.
Bei Verte-Feuille, im Thalgrund von Argent, angegriffen, war er über die Felder von Meutard gelaufen, hatte Fleury und Ampleux links liegen lassen, war von da über die Straße von Ferté-Milon gesprungen, und trieb sich: dann im Thalgrund von Ivors herum.
Hier hatte er auf einmal sein bisheriges System aufgegeben, war umgekehrt und hatte so genau den bereits zurückgelegten Weg wieder eingeschlagen, daß der Baron Jean, obschon er beständig Galopp ritt, die Hufspuren wieder fand, die sein Pferd am Morgen zurückgelassen hatte.
In den Bezirk von Bourg-Fontaine zurückgekehrt, hatte der Wolf ihn nach allen Richtungen durchschnitten und sodann die Jäger just in die Gegend gelockt, wo ihre unglücklichen Abenteuer von gestern begonnen hatten, nämlich in die Nähe der Hütte des Holzschuhmachers.
Thibault, der, seinen gestrigen Entschließungen gemäß, auf den Abend seiner Agnelette einen Besuch zudachte, hatte sich schon in aller Frühe an die Arbeit gemacht.
Ihr werdet mich fragen, warum er, statt auf einem Handwerk zu arbeiten, das ihm, nach seinem eigenen Geständnis, so wenig einbrachte, nicht lieber den Damen von St. Remy seinen Damhirsch zuführte.
Thibault würde sich wohl gehütet haben.
Er konnte unmöglich mit einem Damhirsch am Strick bei Tag durch den Wald von Villers-Coterets gehen.
Was hätte er dem nächsten besten Waldschützen, der ihm in den Wurf kam, antworten sollen?
Nein, Thibault gedachte sich einmal bei Anbruch der Nacht auf die Beine zu machen, sich rechts zu halten, sodann über die Sandgrube und den Galgenweg auf die Ebene von Saint-Romy, nur zweihundert Schritte vom Kloster, zu kommen.
Als Thibault zum ersten Male Waldhorntöne und Hundegebell hörte, warf er in aller Eile einen gewaltigen Haufen dürres Haidekraut vor dem Stall auf, wo er seinen Gefangenen eingesperrt hielt, damit die Rüdenknechte und ihr Herr, wenn sie zufällig wieder vor seiner Hütte anhalten sollten, diese Thüre nicht bemerken möchten.
Sodann hatte er sein Handwerkszeug wieder vorgenommen und arbeitete mit einem Eifer, den er selbst niemals bei sich gesehen hatte, indem er gar nicht über die Holzschuhe wegsah, die er herrichtete.
Auf einmal meinte er ein Gescharre an seiner Thüre zu hören.
Er wollte eben aufstehen, um zu öffnen, als die Thüre nachgab und zu Thibaults großer Verwunderung ein ungeheurer schwarzer Wolf, auf seinen beiden Hinterpfoten gehend, ins Zimmer trat.
In der Mitte angekommen, setzte er sich nach Art der Wölfe und sah den Holzschuhmacher starr an.
Thibault ergriff ein Beil, das er bei der Hand hatte, um den wunderlichen Gast würdig zu empfangen, und um ihm Angst zu machen, schwang er das Beil über seinem Kopfe.
Aber die Physiognomie des Wolfes nahm einen eigenthümlich spöttischen Ausdruck an.
Er begann zu lachen.
Es war das erste Mal, daß Thibault einen Wolf lachen hörte.
Er hatte oft sagen gehört, daß die Wölfe bellen wie die Hunde.
Aber niemals hatte er sagen gehört, daß die Wölfe lachen wie die Menschen.
Und welch ein Lachen!
Ein Mensch, der so gelacht hätte wie dieser Wolf, würde Thibault sehr erschreckt haben.
Er ließ seinen bereits aufgehobenen Arm wieder fallen.
»Bei dem Herrn mit dem gespaltenen Fuß,« sagte der Wolf mit voller und wohltönender Stimme, »habe ich diesem Kerl hier auf seinen Wunsch den schönsten Damhirsch aus den Waldungen Sr. Königlichen Hoheit zugeschickt, und nun will er mir zur schuldigen Danksagung mit seinem Beil den Kopf spalten; eine menschliche Dankbarkeit, die wohl würdig ist mit der Dankbarkeit der Wölfe zu heulen.«
Als Thibault eine Stimme, die seiner eigenen glich, aus dem Leib des Thieres kommen hörte, da begannen seine Kniee zu zittern, und das Beil entfiel seinen Händen.
»Komm her,« fuhr der Wolf fort, »sei vernünftig und laß uns freundschaftlich mit einander plaudern.
Du hast Dir gestern den Damhirsch des Barons Jean gewünscht, und nun habe ich ihn selbst in Deinen Stall geführt, ja sogar an Deine Raufe gebunden, damit er Dir nicht entspringen könnte; dies sollte doch wohl einen bessern Dank verdienen, als einen Beilhieb.
»Weiß ich, wer Ihr seid?« antwortete Thibault.
»Ah, Du hattest mich also nicht erkannt? das ist ein Grund.«
»Ich appellire an Euch selbst: wie konnte ich unter diesem garstigen Fell einen Freund vermuthen?«
»Garstig!« sagte der Wolf, indem er mit einer blutrothen Zunge sein Fell glänzte; »zum Henker, Du machst gewaltige Ansprüche. Inzwischen handelt es sich jetzt nicht um mein Fell. Sag einmal, willst Du den Dienst anerkennen, den ich Dir geleistet habe?«
»Natürlich,« sagte der Holzschuhmacher mit einer gewissen Verlegenheit, »aber ich möchte doch vorher Eure Forderungen hören. Um was handelt es sich? Was begehrt Ihr? Sprecht.«
»Erstlich und vor allen Dingen begehre ich ein Glas Wasser, denn diese verfluchten Hunde haben mich ganz außer Athem gebracht.«
»Augenblicklich, Herr Wolf.«
Und Thibault holte einen Napf voll frischen, klaren Wassers an der Quelle, die zehn Schritte von seiner Hütte floß.
Er bewies durch diesen Eifer, wie glücklich er sich schätze, so wohlfeilen Kaufs davon zu kommen.
Er stellte den Napf vor den Wolf hin und machte eine tiefe Reverenz.
Der Wolf schleppte mit Wollust den Napf aus und streckte dann seine Pfoten, die sphinxartig länglich waren, über den Boden hin.
»Jetzt,« sagte er, »höre mich an.«
»Was gibt es denn sonst noch?« fragte Thibault mit einer Gänsehaut.
»Eine höchst dringende Sache, bei Gott,« antwortete der schwarze Wolf. »Hörst Du das Hundegebell?«
»Natürlich, ja; es kommt immer näher, und in fünf Minuten werden Jäger und Hunde hier sein.«
»Du mußt mich von ihnen befreien.«
»Ich Euch befreien? Und wie denn? « rief Thibault, der sich noch gar zu wohl erinnerte, wie theuer es ihn«gestern zu stehen gekommen war, daß er dem Baron Jean in seine Jagd gepfuscht hatte.
»Besinne, Dich; zeig, ob Du Grütze im Kopf hast.«
»Der Baron Jean hat wahrlich furchtbare Hunde, Herr Wolf, und Ihr verlanget also ganz einfach, daß ich Euch das Leben retten soll, denn wenn sie Euch erwischen, und das werden sie höchst wahrscheinlich thun, so seid Ihr im Nu zu Schanden gerissen. Wenn ich Euch nun diese Unannehmlichkeit erspare,« fuhr Thibault fort, der den Vortheil wieder auf seiner Seite zu erblicken glaubte, »welchen Lohn habe ich dann zu erwarten?«
»Ei wie? Du verlangst noch einen Lohn? Und der Damhirsch?« sagte der Wolf.
»Und der Napf Wasser?« entgegnete Thibault, »Wir sind quitt, mein lieber Wolf. Wenn Ihr jetzt neue Geschäfte abschließen wollt, so bin ich von Herzen gern bereit.«
»Es sei! Was verlangst Du von mir? Sprich schnell.«
»Ein Mancher,« begann Thibault, »würde seine und Eure Stellung mißbrauchen und ganz unverschämte Forderungen machen: er würde Reichthümer, Macht, hohe Stellung im Leben und was weiß ich? verlangen. Ich werde das nicht thun. Gestern habe ich mir den Damhirsch gewünscht, und es ist wahr, Ihr habt ihn mir gegeben; aber morgen werde ich etwas Anderes wünschen. Seit einiger Zeit hat sich ein Wahnwitz meiner bemächtigt, ich hecke Nichts als Wünsche ans, und Ihr werdet nicht immer übrige Zeit haben, um mich anzuhören. Thut also eine einzige Sache: da Ihr doch der Teufel selbst oder wenigstens etwas Aehnliches seid, so gewähret mir die Gnade, daß ich alle meine Wünsche in Erfüllung gehen sehe.«
Der Wolf machte eine spöttische Grimasse.
»Weiter Nichts?« sagte er. »Dein Schlußsatz paßt schlecht zur Einleitung.«
»O,« versetzte Thibault, »Ihr könnt ruhig sein; meine Wünsche sind ehrsam und mäßig, wie dies einem armen Bauersmann zusteht: einige elende Winkel Land, ein paar lumpige Reiser Holz, das ist Alles, was ein Mensch von meinem Caliber verlangen kann.«
»Ich würde Deinen Wunsch mit dem größten Vergnügen erfüllen,« sagte der Wolf, »aber das Ding ist mir rein unmöglich.«
»In diesem Fall werdet Ihr Euch durch diese furchtbaren Doggen durchzuschlagen suchen müssen.«
»Du glaubst das, und Du sitzest auf den höchsten Gaul, weil Du meinst, ich bedürfe Deiner?«
»Ich meine es nicht, ich weiß es gewiß.«
»Nun, so sieh einmal her.«
»Wohin?« fragte Thibault.
»An den Platz, wo ich bisher war,« sagte der Wolf.
Thibault wich einige Schritte zurück.
An dem Platz, wo der Wolf bis jetzt gelegen hatte, war Nichts mehr. Der Wolf war verschwunden, man wußte nicht wo oder wie. Der Platz, wo er gewesen, war gänzlich unverändert.h In der Decke fand sich kein Loch von der Größe eines Nadelöhres; im Boden war keine Ritze, durch welche ein Wassertropfen hätte sickern können.
»Nun, glaubst Du immer noch, daß ich mich ohne Deine Hilfe nicht aus der Schlinge ziehen kann?« sagte der Wolf.
»Wo zum Teufel seid Ihr denn?«
»Ah! wenn Du mich bei meinem wahren Namen aufrufst,« sagte die Stimme höhnisch, »so werde ich Dir wohl antworten müssen. Ich befinde mich noch immer auf dem alten Fleck.«
»Aber ich sehe Euch ja nicht mehr.«
»Ganz natürlich, weil ich unsichtbar bin.«
»Aber die Hunde und die Rüdenknechte und Herr Jean werden Euch hier suchen.
»Ohne Zweifel; nur werden sie mich nicht finden.»
»Aber wenn sie Euch hier nicht finden, so werden sie sich wieder an mir vergreifen.»
»Gerade wie gestern. Nur wurdest Du gestern, weil Du die Jäger um die Fährte des Damhirsches gebracht hast, bloß zu sechsunddreißig Riemenhieben verurtheilt; heute wirst Du, weil Du den Wolf verbargest, zu zweiundsiebzig verurtheilt werden, und Agnelette wird nicht mehr an Ort und Stelle sein, um Dich mit einem Kuß zu retten.«
»Uf! was soll ich thun?«
»Laß schnell den Damhirsch springen; die Hunde werden sich dann in der Fährte täuschen und statt Deiner die Hiebe bekommen.«
»Ei wie sollten sich so feine Spürhunde dermaßen täuschen können, daß sie die Losung eines Damhirsches für die eines Wolfes ansähen?«
»Dafür laß mich sorgen,« antwortete die Stimme; »nur verliere keine Zeit, sonst werden die Hunde hier sein, ehe Du in den Stall läufst, und das wäre unangenehm, mich, den sie nicht finden könnten, sondern für Dich, den sie finden würden.«
Thibault ließ sich das nicht zweimal sagen.
Er eilte in den Stall.
Er band hurtig den Damhirsch los, der, wie von einer Springfeder geschnellt, aus dem Hause sprang, die Runde um dasselbe machte, die Fährte des Wolfes durchkreuzte und in die Gebüsche des Waldes von Baisemont eindrang.
Die Hunde waren nur noch hundert Schritte von. der Hütte entfernt.
Thibault hörte voll Angst ihr Gebell.
Die ganze Meute kam und schnüffelte an seiner Thüre.
Dann wurden auf einmal einige Stimmen laut, die sich in der Richtung gegen Baisemont entfernten und die ganze Meute mit sich fortrissen.
Die Hunde hatten sich täuschen lassen.
Sie waren auf die Fährte des Damhirsches gerathen und hatten die Fährte des Wolfes aufgegeben.
Thibault athmete tief auf.
Als ersah, daß die Meute sich immer weiter entfernte, ging er auf sein Zimmer zurück, während der Baron aus vollen Backen in sein Waldhorn stieß und ein lustiges Jagdsignal blies.
Der schwarze Wolf lag ganz ruhig auf demselben Platze, und man sah ebenso wenig, wo er hereingekommen, als man hatte sehen können, wo er hinausgegangen war.
V
Der Vertrag
Thibault blieb ganz verdutzt über sein Wiedererscheinen auf der Thürschwelle stehen.«
»Wir sagten also,« begann der Wolf wieder, wie wenn gar Nichts vorgefallen wäre, »ich könne Dir nicht gewähren, daß alles Gute, was Du Dir wünschest, eintreffe.«
»Somit habe ich Nichts von Euch zu erwarten.«
»Doch, denn ich kann machen, daß das Böse, was Du Deinem Nächsten wünschest, in Erfüllung geht.«
»Was hilft mich das?«
»Dummkopf! Ein Morallehrer hat gesagt: Das Unglück selbst unseres liebsten Freundes hat immer Etwas, was uns angenehm ist.«
»Das wird wohl ein Wolf gesagt haben. Ich wußte nicht, daß die Wölfe auch Moralisten unter sich haben.«
»Nein, ein Mensch.«
»Hat man ihn gehängt?«
»O nein; man hat ihn zum Gouverneur einer Provinz im Poitou gemacht. Es ist wahr, daß es in dieser Provinz viele Wölfe gibt. Wenn nun selbst im Unglück des besten Freundes immerhin etwas Angenehmes für den Menschen liegt, so mußt Du doch begreifen, daß man am Unglück seines größten Feindes eine ungeheure Freude haben kann.«
»Es ist etwas Wahres daran,« sagte Thibault.
»Ganz abgesehen davon, daß man aus dem Unglück seines Nächsten, sei er nun ein Freund oder ein Feind, immer einigen Nutzen ziehen kann.«
»Ihr habt, meiner Treu, Recht, Herr Wolf,« antwortete Thibault nach kurzem Besinnen, »Und was würdet Ihr für diesen Dienst von mir verlangen? Laßt hören, Wurst wieder Wurst, nicht wahr?«
»Ja. So oft Du einen Wunsch thust, der keinen Vortheil für Dich selbst bezweckt, verlange ich einen kleinen Theil von Deiner Person als Eigentum.«
»Hoho! « rief Thibault, indem er ganz erschrocken zurückwich.
»Sei ruhig, ich verlange kein Pfund von Deinem Fleisch, wie ein gewisser Jude aus meiner Bekanntschaft seinen Schuldner tractirte.«
»Was» verlanget Ihr denn?«
»Wenn ersten Wunsch, den Du thust, ein Haar, beim zweiten zwei, beim dritten vier, und sofort, immer duplirt.«
Thibault lachte.
»Wenn es weiter Nichts ist, Herr Wolf, so nehme ich’s an, und ich werde darauf bedacht sein, mir gleich das erste Mal etwas so Gutes zu wünschen, daß ich niemals einer Perrücke bedürfen werde. Also schlagt ein.«
Thibault streckte seine Hand hin.
Der schwarze Wolf erhob seine Pfote, ließ sie aber erhoben.
»Nun?« drängte Thibault.
»Da fällt mir gerade ein,« sagte der Wolf, »daß ich spitzige Klauen habe und Dir ohne meinen Willen sehr weh thun könnte. Aber ich weiß ein anderes Mittel, unsern Handel abzuschließen, wodurch man diesen Uebelstand umgehen kann. Du hast einen silbernen Ring, ich einen goldenen; laß uns tauschen. Du siehst, der Handel ist ganz zu Deinem Vortheil.«
Und der Wolf zeigte seine Pfote, an deren Goldfinger wirklich ein Ring vom feinsten Gold durch das Haar hindurch blinkte.
»Ah!« sagte Thibault, »ich bin’s zufrieden.«
Der Ringwechsel ging vor sich.
»Jetzt sind wir also verheirathet,« sagte der Wolf.
»O nein,« erwiederte Thibault, »bloß versprochen, Herr Wolf. Ihr betreibet die Sache gar zu eilig.«
»Wir werden bald sehen, wer am meisten Eile hat, Meister Thibault. Jetzt kannst Du übrigens wieder an Deine Arbeit gehen. Ich gehe an die meinige.«
»Adieu, Herr Wolf.«
»Auf Wiedersehen, Meister Thibault!«
Mit diesen Worten »Auf Wiedersehen!« die er auffallend betonte, verschwand der Wolf wie ein Fingerchen voll Pulver, das man anzündet, und gleich diesem mit Hinterlassung eines Schwefelgeruchs.
Thibault war einen Augenblick ganz kopfscheu. Er konnte sich an diese Art abzutreten, wie man es in der Theatersprache nennt, nicht gewöhnen; er schaute sich nach allen Seiten um: kein Wolf mehr.
Thibault glaubte einen Augenblick, daß ihn eine Vision genarrt habe.
Aber bei einem Blick auf seine rechte Hand fiel ihm der Teufelsring am Goldfinger in die Augen.
Er zog ihn ab und betrachtete ihn genau. Er sah eine Chiffer im Innern des Ringe eingravirt und erkannte, daß sie aus zwei Buchstaben bestand, einem T und einem S.
»Ha ha!« sagte er, indem ihm ein kalter Schweiß ausbrach, »Thibault und Satan, die Familiennamen der beiden contrahirenden Theile. Jetzt ist’s einmal so: wenn man sich dem Teufel ergibt, so muß man sich ihm recht und ohne Rückhalt ergeben.«
Und Thibault stimmte ein Liedchen an, um sich zu betäuben.
Aber seine Stimme hatte einen so eigenthümlichen Klang, daß sie ihm selbst Angst machte.
Er schwieg also und ging, um sich zu zerstreuen, wieder an seine Arbeit.
Aber kaum hatte er drei oder viermal seinen Bohrer umgedreht, so hörte er in der Ferne, von Baisemont her, neues Rüdengebell und neue Waldhornsignale.
Er stellte seine Arbeit ein, um dem Gebell und den Horntönen zu lauschen.
»Renne, mein lieber Herr,« sagte er, »renne immerzu Deinem Wolf nach. Die Pfote von diesem da wirst Du, dafür stehe ich Dir, nicht an Dein Schloßthor nageln. Saperlot, welch ein Glück! Ich bin jetzt beinahe eine Art von Fee geworden, und während Du an nichts Böses denkst, mein ehrlicher Prügelmeister, kann ich Dir jeden Augenblick einen Zauber auf den Kopf werfen und herrliche Rache an Dir nehmen.«
Bei diesem Gedanken hielt Thibault plötzlich inne.
»Ja, wahrhaftig,« sagte er, »wenn ich mich an diesem verdammten Baron und an Markotte rächt? Ei was? für ein Härchen kann ich mir diesen Spaß wohl erlauben.«
Thibault fuhr mit der Hand in sein dichtes, seidenweiches Haar, das so voll und stark war wie eine Löwenmähne.
»Nun ja,« sagte er, »Haare habe ich genug zu verlieren; also munter eines dran gewagt! Ueberdies kann ich dadurch Gewißheit erlangen, ob mein Gevatter, der Teufel, mich nicht belogen hat. Ich wünsche also einen tüchtigen Unfall für den Herrn Jean, und was diesen langen Lümmel von Markotte betrifft, der mich gestern so schändlich ausgepeitscht hat, so wäre es nicht mehr als billig, daß er doppelt, so arg mitgenommen würde, als sein Herr.«
Während Thibault diesen doppelten Wunsch that, war er sehr aufgeregt. Trotz Allem, was er von der Macht des schwarzen Wolfes gesehen, fürchtete er, dieser möchte seine Leichtgläubigkeit mißbraucht haben. Es war ihm daher auch, als er den Wunsch gethan hatte, unmöglich, weiter zu arbeiten. Er zerstach sich die Finger an seinem Schabeisen, das er verkehrt in die Hand nahm, und er verderbte ein Paar Holzschuhe von zwölf Saus, die er mit aller Gewalt noch poliren wollte.
Während er diesen unersetzlichen Schaden beklagte und seine blutende Hand,schüttelte, hörte er vom Thale her großen Lärm.
Er eilte auf die Straße von Chretiennelle und sah von ferne eine Art von Procession, die langsam einher kam.
Es waren die Rüdenknechte und die Hundejungen des edlen Herrn von Vez.
Die Straße von Chretiennelle ist ungefähr drei Viertelstunde lang.
Thibault brauchte also einige Zeit, um genau zu erkennen, was diese Männer thaten, die ihm langsam und feierlich, wie bei einem Leichenzug, einher zuschreiten schienen.
Aber als sie auf fünfhundert Schritte nahe kamen, bemerkte Thibault, daß sie zwei Tragbahren trugen.
Auf diesen beiden Bahren lagen zwei leblose Körper.
Er erkannte in ihnen den Herrn Jean und seinen Oberrüdenknecht Markotte.
Ein kalter Schweiß trat ihm auf die Stirne.
»O! o!« sagte er, »was soll das heißen?«
Es hatte sich Folgendes zugetragen.
So lange der Damhirsch sich im Gebüsche hielt, hatte Thibaults Mittel, um die Hunde irre zu führen, einen glücklichen Erfolg gehabt; Aber als das Thier von Markotte her zurücklief und über eine Haide hinjagte, kam es auf zehn Schritte an Herrn Jean vorbei.
Dieser glaubte Anfangs: der Damhirsch sei durch das Hundegebell aufgejagt worden und suche zu entfliehen.
Aber kaum hundert Schritte hinter sich sah er die ganze Meute zum Vorschein kommen, vierzig Hunde, welche kläfften, bäfften, heulten, schrieen, die einen im Baß wie Domkirchenglocken, die andern mit vollen Stimmen wie Tamtams, wieder andere in der Fistel wie detonirende Clarinetten, alle aber aus voller Kehle, mit solcher Lust und Freudigkeit, als hätten sie niemals die Fährte eines andern Thieres gerochen.
Herr Jean gerieth jetzt in eine jener Zornesergießungen, gegen welche die Wuthausbrüche des Polichinells abgeblaßte Schatten sind.
Er schrie nicht mehr, er heulte.
Er fluchte nicht mehr, er lästerte.
Er begnügte sich nicht: mehr, seine Hunde herumzupeitschen, er ließ sein Pferd mit allen vier Hufen aus ihnen herumstampfen, kurz, er geberdete sich in seinem Sattel wie ein Teufel in einem Weihkessel.
Alle seine Fläche galten seinem Oberrüdenknecht, den er geradezu einen Esel schalt.
Diesmal war Nichts mehr zu sagen, es war keine Entschuldigung möglich: der arme Markotte schämte sich in tiefster Seele über den Mißgriff seiner Hunde und war äußerst unruhig über die schreckliche Wuth des gnädigen Herrn.
Er beschloß also alles Menschenmögliche und noch mehr zu thun, um ersteren wieder gut zu machen und letztere zu beschwichtigen.
Demgemäß jagte er sein Pferd im Galopp durch Hoch- und Niederwald, indem er aus vollem Halse schrie:
»Zurück, Hunde, zurück!«
Zugleich theilte er nach allen Seiten so kräftige Peitschenhiebe aus, daß jeder von ihnen einen Striemen im Fell der armen Thiere zurückließ.
Aber er mochte toben, schreien, peitschen, so lang er wollte, die Hunde schienen nur noch toller auf ihre Fährte erpicht.
Man hätte meinen können, sie haben ihren Damhirsch von gestern erkannt, und ihre gereizte Eigenliebe verlange nach Rache.
Jetzt faßte Markotte einen verzweifelten Entschluß, nämlich durch den nahen Ourcq zu reiten, über welchen die Jagd eben setzte oder vielmehr zu setzen im Begriff stand. Er wollte sich dann über das andere Ufer hinbeugen und die Hunde, wenn sie ans Land steigen wollten, dermaßen durch peitschen, daß er hoffen konnte, ihren Starrsinn zu brechen.
Er jagte sein Pferd nach dem Fluß und war mit einem Sprung, mitten in der Strömung.
Beide, Pferd und Reiter, waren ziemlich glücklich im Wasser angelangt.
Aber unglücklicher Weise war, wie wir bereits gemeldet, der Fluß durch Regen schrecklich; angeschwollen; das Pferd vermochte sich nicht gegen die Strömung zu halten, es drehte sich mehrere Male um und um, dann aber verschwand es.
Markotte seinerseits wollte, als er sein Pferd verloren sah, es seinen: Schicksal überlassen, um wieder festes Land zu gewinnen.
Aber seine Füße waren dermaßen in die Steigbügel verwickelt, daß er sie nicht mehr herausziehen kannte und drei Secunden nach seinem Pferde ebenfalls verschwand.
Inzwischen war der Baron mit seinen Leuten am Ufer angelangt, und sein Zorn hatte sich ganz einfach in Verzweiflung verwandelt, als er die kritische Lage seines Oberrüdenknechtes wahrgenommen hatte. Der edle Herr von Vez liebte aufrichtig alle diejenigen, die ihm zu seinen Vergnügungen behilflich waren, sowohl die Menschen als die Thiere.