Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 54
XV.
Berichte und Anzeigen
Sechs bis acht Monate gingen ohne große Ereignisse sowohl für die Helden dieses Buches, als für die der Geschichte vorüber. Doch während dieses Zeitraums bereiteten sich wenigstens Ereignisse von einer gewissen ernsten Bedeutung vor.
Um sie kennen zu lernen und um uns auf das Laufende zu bringen, brauchen wir uns nur am 25. Februar 1560 an den Ort zu versetzen, wo man die Neuigkeiten stets am Besten zu erfahren glaubt, nämlich in das Cabinet des Herrn Polizeilieutenants, der in diesem Augenblick Herr von Braguelonne hieß.
Am 25. Februar 1560 also hörte Herr von Braguelonne, Abends nachlässig in seinem Lehnstuhl von Corduanleder sitzend, auf den Bericht von Meister Arpion, einem seiner Secretaires.
Meister Arpion las wie folgt:
»Es ist heute der berüchtigte Dieb Gilles Rose im großen Saal des Palastes verhaftet worden, als er eben ein Ende von dem mit Gold verzierten Gürtel eines Canonicus von der heiligen Kapelle abschnitt.«
»Einem Canonicus von der heiligen Kapelle! Ei! seht doch!« rief Herr von Braguelonne.
»Das ist sehr ruchlos!« sagte Meister Arpion.
»Und sehr gewandt!« sprach der Polizeilieutenant »sehr gewandt; denn der Canonicus ist mißtrauisch. Ich werde Euch sogleich sagen, Meister Arpion, was mit diesem abgefeimten Spitzbuben zu machen ist. Weiter.«
»Die Frauenzimmer von den Kaninchengängen der Rue du Grand-Heuleu,« fuhr Arpion fort, »sind im offenen Aufruhr begriffen.«
»Und warum dies, mein Jesus?«
»Sie behaupten, sie haben eine unmittelbare Eingabe an Seine Majestät den König gemacht, um in ihrem Quartier bleiben zu dürfen, und mittlerweile habe sie die Schaarwache vertrieben.«
»Das ist drollig!« rief Herr von Braguelonne lachend.
»Die Ordnung wird sich hier leicht wiederherstellen lassen. Die armen Mädchen! Zu etwas Anderem.«
Meister Arpion fuhr fort:
»Die Herren Abgeordneten der Sorbonne, die sich bei der Frau Prinzessin von Condé einfanden, um sie aufzufordern, während der Fastenzeit kein Fleisch mehr zu essen, wurden mit beißendem Spott von Herrn von Sechelles aufgenommen, welcher ihnen unter andern Beleidigungen sagte, er liebe sie ungefähr gerade so sehr wie einen Nagel aus seiner Nase, und Kälber wie sie seien seltsame Botschafter.«
»Ah! das ist ernster Natur!« sprach der Lieutenant aufstehend. »Man weigert sich, zu fasten, und beleidigt die Herren von der Sorbonne! Das vermehrt Eure Rechnung, Frau von Condé, und wenn wir die Gesamtsumme präsentieren! . . . . . Arpion, ist das Alles?«
»Mein Gott! für heute, ja. Doch der gnädige Herr hat mir noch nicht gesagt, was man mit Gilles Rose thun soll?«
»Hört,« sagte Herr von Braguelonne: »Ihr nehmt ihn aus seinem Gefängniß mit den gewandtesten Schelmen und Beutelschneidern, die Ihr dort findet, und schickt diese guten Bursche nach Blois, wo man bei dem Fest, das man für den König vorbereitet, Seine Majestät damit belustigen will, daß man jene ihre Streiche und Kunststücke zeigen läßt.«
»Aber, Monseigneur, wenn sie die Gegenstände, die sie zum Spaß stehlen, behalten?«
»Dann hängt man sie.«
In diesem Augenblick trat ein Huissier ein und meldete:
»Der Herr Inquisitor des Glaubens.«
Man brauchte Arpion nicht weggehen zu heißen. Er verbeugte sich ehrfurchtsvoll und schlich sich rasch hinaus.
Derjenige, welcher eintrat, war in der That ein gewichtiger und furchtbarer Mann.
Mit seinen gewöhnlichen Titeln eines Doctors der Sorbonne und eines Canonicus von Noyon, verband er den schönen, außerordentlicher. Titel des Großinquisitors des Glaubens in Frankreich. Um einen Namen zu haben, der ebenso großartig klang, als sein Titel, ließ er sich auch Démocharès nennen, obgleich er einfach Antoine von Mouchy hieß. Das Volk hatte seine Schergen Mouchards getauft.
»Nun, Herr Polizeilieutenant?« fragte der Großinquisitor.
»Nun, Herr Großinquisitor?« fragte der Polizeilieutenant.
»Was gibt es Neues in Paris?«
»Ich wollte gerade diese Frage an Euch richten.«
»Das heißt, es gebe nichts,« versetzte Démocharès mit einem tiefen Seufzer. »Ah! die Zeiten sind hart; es gibt nichts mehr, nicht das geringste Complott, nicht das leichteste Attentat. Wie feige sind doch die Hugenotten! Unsere Gewerbe vergehen, Herr von Braguelonne!«
»Nein, nein,« erwiderte Herr von Braguelonne mit dem Tone der Ueberzeugung, »nein, die Regierungen vergehen, aber die Polizei bleibt.«
»Ei! seht doch,« entgegnete Herr von Mouchy, »seht doch, auf was Euer Einschreiten mit gewaffneter Hand bei den Reformierten der Rue du Marais hinausläuft. Da man sie bei Tische gerade bei ihrem Mahl überfiel, so durfte man hoffen, man würde sie beim Verzehren von Schweinefleisch in Form eines Osterlammes ertappen, wie Ihr uns dies angekündigt hattet. Aber was brachte man von dieser schönen Expedition mit? Nichts Anderes als eine gespickte Poularde. Sprecht selbst, Herr Polizeilieutenant, kann das Eurem Institut viel Ehre machen?«
»Es gelingt einem nicht immer!« sagte Herr von Braguelonne gereizt. »Seid Ihr glücklicher gewesen bei Eurem Handel mit dem Advokaten der Place Maubert, mit jenem Trouillard, wie er, glaube ich, heißt? Und Ihr hattet Euch doch Wunder davon versprochen.«
»Ich muß es gestehen,« sagte Démocharès mit kläglicher Stimme.
Herr von Braguelonne aber fuhr fort:
»Ihr gedachtet so klar als der Tag zu beweisen, dieser Trouillard hätte seine beiden Töchter seinen Religionsgenossen, nach einer schrecklichen Orgie, preisgegeben; und die Zeugen, die Ihr so theuer bezahlt habt, ha! ha! ha! nehmen nun ihre Aussagen zurück und strafen Euch Lügen.«
»Die Schurken!« murmelte Herr von Mouchy.
»Mehr noch,« fuhr der Polizeilieutenant fort, »ich habe die Berichte der Wundärzte und Matronen erhalten, und es ist auf das Allerklarste herausgestellt, daß die Tugend der beiden Mädchen nicht den geringsten Angriff erlitten hat.«
»Das ist eine Schändlichkeit!« brummte Démocharès.
»Ein verfehltes Unternehmen, Herr Großinquisitor des Glaubens. »Ein verfehltes Unternehmen,« wiederholte wohlgefällig Herr von Braguelonne.
»Ei!« rief Démocharès voll Ungeduld, »ist das Unternehmen verfehlt, so seid Ihr daran Schuld.«
»Wie! ich soll daran Schuld sein?« versetzte der, Polizeilieutenant erstaunt.
»Ganz gewiß. Ihr haltet Euch an Berichte, an Widerrufe, an Erbärmlichkeiten! Was liegt an solchen Zurücknahmen und Widerlegungen? Man müßte dessen ungeachtet die Sache verfolgen und, als ob nichts daran wäre, diese Parpaillots13 anklagen.«
»Wie! ohne Beweise?«
»Ja, und sie verurtheilen.«
»Ohne Verbrechen?«
»Ja, und sie hängen lassen.«
»Ohne Richter?«
»Ja, ja, hundertmal ja, ohne Richter, ohne Verbrechen, ohne Beweise! Es ist ein schönes Verdienst, wahrhaft Schuldige zu hängen.«
»Aber welches Geschrei wird dann entstehen, welche Wuth wird sich gegen uns erheben!« sagte Herr von Braguelonne.
»Ah! da habe ich Euch erwartet,« rief Démocharès triumphierend. »Das ist der Grundstein bei meinem ganzen System, mein Herr. In der That, was erzeugt diesen Muth, von dem Ihr sprecht? Complotte. Was führen diese Complotte herbei? Empörungen. Was geht aus diesen Empörungen hervor? Die offenbare Nützlichkeit unserer Functionen.«
»Es ist wahr, daß aus diesem Gesichtspunkt betrachtet . . .« sagte Herr von Braguelonne lachend:
»Mein Herr,« sprach Démocharès mit schulmeisterscher Miene, »merkt Euch den Grundsatz: Um Verbrechen zu ernten, muß man sie säen. Die Verfolgung ist eine Kraft.«
»Ei!« entgegnete der Polizeilieutenant, »mir scheint, wir haben es seit dem Anfang dieser Regierung nicht an der Verfolgung fehlen lassen. Es wäre schwierig gewesen, die Unzufriedenen aller Art mehr, als man es gethan hat, aufzureizen und herauszufordern.«
»Bah! was hat man gethan?« versetzte der Großinquisitor mit einer gewissen Verachtung.
»Sagt vor Allem, rechnet Ihr für nichts die Haussuchungen, die Angriffe, die Plünderungen, welche alle Tage bei den unschuldigen oder schuldigen Hugenotten vorgenommen wurden?«
»Meiner Treue! ja, ich rechne das für nichts; Ihr seht wohl, daß sie mit Ruhe und Geduld diese nur gar zu geringfügigen Plackereien ertragen.«
»Und die Hinrichtung von Anne Dubourg, dem Neffen eines Kanzlers von Frankreich, den man vor zwei Monaten auf der Grève verbrannt hat, ist also auch nichts.«
»Das ist abermals wenig,« entgegnete der schwierige Mouchy. »Was hat diese Hinrichtung zur Folge gehabt? Die Ermordung des Präsidenten Minard, eines der Richter, und eine vorgebliche Verschwörung, deren Spuren man nicht aufgefunden hat; darüber braucht man keinen großen Lärmen zu machen.«
»Und was denkt Ihr von dem letzten Edict?« fragte Herr von Braguelonne, »von dem letzten Edict, das nicht nur die Hugenotten, sondern den ganzen Adel Frankreichs angreift. Ich habe es meinerseits ganz aufrichtig dem Herrn Cardinal von Lothringen gesagt, ich finde das sehr verwegen.«
»Wie!« rief Démocharès, »sprecht Ihr von der Verordnung, welche die Pensionen aufgehoben hat?«
»Nein, wahrhaftig nicht, sondern von der, welche den Sollicitanten, adeligen oder gemeinen, unter der Strafandrohung des Henkens, den scharfen Befehl ertheilte, den Hof innerhalb vierundzwanzig Stunden zu verlassen. Den Strang für die Edelleute wie für die Bauern, gesteht, daß dies ziemlich hart und empörend ist.«
»Ja, es ermangelt diese Sache nicht der Kühnheit,« erwiderte Démocharès mit einem zufriedenen Lächeln. »Vor kaum fünfzig Jahren würde eine solche Ordonnanz den ganzen Adel zum Aufruhr gebracht haben, das muß ich gestehen, doch heute, haben sie, wie Ihr seht, geschrien, aber nicht gehandelt. Nicht Einer hat sich gerührt.«
»Ihr täuscht Euch, Herr Großinquisitor,« entgegnete Braguelonne, die Stimme dämpfend, »wenn sie sich in Paris nicht rühren, so glaube ich, daß sie in der Provinz in Bewegung gerathen.«
»Bah!« rief Herr von Mouchy voll Eifer, »Ihr habt also Nachrichten?«
»Ich habe noch keine, aber ich erwarte jede Stunde.«
»Und woher?«
»Von der Loire.«
»Ihr habt dort Emissäre?«
»Ich habe nur einen, aber er ist gut.«
»Einen einzigen! das ist sehr unsicher,« sagte Démocharès mit kluger Miene.
»Ich will lieber einen einzigen verständigen, sicheren Vertrauten ebenso theuer bezahlen, als zwanzig einfältige Schufte. Das ist so meine Manier.«
»Ja, aber wer steht Euch für diesen Menschen?«
»Sein Kopf vor Allem, und dann seine früheren Dienste; er hat seine Proben durchgemacht.«
»Gleichviel, es ist sehr unsicher!« versetzte Démocharès.
Meister Arpion kehrte sachte zurück, während Herr von Monchy noch sprach, und flüsterte seinem Herrn ein Wort ins Ohr:
»Ah! ah!« rief der Polizeilieutenant triumphierend. »Nun! Arpion, führt Lignières auf der Stelle ein. Ja, in Gegenwart des Herrn Großinquisitors! Ist er nicht ein wenig einer der Unsrigen?«
Arpion verbeugte sich und ging ab.
»Dieser Lignières ist gerade der Mann, von dem ich sprach,« sagte Herr von Braguelonne, sich die Hände reibend. »Ihr werdet ihn hören, er kommt so eben von Nantes. Wir haben keine Geheimnisse für einander, nicht wahr? und es freut mich, Euch zu beweisen, daß meine Art so viel werth ist, als eine andere.«
Hier öffnete Meister Arpion Lignières die Thüre.
Es war derselbe magere, schwarze, schwächliche Mann, den wir schon in der Versammlung der Place Maubert gesehen haben, derselbe, der damals so kühn die republicanische Medaille vorzeigte und von zerschnittenen Lilien und mit Füßen getretenen Kronen sprach.
Man sieht, daß wenn auch in jener Zeit der Name herausfordernder Agent noch nicht bestand, doch die Sache wenigstens schon blühte.
XVI.
Ein Spion
Als Lignières eintrat, warf er zuerst auf Démocharès einen kalten, mißtrauischen Blick, und er blieb, nachdem er sich vor Herrn von Braguelonne verbeugt hatte, vorsichtig schweigsam und unbeweglich und wartete, bis man ihn fragen würde.
»Ich bin entzückt, Euch zu sehen, Herr Lignières sagte Herr von Braguelonne . . . – Ihr könnt ohne Furcht vor dem Herrn Großinquisitor des Glaubens in Frankreich sprechen.«
»Oh! gewiß!« rief Lignières voll Eifer, »glaubt mir, wenn ich gewußt hätte, daß ich vor dem hochachtbaren Démocharès stehe, gnädiger Herr, so würde ich nicht gezögert haben.«
»Sehr gut,« sagte, offenbar geschmeichelt durch die ehrfurchtsvolle Unterwürfigkeit des Spions, Herr von Mouchy, indem er mit einer billigenden Miene mit dem Kopf nickte.
»Sprecht, Herr Lignières sprecht geschwinde,« rief der Polizeilieutenant.
»Aber der Herr ist vielleicht nicht vollkommen von dem unterrichtet, was bei der vorletzten Versammlung der Protestanten in der Ferté vorgefallen ist?« versetzte Lignières.
»Ich weiß in der That nicht viel hierüber,« sprach Démocharès.
»Ich will also dort; wenn es mir erlaubt ist, mit einigen raschen Worten die Erzählung der wichtigen Umstände, über die ich mich in den letzten Tagen unterrichtet habe, wieder aufnehmen; das wird klarer und besser geordnet sein.«
Herr von Braguelonne gab mit einem Zeichen die Erlaubniß, welche Lignières erwartete. Dieser kleine Zögerer entsprach ohne Zweifel der Ungeduld des Polizeilieutenants sehr schlecht; aber er schmeichelte seinem Stolz dadurch, daß er vor dem Großinquisitor die überlegenen Talente und sogar die außerordentliche Beredtsamkeit der Agenten, die er zu wählen wußte, glänzen ließ.
Es ist nicht zu leugnen, Démocharès war zugleich erstaunt und entzückt wie ein gewandter Kenner, der ein Instrument trifft, das tadelloser und vollständiger ist, als diejenigen, deren er sich bis jetzt bedient hat.
Angestachelt durch diese hohe Gunst, wollte sich Lignières würdig zeigen und wurde wahrhaft schön.
»Diese erste Zusammenkunft in der Ferté war in Wirklichkeit nicht sehr ernst,« sagte er. »Es wurden darin nur ziemlich fade Dinge gethan und gesprochen, und ich mochte immerhin den Antrag machen, Seine Majestät vom Thron zu stürzen und die Constitution der Schweizer-Stände einzuführen, ich fand als Echo nur Beleidigungen. Man beschloß nur, provisorisch ein Gesuch an den König zu richten, um den Verfolgungen gegen die Religionsgenossen ein Ziel zu setzen, und um die Entlassung der Guisen, das Ministerium der Prinzen von Geblüt, und die unmittelbare Zusammenberufung der Generalstaaten zu fordern. Eine einfache Bittschrift, ein armseliges Resultat. Man hat sich jedoch gezählt und organisiert, und das ist etwas. Dann handelte es sich um die Ernennung der Chefs. So lange nur von den untergeordneten Chefs der Bezirke die Rede war, fand die Sache keine Schwierigkeit. Doch der allgemeine, der oberste Chef, das Haupt der Verschwörung, das machte Mühe! Herr von Coligny und der Prinz von Condé schlugen durch ihre Vertreter die gefährliche Ehre aus, die man ihnen dadurch, daß man sie als Haupt bezeichnete, erweisen wollte. Es wäre besser, sagte man in ihrem Namen, einen minder hoch gestellten Hugenotten zu bezeichnen, damit die Bewegung augenscheinlicher den Charakter eines volksthümlichen Unternehmers behielte. Ein guter Vorwand für die Dummköpfe! Sie begnügten sich damit, und nach vielen Debatten wählte man endlich Herrn de la Renaudie.«
»La Renaudie!« wiederholte Démocharès. »Ja, das ist in der That einer der eifrigen Anführer dieser Parpaillots. Ich kenne ihn als einen thatkräftigen und überzeugten Mann.«
»Ihr werdet ihn bald als einen Catilina kennen lernen!« sagte Lignières.
»Oho!« machte der Polizeilieutenant. »Mir scheint, das heißt etwas übertreiben.«
»Ihr sollt sehen, ob ich übertreibe,« erwiderte der Spion. »Ich komme auf unsere zweite Versammlung, welche in Nantes am 5. dieses Monats stattgefunden hat.«
»Ah! ah!« riefen gleichzeitig Démocharès und Braguelonne.
Und Beide näherten sich Meister Lignières mit der größten Neugierde.
»Dort hat man sich nicht auf Reden beschränkt,« sprach Lignières mit einer wichtigen Miene. »Hört . . . soll ich nach und nach Euren Herrlichkeiten die Umstände und Beweise im Einzelnen geben, oder soll ich rasch zu den Resultaten übergehen?« fügte der schlaue Bursche bei, als hätte er so lange als möglich seinen Besitz dieser zwei Seelen ausdehnen wollen.
»Thatsachen! Thatsachen!« rief der Polizeilieutenant voll Ungeduld.
»Hört also, und Ihr werdet schaudern. Nach einigen Reden und unbedeutenden Präliminarien nahm la Renaudie das Wort und sprach im Wesentlichen Folgendes:
»Als im vorigen Jahr die Königin von Schottland die Geistlichen wollte in Stirling richten lassen, da beschlossen alle Pfarrgenossen, ihnen in diese Stadt zu folgen, und obgleich sie unbewehrt waren, genügte doch diese große Bewegung, um die Königin einzuschüchtern und es dahin zu bringen, daß sie auf die Gewaltthat, welche sie beabsichtigte, Verzicht leistete. Ich schlage vor, daß wir in Frankreich dasselbe beginnen, daß eine große Menge von Religionsgenossen sich nach Blois begebe, wo der König in diesem Augenblick residiert, und dort ohne Waffen erscheine, um ihm eine Petition zu überreichen, in welcher er gebeten werden soll, die Verfolgungsedicte aufzuheben, den Reformierten die freie Ausübung ihrer Religion zu gestatten und ihnen, da ihre nächtlichen und geheimen Zusammenkünfte verleumdet worden sind, zu erlauben, sich in Tempeln unter den Augen der Behörde zu versammeln.«
»Ei! das ist immer dasselbe,« unterbrach ihn Démocharès mit einer ärgerlichen Miene. »Friedliche und ehrfurchtsvolle Kundgebungen, welche auf nichts hinaus laufen. Bittschriften! Protestationen! Sind das die furchtbaren Neuigkeiten, die Ihr uns ankündigtet, Meister Lignières?«
»Wartet! wartet!« antwortete Lignières. »Ihr begreift, daß ich wie Ihr und mehr als Ihr über den unschuldigen Antrag von la Renaudie geschrien habe. Worauf liefen diese gewichtlosen Schritte hinaus, worauf mußten sie hinauslaufen? Andere Protestanten sprachen sich in diesem Sinn aus. Entzückt hierüber, enthüllte nun la Renaudie den Grund seines Gedankens und verrieth den kühnen Plan, den er unter diesem demüthigen Anschein verbarg.«
»Laßt diesen Plan hören,« sagte Démocharès wie ein Mensch, der geneigt ist, nicht über Geringes zu erstaunen.
»Ich glaube, es ist wohl der Mühe werth, ihn zu vereiteln,« erwiderte Lignières. »Während die Aufmerksamkeit durch diese Menge schüchterner, unbewehrter Bittsteller abgelenkt sein wird, die sich flehend dem Throne nähern, sollen fünfhundert Reiter und tausend Mann Fußvolk – Ihr hört. meine Herren? – unter den entschlossensten, der Reform und den Prinzen ergebensten Edelleuten auserwählte fünfzehnhundert Mann sich aus den verschiedenen Provinzen unter dreißig Kapitänen versammeln, in der Stille auf verschiedenen Straßen gegen Blois vorrücken, mit Güte oder mit Gewalt in die Stadt eindringen, – ich sage mit Güte oder mit Gewalt, – den König, die Königin Mutter und die Herren von Guise aufheben, diese in Anklagestand setzen, ihre Gewalt den Prinzen von Geblüt übertragen, und endlich durch die Generalstaaten die einzuführende Form der Verwaltung bestimmen lassen. Das ist das Complott, meine Herren. Was sagt Ihr dazu? Ist es eine Kinderei? Soll man, ohne sich darum zu bekümmern, darüber weggehen? Bin ich endlich zu etwas gut oder zu nichts nütze?«
Triumphierend hielt er inne. Der Großinquisitor und der Polizeilieutenant schauten sich ganz erstaunt und äußerst unruhig an. Es trat eine ziemlich lange Pause ein, welche diese mit Betrachtungen aller Art füllten.
»Bei der heiligen Messe! das ist bewunderungswürdig! ich muß es gestehen,« rief Démocharès endlich.
»Sagt, es sei furchtbar,« entgegnete Herr von Braguelonne.
»Das wird man sehen! man wird es sehen!« sprach der Großinquisitor, mit einer klugen Miene den Kopf schüttelnd.
»Ei! wir wissen nun die Pläne, welche dieser la Renaudie zugesteht,« sagte Braguelonne, »doch es ist leicht zu errathen, daß man sich nicht allein daran zu halten hat; daß sich die Herren von Guise vertheidigen, daß sie sich werden in Stücke hauen lassen, und wenn Seine Majestät dem Prinzen von Condé die Regierung anvertraut, so wird nur es durch Gewalt geschehen.«
»Da wir aber davon unterrichtet sind!« versetzte Démocharès. »Alles, was diese armen Parpaillots gegen uns zu thun beabsichtigen, wendet sich nun gegen sie, und sie fangen sich in ihrer eigenen Falle. Ich wette, daß der Herr Cardinal entzückt sein wird, und daß er diese Gelegenheit, mit seinen Feinden ein Ende zu machen, theuer bezahlt hätte.«
»Gott gebe, daß er bis zum Ende entzückt sein möge!« sprach Herr von Braguelonne.
Und er wandte sich an Lignières der ein kostbarer Mann, ein wichtiger Mann, ein Mann wurde, den man schonen mußte, und sagte:
»Ihr, Herr Marquis (der Elende war wirklich Marquis!), Ihr habt Seiner Majestät und dem Staat den wichtigsten Dienst geleistet und sollt, seid unbesorgt, würdig dafür belohnt werden!«
»Ja, meiner Treue,« fügte Démocharès bei, »Ihr verdient ein schönes Licht, mein Herr, und habt meine ganze Achtung! Auch Euch Herr von Braguelonne mache ich meine aufrichtigen Complimente über die Wahl derjenigen, welche Ihr verwendet! Ah! Herr von Lignières ist berechtigt, auf meine höchste Werthschätzung zu zählen.«
»Das ist mir ein süßer Preis für das, was ich zu thun im Stande gewesen bin,« erwiderte Herr von Lignières sich bescheiden verbeugend.
»Ihr wißt, daß wir nicht undankbar sind, Herr von Lignières,« fuhr der Polizeilieutenant fort. »Doch Ihr habt nicht Alles gesagt? Hat man eine Zeit festgestellt, einen Sammelplatz bestimmt?«
»Man soll sich um Blois am 15. März versammeln,« antwortete Lignières.
»Am 15. März, sagt Ihr!« rief Herr von Braguelonne. »Wir haben keine zwanzig Tage vor uns! Und der Herr Cardinal von Lothringen ist in Blois! Man braucht zwei Tage, um ihm die Sache zu melden und seine Befehle zu erhalten! Welche Verantwortlichkeit!«
»Aber welcher Triumph am Ende!« bemerkte Démocharès.
»Laßt hören, mein lieber Herr von Lignières, wißt Ihr die Namen der Anführer?« fragte der Polizeilieutenant.
»Ja, ich habe sie aufgeschrieben.«
»Ein einziger Mann!« rief Démocharès voll Bewunderung. »Das söhnt mich wieder ein wenig mit der Menschheit aus.«
Lignières machte sein Wamms auf, zog ein kleines Papier hervor, entrollte dieses und las:
»Liste der Chefs mit den Namen der Provinzen, die sie zu leiten haben:
»Castelnau von Chalosses, Gascogne.
»Mazères, Béarn.
»Du Mesnil, Périgord.
»Maillé de Brézé, Poitou.
»La Chesnay Maine.
»Sainte-Marie, Normandie.
»Coqueville, Picardie.
»Ferriéres-Maligny, Ile-de-France und Champagne.
»Châteauvieux, Provence u. s. w.
»Ihr möget diese Liste nach Muße lesen und erläutern,« sprach Lignières, indem er dem Polizeilieutenant das Verzeichniß des Verraths übergab.
»Das ist die Organisation des Bürgerkriegs,« sagte Herr von Braguelonne.
»Und bemerkt wohl,« fügte Lignières bei, »Während diese Banden gegen Blois rücken, werden zu gleicher Zeit andere Chefs, in jeder Provinz, sich bereit halten, um jede Bewegung zu unterdrücken, die sich zu Gunsten der Herren von Guise kundgeben sollte.«
»Gut! wir werden sie Alle fassen wie in einem großen Netz!« rief Démocharès sich die Hände reibend. »Ei! wie niedergeschlagen seht Ihr aus, Herr von Braguelonne. Nach der ersten Bewegung des Erstaunens, erkläre ich, daß es mir meinerseits sehr leid thäte, wenn dies Alles nicht so wäre.«
»Aber Ihr seht doch, wie wenig uns Zeit bleibt!« sagte der Polizeilieutenant. »Wahrhaftig, mein lieber Lignières, ich möchte Euch um keinen Preis der Welt einen Vorwurf machen, aber seit dem 5. Februar hättet Ihr mich in Kenntnis setzen sollen.«
»Konnte ich es?« entgegnete Lignières. »La Renaudie hatte mir wenigstens zwanzig Aufträge gegeben, welche von Nantes bis Paris zu besorgen waren. Abgesehen davon, daß ich auf diese Art kostbare Nachrichten sammeln konnte, hätte ich diese Aufträge verschiebend oder vernachlässigend Verdacht erregt: Euch einen Brief schreiben oder einen Boten schicken, hieß unsere Geheimnisse gefährden.«
»Das ist richtig, und Ihr habt immer Recht,« sagte Herr von Braguelonne, »Sprechen wir also nicht mehr von dem, was geschehen ist, sondern von dem, was wir zu thun haben. Ihr habt uns nichts vom Prinzen von Condé gesagt? War er nicht mit Euch in Nantes?«
»Er war dort,« erwiderte Lignières. »Doch er wünschte, ehe er einen Entschluß fassen würde, Chaudieu und den englischen Gesandten gesehen zu haben, und er sagte, er werde la Renaudie zu diesem Behufe nach Paris begleiten.«
»Er wird also nach Paris kommen? La Renaudie wird also kommen?«
»Noch besser, sie müssen Beide schon eingetroffen sein,« antwortete Lignières.
»Und wo wohnen sie«« fragte Herr von Braguelonne voll Eifer.
»Das weiß ich nicht. Wohl fragte ich auf eine ganz gleichgültige Weise, wo ich unsern Chef finden könnte, wenn ich ihm eine Mittheilung zu machen hätte; doch man hat mir nur einen Weg mittelbarer Correspondenz bezeichnet. Ohne Zweifel will la Renaudie den Prinzen nicht gefährden.«
»Es ist nicht zu leugnen, das ist sehr ärgerlich,« bemerkte der Polizeilieutenant. »Wir hätten nothwendig ihre Spur bis an’s Ende verfolgen müssen.«
Meister Arpion trat in diesem Augenblick noch einmal mit seinem leichten, geheinmißvollen Fuß ein.
»Was gibt es, Arpion?« fragte Herr von Braguelonne ungeduldig. »Was Teufels! Ihr wißt wohl, daß wir mit etwas sehr Wichtigem beschäftigt sind.«
»Ohne etwas nicht minder Wichtiges hätte ich mir auch nicht einzutreten erlaubt,« antwortete Arpion.
»Sprecht, was gibt es? Sagt es geschwinde und zwar laut. Wir sind hier unter uns.«
»Ein gewisser Pierre Des Avenelles . . .« sagte Arpion.
Braguelonne, Démocharès und Lignières unterbrachen Arpion durch einen Schrei:
»Pierre Des Avenelles!«
»Es ist der Advocat der Rue des Marmousets, der gewöhnlich die Reformierten in Paris beherbergt,« sagte Démocharès.
»Auf dessen Haus ich schon längst mein Auge habe,« fügte Braguelonne bei. »Doch der gute Mann ist klug und vorsichtig und vereitelt stets meine Wachsamkeit. Was will er, Arpion?«
»Auf der Stelle mit Monseigneur sprechen,« erwiderte der Secretaire. »Er kam mir ganz bestürzt vor.«
»Er kann nichts wissen,« sagte Lignières eifersüchtig. »Ueberdies ist es ein ehrlicher Mann,« fügte er mit verächtlichem Tone bei.
»Man wird das sehen! das wird man sehen!« rief der Großinquisitor.
»Arpion, führt diesen Mann sogleich ein,« sprach Herr von Braguelonne.
»Sogleich Monseigneur,« erwiederte Arpion und ging hinaus.
»Verzeiht, mein lieber Marquis,« fuhr Braguelonne sich an Lignières wendend fort, »dieser Des Avenelles kennt Euch, und Euer unerwarteter Anblick könnte ihn beunruhigen. Habt also die Güte, so lange diese Unterredung dauert, im Cabinet von Arpion, dort hinten im Gang, zu verweilen. Ich lasse Euch rufen, sobald wir zu Ende sind. Ihr, Herr Großinquisitor, bleibt. Eine eindrucksvolle Gegenwart kann uns nur nützlich sein.«
»Es sei, ich bleibe, um Euch zu dienen,« sprach Démocharès sehr zufrieden.
»Und ich entferne mich,« versetzte Lignières. »Doch erinnert Euch dessen, was ich Euch sage; Ihr werdet aus diesem Des Avenelles nichts Bedeutendes herausbringen. Ein armes Gehirn! ein furchtsamer, aber redlicher Geist! nichts von Werth! nichts von Werth!«
»Wir werden unser Möglichstes thun. Doch geht, geht, mein lieber Lignières! Unser Mann kommt.«
Lignières hatte in der That kaum Zeit, zu entwischen. Es trat ein Mann ganz bleich und von einem Nervenzittern bewegt, geführt oder beinahe geschleppt von Meister Arpion, ein.
Dies war der Advocat Pierre Des Avenelles, den wir das erste Mal mit Lignières in der Versammlung der Place Maubert gesehen haben, und der an jenem Abend, wenn man sich erinnert, mit seiner so muthig furchtsamen Rede den Sieg davon trug.