Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 58
XXIII.
Der Anfang vom Ende
Gabriel verließ indessen Noizai nicht, sondern beschloß, die Nacht hier zuzubringen. Seine Gegenwart sollte den Religionsgenossen ein Pfand seiner Treue geben, falls sie angegriffen würden, und dabei hoffte er, am andern Morgen in Ermanglung von Castelnau irgend ein anderes minder hartnäckiges Haupt überzeugen zu können. Wenn la Renaudie käme!
Castelnau ließ ihn völlig frei und schien ihm mit einer gewissen Verachtung nicht die geringste Aufmerksamkeit mehr zu schenken.
Gabriel begegnete ihm mehrere Male an diesem Abend in den Gängen und Sälen des Schlosses, wo er hin und her ging und Befehle für das Recognosciren und das Proviantwesen gab.
Doch zwischen diesen wackeren jungen Leuten, von denen der eine so stolz und edel war als der andere, wurde kein Wort mehr ausgetauscht.
Während der langen Stunden dieser bangen Nacht blieb der Graf von Montgommery, zu unruhig, um schlafen zu können, horchend, nachsinnend, betend, auf den Wällen.
Mit Tagesanbruch kamen die Truppen der Reformierten in kleinen getrennten Banden nach und nach an.
Um acht Uhr waren sie schon in ziemlich großer Anzahl versammelt; um eilf Uhr erwartete Castelnau keine mehr.
Aber Gabriel kannte nicht einen einzigen von den Anführern. La Renaudie hatte sagen lassen, er würde, um Amboise mit seinen Leuten zu erreichen, den Weg durch den Wald von Château-Regnault einschlagen.
Alles war zum Aufbruch bereit. Die Kapitäne Mazère und Raunai, welche die Vorhut bilden sollten, waren schon auf die Terrasse des Schlosses hinabgestiegen, um hier ihre Abtheilungen in Marschordnung aufzustellen. Castelnau triumphierte.
»Nun!« sagte er zu Gabriel, dem er begegnete und in seiner Freude das Gespräch am vorhergehenden Tag verzieh, »nun! Ihr seht, Herr Graf, daß Ihr Unrecht hattet, und daß Alles aufs Beste geht.«
»Warten wir!« sprach Gabriel, den Kopf schüttelnd.
»Aber was braucht Ihr denn, um Euch zu überzeugen, Ungläubiger?« sagte Castelnau lächelnd. »Nicht ein Einziger von den Unsrigen hat sein Versprechen nicht gehalten; sie sind alle zur bezeichneten Stunde mit mehr Leuten angekommen, als sie zugesagt hatten. Sie haben ihre Provinzen durchzogen, ohne beunruhigt zu werden und, was vielleicht noch viel mehr werth ist, ohne beunruhigt zu haben. Ist das nicht in der That ein unverschämtes Glück?«
Der Baron wurde durch einen Lärmen von Trompeten und Waffen und durch einen gewaltigen Tumult, den man von Außen vernahm, unterbrochen.
Doch im Rausche seines Vertrauens gerieth er nicht hierüber in Unruhe, und er konnte nur an einen glücklichen Ausgang glauben.
»Hört,« sagte er zu Gabriel, »ich wette, daß hier abermals neue, unerwartete Verstärkungen kommen. Ohne Zweifel Lamothe und Deschamps mit den Verschwörern der Picardie. Sie sollten erst morgen eintreffen; doch die braven Gesellen werden ihren Marsch beschleunigt haben, um ihren Antheil am Kampf und Sieg zu bekommen. Das sind Freunde!«
»Sind es wirklich Freunde?« sagte Gabriel, der beim Klange der Trompeten erbleicht war.
»Wer sollte es sonst sein?« entgegnete Castelnau. »Tretet auf diese Gallerie, Herr Graf, durch die Zinnen hat man die Aussicht auf die Terrasse, woher der Lärm zu kommen scheint.«
Er zog Gabriel mit sich fort; als er aber an den Rand der Mauer kam, stieß er einen Schrei aus, hob die Arme empor und blieb wie versteinert.
Es waren nicht Reformierte Truppen, sondern königliche, die den Lärmen veranlaßt hatten. Es war nicht Lamothe, der die Ankömmlinge befehligte, sondern Jacob von Savoyen, Herzog von Nemours.
Begünstigt durch die Waldungen, von denen das Schloß von Noizai umgeben war, hatten die königlichen Reiter beinahe unversehens bis zur offenen Terrasse kommen können, wo sich die Vorhut der Rebellen in Schlachtordnung aufstellte.
Es hatte nicht einmal ein Kampf stattgefunden, denn der Herzog von Nemours ließ vor Allem seine Leute sich der Gewehrpyramiden bemächtigen.
Mazère und Raunai hatten sich ohne Schwertstreich ergeben müssen, und in dem Augenblick, wo Castelnau oben von der Mauer herabschaute, übergaben die Seinigen, ohne Kampf überwunden, den Siegern ihre Degen. Da, wo er seine Soldaten zu finden sich einbildete, sah er nur noch Gefangene. Er wollte seinen Augen nicht trauen und blieb eine Minute lang unbeweglich, stumm, niedergeschmettert. Ein solches Ereigniß lag seinen Gedanken so fern, daß er sich Anfangs keine Rechenschaft davon geben konnte.
Nicht minder erstaunt über diesen plötzlichen Streich, war Gabriel auch nicht minder dadurch niedergeschlagen.
Während sich Beide gleich bleich und gleich düster einander anschauten, trat hastig ein Fähnrich ein, der Castelnau suchte.
»Wie steht es mit uns?« fragte dieser, der durch die Gewalt der Beängstigung seine Stimme wieder fand.
»Herr Baron,« antwortete der Fähnrich, »sie haben sich der Zugbrücke und des ersten Thores bemächtigt, und es ist uns kaum noch Zeit geblieben, das zweite zu schließen, doch dieses vermöchte nicht zu widerstehen, und in einer Viertelstunde wären sie im Hofe. Sollen wir nichtsdestoweniger zu kämpfen versuchen, oder sagten: wir parlamentiren? Man erwartet Eure Befehle.«
»Hier bin ich . . . Laßt mir nur die Zeit, mich zu waffnen, und ich komme hinab.«
Er kehrte hastig in das anstoßende Gemach zurück, um seinen Panzer zu nehmen und sein Schwert umzugürten.
Gabriel folgte ihm dahin.
»Was wollt Ihr machen, mein Freund?« fragte er ihn traurig.
»Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, antwortete Castelnau ganz verwirrt. Man kann immerhin sterben.«
»Ach!« erwiderte Gabriel, »warum habt Ihr mir nicht gestern geglaubt.«
»Ja, Ihr hattet Recht, Ihr hattet vorhergesehen, was geschieht, Ihr wußtet es vielleicht voraus.«
»Vielleicht! . . .« sprach Gabriel. »Und das ist meine größte Qual. Doch bedenkt, Castelnau, es gibt im Leben so seltsame und so furchtbare Combinationen des Schicksals! Wenn es mir nicht frei gestanden wäre, Euch mittelst wahrer Gründe, die sich auf meine Lippen drängten, abzurathen? . . . Wenn ich mein Wort als Edelmann gegeben hätte, Euch weder unmittelbar, noch mittelbar die Wahrheit errathen zu lassen?«
»Dann hättet Ihr wohl daran gethan, zu schweigen, und ich würde an Eurer Stelle gehandelt haben, wie Ihr. Ich Wahnsinniger, ich hätte Euch verstehen sollen; ich hätte denken müssen, daß ein Tapferer, wie Ihr, nicht ohne mächtige Gründe von der Schlacht abräth . . . Doch ich werde meinen Fehler sühnen, ich werde sterben.«
»Und ich werde mit Euch sterben,« sprach Gabriel voll Ruhe.
»Ihr! und warum?« rief Castelnau. »Ihr seid nur zu Einem gezwungen: Euch des Kampfes zu enthalten.«
»Ich werde auch nicht kämpfen, ich kann es nicht. Mein Leben ist mir zur Last, die scheinbar doppelte Rolle, die ich spiele, ist mir verhaßt. Ich werde ohne Waffen in den Kampf gehen, nicht tödten, aber mich tödten lassen. Ich kann mich vielleicht vor den Streich werfen, der Euch bestimmt ist. Bin ich nicht im Stand ein Schwert zu führen, so vermag ich doch ein Schild zu sein.«
»Nein,« erwiderte Castelnau, »bleibt. Ich darf, ich kann Euch nicht in meinen Untergang mit fortreißen.«
»Ei! Ihr seid wohl im Begriff, ohne Nutzen und ohne Hoffnung alle diejenigen, welche mit uns in dieser Veste eingeschlossen sind, mit fortzureißen. Mein Leben ist unnützer, als das ihrige.«
»Kann ich es für den Ruhm unserer Partei anders machen, als dieses Opfer von ihnen fordern?« sagte Castelnau. »Märtyrer sind häufig für ihre Sache nützlicher und glorreicher als Sieger.«
»Ja,« erwiderte Gabriel, »doch ist es nicht vor Allem Eure, des Führers, Pflicht, daß Ihr die Streitkräfte, die Euch anvertraut sind, zu retten sucht, um hernach, wenn sich die Rettung nicht mit der Ehre verträgt, an ihrer Spitze zu sterben.«
»Ihr rathet mir also?«
»Die friedlichen Mittel zu versuchen. Widersteht Ihr, so habt Ihr keine Hoffnung, der Niederlage und der Metzelei zu entgehen. Weicht Ihr der Nothwendigkeit, so haben sie, wie mir scheint; nicht das, Recht, einen Plan ohne Ausführung zu bestrafen. Pläne richtet man nicht zum Voraus, bestraft man wenigstens nicht. Ihr entwaffnet Eure Feinde, indem Ihr Euch entwaffnet.«
»Ich muß es so sehr bereuen, Euren ersten Rath nicht befolgt zu haben, daß ich gerne diesem zweiten gehorchen möchte; doch ich gestehe, daß ich zögere. Es widerstrebt mir, zurückzuweichen.«
»Um zurückzuweichen, müßtet Ihr einen Schritt vorwärts gethan haben. Was beweist bis jetzt Eure Rebellion? Erst, wenn Ihr das Schwert zeiget, würdet Ihr Euch für schuldig erklären. Hört, meine Gegenwart kann Euch, Gott sei Dank! vielleicht noch zu etwas nützlich sein. Ich vermochte Euch gestern nicht zu retten, wollt Ihr, daß ich es heute versuche?«
»Was würdet Ihr thun?« fragte Castelnau erschüttert.
»Seid unbesorgt, nichts, was nicht Eurer würdig wäre. Ich gehe zum Herzog von Nemours, der die königliche Truvpe befehligt. Ich kündige ihm an, man werde keinen Widerstand gegen ihn leisten, man werde ihm die Thore öffnen und Ihr werdet Euch ergeben, jedoch auf Ehrenwort. Er muß sein herzogliches Wort verpfänden, daß weder Euch, noch Euren Edelleuten irgend ein Leid zugefügt werden soll, und daß er Euch, nachdem er Euch zum König geführt, dem Ihr Eure Bitten und Beschwerden vortragen wollt, in Freiheit setzen werde.«
»Und wenn er sich weigert?« sagte Castelnau.
»Wenn er sich weigert,« erwiderte Gabriel, »so ist das Unrecht auf seiner Seite: er wird eine billige und ehrenhafte Versöhnung zurückgestoßen haben, und alle Verantwortlichkeit des vergossenen Blutes fällt auf sein Haupt. Weigert er sich, Castelnau, so kehre ich zu Euch zurück, um an Eurer Seite zu sterben.«
»Glaubt Ihr, wenn la Renaudie an meinem Platze wäre, er würde in Euren Vorschlag einwilligen?«
»Bei meiner Seele! ich glaube, daß jeder vernünftige Mensch einwilligen würde.«
»Thut es also!« sprach Castelnau. »Unsere Verzweiflung, wenn Ihr, wie ich befürchte, beim Herzog scheitert, wird nur um so furchtbarer sein.«
»Ich danke,« sagte Gabriel. »Es wird mir hoffentlich gelingen, und mit der Hilfe Gottes werde ich im Stande sein, das Leben von so vielen edlen, muthigen Männern zu erhalten.«
Er stieg eiligst hinab, ließ sich den Hof öffnen und ging, die Fahne eines Parlamentärs in der Hand, auf den Herzog von Nemours zu, der zu Pferde, mitten unter den Seinigen, den Krieg oder den Frieden erwartete.
»Ich weiß nicht, ob Monseigneur mich wiedererkennt,« sprach Gabriel zum Herzog, »ich bin der Graf von Montgommery.«
»Ja, ich erkenne Euch, Herr von Montgommery,« erwiderte Jakob von Savoyen. »Herr von Guise hat mich davon in Kenntnis gesetzt, daß ich Euch hier finden würde, doch indem er beifügte, Ihr wäret mit seiner Genehmigung hier, und ich möge Euch als Freund behandeln.«
»Eine Vorsicht, die mich bei anderen unglücklichen Freunden verleumden könnte!« sagte Gabriel, traurig den Kopf schüttelnd. »Doch, gnädigster Herr, darf ich es wagen, Euch um eine kurze Unterredung zu bitten?«
»Ich stehe zu Dienst,« erwiderte Herr von Nemours.
Castelnau, der durch ein vergittertes Fenster des Schlosses voll Bangigkeit allen Bewegungen des Herzogs und Gabriels folgte sah, wie sie bei Seite gingen und einige Minuten sehr lebhaft mit einander sprachen. Dann verlangte Jakob von Savoyen Schreibzeug und schrieb rasch auf einer Trommel die Zeilen eines Zettels, den er dem Grafen von Montgommery einhändigte. Gabriel schien gerührt zu danken. Man durfte also hoffen.
Gabriel kam in der That hastig zurück und übergab einige Augenblicke nachher, ohne ein Wort zu sprechen und ganz athemlos, Castelnau folgende Erklärung:
»Da Herr von Castelnau und seine Gefährten vom Schloß Noizai sogleich bei meiner Ankunft ihre Waffen niederzulegen und sich mir ergeben eingewilligt haben, so habe ich, der Unterzeichnete, Jacob von Savoyen, ihnen bei meinem Fürstenwort bei meiner Ehre und der Verdammniß meiner Seele geschworen, daß ihnen kein Leid geschehen soll, und daß ich sie unversehrt zurückführen werde, wobei nur fünfzehn von ihnen mit dem Herrn von Castelnau mir nach Amboise zu folgen haben, um dem König, unserem Herrn, ihre friedlichen Vorstellungen zu machen.
Gegeben im Schloß Noizai am 15. März 1560.
Jacob von Savoyen.
»Ich danke, Freund,« sprach Castelnau zu Gabriel, nachdem er diese Erklärung gelesen hatte. »Ihr habt uns das Leben und mehr als das Leben, Ihr habt uns die Ehre gerettet. Ich bin unter diesen Bedingungen bereit, Herrn von Nemours nach Amboise zu folgen, denn wir werden dort wenigstens nicht als Gefangene vor ihrem Besieger, sondern als Unterdrückte vor ihrem König ankommen. Noch einmal meinen Dank.«
Doch indem er seinem Befreier die Hand drückte, gewahrte Castelnau, daß Gabriel wieder so traurig wie zuvor geworden war.
»Was habt Ihr denn wieder?« fragte er ihn.
»Ich denke nun an la Renaudie und die anderen Protestanten, welche in dieser Nacht Amboise angreifen sollen, antwortete Gabriel. »Ach! ohne Zweifel ist es zu spät, sie zu retten. Doch wenn ich es versuchte? Soll nicht la Renaudie durch den Wald von Château-Regnault ziehen?«
»Ja,« sagte Castelnau voll Eifer, »und Ihr dürftet ihn vielleicht noch dort finden und ihn retten, wie Ihr uns gerettet habt.
»Ich will es wenigstens versuchen,« sprach Gabriel. »Ich denke, der Herzog von Nemours wird mich frei lassen. Gott befohlen also, Freund, ich werde, wenn ich kann, meine Versöhnungsrolle fortsetzen. Auf Wiedersehen in Amboise.«
»Auf Wiedersehen.«
Der Herzog von Nemours widersetzte sich, wie Gabriel vorhergesagt, nicht, daß dieser Noizai und die königlichen Truppen verließ.
Der glühende, aufopfernde junge Mann konnte also zu Pferde in der Richtung des Waldes von Château-Regnault forteilen.
Castelnau aber und die fünfzehn Führer, die mit ihm abgingen, folgten ruhig und vertrauensvoll Jakob von Savoyen nach Amboise.
Doch bei ihrer Ankunft wurden sie auf der Stelle ins Gefängniß geführt. Sie sollten wie man ihnen sagte, dort bleiben, bis der Streit beendigt und bis keine Gefahr mehr dabei wäre, sie zum König gelangen zu sehen.
XXIV.
Der Wald von Château-Regnault
Der Wald von Château-Regnault war zum Glück nur anderthalb Meilen von Noizai entfernt. Gabriel wandte sich im Galopp dahin; sobald er aber den Wald erreicht hatte, durchritt er ihn mehr als eine Stunde in allen Richtungen, ohne eine befreundete oder eine feindliche Truppe zu treffen.
Endlich glaubte er an der Biegung einer Allee den regelmäßigen Galopp der Reiterei zu hören. Doch das konnten nicht Reformierte sein; denn man lachte und sprach, und den Hugenotten mußte zu viel daran liegen, ihren Marsch zu verbergen, als daß sie nicht ein völliges Stillschweigen hatten beobachten sollen.
Gleichviel! Gabriel sprengte nach der Seite, woher das Geräusch kam, und erblickte bald die rothen Schärpen der königlichen Truppen.
Als er auf den Anführer zuritt, erkannte er ihn und wurde von ihm erkannt.
Es war der Baron von Pardaillan, ein junger und tapferer Officier, der mit ihm unter Guise in Italien gefochten hatte.
»Ei! da ist der Graf von Montgommery!« rief Pardaillan. »Ich glaubte Ihr wärt in Noizai.«
»Daher komme ich,« sagte Gabriel.
»Und was ist dort vorgefallen? Reitet doch ein wenig mit uns und erzählt mir das.«
Gabriel erzählte von der plötzlichen Ankunft des Herzogs von Nemours, von der Ueberrumpelung der Terrasse und der Zugbrücke, von seiner Vermittlung bei beiden Parteien und von der friedlichen Unterwerfung, die der Erfolg derselben gewesen war.
»Bei Gott!« sagte Pardaillan, »Herr von Nemours hat Glück gehabt, und ich wollte, es ginge mir auch so. Wißt Ihr, Herr von Montgommery gegen wen ich in diesem Augenblick marschiere?«
»Gegen la Renaudie ohne Zweifel?«
»Ganz richtig. Und wißt Ihr, was mir la Renaudie ist?«
»Ich glaube, Euer Vetter . . . es ist wahr, ich erinnere mich dessen.«
»Ja, mein Vetter,« sprach Pardaillan, »und mehr als mein Vetter, mein Freund, mein Waffengefährte. Wißt Ihr, daß es hart ist, gegen denjenigen zu fechten, der so oft an unserer Seite gefochten hat?«
»Oh! ja!« sagte Gabriel . . .»Doch Ihr seid am Ende nicht sicher, ihn zu treffen?«
»Doch, doch, ich bin dessen sicher!« erwiderte Pardaillan, »meine Instructionen sind nur zu genau und die Berichte derjenigen, welche ihn verrathen haben, nur zu getreu. Hört: wenn ich noch eine Viertelstunde in der zweiten Allee links marschiert bin, muß ich mich la Renaudie gegenüber finden.«
»Aber wenn Ihr nicht in diese Allee marschieren würdet?« flüsterte Gabriel.
»Dann würde ich mich gegen meine Ehre und gegen meine Pflicht als Soldat verfehlen,« entgegnete Pardaillan. »Wollte ich übrigens auch, so könnte ich nicht. Meine zwei Lieutenants haben eben so gut als ich die Befehle von Herrn von Guise erhalten und würden mich nicht dagegen handeln lassen. Nein, meine einzige Hoffnung beruht darauf, daß la Renaudie sich mir zu ergeben einwilligt. Eine sehr unsichere Hoffnung, denn er ist stolz und muthig. Im offenen Feld wird er nicht überfallen werden, wie Castelnau und wir werden ihm der Zahl nach nicht sehr überlegen sein. Doch nicht wahr, Herr von Montgommery Ihr helft mir immerhin, ihm zum Frieden zu rathen?«
»Ah! ich werde mein Möglichstes thun,« sagte Gabriel.
»Zum Teufel mit den Bürgerkriegen!« rief Pardaillan zum Schluß.
Sie ritten ungefähr zehn Minuten lang stillschweigend weiter.
Als sie in die zweite Allee links einbogen, sagte Pardaillan:
»Wir müssen nahe bei ihnen sein. Mein Herz schlägt. Ich glaube, Gott verzeihe mir! zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Furcht.«
Die königlichen Reiter lachten und plauderten nicht mehr, sondern rückten sachte und behutsam vor.
Sie hatten nicht zweihundert Schritte gemacht, als sie durch eine dicht belaubte Gruppe von Bäumen auf einem Fußpfad, der sich längs der Landstraße hinzog, Waffen glänzen zu sehen glaubten.
Sie blieben nicht lange im Zweifel, denn beinahe in demselben Augenblick rief eine feste Stimme:
»Halt! wer da?«
»Das ist die Stimme von la Renaudie,« sagte Pardaillan zu Gabriel.
Und er antwortete:
»Valois und Lothringen!«
Auf der Stelle kam aus der Gegenallee la Renaudie zu Pferde, gefolgt von seiner Truppe hervor.
Nichtsdestoweniger befahl er den Seinigen, zu halten, und ritt einige Schritte allein vorwärts.
Pardaillan ahmte ihn nach, rief seinen Leuten: Halt! zu, und ritt ihm allein mit Gabriel entgegen.
Man hätte eher glauben sollen, es wären zwei Freunde, die es drängte, sich nach langer Abwesenheit wiederzusehen, als zwei Feinde, bereit, sich zu bekämpfen.
»Ich hätte Dir schon geantwortet, wie ich sollte, würde ich nicht eine befreundete Stimme zu erkennen geglaubt haben,« sagte la Renaudie sich nähernd . . . »denn wenn mich nicht Alles täuscht, verbirgt dieses Visir die Züge meines theuren Pardaillan.«
»Ja, ich bin es, mein armer la Renaudie,« erwiderte Pardaillan, »und wenn ich Dir einen brüderlichen Rath geben soll, verzichte auf Dein Unternehmen, Freund, und lege sogleich Deine Waffen nieder.«
»Oho! ist das wirklich ein brüderlicher Rath?« rief la Renaudie spöttisch.
»Ja, Herr von la Renaudie,« sagte Gabriel, der sich ihm nun auch zeigte, »ich bezeuge, daß es der Rath eines redlichen Freundes ist. Castelnau hat sich diesen Morgen dem Herzog von Nemours ergeben, und wenn Ihr ihn nicht nachahmt, seid Ihr verloren.«
»Ah! ah! Herr von Montgommery,« sprach la Renaudie, »seid Ihr auch mit Diesen?«
»Ich bin weder mit Diesen, noch mit Euch,« antwortete Gabriel ernst und traurig, »ich bin zwischen Euch.«
»Oh! verzeiht mir, Herr Graf,« sagte la Renaudie, bewegt durch den edlen und würdigen Ausdruck von Gabriel. »Ich wollte Euch nicht beleidigen, und würde, glaube ich, eher an mir, als an Euch zweifeln.«
»Glaubt mir also,« sprach Gabriel, »und wagt nicht einen fruchtlosen und unseligen Kampf. Ergebt Euch.«
»Unmöglich!« rief la Renaudie.
»Aber wisse doch, daß wir nur eine schwache Vorhut sind,« sagte Pardaillan.
»Und ich,« entgegnete der Anführer der Reformierten, »habe mit dieser Hand voll Brüder, die Du hier siehst, angefangen?«
»Ich bemerke Dir zum Voraus,« fuhr Pardaillan fort, »Du hast Verräther in Deinen Reihen.«
»Sie sind nun in den Eurigen,« erwiderte la Renaudie.
»Ich übernehme es, Deine Begnadigung von Herrn von Guise zu erlangen,« sagte Pardaillan, der nicht wußte, was er versuchen sollte, um ihn zu bewegen.
»Meine Begnadigung!« rief la Renaudie, »ich hoffe, daß ich bald eher Begnadigungen zu geben, als zu empfangen habe!«
»La Renaudie! la Renaudie! Du wirst mich doch nicht zwingen wollen, das Schwert gegen Dich, meinen alten Kameraden, meinen Freund aus der Kinderzeit, zu ziehen.«
»Du mußt Dich wohl darauf gefaßt halten, Pardaillan, denn Du kennst mich gerade zu gut, um zu glauben, ich sei geneigt, Dir das Feld einzuräumen.«
»Herr von la Renaudie,« rief Gabriel, »ich wiederhole Euch, Ihr habt Unrecht . . .«
Doch er wurde ungestüm unterbrochen.
Die Reiter der beiden Parteien, welche in einiger Entfernung im Angesicht von einander geblieben waren, konnten diese seltsamen Gespräche ihrer Führer nicht begreifen und brannten vor Begierde, handgemein zu werden.
»Was Teufels sagen sie sich denn dort so lange?« murmelten die Soldaten von Pardaillan.
»Ah,« sprachen ihrerseits die Hugenotten, »glauben sie denn, wir seien hierhergekommen, um sie mit einander über ihre Angelegenheiten plaudern zu sehen?«
»Warte! warte!« sagte einer von den Leuten von der Truppe von la Renaudie, wo jeder Soldat Führer war, »ich weiß ein Mittel, ihre Unterredung abzukürzen.«
Und in dem Augenblick, wo Gabriel das Wort nahm, feuerte er seine Pistole gegen die Truppe von Pardaillan ab.
»Du siehst!« rief dieser schmerzlich, »der erste Schuß ist von den Deinigen geschehen.«
»Ohne meinen Befehl!« entgegnete la Renaudie rasch. »Doch da das Loos geworfen ist, gehe es, wie es gehen will! Auf! meine Freunde! vorwärts!«
Er wandte sein Pferd gegen seine Leute, und Pardaillan that, um nicht zurückzubleiben, dasselbe und rief ebenfalls:
»Vorwärts!«
Das Feuer begann.
Gabriel war indessen unbeweglich zwischen den Rothen und den Weißen, zwischen den Königlichen und den Reformirten geblieben. Er hatte kaum sein Pferd ein wenig auf die Seite gelenkt, und war so dem Feuer beide Theile preis gegeben.
Schon bei den ersten Schüssen drang eine Kugel durch seinen Helmbusch, und sein Pferd wurde unter ihm getödtet.
Er machte sich aus den Steigbügeln los und blieb ohne sich zu rühren, und wie nachdenkend mitten unter dem furchtbaren Gemenge stehen.
Das Pulver war erschöpft, die zwei Truppen stürzten auf einander los, oder setzten den Kampf mit dem Schwerte fort.
Gabriel bewegte sich nicht unter dem Geklirre der Waffen, und ohne nur den Griff seines Schwertes zu berühren, begnügte er sich, den wüthenden Streichen zuzuschauen, welche um ihn her ausgetheilt wurden . . . düster und traurig, wie es das Bild Frankreichs unter diesen feindseligen Franzosen gewesen sein müßte.
Geringer der Zahl und der Disciplin nach, fingen die Reformierten indessen an zu weichen.
La Renaudie traf im Getümmel wieder mit Pardaillan zusammen.
»Herbei!« rief er ihm zu, »damit ich wenigstens von Deiner Hand sterbe!«
»Ah!« sagte Pardaillan, »derjenige, welcher den Andern tödtet, wird der Großmüthigere sein!«
Und sie griffen sich mächtig an. Die Streiche, die sie gegeneinander führten, erschollen auf ihren Rüstungen wie Hammer auf dem Amboß. La Renaudie drehte sich um Pardaillan, der, fest in seinen Steigbügeln ohne zu ermüden, parierte und gegen schlug. Zwei rachgierige Nebenbuhler hätten nicht erbitterter kämpfen können.
Endlich stieß la Renaudie seinen Degen Pardaillan in die Brust, und dieser fiel.
Doch es war nicht Pardaillan, der einen Schrei ausstieß, sondern la Renaudie.
Zu seinem Glück hatte der Sieger nicht Zeit, seinen traurigen Sieg in’s Auge zu fassen.
Plontigny der Page von Pardaillan, feuerte einen Büchsenschuß auf ihn ab, der ihn, tödtlich verwundet, von seinem Pferde niederschmetterte.
Nichtsdestoweniger fand la Renaudie, ehe er starb, noch die Kraft, den Pagen, der ihn geschossen, durch einen Schwertstreich mit verkehrter Hand todt niederzustrecken.
Um diese drei Leichname drängte sich der Kampf wüthender als je zusammen.
Doch die Hugenotten waren offenbar im Nachtheil, und bald geriethen sie, ihres Führers beraubt, in völlige Verwirrung.
Die Mehrzahl wurde getödtet. Man machte einige Gefangene und Einige ergriffen die Flucht.
Dieser gräßliche, blutige Kampf hatte nicht zehn Minuten gedauert.
Die königlichen Reiter schickten sich an, nach Amboise zurückzukehren. Man legte die zwei Leichname von Pardaillan und la Renaudie auf dasselbe Pferd, um sie mit einander zurückzubringen.
Gabriel, der, trotz seiner glühenden Wünsche ohne Zweifel geschont von den Waffen der beiden Parteien, nicht eine Schramme bekam, betrachtete voll Traurigkeit diese zwei Körper, welche noch wenige Augenblicke vorher die zwei edelsten Herzen, die er vielleicht gekannt, belebt hatten.
»Wer von Beiden war der Bravere?« sagte er zu sich selbst. »Wer von Beiden liebte den Andern inniger? Wer von Beiden ist für das Vaterland ein größerer Verlust?«