Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 62
XXXI.
Das Sterbebett der Könige
Die Königin Mutter hatte mittlerweile ihre Zeit nicht verloren. Sie schickte zuerst zum König von Navarra den Cardinal von Tournon, ihre Creatur, und brachte ihre geschriebene Uebereinkunft mit den Bourbonen in Ordnung. Dann vor Tagesanbruch empfing sie den Kanzler l’Hospital, der ihr die baldige Ankunft in Orléans ihres Verbündeten, des Connétable, mittheilte. Von ihr benachrichtigt, versprach l’Hospital, sich um neun Uhr im großen Saale des Amthauses einzufinden, der vor dem Gemach des Königs kam, und dahin so viel Parteigänger von Catharina, als er finden könnte mitzubringen. Endlich ließ die Königin Mutter auf halb neun Uhr Chapelain und ein paar andere königliche Aerzte rufen, deren Mittelmäßigkeit die geborene Feindin des Genies von Ambroise Paré war.
Als sie so ihre Maßregeln getroffen hatte, trat sie, wie wir gesehen, zuerst in das Gemach des Königs, der so eben erwacht war. Sie ging gerade auf das Bett ihres Sohnes zu, betrachtete ihn seinige Augenblicke den Kopf schüttelnd, wie eine schmerzlich betrübte Mutter, drückte einen Kuß auf seine herabhängende Hand, trocknete ein paar Thränen und setzte sich so, daß sie ihn beständig im Blick hatte.
Auch sie wollte nun, wie Maria Stuart, über diesem kostbaren Todeskampf wachen, doch auf ihre Weise.
Der Herzog von Guise trat beinahe in demselben Augenblick ein. Nachdem er ein paar Worte mit Maria gesprochen hatte, ging er auf seinen Bruder zu und fragte ihn:
»Ihr habt also nichts gethan?«
»Ach! ich konnte nichts thun,« antwortete der Cardinal.
»Das Schicksal wendet sich also gegen uns,« versetzte der Balafré. »Man drängt sich diesen Morgen im Zimmer von Anton von Navarra.«
»Und Montmorency, habt Ihr Nachricht von ihm?«
»Keine. Vergebens habe ich bis jetzt gewartet . . .« er hat vielleicht nicht den geraden Weg gewählt. Vielleicht steht er schon vor den Thoren der Stadt.
»Mißlingt Ambroise Paré seine Operation, dann ist es aus mit unserem Glück!« versetzte voll Angst Carl von Lothringen.
Die von Catharina von Medicis benachrichteten Aerzte trafen in dieser Minute ein.
Die Königin Mutter führte sie selbst an das Bett des Königs, dessen Leiden und Seufzer wieder begannen.
Die Aerzte untersuchten nach und nach ihren königlichen Kranken und gruppierten sich sodann in einer Ecke, um sich zu berathen. Chapelain schlug Kataplasmen vor, um die Feuchtigkeiten nach Außen zu ziehen; doch die zwei anderen Aerzte sprachen sich dafür aus, daß ein gewisses zusammengesetztes Wasser in das Ohr eingespritzt werden sollte.
Sie hatten sich für dieses letztere Mittel entschieden, als Ambroise Paré, in Begleitung von Gabriel, eintrat.
Nachdem er den Zustand des Königs geprüft hatte, trat er zu seinen Collegen.
Ambroise Paré, Wundarzt des Herzogs von Guise, ein Mann von einem in der Wissenschaft schon begründeten Ruf, war nun eine Autorität, auf die man jede Rücksicht nehmen mußte. Die Aerzte theilten ihm daher mit, was sie beschlossen hatten.
»Das Mittel ist ungenügend, behaupte ich,« sprach Ambroise Paré mit lauter Stimme, »doch man muß sich beeilen, denn das Gehirn wird sich eher füllen, als ich gedacht hätte.«
»Oh! beeilt Euch also in des Himmels Namen!« rief Maria Stuart, welche diese Worte gehört hatte.
Die Königin Mutter und die zwei Guisen näherten sich nun den Aerzten und mischten sich unter sie.
»Meister Paré,« fragte Chapelain, »habt Ihr denn ein Mittel, das besser und rascher wäre, als das unsere?«
»Ja,« antwortete Paris.
»Welches?«
»Man muß den König trepaniren.«
»Den König trepaniren!« riefen die drei Aerzte schauernd.
»Worin besteht diese Operation?« fragte der Herzog von Guise.
»Sie ist noch wenig bekannt, gnädigster Herr,« erwiderte der Wundarzt. »Man muß mit einem, von mir erfundenen, Instrument, das ich Trepan nenne, auf dem Scheitel, oder vielmehr aus der Seite des Gehirns eine Oeffnung von der Weite eines kleinen Goldstückes machen.«
»Barmherziger Gott!« rief voll Entrüstung Catharina von Medicis. »Mit dem Eisen an dem Kopf des Königs arbeiten! Und Ihr würdet das wagen?«
»Ja, Madame,« antwortete Ambroise ganz einfach.
»Aber das wäre ein Mord!« versetzte Catharina.
»Ei! Madame,« entgegnete Ambroise, »den Kopf des Königs mit Wissenschaft und Vorsicht öffnen, heißt dasnicht nur das thun, was täglich auf dem Schlachtfeld das blinde und gewaltsame Schwert thut? Und wie viel Wunden heilen wir nicht!«
»Sagt kurz, steht Ihr für das Leben des Königs?« fragte der Cardinal von Lothringen.
»Gott allein hat das Leben und den Tod der Menschen in seinen Händen; Ihr wißt das besser als ich, Herr Cardinal. Alles was ich versichern kann, ist, daß hierin die letzte und einzige Hoffnung besteht, dem König das Leben zu retten. Ja, es ist die einzige Hoffnung, die einzige Möglichkeit einer Rettung, doch es ist wenigstens eine Möglichkeit.«
»Ihr sagt jedoch, Eure Operation könne gelingen, nicht wahr, Ambroise?« fragte der Balafré. »Sprecht, habt Ihr sie schon einmal mit Erfolg gemacht?«
»Ja, Monseigneur,« antwortete Ambroise Paré, »noch vor Kurzem an Herrn von Bretesche, Rue de la Harpe, in der rothen Rose, und dann, um von Dingen zu sprechen, die Monseigneur besser kennen wird, habe ich sie bei der Belagerung von Calais an Herrn von Pienne vorgenommen, »der auf der Bresche verwundet worden war.«
Nicht ohne Absicht erinnerte Ambroise Paré den Herzog an Calais, und es gelang ihm auch, denn dieser war offenbar von seinen Worten betroffen.«
»Ja der That, ich erinnere mich dessen,« sagte er, »ich zögere nun nicht mehr, und gebe meine Einwilligung zur Operation.«
»Und ich auch,« sprach Maria Stuart, ohne Zweifel durch ihre Liebe erleuchtet.
»Doch ich nicht,« rief Catharina.
»Ei! Madame, da man Euch sagt, es sei dies unser einziges Rettungsmittel!« versetzte Maria.
»Wer sagt das?« entgegnete die Königin Mutter. »Meister Ambroise Paré, ein Ketzer! Das ist aber nicht die Ansicht der Aerzte.«
»Nein, Madame,« sprach Chapelain, »und diese Herren und ich protestiren gegen das Mittel, das Meister Paré vorschlägt.«
»Ah! Ihr seht wohl?« rief Catharina triumphierend.
Außer sich, ging der Balafré auf die Königin Mutter zu, führte sie in eine Fenstervertiefung und sagte hier mit leiser Stimme und preßt:
»Madame, hört mich, Ihr wollt, daß Euer Sohn sterbe und Euer Prinz von Condé lebe! . . . . Ihr seid mit den Bourbonen und mit den Montmorency, einverstanden! . . . Der Handel ist abgeschlossen, die Verlassenschaft zum Voraus getheilt . . . Ich weiß Alles. Nehmt Euch in Acht! . . . ich weiß Alles, sage ich Euch.«
Doch Catharina von Medicis gehörte nicht zu denjenigen, welche man so leicht einschüchtert, und der Herzog von Guise hatte einen falschen Weg eingeschlagen. Sie begriff nur um so besser die Nothwendigkeit, kühn zu handeln, da ihr Feind so die Maske vor ihr abwarf. Sie schleuderte ihm einen niederschmetternden Blick zu, entging ihm durch eine rasche Bewegung, lief auf die Thüre zu, öffnete selbst beide Flügel und rief:
»Herr Kanzler!«
Gemäß den Befehlen, die er erhalten, wartete l’Hospital im großen Saal. Es war hier um ihn versammelt, was er von Parteigängern der Königin Mutter und der Prinzen hat finden können.
Auf den Ruf von Catharina trat er rasch vor, und die Gruppe der adeligen Herren drängte sich neugierig nach der offenen Thüre.
»Herr Kanzler,« sprach Catharina mit lauter Stimme, um gehört zu werden, »Man will zu einer gewaltsamen und verzweifelten Operation an der Person des Königs ermächtigen. Meister Paré beabsichtigt, ihm mit einem Instrument den Kopf zu durchbohren. Ich, seine Mutter, protestiere mit den drei hier gegenwärtigen Aerzten gegen dieses Verbrechen . . . . Herr Kanzler, nehmt meine Erklärung zu Protokoll.«
»Schließt diese Thüre!« rief der Herzog von Guise.
Trotz des Murrens der im großen Saal versammelten Edelleute that Gabriel, was der Herzog befahl.
Der Kanzler allein blieb im Gemach des Königs.
»Herr Kanzler,« sprach nun der Balafré, »erfahrt, daß diese Operation, von der man Euch sagt, nothwendig ist, und daß die Königin und ich, der Generallieutenant des Reiches, wenn nicht für die Operation, doch für den Wundarzt stehen.«
»Und ich,« rief Ambroise Paré, »ich übernehme in diesem äußersten Augenblick jede Verantwortlichkeit, die man mir auferlegen will. Ja, man mag mir mein Leben nehmen, wenn es mir nicht gelingt, das des Königs zu retten. Aber, ach! es ist die höchste Zeit! Seht den König! seht ihn!«
Leichenbleich, unbeweglich, die Augen erloschen, schien Franz II. in der That nicht mehr zu sehen, nicht mehr zu hören, nicht mehr zu leben. Er antwortete weder mehr auf die Liebkosungen, noch auf den Ruf von Maria.
»Oh! ja, beeilt Euch! beeilt Euch, im Namen Jesu!« sagte diese zu Ambroise. »Sucht nur dem König das Leben zu retten, und ich werde das Eurige beschützen.«
»Ich habe nicht das Recht, etwas zu verhindern, doch es ist meine Pflicht, die Protestation der Frau Königin Mutter zu bestätigen,« sagte der unempfindliche Kanzler.
»Herr l’Hospital, Ihr seid nicht mehr Kanzler,« sprach der Herzog von Guise mit kaltem Tone. »Beginnt, Ambroise!« sagte er zu dem Wundarzt.
»Wir entfernen uns,« erklärte Chapelain im Namen der Aerzte.
»Es sei,« erwiderte Ambroise, »ich bedarf der größten Ruhe um mich her. Bin ich allein Herr, so werde ich auch allein verantwortlich sein.«
Seit einigen Augenblicken sprach Catharina von Medicis nicht ein Wort mehr, machte sie nicht eine Bewegung mehr. Sie hatte sich an das Fenster zurückgezogen und schaute in den Hof des Amthauses, wo man einen gewaltigen Lärmen vernahm. Doch in der Krise dieser Entwicklung hatte Niemand außer ihr diesem Lärmen ein Gehör geschenkt.
Alle, und selbst der Kanzler, hefteten ihre Augen auf Ambroise Paré, der die erhabene Kaltblütigkeit des großen Wundarztes wieder gewonnen hatte und seine Instrumente bereit legte.
Doch in dem Augenblick, wo er sich über Franz II. neigte, brach der Tumult im anstoßenden Saale los. Ein bitteres und zugleich freudiges Lächeln schwebte auf den bleichen Lippen von Catharina. Die Thüre öffnete sich mit Gewalt und der Connétable von Montmorency erschien in kriegerischer Rüstung und drohend auf der Schwelle.
»Ich komme zu gelegener Zeit! . . . « rief der Connétable.
»Was soll das bedeuten?« sprach der Herzog von Guise, die Hand an sein Schwert legend.
Gezwungener Weise hielt Ambroise Paré inne. Zwanzig Edelleute begleiteten Montmorency und verbreiteten sich im Gemach. An seiner Seite sah man Anton von Bourbon und den Prinzen von Condé. Mehr noch, die Königin Mutter und l'Hospital schlossen sich ihm an. Es war nicht einmal mehr möglich, Gewalt anzuwenden, um Herr im königlichen Gemach zu sein.
»Nun ist es auch an mir, mich zu entfernen,« sagte Ambroise in Verzweiflung.
»Meister Paré,« rief Maria Stuart, »ich, die Königin, befehle Euch, die Operation fortzusetzen!«
»Ei! Madame,« entgegnete der Wundarzt, »ich habe Euch gesagt, ich bedürfe der größten Ruhe! . . . Und Ihr seht! . . .«
Er deutete auf den Connétable und sein Gefolge.
»Herr Chapelain,« sagte er zum ersten Arzt, »versucht Eure Einspritzung.«
»Das wäre in einem Augenblick geschehen,« erwiderte Chapelain rasch. »Alles ist vorbereitet.«
Von seinen zwei Collegen unterstützt, nahm er sogleich die Einspritzung in das Ohr des Königs vor.
Maria Stuart, die Guisen, Gabriel, Ambroise ließen gewähren und schwiegen wie versteinert.«
Der Connétable allein schwatzte albernes Zeug.
»So ist es gut!« sagte er befriedigt durch die gezwungene Folgsamkeit von Meister Paré. »Wenn ich bedenke, daß Ihr nur so ohne mich den Kopf des Königs öffnen wolltet! Man schlägt die Könige von Frankreich nur auf den Schlachtfeldern, seht Ihr! . . . Nur das Eisen des Feindes allein kann sie berühren, aber das Eisen eines Wundarztes nie.«
Und sich an der Niedergeschlagenheit des Herzogs von Guise ergötzend, fuhr er fort:
»Es war Zeit, daß ich ankam, Gott sei Dank! Ah! meine Herren, Ihr wolltet, wie man mir sagt, meinem theuren und braven Neffen, dem Prinzen von Condé, den Kopf abschlagen! Doch Ihr habt den alten Löwen in seiner Höhle aufgeweckt, und hier steht er! Ich habe den Prinzen befreit, ich habe mit den Ständen gesprochen, die Ihr unterdrücktet. Ich habe als Connétable die Schildwachen entlassen, die Ihr vor die Thore von Orléans stelltet. Seit wann ist es gebräuchlich, so dem König Wachen zu geben, als ob er in der Mitte seiner Unterthanen nicht in Sicherheit wäre? . . .«
»Von welchem König sprecht Ihr?« fragte Ambroise Paré, »es wird bald keinen andern König mehr geben, als König Karl IX.; denn Ihr seht, meine Herren,« sagte er zu den Aerzten, »die Ergießung beginnt, die Flüssigkeit dringt in das Gehirn ein.«
Catharina von Medicis sah bald an der trostlosen Miene von Ambroise Paré, daß jede Hoffnung verloren war.
»Euer Reich geht zu Ende, mein Herr,« sprach sie unwillkührlich zum Balafré.
Franz erhob sich in dieser Sekunde mit einer ungestümen Bewegung, riß die Augen weit auf, zitterte mit den Lippen, als wollte er einen Namen stammeln, und fiel wieder schwerfällig auf sein Kopfkissen zurück.
Er war todt.
Ambroise Paré verkündigte dies durch eine schmerzliche Bewegung den Anwesenden.
»Ah! Madame! Madame! Ihr habt Euer Kind getödtet!« rief Maria Stuart Catharina zu, und stürzte ganz verwirrt auf sie los.
Die Königin Mutter umhüllte gleichsam ihre Schwiegertochter mit einem giftigen, eisigen Blick, aus welchem aller Haß überströmte, den sie seit achtzehn Monaten gegen sie gebrütet hatte.
»Ihr, meine Theure,« sagte sie, »Ihr habt nicht mehr das Recht, so zu sprechen, hört Ihr wohl; denn Ihr seid nicht mehr Königin. Ah! doch! Königin in Schottland. Und wir werden Euch sobald als möglich zu Euren Nebeln zurückschicken, daß Ihr dort regieren könnt.«
Durch eine unvermeidliche Gegenwirkung fiel Maria Stuart nach diesem ersten Ausdruck des Schmerzes schwach und schluchzend an dem Bett, wo der König lag, auf die Kniee nieder.
»Frau von Fiesque,« fuhr ruhig Catharina fort, »holt sogleich den Herzog von Orléans! Meine Herren,« sprach sie, den Herzog von Guise und den Cardinal anschauend, »die Stände, welche vielleicht vor einer Viertelstunde noch für Euch waren, sind jetzt wie Ihr Euch denken könnt, für uns. Es ist zwischen Herrn von Bourbon und mir verabredet, daß ich Regentin sein werde, und daß er die Stelle des Generallieutenants des Reiches übernimmt. Doch Ihr, Herr von Guise, Ihr seid noch der Großmeister, erfüllt also die Pflicht Eures Amtes und verkündigt den Tod von König Franz II.«
»Der König ist todt!« sprach der Balafré mit dumpfem, tiefem Tone.
Der Waffenkönig wiederholte mit lauter Stimme auf der Schwelle des großen Saales nach dem herkömmlichen Ceremoniel:
»Der König ist todt! der König ist todt! der König ist todt! Betet für das Heil seiner Seele.«
Und sogleich rief der erste Cavalier:
»Es lebe der König!«
In demselben Augenblick führte Frau von Fiesque den Herzog von Orléans zu der Königin Mutter, diese nahm ihn bei der Hand, ging mit ihm hinaus und zeigte ihn den Höflingen, welche um sie her riefen:
»Es lebe unser guter König Karl IX.!«
»Unser Glück hat gestrandet!« sprach traurig der Cardinal zu seinem Bruder, der mit ihm allein zurückgeblieben war.
»Das unsere vielleicht, aber nicht das unserer Familie,« erwiderte der Ehrgeizige. »Ich muß nun darauf bedacht sein, meinem Sohn Mittel und Wege zu bereiten.«
»Wie mit der Königin Mutter wieder anknüpfen?« fragte Carl von Lothringen nachdenkend.
»Lassen wir Catharina sich mit ihren Bourbonen und ihren Hugenotten entzweien,« erwiderte der Balafré.
Fortsprechend, verließen sie durch eine Geheimthüre das Gemach.
»Ach! ach!« murmelte Maria Stuart, die eisige Hand von Franz II. küssend, »Niemand weint hier als ich; oh! das arme Herzkind hat mich so sehr geliebt!«
»Und ich, Madame,« sprach vortretend, die Augen von Thränen gefüllt, Gabriel von Montgommery, der bis jetzt auf der Seite gestanden war.
»Oh! ich danke Euch,« antwortete ihm Maria mit einem Blick, in den sie ihre ganze Seele legte.
»Und ich werde mehr thun, als weinen,« fuhr mit halber Stimme Gabriel fort, indem er von fern mit zornigem Auge Montmorency folgte, der sich an der Seite von Catharina von Medicis aufblähte. »Ja, ich werde ihn vielleicht rächen und das unvollendete Werk meiner eigenen Rache wieder aufnehmen; da dieser Connétable abermals mächtig geworden, so ist der Streit zwischen uns noch nicht beendigt.«
Ach! sogar Gabriel bewahrte in Gegenwart dieses Todten einen persönlichen Gedanken.
Regnier la Planche hat entschieden Recht, wenn er sagt. »Es ist schlimm, König zu sein, des Sterbens wegen.«
Er hat ohne Zweifel nicht minder Recht, wenn er beifügt:
»Während dieser Regierung Von Franz II. diente Frankreich als Schaubühne, auf der mehrere furchtbare Tragödien gespielt wurden, welche die Nachwelt mit Recht zugleich bewundern und verabscheuen wird.«
XXXII.
Frankreich lebe wohl!
Acht Monate nach dem Tod von Franz II., am 15. August 1591, war Maria Stuart im Begriff, sich in Calais nach ihrem Königreich Schottland einzuschiffen.
Diese acht Monate hatte sie Tag für Tag, und so zu sagen Stunde für Stunde Catharina von Medicis und sogar ihren Oheimen streitig gemacht, die es, obgleich aus ganz anderern Gründen, auch drängte, sie Frankreich verlassen zu sehen. Doch Maria konnte sich nicht entschließen, von diesem Land zu scheiden, wo sie eine so glückliche und geliebte Königin gewesen war. Bis in ihren schmerzlichen Erinnerungen, welche sie an ihren frühzeitigen Witwenstand mahnten, hatten diese theuren Orte für sie einen Zauber und eine Poesie, wovon sie sich nicht losreißen konnte.
Maria Stuart fühlte nicht allein diese Poesie, sie drückte sie auch aus. Sie beweinte nicht nur den Tod von Franz II. wie eine Frau, sondern sie besang ihn wie ein Muse. Brantôme hat uns in seiner Bewunderung für sie Klagelieder ihrer Dichtung aufbewahrt, die sich mit den merkwürdigsten Poesien jener Zeit vergleichen lassen.
In Rheims, wohin sie sich Anfangs zu ihrem Oheim von Lothringen zurückgezogen hatte, ließ sie diese harmonische und rührende Klage entströmen. Sie blieb bis am Ende des Frühjahrs in der Champagne. Dann forderten die religiösen Unruhen, welche in Schottland ausgebrochen waren, ihre Gegenwart in diesem Lande. Die beinahe leidenschaftliche Bewunderung, welche, noch ein Kind, Carl IX. äußerte, wenn er von seiner Schwägerin sprach, beunruhigte andererseits die argwöhnische Regentin Catharina. Maria Stuart mußte sich also zur Abreise entschließen.
Sie kam im Monat Juli, um Abschied zu nehmen, an den Hof von Saint-Germain, und die Zeichen der Ergebenheit, beinahe der Anbetung, die sie hier empfing, vermehrten noch wo möglich ihren bitteren Kummer.
Ihr Witthum, das man ihr auf die Touraine und auf Poitou anwies, war auf eine Rente von zwanzig tausend Livres festgestellt; sie nahm auch nach Schottland reiche Juwelen mit, und diese Beute konnte einen Seeräuber in Versuchung führen. Man befürchtete dabei für sie eine Gewaltthat von Elisabeth von England, welche in der jungen Königin von Schottland eine Nebenbuhlerin sah. Viele Edelleute boten sich daher an, Maria bis in ihr Königreich zu geleiten, und als sie nach Calais kam, sah sie sich nicht nur von ihren Oheimen, sondern auch von den Herren von Nemours, von Damville, von Brantôme, kurz von dem besten Theil dieses so eleganten und ritterlichen Hofes umgeben.
Maria fand im Hafen von Calais zwei Galeeren, die, ganz bereit auf ihren ersten Befehl, ihrer harrten. Doch sie blieb noch sechs Tage in Calais, so viel Mühe hatten diejenigen, welche sie bis dahin begleitet, als sie am Ziel angekommen waren, sich von ihr zu trennen.
Endlich wurde der 15. August, wie gesagt, für ihre Abreise bestimmt. Das Wetter war an diesem Tag trübe und traurig, doch ohne Wind und ohne Regen.
Auf der Küste selbst und auf dem Brett des Schiffes, das sie hinübertragen sollte, wollte Maria, um allen denen, welche sie bis an die Grenzen des Vaterlandes begleitet hatten, zu danken, Jedem ihre Hand zum letzten Lebewohl zu küssen geben.
Alle kamen traurig und ehrfurchtsvoll, knieten nach und nach vor ihr nieder und drückten ihre Lippen auf diese angebetete Hand.
Der letzte von Allen war ein Edelmann, der von Saint-Germain an das Gefolge von Maria nicht verlassen hatte, der aber verborgen durch seinen Mantel und seinen Hut zurückgeblieben war, ohne sich Jemand zu zeigen oder mit Jemand zu sprechen.
Als er aber, seinen Hut in der Hand, auch vor der Königin niederkniete, erkannte Maria Gabriel von Montgommery.
»Wie! Ihr seid es, Graf?« sagte sie. »Ah! ich fühle mich glücklich, Euch noch einmal zu sehen, treuer Freund, der Ihr mit mir meinen todten König beweint habt. Doch warum habt Ihr Euch mir nicht gezeigt, wenn Ihr unter diesen wackeren Edelleuten wart?«
»Es war für mich ein Bedürfniß, Euch zu sehen und nicht gesehen zu werden,« antwortete Gabriel. »In meiner Einsamkeit sammelte ich besser meine Erinnerungen, genoß ich inniger die Süßigkeit, die es mir bot, daß ich für Euch eine so theure Pflicht erfüllen durfte.«
»Noch einmal danke ich Euch für diesen letzten Beweis von Anhänglichkeit, Herr Graf,« sprach Maria. »Gern möchte ich Euch meine Dankbarkeit besser als durch Worte beweisen können. Doch ich vermag nichts mehr, und wenn es Euch nicht gefällt, mir mit den Herren Damville und Brantôme nach meinem armen Schottland zu folgen . . .«
»Ah! das wäre mein glühendster Wunsch,« rief Gabriel, »doch ein anderer Ruf hält mich in Frankreich zurück. Eine Person, die mir eben so theuer und heilig ist, und die ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen habe, erwartet mich zu dieser Stunde . . .«
»Solltet Ihr Diana von Castro meinen?« fragte Maria lebhaft.
»Ja, Madame. Durch eine Kunde, die ich im vorigen Monat in Paris erhielt, hat sie mich auf heute den 15. August nach Saint-Quentin beschieden. Ich werde erst morgen ankommen; doch was auch der Beweggrund sein mag, aus dem sie mich beruft, sie wird mir verzeihen, dessen bin ich sicher, wenn sie erfährt, daß ich Euch erst in dem Augenblick verlassen wollte, wo Ihr Frankreich verließet.«
»Theure Diana!« sprach Maria nachdenkend, »ja, sie hat mich auch geliebt und sie ist für mich eine Schwester gewesen. Ich bitte, Herr von Montgommery, übergeht Ihr zum Andenken an mich diesen Ring und verfügt Euch schnell zu ihr; sie bedarf Eurer vielleicht, und sobald es sich um sie handelt, will ich Euch nicht zurückhalten. Lebet wohl. Lebet wohl, meine Freunde, lebet Alle wohl. Man erwartet auch. Ich muß von hinnen, ach! ich muß.«
Sie entriß sich denen, die sich abermals um sie her drängten, setzte den Fuß auf das Brett des Schiffes und ging auf die Galeere von Herrn von Mevillon, gefolgt von den beneideten Edelleuten, die sie bis Schottland begleiten sollten.
Doch wie Schottland Maria nicht für Frankreich trösten konnte, so konnten die, welche mit ihr gingen, sie die, welche sie verließen, nicht vergessen machen. Diese waren es auch, welche sie am meisten zu lieben schien. Auf dem Vordertheil der Galeere stehend, grüßte sie unabläßig mit ihrem Sacktuch, mit dem sie ihre Thränen trocknen, die Verwandten und Freunde, die sie am Ufer zurückließ.
Endlich kam sie auf die hohe See, und ihr Blick wurde unwillkührlich von einem Schiff angezogen, das, nach dem Hafen zurückkehrte, aus dem ihre Galeere ausgelaufen war; sie folgte ihm mit den Augen, seine, Bestimmung beneidend, als sich plötzlich das Schiff vorwärts neigte, als hätte es einen Stoß von unten bekommen, und von seinem Kiel bis zu seinen Masken zitternd unter dem Geschrei seiner Mannschaft in das Meer zu versinken anfing; was so schnell geschah, daß es verschwunden war, ehe Herr von Mevillon seine Barke, um ihm Hilfe zu bringen, hatte aussetzen können. Einen Augenblick sah man an der Stelle, wo das Schiff versunken war, einige schwarze Punkte obenauf schwimmen, welche sich kurze Zeit auf der Oberfläche des Wassers hielten und dann nach einander untersanken, ehe man sie erreichen konnte, obgleich man mit aller Anstrengung ruderte; so daß die Barke zurückkehrte, ohne daß sie einen einzigen Schiffbrüchigen zu retten im Stande gewesen war.
»O mein Gott und Herr!« rief Maria, »welch ein schlimmes Vorzeichen für meine Reise!«
Während dieser Zeit frischte der Wind auf, und das Schiff fing an unter den Segeln zu gehen, was der Rudermannschaft auszuruhen gestattete. Als Maria sah, daß sie sich rasch vom Ufer entfernte, stützte sie auf die Wand am Hintertheil, die Augen nach dem Hafen gerichtet, den Blick verdunkelt durch schwere Thränen und unabläßig wiederholend:
»O Frankreich, lebe wohl!«
So blieb sie beinahe fünf Stunden, nämlich bis zu dem Augenblick, wo es Nacht wurde, und ohne Zweifel hätte sie selbst nicht daran gedacht, sich zurückzuziehen, würde ihr nicht Brantôme gemeldet haben, man erwarte sie beim Abendbrod.
Thränen und Schluchzen verdoppelnd, sprach sie sodann:
»Zu dieser Stunde, mein theures Frankreich, verliere ich dich vollends ganz, da die Nacht, eifersüchtig auf mein Glück, ihren schwarzen Schleier vor meine Augen hängt, um mich dieses Guts zu berauben. Lebe wohl also, mein geliebtes Frankreich, ich werde dich nie wiedersehen!«
Hierauf bedeutete sie Brantôme durch ein Zeichen, sie würde hinter ihm hinabsteigen, nahm eine Schreibtafel, zog einen Bleistift hervor, setzte sich auf eine Bank und schrieb beim letzten Schimmer des Tags folgende so bekannte Verse:
Leb’ wohl, du holdes Vaterland,
Du heilig Band,
Du meiner Kindheit Heimathland!
Ihr schönen Tage wohl auch euch!
Leb’ wohl geliebtes Frankenreich!
Das Schiff kann mich von dir nicht trennen,
Denn meine Hälfte nur ist sein,
Die andre sollst in Freundschaft nennen,
O Frankreich, ewig bleibt sie dein.
Endlich stieg sie hinab und näherte sich den Tischgenossen, die ihrer harrten.
»Ich habe das Gegentheil von der Königin von Carthago gethan,« sagte sie, »denn Dido, als sie Aeneas verließ, schaute unablässig die Wellen an, während ich mich mit den Augen nicht von der Erde losreißen konnte.«
Man lud sie ein, sich zu setzen und zu Nacht zu speisen, doch sie wollte nichts zu sich nehmen; sie zog sich in ihr Zimmer zurück, und empfahl dem Bootsmann am Steuerruder, sie bei Tagesanbruch zu wecken, würde man noch etwas vom Lande sehen.
Von dieser Seite begünstigte wenigstens das Glück die arme Maria; denn der Wind fiel und das Schiff ging die ganze Nacht nur mit Hilfe der Ruder, so daß man, als der Tag kam, noch im Angesicht von Frankreich war.
Der Bootsmann trat also in das Zimmer der Königin ein, wie sie es ihm befohlen hatte, aber er fand sie schon wach auf ihrem Bette sitzend und durch das offene Fenster nach dem geliebten Ufer schauend.
Diese Freude war indessen nicht von langer Dauer, denn bald verlor man Frankreich aus dem Gesicht. Maria hatte nur noch eine Hoffnung: man würde in der Ferne die englische Flotte erblicken und umzukehren genöthigt sein. Doch auch diese letzte Hoffnung entging ihr wie die anderen: es breitete sich über dem Meer ein so dicker Nebel aus, daß man nicht von einem Ende der Galeere bis zum andern sehen konnte, und dies geschah wie durch ein Wunder, da man mitten im Sommer war. Man schiffte also auf den Zufall und auf die Gefahr, einen falschen Weg zu machen, vermied es aber zugleich, vom Feind gesehen zu werden.
Am dritten Tag verschwand wirklich der Nebel und man befand sich mitten unter Felsen, wo die Galeere gescheitert sein müßte, wäre man noch zwei Kabellängen weiter gefahren. Der Steuermann nahm die Höhe, erkannte, daß man sich an der Küste von Schottland befand, lenkte das Schiff sehr geschickt aus den Riffen heraus, zwischen die es gelaufen war, und landete in Leith, unfern von Edinburgh.
Die Schöngeister, welche Maria begleiteten, sagten, man sei bei einem Nebel in einem nebeligen und benebelten15 Lande ausgestiegen.
Maria wurde durchaus nicht erwartet; um Edinburgh zu erreichen, mußte sie sich auch für sich und ihr Gefolge mit armseligem schlecht geschirrten Eseln begnügen, von denen einige nicht gesattelt waren und als Zaum und Steigbügel nur Stricke hatten. Maria konnte nicht umhin, diese kläglichen Thiere mit den herrlichen Rossen in Frankreich zu vergleichen, die sie bei den Jagden und Turnieren tummeln zu sehen gewohnt war. Sie vergoß abermals Thränen des Kummers, indem sie das Land, das sie verließ, mit dem verglich, in welches sie einzog. Bald aber suchte sie mit ihrem anmuthreichen Wesen durch die Thränen zu lächeln und sprach:
»Ich muß mein Leiden in Geduld hinnehmen, da ich mein Paradies gegen eine Hölle vertauscht habe.«
* * *
Dies war die Ankunft von Maria Stuart in Schottland. Wir haben anderswo den Rest ihres Lebens und ihren Tod erzählt, und wie das ruchlose England, dieser unselige Henker alles dessen, was Frankreich Göttliches besaß, mit ihr den, Liebreiz tödtete, wie es schon in Jeanne d’Arc die Inspiration getödtet hatte, wie es in Napoleon das Genie tödten sollte.