Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 61
XXIX.
Hoffnungsschimmer
»Einen Augenblick Geduld,« sprach Catharina von Medicis trocken und kalt. »Wenn dieser Mensch eintreten soll, Madame, wartet wenigstens, bis ich weggegangen bin. Gefällt es Euch, das Leben des Sohnes demjenigen anzuvertrauen, der dem Vater das Leben abgeschnitten hat, so gefällt es mir nicht, den Mörder meines Gemahls wieder zu sehen und zu hören. Ich protestire also gegen seine Anwesenheit an diesem Ort und ziehe mich vor ihm zurück.«
Und sie ging in der That weg, ohne ihrem sterbenden Sohn einen Blick, ein Wort des Abschieds zu gönnen.
Geschah dies, weil sie der verhaßte Name von Gabriel von Montgommery, an die erste Beleidigung erinnerte, die sie vom König zu ertragen gehabt hatte? Vielleicht. Immerhin ist es gewiß, daß sie nicht so sehr, als sie behaupten wollte, den Anblick und die Stimme von Gabriel befürchtete, denn indem sie sich in ihre Wohnung zurückzog, welche an das königliche Gemach stieß, war sie darauf bedacht, den Thürvorhang ein wenig offen zu lassen, und sie hatte nicht sobald die außen auf einen zu dieser vorgerückten, Stunde der Nacht verödeten Corridor gehende Thüre zugemacht, als sie abwechselnd an das Schloß ihr Auge und ihr Ohr drückte, um zu sehen und zu hören, was nach ihrem ungestümen Abgang vorfiel.
Gabriel trat geführt von Dayelle ein, kniete nieder, um die Hand zu küssen, die ihm die Königin reichte, und machte eine tiefe Verbeugung vor dem Cardinal.
»Nun!« fragte Maria ungeduldig.
»Madame, ich habe Meister Paré bewogen, und er ist da.«
»Oh! Dank, Dank, treuer Freund!« rief Maria.
»Es geht also schlimmer beim König, Madame?« fragte Gabriel mit leiser Stimme und schaute unruhig nach dem Bett, in welchem Franz II. ohne Farbe und ohne Bewegung ausgestreckt lag.
»Ach! es geht immer noch nicht besser,« antwortete die Königin, »und es war für mich ein großes Bedürfniß, Euch zu sehen. Hat Meister Amboise Schwierigkeiten gemacht, zu kommen?«
»Nein, Madame,« antwortete Gabriel. »Man hatte ihn schon gefragt, aber auf eine Weise, wie er mir mir sagte, daß dadurch eine Weigerung von seiner Seite hervorgerufen werden mußte. Er sollte sich zum Voraus bei seinem Kopf und bei seiner Ehre verbindlich machen, den König zu retten, ohne ihn gesehen zu haben. Man verbarg ihm nicht, daß er als Protestant im Verdacht stehe, er trachte einem Verfolger der Protestanten nach dem Leben. Man zeigte endlich so viel beleidigendes Mißtrauen gegen ihn, man schrieb ihm so harte Bedingungen vor, daß er, wenn er nicht ganz ohne Herz und ohne Klugheit war, nothwendig seine Hilfe verweigern mußte. Dies hat er auch zu seinem großen Bedauern gethan, ohne seitdem weiter von denjenigen bedrängt zu werden, welche man zu ihm geschickt.«
»Ist es möglich, daß man Meister Paré unsere Absichten so erklärt hat?« fragte lebhaft der Cardinal von Lothringen. »Man hat ihn doch im Auftrag meines Bruders und in dem meinigen zwei oder dreimal aufgesucht, man überbrachte uns seine hartnäckigen Weigerungen und seine seltsamen Zweifel, und wir hielten diejenigen, die wir abgesandt hatten, für völlig sichere Leute!«
»Waren sie es wirklich, Monseigneur?« versetzte Gabriel. »Meister Paré glaubt das Gegentheil, nun, da ich ihm Eure wahren Gefühle in Beziehung auf ihn und die guten Worte der Königin für ihn gesagt habe. Er ist überzeugt, daß man sich, ohne daß Ihr etwas davon wußtet, in einer strafbaren Absicht bemühte, ihn vom Krankenlager des Königs entfernt zu halten.«
»Die Sache ist jetzt gewiß,« sagte Carl von Lothringen. »Abermals, murmelte erkenne ich hierin die Hand der Königin Mutter . . . Sie hat in der That alles Interesse, daß ihr Sohn nicht gerettet wird . . . Aber wird sie denn jede Ergebenheit, auf die wir zählen, beweisen? Das ist wieder ein Seitenstück zu ihrem l’Hospital! . . . Wie hintergeht sie uns doch! . . .«
Maria Stuart überließ indessen den Cardinal seinen Betrachtungen über das, was vorgefallen war, und sagte, ganz nur der Sorge über die Gegenwart hingegeben, zu Gabriel:
»Nun, Meister Paré ist Euch also gefolgt, nicht wahr?«
»Auf meine erste Aufforderung,« antwortete der junge Graf.
»Und er ist da?«
»Er erwartet, um einzutreten, nur Eure huldreiche Erlaubniß, Madame.«
»Er komme sogleich!« rief Maria Stuart.
Gabriel von Montgommery ging einen Augenblick an die Thüre, durch die er eingetreten war, und kehrte alsbald, den Arzt einführend, zurück.
Catharina lauerte immer noch, aufmerksamer als je, an ihrer Thüre.
Maria Stuart lief Ambroise entgegen, nahm ihn bei der Hand, führte ihn selbst an das Bett des theuren Kranken und sagte, während sie mit ihm ging, als wollte sie die Complimente kurz abschneiden:
»Ich danke, daß Ihr gekommen seid, Meister, ich rechnete auf Euren Eifer, wie ich auf Eure Wissenschaft rechne . . . Kommt an das Bett des Königs, kommt geschwinde.«
Gehorsam, ohne daß er Zeit hatte, nur ein Wort auf die Ungeduld der Königin zu erwidern, war Ambroise Paré bald an dem Lager von Franz II., der, gleichsam vom Schmerz besiegt, nur noch die Kraft besaß, einen schwachen, beinahe unmerklichen Seufzer auszuathmem.
Der große Arzt blieb eine Minute stehen und betrachtete dieses kleine, abgemagerte, wie vom Leiden eingeschrumpfte Gesicht. Dann neigte er sich über den, welcher für ihn nur noch ein Kranker war, und berührte und sondierte die schmerzliche Geschwulst des rechten Ohrs mit einer Hand so leicht und so zart wie die von Maria.
Der König fühlte instinktartig einen Arzt und ließ mit sich machen, ohne nur seine beschwerten Augen zu öffnen.
»Oh! ich leide!« murmelte er mit kläglichem Tone, »ich leide! Könnt Ihr mich denn nicht erleichtern?«
Das Licht war ein wenig zu entfernt für Amboise, er machte Gabriel ein Zeichen, es näher herbeizubringen; doch Maria Stuart bemächtigte sich desselben vor Gabriel und leuchtete selbst dem Arzt, während dieser lange und aufmerksam den Sitz des Uebels untersuchte.
Dieses stumme, ängstliche Studium dauerte vielleicht zehn Minuten, wonach sich Ambroise Paré, ernst und ganz und gar von einer Arbeit inneren Nachsinnens in Anspruch genommen, erhob und den Bettvorhang wieder fallen ließ.
Zitternd hatte Maria Stuart nicht den Muth, zu fragen, da sie befürchtete, ihn in seinen Gedanken zu stören; doch voll Angst suchte sie in seinem Gesicht zu lesen. Welchen Spruch würde er fällen?
Der erhabene Arzt schüttelte traurig den Kopf, und es kam der Königin vor, als wäre dies ein Todesurtheil.
»Wie!« sagte sie, außer Stand, länger ihre Unruhe zu bemeistern, »läßt sich keine Rettung mehr hoffen?«
»Es ist nur noch eine Hoffnung vorhanden, Madame.« antwortete Ambroise Paré.
»Aber es gibt doch eine!« rief die Königin.
»Ja, Madame, und obgleich sie leider nicht sicher ist, besteht sie doch, und ich hätte jede Hoffnung, wenn . . .«
»Wenn? . . .« fragte Maria.
»Wenn derjenige, welcher gerettet werden soll, nicht der König wäre, Madame.«
»Ei!« rief Maria Stuart, »behandelt ihn, rettet ihn wie den letzten seiner Unterthanen.«
»Aber wenn ich scheitere?« entgegnete Ambroise, »denn am Ende ist Gott allein der Herr. Wird man mich nicht anklagen, mich den Hugenotten? Wird diese schwere, furchtbare Verantwortlichkeit nicht auf meiner Hand lasten und sie zittern machen in dem Augenblick, wo ich so viel Ruhe und Sicherheit nöthig habe?«
»Hört,« sprach Maria, »wenn er am Leben bleibt, werde ich Euch bis an’s Ende meiner Tage segnen . . . stirbt er aber, so werde ich Euch bis zu meinem Tode vertheidigen. Versucht es also, versucht es. Ich beschwöre Euch, ich flehe Euch an. Da Ihr sagt, es sei dies das einzige und letzte Rettungsmittel, mein Gott! so entzieht uns dasselbe nicht; das wäre ein Verbrechen.«
»Ihr habt Recht, Madame,« erwiderte Amboise, »ich werde es versuchen, wenn man es mir erlaubt, wenn Ihr selbst es mir erlaubt, denn, ich verberge Euch nicht, das Mittel, zu dem ich meine Zuflucht nehmen muß, ist ein äußerstes und, scheinbar wenigstens, gewaltsames und gefährliches.«
»Wahrhaftig?« rief Maria ganz zitternd, »und es gibt kein anderes?«
»Kein anderes, Madame! Auch ist es die höchste Zeit, es anzuwenden: in vierundzwanzig Stunden wäre es sicher zu spät, in zwölf Stunden wäre es vielleicht zu spät. Es hat sich ein Absatz am Kopf des Königs gebildet, und wenn man Flüssigkeiten nicht durch eine sehr rasche Operation einen Ablauf gibt, so wird die Ergießung in das Gehirn eben Tod verursachen.«
»Würdet Ihr dann den König auf der Stelle operieren wollen?« fragte der Cardinal. »Ich kann das nicht allein auf mich nehmen!«
»Ah! Ihr zweifelt schon!« sagte Ambroise. »Nein, ich bedarf des hellen Tages und ich brauche wohl den Rest dieser Nacht, um dies Alles wohl zu überlegen, um meine Hand zu üben und um ein paar Versuche zu Machen . . . Doch morgen früh, morgen früh um neun Uhr kann ich hier sein. Seid auch hier, Madame, und Ihr auch, Monseigneur, auch der Herr Generallieutenant finde sich ein, sowie diejenigen, deren Ergebenheit gegen den König erprobt ist; doch Niemand sonst. So wenig als möglich Aerzte. Ich werde sodann erklären, was ich zu thun gedenke, und wenn Ihr mich Alle dazu bevollmächtigt, mit der Hilfe des Herrn dieses einzige Rettungsmittel, das uns Gott läßt, versuchen.«
»Und bis morgen ist keine Gefahr zu befürchten?« fragte die Königin.
»Nein, Madame,« erwiderte Meister Paré. »Es ist nur wesentlich, daß der König ruht und Kräfte für die Operation sammelt, die er auszustehen hat. Ich gieße in den harmlosen Trank, den ich hier auf dem Tische sehe, zwei Tropfen von diesem Elixier,« fügte er die Handlung mit den Worten verbindend bei. »Macht, daß er dies sogleich zu sich nimmt, Madame, und Ihr werdet finden, daß er in einen ruhigeren und tieferen Schlaf verfällt. Wacht, wacht selbst darüber, wenn es möglich ist, daß dieser Schlaf unter keinem Vorwand gestört werde.«
»Seid hierüber unbesorgt, ich stehe Euch dafür,« sagte Maria Stuart. »Ich werde diesen Platz heute Nacht nicht verlassen.«
»Das ist von großer Wichtigkeit« sprach Ambroise Paré. »Nun, da ich nichts mehr hier zu thun habe, bitte ich Euch um Erlaubniß, mich entfernen zu dürfen, Madame, damit ich mich abermals mit dem König beschäftigen und mich zu meiner großen Aufgabe vorbereiten kann.«
»Geht, Meister, geht, und empfangt zum Voraus meinen Dank und meinen Segen. Morgen also.«
»Morgen, Madame,« sprach Ambroise, »hofft.«
»Ich will zu Gott beten,« sagte Maria Stuart. »Auch Euch, Herr Graf, auch Euch danke ich,« fügte sie, sich an Gabriel wendend, bei. »Ihr seid von denjenigen, von denen Meister Paré sprach, und deren Ergebenheit geprüft ist. Seid also hier, ich bitte Euch, um Euren erhabenen Freund durch Eure Gegenwart zu unterstützen.«
»Ich werde hier sein, Madame,« antwortete Gabriel. Und er entfernte sich mit dem Arzt, nachdem er sich vor der Königin und dem Cardinal verbeugt hatte.
»Und ich werde auch da sein!« sagte zu sich selbst Catharina von Medicis vor der Thüre, wo sie lauerte.
»Ja, ich werde da sein; denn dieser Paré ist bei seiner Geschicklichkeit im Stand, den König zu retten und seine Partie, den Prinzen und mich selbst ins Verderben zu stürzen, der Dummkopf! . . . Doch ich werde da sein.«
XXX.
Gut gehüteter Schlaf
Catharina von Medicis spähte noch einige Zeit, obgleich in dem königlichen Gemach außer Maria Stuart und dem Cardinal Niemand mehr war; doch sie hörte und sah nichts Interessantes mehr. Die Königin ließ Franz den beruhigenden Trank nehmen, und der Kranke schien nach dem Versprechen von Ambroise Paré sogleich sanfter zu schlafen. Alles versank sodann in ein Stillschweigen. In einem Lehnstuhl sitzend dachte der Cardinal nach; Maria kniete und betete.
D1e Königin Mutter zog sich sachte in ihre Wohnung zurück, um wie der Cardinal nachzudenken.
Wenn sie indessen noch einige Augenblicke länger geblieben wäre, würde sie ihrer wahrhaft würdigen Dingen beigewohnt haben.
Maria Stuart erhob sich aus ihrem inbrünstigen Gebet und sprach zum Cardinal:
»Nichts hält Euch hier zurück, um mit mir zu wachen, mein Oheim, da ich bis zum Erwachen des Königs da zu bleiben gedenke. Dayelle, die Aerzte und die Leute vom Dienst würden genügen, sollte man etwas brauchen. Ihr könnt also ausruhen und, ich werde Euch benachrichtigen lassen, wenn es nöthig ist.«
»Nein,« sprach der Cardinal, »der Herzog von Guise, den die Versorgung vieler Geschäfte bis jetzt auf den Beinen halten mußte, hat mir gesagt, er würde, ehe er sich niederlegte, hierherkommen, um sich nach dem König zu erkundigen, und ich habe ihm versprochen, ihn hier zu erwarten . . . Ah! Madame, ist es nicht gerade sein Tritt, was ich höre?«
»Oh! er mache kein Geräusch!« rief Maria, die dem Balafré entgegenlief um ihn zu warnen.
Der Herzog von Guise trat in der That ganz bleich und bewegt ein. Er grüßte die Königin, doch in seiner Unruhe erkundigte er sich entfernt nicht nach dem König, sondern ging gerade auf seinen Bruder zu, und nahm diesen beiseite in eine Fenstervertiefung.
»Eine furchtbare Kunde, ein wahrer Donnerschlag!« sagte er zum Eingang.
»Was gibt es denn wieder?« fragte Carl von Lothringen.
»Der Connétable von Montmorency ist von Chantilly mit fünfzehnhundert Edelleuten aufgebrochen,« antwortete der Herzog von Guise. »Um seinen Marsch besser zu verbergen, hat er Paris vermieden und ist, von Écouen und Corbeil kommend, durch das Thal von Essonne nach Pithiviers gezogen. Er wird morgen mit seiner Truppe vor den Thoren von Orléans sein; darüber habe ich Kunde erhalten.«
»Das ist in der That schrecklich,« sprach der Cardinal, »der alte Fuchs will den Kopf seines Neffen retten. Ich wette, daß es abermals die Königin Mutter ist, die ihn davon hat in Kenntnis setzen lassen! Oh! daß man nichts gegen diese Frau vermag!«
»Es ist jetzt nicht der Augenblick, gegen sie zu handeln, sondern für uns zu handeln,« entgegnete der Balafré. »Was sollen wir thun?«
»Zieht mit den Unsrigen dem Connétable entgegen.«
»Steht Ihr mir dafür, daß Ihr Orléans im Zaum haltet, wenn ich mit meinen Streitkräften nicht mehr hier bin?« fragte der Herzog.
»Ach! nein, das ist wahr,« erwiderte der Cardinal. »Alle diese Leute von Orléans sind schlecht, Hugenotten und Bourbonen in ihrem Innern. Aber wir haben wenigstens die Stände für uns.«
»Und l'Hospitalgegen uns, bedenkt das wohl, mein Bruder. Ah! die Stellung ist sehr schwierig! Wie geht es dem König?" sagte er endlich, als ihn die Gefahr an sein letztes Mittel erinnerte.
»Dem König geht es sehr schlecht,« antwortete Carl von Lothringen, »doch Ambroise Paré, der auf die Einladung der Königin (ich werde Euch das erklären) nach Orléans gekommen ist, hofft ihn noch morgen früh durch eine gewagte, aber nothwendige Operation, welche glückliche Resultate haben kann, zu retten. Seid also um neun Uhr hier, mein Bruder, um Ambroise im Nothfall zu unterstützen.«
»Gewiß!« erwiderte der Balafré, »denn hierauf beruht unsere einzige Hoffnung. Unser Ansehen würde auf der Stelle mit Franz II. erlöschen, und es wäre doch gut, den Connétable dadurch zu erschrecken und vielleicht zum Zurückkehren zu bringen, daß man ihm den Kopf seines Neffen überschicken würde.«
»Ja, das wäre beredt, und es ist auch meine Ansicht,« sprach der Cardinal nachdenkend.
»Aber dieser verfluchte l'Hospitalhält Alles auf,« versetzte der Balafré.
»Wenn wir statt seiner Unterschrift auf dem Urtheilsspruch des Prinzen die des Königs hätten, nicht wahr, mein Bruder, dann vermöchte sich nichts zu widersetzen, daß die Hinrichtung morgen früh vor der Ankunft von Montmorency, vor dem Versuch von Ambroise Paré stattfände?«
»Es wäre nicht gerade sehr gesetzlich, aber es wäre möglich.«
»Wohl!« sprach lebhaft Carl von Lothringen, »so laßt mich hier, mein Bruder . . . Ihr habt für diese Nacht nichts zu thun, und Ihr müßt der Ruhe bedürfen; es hat zwei Uhr auf der Glocke des Amthauses geschlagen. Ihr müßt Eure Kräfte für morgen aussparen; entfernt Euch und laßt mich, ich will auch die verzweifelte Kur unseres Glückes versuchen.«
»Was meint Ihr damit?« fragte der Herzog von Guise. »Thut nichts Entscheidendes, mein Herr Bruder, ohne Euch wenigstens mit mir zu berathen.«
»Seid unbesorgt, wenn ich habe, was ich haben will, werde ich Euch morgen vor Tagesanbruch wecken, um mich mit Euch zu verständigen.«
»Gut« sagte der Balafré, »auf diese Versicherung entferne ich mich, denn es ist wahr, ich bin erschöpft. Doch nur vorsichtig!«
Er richtete an Maria Stuart noch einige Worte des Beileids und ging, von dieser gebeten, mit so wenig als möglich Geräusch hinaus.
Der Cardinal setzte sich indessen an einen Tisch und nahm eine Abschrift von dem Spruch der Commission, dessen Ausfertigung er bei sich behalten hatte.
Sobald dies geschehen war, stand er auf und ging gegen das Bett des Königs.
Maria Stuart erhob sich vor ihm und hielt ihn durch eine Gebärde zurück.
»Wohin geht Ihr?« sagte sie mit leisem und dennoch festem und schon zornigem Tone zu ihm.
»Madame,« antwortete der Cardinal, »es ist wichtig, es ist unerläßlich, daß der König dieses Papier unterzeichnet.«
»Das Wichtigste, das Unerläßlichste ist, daß der König ruhig schläft.«
»Seinen Namen unter diese Schrift, Madame, und ich werde ihn nicht mehr belästigen.«
»Aber Ihr werdet ihn aufwecken,« entgegnete die Königin, »und das will ich nicht. Ueberdies ist er in diesem Augenblick unfähig, die Feder zu halten.«
»Ich werde sie für ihn halten,« erwiderte Carl von Lothringen.
»Ich habe Euch schon gesagt: Ich will nicht!« sprach Maria Stuart mit gebietendem Wesen.
Erstaunt über dieses Hindernis, an das er nicht gedacht hatte, hielt der Cardinal einen Augenblick inne; dann aber fuhr er mit seinem einschmeichelnden Tone fort:
»Hört mich, Madame, meine liebe Nichte, hört mich. Ich will Euch sagen, um was es sich handelt: Ihr begreift, daß ich die Ruhe des Königs achten würde, wenn ich nicht durch die ernsteste Nothwendigkeit gezwungen wäre. Es handelt sich um unser Glück und um das Eurige, um unser Heil und um das Eurige. Hört mich wohl, dieses Papier muß vom König vor Tagesanbruch unterzeichnet sein, oder wir sind verloren, verloren, ich gestehe es Euch.«
»Das geht mich nichts an,« entgegnete ruhig Maria.
»Doch, ich wiederhole Euch, unser Ruin ist auch Euer Ruin, Ihr Kind, das Ihr seid!«
»Nun, was liegt mir daran? kümmere ich mich um Eure ehrgeizigen Bestrebungen? Mein Ehrgeiz besteht darin, daß ich denjenigen rette, welchen ich liebe, daß ich sein Leben erhalte, wenn ich kann, und mittlerweile seine kostbare Ruhe hüte. Meister Paré hat mir den Schlaf des Königs anvertraut. Ich verbiete Euch, ihn zu stören, mein Herr. Hört Ihr wohl, ich verbiete es Euch! Stirbt der König. so stirbt mein Königthum, das ist mir gleichgültig! Doch so lange ihm ein Lebenshauch bleibt, werde ich diesen letzten Hauch gegen die hassenswerthen Forderungen Eurer Hofintriguen schützen. Mein Oheim, ich habe mehr, als ich es hätte wohl thun sollen, dazu beigetragen, in Euren Händen die Macht zu befestigen, so lange mein Franz sich wohl befand; doch ich nehme diese Macht ganz und gar zurück, sobald es sich darum handelt, den letzten Stunden der Ruhe, die ihm Gott vielleicht in diesem Leben gewährt, Achtung zu verschaffen. Der König bedarf morgen, wie Meister Ambroise Paré sagt, der wenigen Kräfte, die ihm noch bleiben. Niemand in der Welt, unter welchem Vorwand es auch sein mag, wird ihm ein Theilchen von diesem erquickenden Schlaf rauben . . .«
»Aber wenn der Beweggrund so ernst und dringend ist?« versetzte der Cardinal.
»Niemand, unter welchem Vorwand es auch sein mag, wird den König aufwecken,« sprach Maria.
»Ah! es muß sein!« entgegnete Carl von Lothringen, der sich am Ende schämte, so lange einzig und allein durch den Widerstand eines Kindes, seiner Nichte, aufgehalten zu werden. »Die Staatsinteressen, Madame, fügen sich nicht in diese Dinge des Gefühls. Ich muß die Unterschrift des Königs nothwendig auf der Stelle haben, und ich werde sie haben.«
»Ihr werdet sie nicht haben, Herr Cardinal.«
Der Cardinal machte einen Schritt gegen das Bett des Königs.
Doch abermals stellte sich Maria Stuart vor ihn und versperrte ihm den Weg.
Die Königin und der Minister schauten sich einander ins Angesicht, die Eine eben so zitternd und eben so zornig als der Andere.
»Ich werde vorübergehen,« sprach Carl von Lothringen mit kurzem Tone.
»Ihr wagt es, Hand an mich zu legen, mein Herr?«
»Meine Nichte! . . .«
»Nicht mehr Eure Nichte, Eure Königin!«
Dies wurde mit einem so festen, so würdigen und so königlichen Ton gesprochen, daß der Cardinal verblüfft zurückwich.
»Ja, Eure Königin« sprach Maria, »und wenn Ihr noch einen Schritt, eine Gebärde macht, werde ich, während Ihr zum König geht, zur Thüre gehen; ich werde diejenigen rufen, welche dort wachen müssen, und obgleich Ihr mein Oheim, obgleich Ihr Minister, obgleich Ihr Cardinal seid, werde ich, die Königin, befehlen, daß man Euch als des Verbrechens der Majestätsbeleidigung schuldig verhaftet.«
»Ein solches Aergerniß! . . .« murmelte der Cardinal erschrocken.
»Wer von uns wird es gewollt haben, mein Herr?«
Das funkelnde Auge, der wogende Busen, die ganze entschiedene Haltung der Königin sagten hinreichend, sie würde ihre Drohung verwirklichen.
Und dann war sie so schön, so stolz, und zu gleicher Zeit so rührend, daß der Priester mit dem ehernen Herzen sich besiegt und erschüttert fühlte.
Der Mann gab dem Kinde nach; die Staatsraison gehorchte dem Schrei der Natur.
»Gut!« sagte der Cardinal, tief seufzend, »ich werde warten, bis der König aufwacht.«
»Ich danke!« sprach Maria, zu dem sanften und traurigen Ton zurückkehrend, der ihr seit der Krankheit des Königs zur Gewohnheit geworden war.
»Doch wenigstens wenn er erwacht ist . . .« fügte Carl von Lothringen bei.
»Wenn er im Stande ist, Euch zu hören und zu befriedigen, mein Oheim, so werde ich es nicht verhindern.«
Der Cardinal mußte sich wohl mit diesem Versprechen begnügen. Er setzte sich wieder an seinen Tisch und Maria kehrte an ihr Betpult zurück, er wartend, sie hoffend.
Doch die langsamen Stunden dieser Nacht gingen vorüber, ohne daß Franz II. erwachte. Das Versprechen von Ambroise Paré war kein leeres gewesen; seit vielen Nächten hatte der König keinen so tiefen und langen Schlaf gehabt.
Von Zeit zu Zeit machte er wohl eine Bewegung, ließ er eine Klage vernehmen, sprach er ein Wort aus, einen Namen besonders: den von Maria.
Doch beinahe sogleich versank er wieder in die Schlaftrunkenheit . . . und der Cardinal, der sich hastig erhoben hatte, mußte getäuscht wieder an seinen Platz zurückkehren.
Er zerknitterte sodann voll Ungeduld in seiner Hand diesen unnützen Spruch, diesen unseligen Urtheilsspruch, der vielleicht ohne die Unterschrift des Königs der seinige wurde . . .
So sah er allmälig die Kerzen niederbrennen und erbleichen und die kalte Morgendämmerung des Decembers vor den Fenstern erscheinen.
Als es acht Uhr schlug, bewegte sich der König, öffnete er die Augen und rief:
»Maria! bist Du da, Maria?«
»Immer!« antwortete Maria Stuart.
Carl von Lothringen stürzte, sein Papier in der Hand vor. Es war vielleicht noch Zeit! ein Schaffot ist schnell errichtet! . . .
Doch in demselben Augenblick trat Catharina von Medicis durch ihre Thüre in das königliche Gemach.
»Zu spät,« sagte der Cardinal zu sich selbst. »Ah! das Glück verläßt uns, und wenn Ambroise den König nicht rettet, sind wir verloren.«