Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 9
XIII.
Der Gipfel des Glücks
»Komm hierher, Meister Martin,« sagte an demselben Tag beinahe zu derselben Stunde Gabriel zu seinem Stallmeister, »ich muß meine Runde machen, und werde erst in zwei Stunden nach Hause zurückkehren. Du, Martin, stellst Dich an den bekannten Ort und erwartest dort einen Brief, einen wichtigen Brief, den Dir Jacinthe wie gewöhnlich zustellen wird. Verliere keine Minute und bring’ ihn mir eiligst; wenn meine Runde vollendet ist, werde ich Dir übrigens entgegengehen, wenn nicht, so erwarte mich hier; Hast Du verstanden?«
»Ich habe verstanden, doch ich muß mir eine Gnade von Euch erbitten.«
»Sprich.«
»Laßt mich von einer Wache begleiten, gnädiger Herr, ich beschwöre Euch.«
»Eine Wache, um Dich zu begleiten, was soll diese neue Tollheit? Fürchtest Du Dich?«
»Ich fürchte mich,« antwortete Martin mit kläglichem Ton. »Es scheint, gnädiger Herr, ich habe in der letzten Nacht wieder schöne Streiche gemacht. Bis jetzt zeigte ich mich nur als Trunkenbold, Spieler und Raufer. Nun bin ich auch Unzüchter! ich, den ganz Artigues wegen der Reinheit seiner Sitten und der Unschuld seiner Seele rühmte! Solltet Ihr glauben, gnädiger Herr, daß ich die Niederträchtigkeit gehabt habe, einen Menschenraub zu versuchen? Ja, einen Menschenraub! mit Gewalt suchte ich die Frau von Meister Gorju, dem Kleinschmied eine sehr schöne Frau, wie es scheint, zu entführen. Zum Unglück, oder vielmehr zum Glück verhaftete man mich, und wenn ich mich nicht genannt und durch Euch empfohlen hätte, so brächte ich die Nacht im Gefängnis zu. Das ist schändlich.«
»Sprich, Martin, hast Du geträumt, oder diese neue Unbesonnenheit wirklich begangen?«
»Geträumt! gnädiger Herr, hier ist die Meldung. Als ich sie nur las, erröthete ich bis über die Ohren. Ja, es gab eine Zeit, wo ich glaubte, alle diese verdammenswerthen Handlungen wären abscheuliche Alpe, oder der Teufel belustige sich damit, daß er meine Gestalt annehme, um nächtliche, ungeheuerliche Dinge zu verüben; doch Ihr habt mich enttäuscht und überdies sehe ich denjenigen nicht mehr, welchen ich für meinen Schatten hielt. Der heilige Vater, dem ich die Berathung meines Gewissens anheimstellte, hat mich auch enttäuscht, und derjenige, welcher alle göttliche und menschliche Gesetze verletzt, der Schuldbefleckte, der Ungläubige, der Verruchte bin ich, wie man mich versichert. Wie eine Henne, welche Enten ausgebrütet hat, faßt meine Seele ehrbare Gedanken, die sich in gottlosen Handlungen empören, und meine ganze Tugend läuft auf das Verbrechen hinaus. Ich wage es nicht, Euch zu sagen, daß ich besessen bin, gnädiger Herr, aus dem einfachen Grunde, weil man mich lebendig verbrennen würde; doch seht, in gewissen Augenblicken muß ich wirklich, wie man sagt, den Teufel im Leibe haben«
»Nein, mein armer Martin,« entgegnete Gabriel lachend, »Du ergibst Dich nur, wie mir scheint, seit einiger Zeit dem Tranke, und wenn Du getrunken hast, siehst Du doppelt.«
»Ich trinke aber nur Wasser, gnädiger Herr, nichts als Wasser! wenn nicht etwa das Wasser der Seine in den Kopf steigt.«
»Doch an jenem Abend, Martin, wo man Dich berauscht unter die Pforte dieses Hauses legte?«
»Gnädiger Herr, an jenem Abend legte ich mich nieder, empfahl meine Seele dem Herrn und entschlummerte: ich stand ebenso tugendhaft auf, und durch Euch, durch Euch allein habe ich das Leben, das ich geführt, erfahren. Dasselbe war in der Nacht der Fall, in der ich den herrlichen Gendarme verwundete, und so ging es auch in der letzten Nacht, wo das abscheuliche Attentat stattgefunden hat. Und ich lasse mich doch von Jerôme in meinem Zimmer einriegeln und einsperren, ich schließe meine Laden mit einer dreifachen Kette, basta! nichts hilft; ich stehe auf, wie ich glauben muß, und mein beflecktes Schlafwandlerleben beginnt. Am andern Tage beim Erwachen frage ich mich: »Süßer Jesus! was werde ich während meiner Abwesenheit in dieser Nacht gethan haben?« Ich gehe hinab, um es von Euch, gnädiger Herr, oder aus den Meldungen des Viertelsmeisters zu erfahren, und sogleich suche ich mein Gewissen von diesen neuen Missethaten im Beichtstuhl zu entlasten, wo man mir eine durch ewige Rückfälle unmöglich gewordene Absolution verweigert. Mein einziger Trost besteht darin, daß ich faste und mich einen Theil des Tages durch gewaltige Geißelhiebe kasteie. Aber ich sehe vorher, ich werde am Ende in der Unbußfertigkeit sterben.«
»Glaube vielmehr, Martin,« sprach der Vicomte, »daß diese Hitze sich dämpfen, und daß Du wieder der vernünftige, geordnete Martin von einst werden wirst. Mittlerweile gehorche Deinem Herrn und erfülle pünktlich den Auftrag, den ich Dir anvertraut. Wie soll ich Dir eine Wache zur Begleitung geben? Du weißt wohl daß Alles dies geheim bleiben muß, und daß Du allein eingeweiht bist.«
»Seid überzeugt, gnädiger Herr, daß ich mein Möglichstes thun werde, um Euch zufrieden zu stellen, doch ich kann nicht für mich stehen, das sage ich Euch zum Voraus.«
»Ah! bei Gott! Martin, das ist zu stark, und warum dies?«
»Werdet nicht ungeduldig über meine Abwesenheiten, gnädiger Herr; ich glaube hier zu sein und bin dort, ich glaube Dieses zu thun und thue Jenes. Neulich als ich zur Buße dreißig Vater und dreißig Ave zu beten hatte, faßte ich den Entschluß die Dose zu Verdreifachen, um mich durch einen übermenschlichen Ueberdruß zu ermatten, und ich bleibe, oder glaube vielmehr in der Kirche Saint-Gervais zu bleiben und durch meine Finger zwei Stunden und darüber die Körner meines Rosenkranzes zu drehen. Ah, ja wohl! als ich hierher zurückkam, erfuhr ich, daß Ihr mich mit einem Billet weggeschickt, und zum Beweise diente daß ich Euch die Antwort zurückgebracht hatte, und Dame Jacinthe, leider auch eine schöne Frau, zankt mich am andern Morgen, daß ich am Tag zuvor sehr keck gegen sie gewesen sei. Dies hat sich dreimal wiederholt, gnädiger Herr, und Ihr verlangt, daß ich meiner sicher sein soll, nach solchen Streichen meiner Einbildungskraft? Nein, nein, hierzu bin ich nicht genug Herr im Hause, und obgleich das Weihwasser mir die Finger nicht verbrennt, steckt doch zuweilen in meiner Haut ein anderer Kamerad als Meister Martin.«
»Nun, ich will es wagen,« sagte Gabriel ungeduldig, »und da Du im Ganzen bisher, magst Du in der Kirche oder in der Rue Froid-Manteau sein, Dich geschickt und getreu des Auftrags, den ich Dir gebe, entledigt hast, so wirst Du ihn auch heute erfüllen, und wisse, solltest Du etwa dessen bedürfen, um Deinen Eifer anzustacheln, daß Du mir in diesem Billet mein Glück oder meine Verzweiflung zurückbringst.«
»Oh! gnädiger Herr, mein Eifer bedarf keines Anstachelns, das schwöre ich Euch, und ohne diese teuflischen Unterschiebungen . . .«
»Ah! willst Du wieder anfangen?« unterbrach ihn Gabriel, »ich muß gehen, und in einer Stunde gehst Du auch, und vergissest keine von meinen Vorschriften. Ein letztes Wort: Du weißt daß ich seit mehreren Tagen sehr unruhig Aloyse, meine Amme, aus der Normandie erwarte; kommt sie in meiner Abwesenheit, so muß man ihr das Zimmer geben, das an das meinige stößt, und sie empfangen, als ob dies ihr Haus wäre. Wirst Du Dich dessen erinnern?«
»Ja, gnädiger Herr.«
»Vorwärts! Martin, eile, Verschwiegenheit und Geistesgegenwart vor Allem.«
Martin antwortete nur durch einen Seufzer und Gabriel verließ sein Haus in der Rue des Jardins.
Er kam, wie er gesagt hatte, nach zwei Stunden zurück, das Auge zerstreut, den Geist voll Unruhe. Als er eintrat, sah er nur Martin, lief auf ihn zu, nahm aus seinen Händen den Brief, den er mit so großer Ungeduld erwartete, entließ Martin durch eine Gebärde und las wie folgt:
»Danken wir Gott, Gabriel, der König hat nachgegeben, wir werden glücklich sein. Ihr müßt schon die Ankunft des Herolds von England, der gekommen ist, um im Namen der Königin Maria von England den Krieg zu erklären, und die Kunde von der großen Bewegung, die sich in Flandern vorbereitet, vernommen haben. Diese, für Frankreich vielleicht bedrohlichen Ereignisse sind unserer Liebe günstig, Gabriel, da sie das Ansehen des jungen Herzogs von Guise vermehren und das des alten Montmorency vermindern. Der König hat jedoch noch gezögert. Aber ich flehte ihn an, Gabriel, ich sagte ihm, ich hätte Euch wiedergefunden, Ihr wäret edel und tapfer, ich nannte Euch . . . Der König erwiderte, ohne etwas zu versprechen, er würde darüber nachdenken; da das Interesse des Staates minder dringend würde, so wäre es grausam von ihm, mein Glück zu gefährden; er könnte Franz von Montmorency eine Entschädigung geben, mit der er sich zu begnügen hätte. Er versprach nichts, doch er wird Alles halten, Gabriel. Oh! Ihr werdet ihn lieben, Gabriel, wie ich ihn liebe, diesen guten Vater, der so die Träume von sechs Jahren verwirklichen wird! Ich habe Euch so viel zu sagen, und diese geschriebenen Worte sind so kalt! Höret, Freund, kommt diesen Abend um sechs Uhr, während des Rathes. Jacinthe wird Euch zu mir führen, und wir haben dann eine gute Stunde, um über die strahlende Zukunft, die sich vor uns öffnet, zu plaudern. ICH sehe auch vorher, daß dieser Feldzug in Flandern Euch fordern wird, und Ihr müßt ihn leider mitmachen, um dem König zu dienen und mich zu verdienen, mein Herr, mich, die ich Euch so sehr liebe. Denn ich liebe Euch, mein Gott, ja! wozu sollte es nun nützen, wenn ich es Euch verbergen würde? Kommt also, damit ich sehe, ob Ihr so glücklich seid, als Eure Diana.«
»Oh! ja, sehr glücklich!« rief Gabriel mit lauter Stimme, als er diesen Brief bis zum Ende gelesen hatte, »und was fehlt nun noch zu meinem Glück?«
»Nicht die Gegenwart Eurer alten Amme,« sprach plötzlich Aloyse, welche unbeweglich und schweigsam im Schatten sitzen geblieben war.
»Aloyse!« rief Gabriel, indem er auf sie zueilte und sie umarmte, »Aloyse! oh! doch, gute Amme, Du fehltest mir. Wie geht es Dir? Du hast Dich nicht verändert. Umarme mich noch einmal, ich habe mich auch nicht verändert, wenigstens nicht im Herzen, in diesem Herzen, das Dich liebt. Dein Zögern beunruhigte mich sehr. Frage nur Martin . . . warum hast Du so lange auf Dich warten lassen?«
»Die letzten Regen, gnädiger Herr, höhlten die Wege aus, und wenn ich nicht, angeeifert durch Euren Brief, Hindernissen aller Art getrotzt hätte, so wäre ich noch nicht angekommen.«
»Oh! Du hast wohl daran gethan, Dich zu beeilen, Aloyse, denn wahrhaftig, wozu nützt es, allein glücklich zu sein? Siehst Du diesen Brief, den ich so eben empfangen habe? er ist von Deinem andern Kind, er ist von Diana, und er verkündigt mir, daß die Hindernisse, die sich unserer Liebe entgegenstellten, gehoben werden können, daß der König die Heirath von Diana mit Franz von Montmorency nicht mehr fordert, daß Diana mich liebt! daß sie mich liebt! und Du bist da, um Alles dies zu hören, Aloyse; sprich, stehe ich nicht wahrhaftig auf dem Gipfel des Glücks?«
»Gnädiger Herr,« entgegnete Aloyse, ohne von ihrem traurigen Ernste abzuweichen, »gnädiger Herr, wenn Ihr dennoch auf Frau von Castro verzichten müßtet?«
»Unmöglich, Aloyse, da sich nun alle Hindernisse wie von sich selbst ebnen!«
»Man kann immerhin die Schwierigkeiten besiegen, welche von den Menschen kommen« sprach die Amme, »doch nicht diejenigen welche von Gott kommen. Gnädiger Herr, Ihr wißt, ob ich Euch liebe und ob ich mein Leben hingeben würde, um dem Eurigen den Schatten eines Kummers zu ersparen; nun wohl! wenn ich zu Euch sagte: »Ohne nach dem Grund zu fragen, gnädiger Herr, verzichtet auf Frau von Castro hört auf, sie zu sehen, erstickt diese Liebe durch alle Mittel, welche Ihr in Eurer Gewalt habt. Ein furchtbares Geheimniß, dessen Enthüllung nicht von mir zu fordern, ich Euch in Eurem eigenen Interesse beschwöre, waltet zwischen Euch Beiden ob.« Wenn ich so zu Euch spräche, flehend und auf den Knieen, was würdet Ihr mir antworten, gnädiger Herr?«
»Solltest Du mich auffordern mein Leben zu vernichten, ohne nach dem Grund zu fragen, so würde ich Dir gehorchen. Doch meine Liebe liegt außer dem Bereiche meines Willens, Amme, und sie kommt auch von Gott.«
»Herr,« rief, die Amme die Hände faltend, »er spricht eine Gotteslästerung. Doch Du siehst, daß er nicht weiß, was er thut, vergib ihm, o Herr!«
»Du erschreckst mich, Aloyse! Halte mich nicht so lange in dieser tödtlichen Angst, und was Du auch sagen willst oder mußt, sprich, sprich, ich flehe Dich an.«
»Ihr wollt es, gnädiger Herr? Ich muß Euch durchaus das Geheimniß enthüllen, welches zu bewahren ich vor Gott geschworen hatte, das mir aber Gott selbst nicht länger zu verbergen befiehlt? Nun wohl! gnädiger Herr, Ihr habt Euch getäuscht, hört mich, Ihr müßt Euch über die Natur der Zuneigung getäuscht haben, die Euch Diana einflößte! Es war kein heißes Verlangen, keine Gluth, dessen seid sicher, sondern eine ernste, ergebene Zuneigung, ein Bedürfniß, freundschaftlichen, brüderlichen Schutz zu gewähren, nichts Zärtlicheres, nichts Eigennützigeres gnädiger Herr.«
»Das ist ein Irrthum, Aloyse, die reizende Schönheit von Diana . . .«
»Es ist kein Irrthum,« sprach Aloyse hastig, »und Ihr werdet darin mit mir übereinstimmen; denn der Beweis wird Euch so klar und unumstößlich erscheinen als mir. Wißt also, aller Wahrscheinlichkeit nach ist Frau von Castro . . . ach! Muth gefaßt, mein Kind! ist Frau von Castro . . . Eure Schwester!«
»Meine Schwester« rief Gabriel auffahrend, als ob ihn eine Feder emporheben würde, »meine Schwester!« rief er beinahe wahnsinnig. »Wie könnte die Tochter des Königs und von Frau von Valentinois meine Schwester sein?«
»Gnädiger Herr, Diana von Castro ist geboren im Mai 1539, nicht wahr? der Graf Jacques von Montgommery ist verschwunden im Januar desselben Jahres, und, wißt Ihr auf welchen Verdacht hin? Wißt Ihr, was man Eurem Vater zur Last legte? Man beschuldigte ihn, er sei der glückliche Liebhaber von Diana von Poitiers und, der bevorzugte Nebenbuhler des Dauphin, der heute König von Frankreich ist. Vergleicht nun die Zeitangaben, gnädiger Herr.«
»Himmel und Erde!« rief Gabriel. »Doch sprecht, sprecht,« sagte er, alle Kräfte seines Wesens zusammenraffend, »mein Vater war angeklagt, doch wer beweist, daß die Anklage gegründet war? Diana ist fünf Monate nach dem Tode meines Vaters geboren, doch wer beweist, daß Diana nicht die Tochter des Königs ist der sie liebt, wie sein Kind?«
»Der König kann sich täuschen, wie ich mich ebenfalls täuschen kann, gnädiger Herr; bemerkt wohl, daß ich nicht sagte: Diana ist Eure Schwester. Doch es ist wahrscheinlich, daß sie es ist; es ist möglich, daß sie es ist, wenn Ihr wollt. War es nicht meine Pflicht, Euch dieses Geständniß zu thun, Gabriel? Ja, nicht wahr, da Ihr ohne dieses Geständniß nicht auf sie verzichten wolltet? Nun mag Euer Gewissen das Urtheil über Eure Liebe sprechen und Gott mag Euer Gewissen richten.«
»Oh! dieser Zweifel ist tausendmal gräßlicher, als das Unglück selbst,« sprach Gabriel. »Mein Gott, wer wird mich diesem Zweifel entreißen.«
»Das Geheimnis war nur zwei Personen in der Welt bekannt, gnädiger Herr,« sagte Aloyse, »und nur zwei menschliche Geschöpfe hätten Euch antworten können: Euer Vater der heute in einem unbekannten Grabe liegt, und Frau von Valentinois, die wohl nie zugestehen wird, daß sie den König getäuscht hat, und daß ihre Tochter nicht die Tochter des Königs ist.«
»Ja,« versetzte Gabriel, »und jedenfalls, wenn ich nicht die Tochter meines Vaters liebe, so liebe ich die Tochter des Mörders meines Vaters! Denn an dem König, an Heinrich II. habe ich Rache zu nehmen für den Tod meines Vaters, nicht wahr, Aloyse?«
»Wer weiß das außer Gott?« antwortete die Amme.
»Ueberall Verwirrung und Finsternis! Zweifel und Schrecken!« sprach Gabriel. »Oh! ich werde ein Narr werden, Amme! Doch nein,« sagte der thatkräftige junge Mann, »ich will kein Narr werden, ich will es nicht! ich werde zuerst alle Mittel erschöpfen, um die Wahrheit zu ergründen. Ich werde zu Frau von Valentinois gehen und sie um ihr Geheimnis fragen. Sie ist katholisch, gottesfürchtig, ich werde von ihr einen Eid erhalten, der mir ihre Aufrichtigkeit bezeugt. Ich werde zu Catharina von Medicis geben, die vielleicht etwas erfahren hat. Ich werde zu Diana gehen und, die Hand auf meinem Herzen, die Schläge meines Herzens befragen. Wohin werde ich nicht geben? Ich würde zum Grabe meines Vaters gehen, wenn ich es wüßte, wenn ich es finden könnte, Aloyse, und ich würde ihn mit einer so mächtigen Stimme beschwören, daß er sich unter den Todten erheben müßte, um mir zu antworten.«
»Armes, theures Kind!« murmelte Aloyse, »so kühn und so muthig, selbst nach diesem furchtbaren Schlag! so stark gegen ein so grausames Geschick.«
»Und ich werde keine Minute verlieren, um zum Werk zu schreiten,« sprach Gabriel, indem er, von einem gewissen Thätigkeitsfieber bewegt, aufstand.
»Es ist vier Uhr: in einer halben Stunde bin ich bei der Frau Großseneschallin; eine halbe Stunde hernach bei der Königin; um sechs Uhr da, wo mich Diana erwartet, und wenn ich diesen Abend zurückkomme, Aloyse, habe ich vielleicht eine Ecke von diesem dunkeln Schleier meines Schicksals aufgehoben. Diesen Abend sehen wir uns wieder.«
»Und ich, gnädiger Herr, kann ich nichts thun, um Euch bei Eurer furchtbaren Aufgabe zu unterstützen?« fragte Aloyse.
»Du kannst zu Gott beten, Aloyse, bete zu Gott.«
»Für Euch und für Diana, ja, gnädiger Herr.«
»Bete auch für den König, Aloyse,« sprach Gabriel mit finsterer Miene.
Und er ging mit hastigen Schritten hinaus.
XIV.
Diana von Poitiers
Der Connetable von Montmorency war noch bei Diana von Poitiers und sprach zu ihr mit hochmüthigem Tone, ebenso rauh und gebieterisch, als sie sich sanft und weich gegen ihn zeigte.
»Ei! Gottes Tod! es ist am Ende Eure Tochter,« sagte er, »und Ihr habt bei ihr dieselben Rechte und dieselbe Gewalt wie der König, fordert diese Heirath.«
»Mein Freund,« erwiderte Diana, »bedenkt, da ich bis jetzt, was die Zärtlichkeit betrifft, sehr wenig Mutter gewesen bin, so kann ich nicht hoffen, genug Mutter hinsichtlich der Gewalt zu sein: ich kann nicht schlagen, ohne geliebkost zu haben. Wir, Frau von Angoulême und ich, sind wie Ihr wißt, sehr kalt gegen einander, und trotz ihres anfänglichen Entgegenkommens haben wir uns beständig nur in seltenen Zwischenräumen gesehen. Sie hat überdies einen großen persönlichen Einfluß auf den Geist des Königs zu gewinnen vermocht, und ich weiß in der That nicht, wer von uns Beiden zu dieser Stunde die Mächtigere ist. Was Ihr von mir fordert, Freund, ist also sehr schwierig, wenn nicht zu sagen unmöglich. Laßt diese Heirath, und ersetzt, sie durch eine glänzendere Verbindung. Der König hat die kleine Johanna an Carl von Mayenne verlobt, wir werden von ihm die kleine Margarethe für Euren Sohn erhalten.«
»Mein Sohn liegt in einem Bett, und nicht in einer Wiege,« entgegnete der Connetable, »und wie vermöchte ein kleines Mädchen zum Glück meines Hauses beizutragen? Frau von Castro hat im Gegentheil, wie Ihr mir wunderbar passend bemerkten einen großen persönlichen Einfluß auf den Geist des Königs, und deshalb will ich Frau von Castro zur Söhnerin haben. Gottes Tod! es ist seltsam, daß ein Edelmann, der den Namen des ersten Barons der Christenheit führt, wenn er sich herbeiläßt, eine Bastardin zu heirathen, so viel Schwierigkeiten findet, diesen Mißbund zu schließen. Madame, Ihr seid nicht umsonst die Geliebte des Königs, wie ich nicht umsonst Euer Liebhaber bin. Trotz Frau von Castro, trotz diesem Jungfernknecht, der sie anbetet, will ich, daß diese Heirath stattfinde, ich will es.«
»Nun wohl! hört mein Freund,« sprach Diana von Poitiers mit sanftem Tone, »ich mache mich anheischig, das Mögliche und das Unmögliche zu thun, um Euch zu diesem Ziele zu führen. Was soll ich Euch mehr sagen? Doch Ihr werdet wenigstens besser gegen mich sein, und nicht mehr in diesem plumpen Tone mit mir sprechen, Böser!«
Und mit ihren zarten, rosigen Lippen streifte die schöne Herzogin den grauen starren Bart des alten Anne, der sie brummend gewähren ließ.
Denn so war diese seltsame Liebe, die nichts erklärte, wenn nicht eine seltsame Entsittlichung der vergötterten Geliebten eines jungen schönen Königs für einen alten Graubart, der sie hart behandelte. Das rohe Wesen von Montmorency entschädigte sie für die Galanterie von Heinrich II., und sie fand mehr Reize in der üblen Behandlung des Einen, als in den Schmeicheleien des Andern. Ungeheuerliche Laune eines weiblichen Herzens! Anne von Montmorency war weder geistreich noch glänzend, und er galt mit Recht für habgierig und geizig. Die furchtbaren Strafen, die er der meuterischen Bevölkerung von Bordeaux auferlegt, hatten ihm allein eine Art von gehässiger Berühmtheit verliehen. Allerdings brav, eine gewöhnliche Eigenschaft in Frankreich, war er bis dahin kaum in den Schlachten, an denen er Antheil genommen, glücklich gewesen. Bei den Siegen von Ravenna und Marignan, wo er noch nicht befehligte, zeichnete man ihn nicht unter der Menge aus; an der Bicoque, wo er Oberster der Schweizergarden war, ließ er beinahe sein ganzes Regiment niedermetzeln, und bei Pavia wurde er gefangen genommen. Sein militärischer Ruhm ging nicht weiter, und Saint-Laurent sollte dem Allem eine klägliche Krone aufsetzen. Ohne die Gunst von Heinrich II., die diesem wahrscheinlich durch Diana von Poitiers eingeflößt wurde, wäre er der Zweite im Rath wie im Kriege geblieben, und dennoch liebte ihn Diana, schmeichelte sie ihm, gehorchte sie ihm in Allem, die Geliebte eines reizenden Königs, die Sklavin eines lächerlichen Kriegsknechtes.
In diesem Augenblick kratzte man bescheiden an der Thüre, ein Page trat auf die Erlaubniß von Frau von Valentinois ein und meldete, der Vicomte d’Ermès bitte inständig und aus einem sehr wichtigen Beweggrunde, einen Augenblick bei der Herzogin vorgelassen zu werden.
»Der Verliebte!« rief der Connetable, »was will er denn von Euch, Diana? Sollte er zufällig kommen, um sich von Euch die Hand Eurer Tochter zu erbitten?«
»Darf ich ihn eintreten lassen?« fragte fügsam die Favoritin.
»Allerdings, allerdings; dieser Schritt kann uns unterstützen. Doch er warte einige Augenblicke. Noch ein Wort, damit wir uns verständigen.«
Diana von Poitiers ertheilte diesen Befehl dem Pagen, der wieder hinausging.
»Wenn der Vicomte d’Ermès zu Euch kommt, Diana,« sprach der Connetable, »so geschieht es, weil sich unerwartete Schwierigkeiten erheben, und weil der Fall sehr verzweifelt sein muß, daß er zu einem verzweifelten Mittel seine Zuflucht nimmt. Hört mich also wohl, und wenn Ihr meine Instruktion genau befolgt, so wird Eure, ich gestehe es, etwas gewagte Vermittlung beim König vielleicht unnöthig werden. Diana, um was auch der Vicomte bei Euch nachsuchen mag, verweigert es ihm. Bittet er Euch um seinen Weg, so schickt ihn auf die seiner Bahn entgegengesetzte Seite, will er, daß Ihr ja antwortet, so sagt nein und ja, wenn er auf ein Nein hofft. Seid verächtlich, hochmüthig, schlimm gegen ihn, kurz seid die würdige Tochter der Fee Melusine, von der Ihr aus dem Hause Poitiers abstammt, wie es scheint. Habt Ihr mich verstanden, Diana? und werdet Ihr thun, was ich sage?«
»Punkt für Punkt, mein Connetable.«
»Dann werden sich die Strähnen des Galant ein wenig verwirren. Der Arme wirft sich so in den Rachen der . . .«
Er wollte sagen der Wölfin, doch er Verbesserte sich:
»Der Wölfe. Ich lasse Euch allein, Diana, und legt mir gut Rechenschaft ab von diesem schönen Prätendenten. Heute Abend!«
Er war so gnädig, Diana auf die Stirne zu küssen, und entfernte sich sodann. Man führte durch eine andere Thüre den Vicomte d’Ermès ein.
Gabriel verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor Diana, die ihm durch den hochmüthigsten Gruß antwortete; doch Gabriel bewaffnete sich mit Muth für diesen ungleichen Kampf der glühenden Leidenschaft gegen die eisige Eitelkeit, und begann mit ziemlich viel Ruhe.
»Madame,« sprach er, »der Schritt, den ich bei Euch thue, ist allerdings kühn und wahnsinnig. Doch es gibt zuweilen im Leben so ernste, so erhabene, so feierliche Umstände, daß sie uns über die gewöhnlichen Regeln des Wohlstandes, über die gewöhnlichen Bedenklichkeiten setzen. Ich befinde mich nun in einer dieser furchtbaren Krisen des Schicksals. Der Mann, der mit Euch spricht, Madame, legt in Eure Hände sein Leben, und wenn Ihr es ohne Mitleid fallen laßt, so wird es zerschellen.«
Frau von Valentinois machte nicht das geringste Zeichen der Ermuthigung. Den Leib vorwärts geneigt das Kinn auf ihre Hand, und den Ellenbogen auf ihr Knie stützend, schaute sie Gabriel fest und mit einer Miene verdrießlichen Erstaunens an.
»Madame,« fuhr Gabriel fort, indem er den betrübenden Einfluß dieses absichtlichen Schweigens von sich abzuschütteln suchte. »Ihr wißt, oder wißt vielleicht nicht, daß ich Frau von Castro liebe. Ich liebe sie, Madame mit einer tiefen, glühenden, unwiderstehlichen Liebe.«
»Was geht das mich an?« schien ein nachlässiges Lächeln von Diana von Poitiers sagen zu wollen.
»Ich spreche von dieser Liebe, die meine Seele erfüllt, Madame, um dazu zu gelangen, Euch zu sagen, ich könne, ich müsse sogar die blinden Fatalitäten und die unversöhnlichen Forderungen der Leidenschaft verstehen, entschuldigen, bewundern. Weit entfernt, diese zu tadeln, wie der gemeine Haufen, sie zu zergliedern, wie die Philosophen, sie zu verdammen, wie die Priester, knie ich vor ihr nieder, und bete sie an wie eine Ausstrahlung Gottes. Sie macht das Herz, in das sie eintritt, reiner, größer, göttlicher, und hat sie nicht Jesus geheiligt an dem Tag, wo er zu Magdalena sagte, sie sei gebenedeit unter allen Weibern, weil sie viel geliebt?«
Diana von Poitiers änderte ihre Haltung, und streckte sich die Augen halb geschlossen, nachläßig in ihrem Lehnstuhle aus.
»Wo will er hinaus mit seiner Rede?« dachte sie.
»Ihr seht also, Madame,« fuhr Gabriel fort, »die Liebe ist für mich heilig; mehr noch, sie ist allmächtig in meinen Augen. Lebte der Gemahl von Frau von Castro noch, ich würde Frau von Castro lieben und es nicht einmal versuchen, einen unwiderstehlichen Instinkt zu besiegen. Nur die falsche Liebe läßt sich bändigen, die wahre Liebe aber kann man eben so wenig vermeiden, als befehlen. Ihr selbst, Madame, auserkohren und geliebt von dem größten König der Welt, müßt deshalb nicht vor der Berührung einer aufrichtigen Leidenschaft geschützt sein, und hättet Ihr derselben nicht zu widerstehen vermocht, so würde ich Euch beklagen und beneiden, aber nie verdammen.«
Dasselbe Schweigen von Seiten der Herzogin von Valentinois. Ein spöttisches Erstaunen war das einzige Gefühl, das sich auf ihrem Gesichte ausprägte. Gabriel sprach mit noch mehr Wärme, als wollte er diese eherne Seele an den Flammen der seinigen erweichen:
»Ein König verliebt sich, und das ist ganz einfach, in eine bewunderungswürdige Schönheit; Ihr seid gerührt von dieser Liebe, doch Euer Herz, das sie erwidern will, kann es dies nothwendig? Ach! nein. Aber an der Seite des Königs sieht Euch ein Edelmann schön, muthig, ergeben; er liebt Euch, und diese Leidenschaft dunkler, aber nicht minder mächtig, erreicht Eure Seele, in welche der Geist eines Königs nicht einzudringen vermochte; seid Ihr nicht auch Königin, Königin durch die Schönheit, wie der Fürst, der Euch liebt, König durch die Macht ist? Besteht nicht unter Euch unabhängige und freie Gleichheit? Sind es die Titel, welche die Herzen gewinnen? Wer konnte Euch verhindern, daß Ihr einen Tag, eine Stunde, in Eurem edlen Vertrauen, den Unterthan dem Herrn Vorzoget? Ich wenigstens nicht, der ich mich zu wenig auf edle Gefühle verstünde, wenn ich Frau Diana von Poitiers ein Verbrechen daraus machen wollte, daß sie, von Heinrich II. geliebt, den Grafen von Montgommery liebte.«
Diana machte plötzlich eine Bewegung, stand halb auf und öffnete ihre großen, grünen, klaren Augen. In der That, zu wenig Personen kannten ihr Geheimniß am Hof, als daß dieses rasche Wort von Gabriel nicht einiges Erstaunen bei ihr verursacht haben müßte.
»Habt Ihr materielle Beweise von dieser Liebe?« fragte sie nicht ohne eine gewisse Unruhe.
»Ich habe nur eine moralische Gewißheit, Madame, doch ich habe sie.«
»Ha!« machte sie, indem sie wieder ihre freche Miene annahm. »Nun! dann ist es mir ganz gleichgültig, Euch die Wahrheit zu gestehen. Ja, ich habe den Grafen von Montgommery geliebt. Hernach?«
Doch hernach wußte Gabriel nichts Bestimmtes mehr, und er wandelte nur noch in der Finsternis der Vermuthungen. Dennoch fuhr er fort:
»Ihr habt Jacques von Montgommery geliebt, Madame, und ich wage, sogar zu behaupten, daß Ihr sein Andenken liebt; denn ist er von der Oberfläche der Welt verschwunden, so ist es für Euch geschehen. Nun wohl! in seinem Namen beschwöre ich Euch, Madame, und richte ich eine Frage an Euch, die Euch vielleicht vermessen vorkommen wird, ich wiederhole es, doch ich wiederhole auch, daß Eure Antwort, wenn Ihr mir zu antworten die Güte habt, in meinem Herzen nur Dankbarkeit und Anbetung zur Folge haben wird; denn an dieser Antwort hängt mein Leben; ich wiederhole endlich, daß ich, wenn Ihr sie mir nicht verweigert, fortan mit Leib und Seele Euch gehören werde, und die gediegenste Macht der Erde kann eines treuen Armes und eines ergebenen Herzens bedürfen, Madame.«
»Vollendet, mein Herr, kommen wir zu der furchtbaren Frage,« sprach die Herzogin.
»Ich will mich auf die Kniee werfen, um sie gegen Euch auszusprechen, Madame,« sagte Gabriel, während er wirklich niederkniete.
Und er fuhr dann mit bebendem Herzen und zitternder Stimme fort:
»Madame, im Verlaufe des Jahres 1538 habt Ihr den Grafen von Montgommery geliebt.«
»Es kann sein,« antwortete Diana von Poitiers. »Hernach?«
»Im Januar 1539 ist der Graf von Montgommery verschwunden, und im Mai 1539 wurde Diana von Castro geboren.«
»Nun?« fragte Diana.
»Nun, Madame,« sagte Gabriel so leise, daß sie ihn kaum hörte. »hierin liegt das Geheimniß, das ich mir zu Euren Füßen von Euch erflehen will, das Geheimnis, von dem mein Schicksal abhängt, und das, glaubt mir, in meinem Busen sterben wird, wenn Ihr es mir zu enthüllen die Gnade haben wollt. Vor dem Crucifix, das ich hier über Eurem Haupte erblicke, schwöre ich es Euch, Madame; man würde mir eher das Leben als Euer Bekenntniß entreißen. Und überdies könntet Ihr mich immer noch Lügen strafen; man würde Euch mehr glauben als mir, und ich verlange keinen Beweis von Euch, sondern nur Euer Wort, Madame. Madame, sollte Jacques von Montgommery der Vater von Diana von Castro Sein?«