Kitabı oku: «Die Dame von Monsoreau», sayfa 17
Zweites Kapitel
Wie Chicot, genötigt in der Kirche der Abtei zu bleiben, Dinge hörte und sah, welche zu sehen und zu hören sehr gefährlich war
Chicot beeilte sich, vom Rednerstuhle herabzusteigen und sich unter die letzten Mönche zu mischen, um wo möglich das Zeichen zu erkennen, mit dessen Hilfe man die Straße zu erreichen vermochte, und sich dieses Zeichen zu verschaffen, wenn es noch Zeit wäre. Nachdem er die Verspäteten eingeholt und seinen Kopf über ihre Köpfe gestreckt hatte, erkannte Chicot, dass das Ausgangszeichen ein als Stern geschnittener Denier war.
Unser Gascogner hatte eine große Anzahl Deniers in seiner Tasche, doch leider hatte keiner diesen besonderen Schnitt, der um so ungewöhnlicher war, als er für immer ein auf eine solche Art verstümmeltes Stück aus dem Geldumlauf verbannte.
Chicot überschaute die Lage der Dinge mit einem Blicke. Konnte er an der Türe seinen gesternten Denier nicht vorzeigen, so würde er als ein falscher Bruder erkannt; da sich natürlich die Untersuchung durchaus nicht hierauf für Meister Chicot, den Narren des Königs, ein Amt, das ihm große Vorrechte im Louvre und in den andern Schlössern verlieh, aber in der Sainte-Geneviève-Abtei, besonders unter den obwaltenden Umständen, viel von seiner Wunderkraft verlor, da sich, sagen wir, die Untersuchung hierauf nicht beschränken würde, so war Chicot in einer Falle gefangen; er erreichte den Schatten eines Pfeilers und kauerte sich in die Ecke eines Beichtstuhles, der an die Ecke dieses Pfeilers angelehnt war.
»Und dann,« sprach Chicot zu sich selbst, »indem ich mich zu Grund richte, stürze ich zugleich meinen einfältigen Souverain in das Verderben, den ich dummer Weise liebe, obgleich ich ihm Grobheiten mache und Beleidigungen sage. Es wäre allerdings besser gewesen, in das Gasthaus zum Füllhorn zurückzukehren, um Bruder Gorenflot wieder aufzusuchen; doch zu dem Unmöglichen ist Niemand verpflichtet.«
Und während er so mit sich selbst sprach, das heißt, mit einem Gegenredner, der am meisten dabei interessiert ist, kein Wort von dem zu sagen, was er vernimmt, verbarg sich Chicot, so gut er konnte, zwischen der Ecke seines Beichtstuhles und dem Simswerke seines Pfeilers.
Dann hörte er den Chorknaben von dem Eingange aus rufen:
»Ist Niemand mehr da? Man wird sogleich die, Türe schließen.«
Keine Stimme antwortete.
Chicot streckte den Hals aus und sah wirklich die Kapelle leer, mit Ausnahme von drei mehr als je in ihre Kutten gewickelten Mönchen, welche in den Lehnstühlen saßen, die man ihnen mitten in das Chor gebracht hatte.
»Gut,« dachte Chicot, »wenn man nur die Fenster nicht schließt, mehr verlange ich nicht.«
»Machen wir die Runde,« sagte der Chorknabe zu dem Bruder Pförtner.
»Gottes Tod! das ist ein Mönchlein, welches ich im Herzen trage,« sprach Chicot.
Der Bruder Pförtner zündete eine Kerze an und begann, gefolgt von dem Chorknaben, in der Kirche umherzugehen.
Es war kein Augenblick zu verlieren. Der Bruder Pförtner und seine Kerze mussten auf vier Schritte an Chicot Vorüberkommen, dessen Entdeckung dann keinem Zweifel mehr unterlag. Chicot wandte sich geschickt um den Pfeiler, blieb im Schatten, bis sich der Schatten drehte, öffnete den Beichtstuhl, der nur mit der Klinke geschlossen war, und schlüpfte in das längliche Gehäuse, dessen Türe er hinter sich zuzog, nachdem er sich darin niedergesetzt hatte.
Der Bruder Pförtner und das Mönchlein gingen auf vier Schritte an ihm vorüber, und Chicot sah durch das geschnitzte Gitterwerk auf sein Gewand das Licht der Kerze strahlen, die ihnen leuchtete.
»Den Teufel!« sagte Chicot zu sich selbst, der Bruder Pförtner, das Mönchlein und diese drei Mönche werden nicht ewig in der Kirche bleiben; sind sie weggegangen, so setze ich die Stühle auf die Bänke, den Pelion auf den Ossa, wie Herr Ronsard sagt, und entfliehe durch das Fenster.«
»Ah! ja, durch das Fenster,« fuhr Chicot, sich selbst antwortend, fort, »doch wenn ich vor dem Fenster bin, so werde ich mich in dem Hofe befinden, und der Hof ist nicht die Straße. Ich glaube, es ist noch bester, ich bringe die Nacht im Beichtstuhle zu. Das Gewand von Gorenflot ist warm; es wird eine minder heidnische Nacht sein, als die, welche ich anderswo zugebracht hätte, und ich rechne: sie zu meinem Heile.«
»Lösche die Lampen aus,« sagte der Chorknabe, »lösche sie aus, damit man außen gut sieht, die geistliche Versammlung sei vorbei.«
Der Pförtner erstickte sogleich mit Hilfe eines ungeheuren Löschhornes die zwei Lampen des Schiffes, das sodann in eine grabartige Finsternis versank.
Dann löschte er die des Chors aus.
Die Kirche war nur noch durch den bleichen Strahl erleuchtet, den ein Wintermond mit großer Mühe durch die gemalten Scheiben dringen ließ.
Nach dem Lichte erlosch auch das Geräusch.
Die Glocke schlug Mitternacht.
»Gottes Barmherzigkeit!« sagte Chicot, »um Mitternacht in einer Kirche; wenn mein Sohn Henriquet an meiner Stelle wäre, hätte er schön Angst. Zum Glücke sind wir von minder furchtsamer Beschaffenheit. Vorwärts, Chicot, mein Freund, guten Abend und gute Nacht.«
Nachdem Chicot diesen Wunsch an sich gerichtet hatte, machte er es sich so bequem als möglich in seinem Beichtstuhle, stieß den kleinen inneren Riegel vor, um zu Hause zu sein, und schloss die Augen.
Seine Augenlider waren ungefähr zehn Minuten mit einander verbunden, und durch die ersten Dünste des Schlafes gestört, sah sein Geist in dem Geheimnisvollen, schwankenden Lichte, das die Abenddämmerung des Gedankens bildet, eine Menge unentschiedener Gestalten, als ein starker Schlag auf eine Glocke in der Kirche erscholl und zitternd sich in ihren Tiefen verlor.
»Oho!« sagte Chicot, die Augen wieder öffnend und die Ohren spitzend: »was soll das bedeuten?«
Gleichzeitig entzündete sich die Lampe des Chors wieder und beleuchtete mit ihrem ersten Reflexe die drei Mönche, welche immer noch auf derselben Stelle und in derselben Unbeweglichkeit neben einander saßen.
Chicot war nicht ganz frei von einer gewissen Furcht; denn so viel er auch Mut besaß, so gehörte doch unser Gascogner seiner Zeit an, und seine Zeit war die phantastischer Überlieferungen und furchtbarer Legenden.
Er machte sachte das Zeichen des Kreuzes und murmelte dabei ganz leise:
»Vade retro Satanas!«
Doch da die Lichter nicht mit dem Zeichen unserer Erlösung erloschen, was sie sicher getan hätten, wenn es höllische gewesen wären: da die drei Mönche trotz des Vade retro an ihren Plätzen blieben, so fing der Gascogner an zu glauben, er hätte es mit natürlichen Lichtern, und wenn nicht mit Mönchen, doch mit Männern in Fleisch und Knochen zu tun.
Chicot schüttelte sich darum nicht minder, von dem Schauer des Erwachenden erfasst, zu dem das Beben des Menschen hinzukommt, der Furcht hat.
In diesem Augenblick erhob sich langsam eine von den Platten des Chors und blieb auf ihrer schmalen Base aufgerichtet. Eine graue Kapuze zeigte sich am Rande der schwarzen Öffnung, dann erschien ein ganzer Mönch und fasste Fuß auf dem Marmor, während sich die Platte wieder sachte hinter ihm schloss.
Bei diesem Anblick vergaß Chicot die Probe, die er so eben versucht hatte, und hörte auf, Vertrauen auf die Beschwörung zu setzen, welche er für entscheidend hielt. Seine Haare sträubten sich auf seinem Haupt, und er glaubte einen Augenblick, alle Priore, Äbte und Dekane von Sainte-Geneviève bis auf Pierre Boudin, den Vorgänger des gegenwärtigen Superiors, würden in ihren Gräbern, welche in der Gruft lagen, wo einst die Mönche von Sainte-Geneviève schlummerten, wiedererstehen und nach dem Beispiele, das man ihnen gegeben, mit ihren knochigen Schädeln die Platten des Chors aufheben.
Doch dieser Zweifel dauerte nicht lange.
»Bruder Monsoreau,« sagte einer von den drei Mönchen des Chors zu demjenigen, welcher auf eine so seltsame Weise erschienen war, »ist der Erwartete angekommen?«
»Ja, Messeigneurs, und er harrt außen,« antwortete derjenige, an welchen die Frage gerichtet war.«
»Öffnet ihm die Türe, und er mag zu uns kommen.«
»Gut,« sagte Chicot, »es scheint, die Komödie hat zwei Akte; ich habe nur den ersten gesehen. Zwei Akte! schlechter Zuschnitt.«
Und während Chicot mit sich selbst scherzte, fühlte er nichtsdestoweniger einen letzten Schauer, der tausend scharfe Spitzen aus dem Sitze, auf welchem er saß, hervorspringen zu machen schien.
Der Bruder Monsoreau stieg indessen eine von den Treppen hinab, die vom Schiffe in das Chor führten, und öffnete die bronzene Türe, welche in die zwischen den zwei Treppen liegende Gruft ging.
Zu gleicher Zeit ließ der Mönch in der Mitte seine Kapuze nieder und enthüllte die große Narbe, ein edles Zeichen, an dem die Pariser mit so viel Trunkenheit denjenigen erkannten, welcher für den Helden der Katholiken galt, bis er ihr Märtyrer werden würde.
»Der große Heinrich von Guise in Person, derselbe, den Seine sehr einfältige Majestät in la Charité beschäftigt glaubt. Ah! ich begreife nun. Derjenige, welcher zu seiner Rechten sitzt und die Anwesenden gesegnet hat, ist der Kardinal von Lothringen, während ich in dem Vermummten zu seiner Linken, der mit dem Chorknaben sprach, Monseigneur von Mayenne, meinen Freund, erkenne; doch wo den Teufel! befindet sich bei Allem dem Meister Nicolas David?«
In der Tat, als sollten sogleich die Vermutungen von Chicot bestätigt werden, fielen die Kapuze des Mönches rechts und die Kapuze des Mönches links zurück und entblößten den gescheiten Kopf, die breite Stirne und das durchdringende Auge des berühmten Kardinals und das unendlich gemeinere Gesicht des Herzogs von Mayenne.
»Ah! ich erkenne dich, heilige, aber sichtbare Dreieinigkeit,« sagte Chicot! »Nun wollen wir sehen, was du machst, ich bin ganz Auge; wir wollen hören, was du sprichst, ich bin ganz Ohr.«
In diesem Augenblick war Herr von Monsoreau an der eisernen Türe der Gruft angelangt, die sich vor ihm öffnete.
»Habt Ihr geglaubt, er würde erscheinen?« fragte der Balafré seinen Bruder, den Kardinal.
»Ich glaubte es nicht nur, sondern ich habe sogar unter meinem Rocke Alles, was man braucht, um das heilige Ölfläschchen zu ersetzen.«
Nahe genug bei der Dreieinigkeit, wie er sie nannte, um Alles zu sehen und Alles zu hören, sah nun Chicot unter dem schwachen Schimmer der Lampe eine Büchse von Vermeil mit getriebener Arbeit in Relief glänzen.
»Halt,« sagte Chicot, »es scheint, man will irgend Jemand salben. Wie sich das gut trifft … ich habe immer eine Salbung zu sehen gewünscht.«
Während dieser Zeit kamen ungefähr zwanzig Mönche, den Kopf in ungeheuren Kapuzen verborgen, aus der Türe der Gruft hervor und stellten sich in das Schiff. Ein Einziger stieg, geführt von Herrn von Monsoreau, die Treppe des Chors hinauf und nahm seinen Platz in einem Chorstuhle, oder vielmehr auf der Stufe dieses Stuhles.
Der Chorknabe, welcher wieder erschienen war, holte ehrfurchtsvoll die Befehle des Mönches rechts ein, und verschwand sodann.
Der Herzog von Guise ließ seinen Blick auf dieser Versammlung umhergehen, welche, um fünf Sechstel weniger zahlreich als die erste, aller Wahrscheinlichkeit nach eine Versammlung von Auserwählten war, und sprach, nachdem er sich versichert hatte, dass ihn nicht nur Jedermann hörte, sondern auch mit Ungeduld hörte:
»Freunde, die Zeit ist kostbar; ich gehe also gerade auf das Ziel los. Ihr habt so eben, ich setze voraus, Ihr nahmt an der ersten Versammlung Anteil, Ihr habt so eben, sage ich, in den Berichten einiger Mitglieder der katholischen Ligue die Klagen von denjenigen des Bündnisses vernommen, welche der Kälte und sogar des bösen Willens einen von den Vornehmsten unter uns, den dem Throne am nächsten stehenden Prinzen, beschuldigen. Der Augenblick ist gekommen, um diesem Prinzen das zu geben, was wir ihm an Achtung und Gerechtigkeit schuldig sind; Ihr werdet ihn selbst hören und beurteilen, Ihr, denen es am Herzen liegt, den Hauptzweck der heiligen Ligue zu erfüllen, ob Eure Führer die Vorwürfe der Trägheit und Kälte verdienen, die ihnen so eben von einem der Brüder der heiligen Ligue, den wir in unser Geheimnis einzuweihen nicht für geeignet erachteten, von dem Mönche Gorenflot gemacht worden sind.«
Bei diesem Namen, welchen der Herzog von Guise mit einem Tone aussprach, der seine schlimmen Absichten gegen den kriegerischen Genovever enthüllte, konnte sich Chicot in seinem Beichtstuhle einer Heiterkeit nicht enthalten, die, wenn auch stumm, darum doch in Betracht der hohen Personen, welche den Gegenstand derselben bildeten, durchaus nicht am Platze war.
»Meine Brüder,« fuhr der Herzog fort, »der Prinz, dessen Mitwirkung man uns versprochen hatte, der Prinz, auf dessen einfache Beipflichtung, ich will gar nicht sagen Gegenwart, wir kaum zu hoffen wagten, der Prinz ist hier.«
Alle Blicke richteten sich neugierig auf den Mönch, der zur Rechten der drei lothringischen Fürsten auf der Stufe des Chorsitzes stand.
»Monseigneur,« sprach der Herzog von Guise, sich an denjenigen wendend, welcher für den Augenblick der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit war, »der Willen Gottes scheint mir offenkundig, denn da Ihr Euch entschlosst, uns beizutreten, so war das, was wir getan, wohl getan. Nun eine Bitte, Hoheit: schlagt Eure Kapuze zurück, damit die Getreuen mit ihren eigenen Augen sehen, dass Ihr das Versprechen haltet, welches wir ihnen in Eurem Namen geleistet haben, ein so schmeichelhaftes Versprechen, dass sie ihm keinen Glauben zu schenken wagten.«
Der Geheimnisvolle Mensch, den Heinrich von Guise so angeredet hatte, legte seine Hand an seine Kapuze, schlug sie auf seine Schultern zurück, und Chicot, der unter dieser Kutte irgend einen lothringen'schen Prinzen, von dem er noch nicht hätte sprechen hören, zu finden erwartete, sah zu seinem Erstaunen den Kopf des Herzogs von Anjou hervorkommen; dieser Kopf aber war bei dem Scheine der düsteren Lampe so bleich, dass er der einer Marmorstatue zu sein schien.
»Oho!« sagte Chicot, »unser Bruder von Anjou! er wird also nicht müde werden, mit den Köpfen von Andern um den Thron zu spielen.«
»Es lebe Monseigneur, der Herzog von Anjou,« riefen alle Anwesende.
Franz wurde noch bleicher als zuvor.
»Habt nicht bange, Monseigneur,« sprach Heinrich von Guise, »diese Kapelle ist taub und die Türen sind wohl verschlossen.«
»Glückliche Vorsicht,« sagte Chicot zu sich selbst.
»Meine Brüder,« sprach der Graf von Monsoreau,
»Seine Hoheit wünscht einige Worte an die Versammlung zu richten.«
»Ja, ja, er spreche,« riefen alle Stimmen, »wir hören.«
Die drei lothringischen Prinzen wandten sich gegen den Herzog von Anjou um und verbeugten sich vor ihm.
Der Herzog von Anjou stützte sich auf die Arme seines Chorstuhles; man hätte glauben sollen, er wäre dem Fallen nahe.
»Meine Herren,« sagte er mit einer so dumpfen, zitternden Stimme, dass man kaum die Worte, die er sprach, hören konnte, »meine Herren, ich lebe der Überzeugung, dass Gott, der oft unmerklich und ganz in der Stille bei den Dingen dieser Welt erscheint, im Gegenteil seine durchdringenden Augen beständig auf uns gerichtet hält und nur so stumm und sorglos, wie man glauben dürfte, bleibt, um eines Tages durch einen kräftigen, ausfallenden Schlag bei den Unordnungen, welche die tollen Bestrebungen menschlicher Geschöpfe veranlassen, in das Mittel zu treten.«
Der Anfang der Rede des Herzogs war, wie sein Charakter, ziemlich finster; es hoffte auch Jeder, es würde ein wenig Licht auf die Gedanken Seiner Hoheit fallen, damit man sie tadeln oder ihnen seinen Beifall schenken könnte.
Der Herzog fuhr mit einer etwas sichereren Stimmt fort:
»Ich habe auch meine Augen auf die Welt geworfen, und da ich nicht ihre ganze Oberfläche mit meinem schwachen Blicke umfassen konnte, so heftete ich sie auf Frankreich. Was sah ich dann in diesem ganzen Reiche? die heilige Religion Christi in ihren erhabenen Grundfesten erschüttert, die wahren Diener Gottes zerstreut und geächtet. Ich erforschte nun die Tiefen des Abgrundes, den seit zwanzig Jahren die Ketzereien geöffnet haben, welche unter dem Vorwande, sicherer Gott zu erreichen, den Glauben untergraben, und meine Seele war wie die des Propheten von Schmerzen überströmt.«
Ein Gemurmel des Beifalls durchlief die Versammlung. Der Herzog hatte seine Sympathie für die Leiden der Kirche geoffenbart, was beinahe eine Kriegserklärung gegen diejenigen war, welche die Kirche leiden machten.
»Mitten unter diesem tiefen Kummer,« fuhr der Prinz fort, »drang zu mir das Gerücht, dass mehrere edle Herren, fromme Freunde der Gebräuche unserer Vorfahren, den erschütterten Altar zu befestigen suchten. Ich schaute umher, und es kam mir vor, als wohnte ich bereits dem jüngsten Gerichte bei, und als hätte Gott in zwei Körper die Verworfenen und die Auserwählten getrennt. Auf einer Seite waren jene, und ich wich voll Abscheu zurück; auf der andern Seite waren die Auserwählten, und ich ging hin und warf mich in ihre Arme. Meine Brüder, hier bin ich.«
»Amen!« sagte ganz leise Chicot.
Doch dies war eine unnötige Vorsicht: Chicot hätte ganz laut antworten können, und seine Stimme wäre unter dem Beifallsgeschrei und den Bravo's, die sich bis zu den Gewölben der Kapelle erhoben, doch nicht gehört worden.
Die drei lothringischen Prinzen, welche das Zeichen zum Beifall gegeben hatten, ließen denselben wieder sich legen; dann machte der Kardinal, der am nächsten bei dem Herzog war, noch einen Schritt gegen ihn und sprach:
»Ihr seid freiwillig unter uns gekommen?«
»Vollkommen freiwillig, mein Herr.«
»Wer hat Euch von dem heiligen Geheimnis unterrichtet?«
»Mein Freund, ein für die Religion eifriger Mann, der Herr Graf von Monsoreau.«
»Nun, da Eure Hoheit zu den Unsrigen gehört,« sprach der Herzog von Guise, »wollt die Güte haben, Monseigneur, uns zu sagen, was Ihr für das Wohl der heiligen Ligue zu tun gedenkt?«
»Ich gedenke der katholischen, römisch apostolischen Religion in allen ihren Forderungen und Bedürfnissen zu dienen,« antwortete der Neophyt.
»Heilige Jungfrau! bei meiner Seele, das sind große Dummköpfe, dass sie sich verbergen, um solche Dinge zu sagen,« sprach Chicot zu sich selbst. »Warum schlagen sie das nicht ganz einfach Heinrich III., meinem erhabenen Herrn, vor? Alles dies wäre ihm ganz genehm … Prozessionen, Geißelungen, Ausrottungen der Ketzerei wie in Rom, Scheiterhaufen und Auto da fe, wie in Flandern und Spanien. Doch das ist das einzige Mittel, zu machen, dass dieser gute Fürst Kinder bekommt. Bei Gott! ich habe große Lust, aus meinem Beichtstuhle vorzutreten und mich ebenfalls zu zeigen, so sehr rührt mich dieser liebe Herzog von Anjou! Fahre fort, würdiger Bruder Seiner Majestät, edler Einfaltspinsel, fahre fort.«
Und der Herzog von Anjou, als wäre er für die Ermutigung empfänglich gewesen, fuhr in der Tat fort.
»Doch das Interesse der Religion,« sprach er, »ist nicht das einzige Ziel, das die Edelleute sich vorsetzen müssen. Ich meinerseits, ich habe noch ein anderes wahrgenommen.«
»Potztausend,« sagte Chicot, »ich bin auch ein Edelmann, das interessiert mich also wie die Andern; sprich Anjou, sprich!«
»Monseigneur, man hört Eure Hoheit mit der tiefsten Aufmerksamkeit,« sagte der Kardinal von Guise.
»Und unsere Herzen schlagen vor Hoffnung,« fügte Herr von Mayenne bei.
»Ich werde mich also erklären,« fuhr der Herzog von Anjou fort, indem er mit seinem Blicke die finsteren Tiefen der Kapelle durchforschte, als wollte er sich versichern, dass seine Worte nur in Ohren fielen, welche dieselben zu empfangen würdig wären.
Herr von Monsoreau begriff die Furcht des Prinzen und beruhigte ihn durch ein Lächeln und einen höchst bezeichnenden Blick.
»Wenn nun ein Edelmann an das gedacht hat, was er Gott schuldig ist,« sagte der Herzog unwillkürlich die Stimme dämpfend, »so denkt er an sein …«
»Bei Gott! an seinen König,« flüsterte Chicot, »das ist bekannt.«
»An sein Vaterland,« sprach der Herzog von Anjou, »und es fragt sich, ob sein Vaterland die ganze ihm gebührende Ehre und die ihm als seinen Anteil bestimmte Wohlfahrt genieße; denn ein guter Edelmann bezieht seine Vorteile zuerst von Gott und dann von dem Lande, dessen Kind er ist.«
Die Versammlung spendete diesen Worten den heftigsten Beifall.
»Nun, und der König?« sprach Chicot, »von dem armen Monarchen ist also nicht mehr die Rede, und ich, der ich glaubte, wie es auf der Pyramide von Juvisy geschrieben steht, man sage, immer: Gott, die Ehre und die Frauen.«
»Ich frage mich also fuhr der Herzog von Anjou, dessen hervorspringende Backenknochen sich allmählich mit einer fieberhaften Röthe überzogen, fort, »ich frage mich also, ob mein Land sich des Friedens und des Glückes erfreue, wie es dieses so süße und so schöne Vaterland, das man Frankreich nennt, verdient, und ich sehe mit Schmerz, dass dem nicht so ist.
»In der Tat, meine Brüder, der Staat findet sich zerrissen durch verschiedenartige Willens- und Geschmacksrichtungen, von denen die einen so mächtig sind, als die andern. Bei der Schwäche eines obersten Willens, der, vergessend, dass er Alles zum Wohl seiner Untertanen beherrschen muss, sich dieses königlichen Grundsatzes nur in launenhaften Zwischenräumen und stets auf eine so widersinnige Weise erinnert, dass seine energischen Akte nur statt haben, um das Schlimme zu tun, muss man allerdings dem unseligen Geschicke Frankreichs oder der Verblendung seines Oberhauptes dieses Unglück zuschreiben. Doch obgleich wir die wahre Quelle nicht kennen, oder sie nur vermuten, so ist das Unglück darum nicht minder wahr und wirklich vorhanden, und ich beschuldige desselben entweder die durch Frankreich gegen die Religion begangenen Verbrechen, oder die durch gewisse falsche Freunde des Königs mehr als durch den König selbst verübten Gottlosigkeiten. Daraus erfolgte, meine Herren, dass ich mich in dem einen oder in dem andern Falle als ein Diener des Altars und des Thrones mit denjenigen verbinden musste, welche durch alle Mittel die Vertilgung der Ketzerei und den Untergang treuloser Räte zu bewerkstelligen suchen. Das ist es, meine Herren, was ich für die Ligue tun will, indem ich mich mit Euch verbinde.«
»Oho!« murmelte Chicot mit ganz erstaunten Augen, »das Ende eines Ohres schaut hervor und es ist nicht, wie ich Anfangs geglaubt habe, ein Eselsohr, sondern ein Fuchsohr.«
Dieser Eingang des Herzogs von Anjou, welcher unseren durch drei Jahrhunderte von der Politik jener Zeit getrennten Lesern vielleicht etwas lang vorgekommen ist, hatte die Anwesenden dergestalt interessiert, dass sich die meisten derselben dem Prinzen näherten, um keine Sylbe von dieser Rede zu verlieren, welche der Prinz mit einer immer dunkleren Stimme sprach, je mehr der Sinn seiner Worte klar wurde.
Das Schauspiel war nun seltsam. Die Anwesenden, ungefähr fünf und zwanzig bis dreißig an der Zahl, ließen, die Kapuzen zurückgeschlagen, edle, kühne, aufgeweckte, von Neugierde funkelnde Gesichter erschauen, und gruppierten sich so unter dem Scheine der einzigen Lampe, welche die Szene beleuchtete.
Große Schatten verbreiteten sich in allen andern Teilen des Gebäudes, und diese schienen dem Drama, das auf einem Punkte vorging, gleichsam fremd zu sein.
Mitten in der Gruppe unterschied man das bleiche Gesicht des Herzogs von Anjou, dessen Stirnknochen seine tief liegenden Augen verbargen, während sein Mund, wenn er sich öffnete, der unheimliche Rachen eines Totenkopfes zu sein schien.
»Monseigneur,« sprach der Herzog von Guise, »indem ich Eurer Hoheit für die Worte, die Ihr gesprochen, danke, glaube ich Euch bemerken zu müssen, dass Ihr von Männern umgeben seid, welche nicht nur den Grundsätzen, zu denen Ihr Euch bekennt, sondern auch der Person Eurer Königlichen Hoheit selbst zugetan sind, eine Behauptung, von der Euch, solltet Ihr daran zweifeln, die Folge der Sitzung auf eine kräftigere Weise, als Monseigneur wohl denken mag, überzeugen dürfte.«
Der Herzog von Anjou verbeugte sich und warf während er sich wieder erhob einen unruhigen Blick auf die Versammlung.
»Oho!« murmelte Chicot, »wenn ich mich nicht täusche, so war Alles, was ich bis jetzt gesehen habe, nur ein Vorspiel, und es wird hier etwas Wichtigeres vorgehen, als alle die Fadheiten, welche bis daher gesagt und getan worden sind.«
»Monseigneur,« sprach der Kardinal, dem der Blick des Prinzen nicht entgangen war, »sollte Eure Hoheit zufällig irgend eine Furcht haben, so werden sie hoffentlich schon die Namen derjenigen, von welchen sie in diesem Augenblick umgeben ist, beruhigen. Hier sind der Herr Gouverneur d'Aunis, Herr d'Entragues der Jüngere, Herr von Ribeirac und Herr von Livarot, junge, ebenso brave, als loyale Edelleute, welche Eure Hoheit vielleicht kennt. Hier sind ferner der Herr Vitzthum von Castillon, der Herr Baron von Lusignan, die Herren Cruce und Leclerc, Alle durchdrungen von Eurer Weisheit, Monseigneur, und glücklich, unter Euren Auspicien auf die Befreiung der heiligen Religion und des Thrones auszuziehen. Wir werden also mit Dankbarkeit die Befehle empfangen, die Eure Königliche Hoheit uns zu geben die Gnade haben will.«
Der Herzog von Anjou konnte sich einer Bewegung des Stolzes nicht erwehren. Diese hochmütigen Guisen, die man nie zum Beugen gebracht hatte, sprachen von Gehorsam.
Der Herzog von Mayenne fügte bei:
»Ihr seid durch Eure Geburt, durch Eure Weisheit das natürliche Haupt der Union, Monseigneur, und wir müssen von Euch hören, welches Verfahren gegen die falschen Freunde des Königs, von denen so eben die Rede war, zu beobachten ist.«
»Nichts kann einfacher sein,« antwortete der Prinz mit jener fieberhaften Exaltation, welche bei schwachen Menschen die Stelle des Mutes einnimmt, »wenn schmarotzerische und giftige Pflanzen, ohne die man eine reiche Ernte beziehen würde, in einem Felde wachsen, so muss man diese gefährlichen Kräuter mit der Wurzel ausreißen. Der König ist nicht von Freunden, sondern von Höflingen umgeben, die ihn zu Grunde richten und einen beständigen Scandal in Frankreich und in der Christenheit erregen.«
»Das ist wahr,« sagte der Herzog von Guise mit einer düsteren Stimme.
»Und überdies,« fügte der Kardinal bei, »und überdies verhindern uns diese Höflinge, uns, die wahren Freunde des Königs, zu Seiner Majestät zu gelangen, wie es das Recht unserer Ämter und unserer Geburt ist.«
»Überlassen wir es,« sprach ungestüm der Herzog von Mayenne, »überlassen wir den gemeinen Liguisten, denen der ersten Ligue, die Sorge Gott zu dienen. Indem sie Gott dienen, werden sie denjenigen dienen, welche ihnen von Gott sprechen. Wir betreiben unsere Angelegenheiten. Menschen hindern, belästigen uns; sie trotzen uns, sie beleidigen uns, sie verfehlen sich beständig gegen die Achtung, welche sie dem Prinzen, den wir am meisten ehren, schuldig sind.«
Die Stirne des Herzogs von Anjou bedeckte sich mit Röte.
»Zerstören wir,« fuhr Mayenne fort, »zerstören wir bis auf den Letzten diese verfluchte Brut, die der König mit den Fetzen unseres Vermögens bereichert, und von denen Jeder von uns einen aus dem Leben zu streichen sich anheischig macht. Wir sind unserer dreißig, zählen wir sie.«
»Das heißt sehr weise gedacht,« sagte der Herzog von Anjou, »und Ihr habt bereits Eure Aufgabe vollbracht, Herr von Mayenne.«
»Was geschehen ist, zählt nicht,« erwiderte der Herzog.
»Ihr müsst uns jedoch gewähren lassen, Monseigneur,« sagte Entragues, »ich übernehme Quélus.«
»Und ich Maugiron,« sagte Livarot.
»Und ich Schomberg,« rief Ribeirac.
»Gut, gut,« wiederholte der Herzog, »und wir haben noch Bussy, meinen braven Bussy, der wohl auch Einige übernehmen wird.«
»Und wir? und wir?« riefen alle Liguisten.
Herr von Monsoreau schritt vor.
»Ah! ah!« sagte Chicot, der, als er sah, welche Wendung die Dinge nahmen, nicht mehr lachte. »Da kommt der Oberstjägermeister und fordert seinen Teil am Jägerrecht.«
Chicot täuschte sich.
»Meine Herren,« sprach Monsoreau, »ich verlange einen Augenblick Stillschweigen. Wir sind entschlossene Männer und fürchten uns, offenherzig mit einander zu reden. Wir sind verständige Männer und drehen uns um nichtige Bedenklichkeiten.
»Auf, meine Herren, ein wenig Mut, ein wenig Kühnheit, ein wenig Offenherzigkeit. Es handelt sich nicht um die Mignons von König Heinrich, und nicht um die Schwierigkeiten, die wir haben, wenn wir uns seiner Person nähern wollen.«
»Vorwärts!« sagte Chicot, die Augen in seinem Beichtstuhle weit aufsperrend und sich einen akustischen Trichter aus seiner linken Hand machend, um kein Wort von dem, was man sprach, zu verlieren. »Vorwärts! beeile Dich, ich warte.«
»Was uns Alle beschäftigt, Monseigneur,« fuhr der Graf fort, »ist die Unmöglichkeit, vor der wir festgehalten sind. Es ist das Königtum, das man uns gibt, und das für einen französischen Adel nicht annehmbar ist; es sind die Litaneien, der Despotismus, die Ohnmacht und die Orgien, die Verschwendung für Feste, welche ganz Europa vor Mitleid lachen machen, die Knauserei für Alles, was den Krieg und die Künste betrifft. Es ist nicht Unwissenheit, es ist nicht Schwäche; ein solches Benehmen, meine Herren, ist Wahnsinn.«
Eine Todesstille empfing die Worte des Oberstjägermeisters. Der Eindruck war um so tiefer, als Jeder sich selbst ganz leise sagte, was er laut gesagt hatte, so dass Jeder bebte, wie bei dem Echo seiner eigenen Stimme, und schauerte, dass er in allen Punkten der Ansicht des Redners war.
Herr von Monsoreau, der wohl fühlte, dass dieses Stillschweigen nur von einem Übermaß von Billigung herrührte, fuhr fort:
»Sollen wir unter einem närrischen, trägen und nichtstuerischen König in dem Augenblick leben, wo Spanien die Scheiterhaufen anzündet, in dem Augenblick, wo Deutschland die alten im Schatten der Klöster entschlummerten Heresiarchen aufweckt, wo England mit seiner unbeugsamen Politik die Ideen und die Köpfe abschneidet? Alle Nationen arbeiten glorreich an irgend Etwas. Wir, wir schlafen, meine Herren, verzeiht mir, dass ich dieß vor einem großen Fürsten sage, der vielleicht meine Vermessenheit tadeln wird, denn er hat das Familienvorurteil; meine Herren, seit vier Jahren werden wir nicht mehr von einem König, sondern von einem Mönche regiert.«
Geschickt vorbereitet und eben so geschickt seit einer Stunde durch die Umsicht der Führer zurückgehalten, fand der Ausbruch nun mit einer solchen Heftigkeit statt, dass Niemand in diesen Besessenen die kalten und ruhigen Berechner der vorhergehenden Szene wiedererkannt hätte.