Kitabı oku: «Die Dame von Monsoreau», sayfa 18
»Nieder mit Valois!« rief man, »nieder mit Bruder Heinrich! Geben wir uns zum Oberhaupte einen adeligen Fürsten, einen ritterlichen König, einen Tyrannen, wenn es sein muss, doch nicht einen Kuttenknecht.«
»Meine Herren! meine Herren!« rief heuchlerisch der Herzog von Anjou, »Verzeihung, ich beschwöre Euch, für meinen Bruder, der sich täuscht oder vielmehr getäuscht wird. Lasst mich hoffen, meine Herren, dass unsere weisen Vorstellungen, dass die wirksame Vermittlung der Macht der Ligue ihn auf den guten Weg zurückführen werden.«
»Zische, Schlange, zische!« sagte Chicot.
»Monseigneur,« sprach der Herzog von Guise, »Eure Hoheit hat, vielleicht etwas früh, den aufrichtigen Ausdruck der Gesinnung des Bundes vernommen. Nein, es handelt sich hier nicht mehr um eine Ligue gegen den Bearner, eine Vogelscheuche für Schwachköpfe; es handelt sich nicht mehr um eine Ligue, um die Kirche aufrecht zu halten, die sich wohl selbst halten wird; es handelt sich darum, meine Herren, den Adel Frankreichs aus der verächtlichen Lage zu ziehen, in der er sich befindet. Zu lange waren wir durch die Achtung zurückgehalten, welche Eure Hoheit uns einflößt; zu lange waren wir durch diese uns wohlbekannte Liebe für ihre Familie mit Gewalt in die Grenzen der Verstellung eingeschlossen. Nun ist Euch Alles enthüllt, Monseigneur, und Eure Hoheit wird sogleich der wahren Sitzung der Ligue beiwohnen, denn Alles, was bis jetzt geschehen ist, war nur der Eingang.«
»Was wollt Ihr damit sagen, Herr Herzog?« fragte der Prinz, zitternd zugleich vor Unruhe und Ehrgeiz.
»Monseigneur,« fuhr der Herzog fort, »wir sind versammelt, wie der Herr Oberstjägermeister so richtig bemerkt hat, nicht um Fragen zu wiederholen und wieder zu besprechen, welche in der Theorie bereits abgenutzt sind, sondern um wirksam zu handeln. Wir wählen uns heute einen Führer, der im Stande ist, den Adel von Frankreich zu ehren und zu bereichern; und wie es bei den alten Franken, wenn sie sich einen Führer wählten, Sitte war, ihm ein seiner würdiges Geschenk zu geben, so bieten mir als Geschenk dem Führer, den wir uns gewählt haben …«
Alle Herzen schlugen, doch keines so stark, als das des Herzogs.
Er blieb indessen stumm und unbeweglich, und nur seine Blässe verriet seine Aufregung.
»Meine Herren,« fuhr der Herzog fort, indem er von dem hinter ihm stehenden Stuhle einen ziemlich schweren Gegenstand nahm, den er zwischen seinen Händen in die Höhe hob, »meine Herren, dies ist das Geschenk, das ich in Eurer Aller Namen zu den Füßen des Prinzen niederlege.«
»Eine Krone!« rief der Herzog, nur mit Mühe sich haltend, »mir eine Krone, meine Herren?«
»Es lebe Franz III.!« rief mit einer Stimme, die das Gewölbe erbeben machte, die gedrängte Masse der Edelleute, welche ihre Schwerter gezogen hatten.
»Mir, mir?« stammelte der Herzog, zugleich vor Freude und vor Ehrgeiz zitternd, »mir? Das ist unmöglich! Mein Bruder lebt noch, mein Bruder ist der Gesalbte des Herrn.«
»Wir setzen ihn einstweilen ab,« sprach der Herzog, »bis Gott durch seinen Tod unsere Wahl sanktioniert, oder vielmehr bis einer seiner Untertanen, müde dieser ruhmlosen Regierung, durch Gift oder durch den Dolch der Gerechtigkeit Gottes zuvorkommt.«
»Meine Herren,« erwiderte mit schwachem Tone der Prinz, »meine Herren!«
»Monseigneur,« sprach der Kardinal, »auf das so eben von Eurer Hoheit ausgedrückte so edle Bedenken ist Folgendes unsere Antwort: Heinrich war der Gesalbte des Herrn, aber wir haben ihn abgesetzt; er ist nicht mehr der Auserwählte Gottes, und Ihr seid es nunmehr, Monseigneur. Hier ist ein Tempel, eben so ehrwürdig, als der von Rheims, denn hier haben die Überreste der heiligen Genoveva, der Patronin von Paris, geruht; hier ist der Leib von Chlodwig, dem ersten christliche König, begraben worden; Monseigneur, in diesem heiligen Tempel, im Angesicht der Bildsäule des wahren Gründers der französischen Monarchie, sage ich Euch, ich, einer der Fürsten der Kirche, der ich ohne wahnsinnigen Ehrgeiz und Stolz einst ihr Oberhaupt zu werden hoffen darf, Monseigneur, hier ist, um das heilige Chrisam zu ersetzen, ein von dem Papste Gregor XIII. überschicktes Öl. Monseigneur, ernennt Euren zukünftigen Erzbischof von Rheims, ernennt Euren Connetable, und in einem Augenblick werdet Ihr zum König geweiht sein, und Euer Bruder Heinrich wird, wenn er Euch nicht den Thron abtritt, als Usurpator betrachtet. Kind! zünde die Kerzen des Altars an.«
Auf der Stelle kam der Knabe, der nur auf diesen Befehl zu warten schien, mit einem Anzünder in der Hand aus der Sakristei hervor, und in einem Augenblick funkelten fünfzig Kerzen, sowohl auf den, Altar, als im Chor.
Man sah nun auf dem Altar eine von Edelsteinen glänzende Mitra und ein breites mit Lilien verziertes Schwert. Es war die erzbischöfliche Mitra; es war das Schwert des Connetable.
In derselben Minute, inmitten der Finsternis, welche die Beleuchtung des Chors nicht hatte zerstreuen können, erwachte die Orgel und ließ das: Veni Creator ertönen.
Diese von den drei lothringischen Prinzen vorbereitete Entwicklung, welche der Herzog selbst nicht vorhergesehen hatte, brachte einen tiefen Eindruck auf die Anwesenden hervor. Die mutigen begeisterten sich und sogar die Schwachen fühlten sich stark.
Der Herzog von Anjou erhob das Haupt und ging mit einem sichereren Schritte und mit einem festeren Arme, als man hätte erwarten sollen, auf den Altar zu, nahm mit der linken Hand die Mitra und mit der rechten das Schwert, kehrte zu dem Herzog und zu dem Kardinal, welche zum Voraus auf diese doppelte Ehre hofften, zurück, setzte die Mitra auf das Haupt des Kardinals und gürtete dem Herzog das Schwert um.
Einstimmiger Beifall begrüßte diese entscheidende Handlung, welche man um so weniger erwartet hatte, als man den unentschlossenen Charakter des Prinzen kannte.
»Meine Herren,« sprach der Herzog zu den Umstehenden, »gebt Eure Namen dem Herrn Herzog von Mayenne, Großmeister von Frankreich, an; an dem Tage, wo ich König bin, sollt Ihr alle Ritter des Ordens werden.«
Der Beifall verdoppelte sich, und die Anwesenden gaben einer nach dem andern Herrn von Mayenne ihre Namen an.
»Mordieu!« sagte Chicot, »das ist eine schöne Gelegenheit, das blaue Band zu bekommen. Ich werde nie eine ähnliche finden, und muss diese jetzt unbenutzt vorübergehen lassen!«
»Nun zum Altar, Sire,« sprach der Kardinal von Guise.
»Herr von Monsoreau, mein Oberst-Kapitän,« sagte der Herzog von Anjou, »meine Herren von Ribeirac und d'Entragues, meine Kapitäne, von Livarot, mein Lieutenant der Garden, nehmt im Chor die Plätze ein, zu denen Euch der Rang, den ich Euch anvertraue, berechtigt.«
Jeder von den Genannten nahm den Posten, den ihm bei einer wahren Salbungsceremonie die Etiquette angewiesen hätte.
»Meine Herren,« fügte der Herzog sich an den Rest der Versammlung wendend bei, »Ihr werdet Alle eine Bitte an mich richten, und ich werde bemüht sein, keinen einzigen Unzufriedenen zu machen.«
Mittlerweile war der Kardinal hinter das Tabernakel gegangen und hatte die priesterlichen Gewänder angelegt. Bald erschien er wieder mit der heiligen Ölflasche, die er auf den Altar niedersetzte.
Dann machte er dem Chorknaben ein Zeichen, und dieser brachte ihm das Evangelienbuch und das Kreuz. Der Kardinal nahm das eine und das andere, legte das Kreuz auf das Evangelienbuch, und streckte Beides gegen den Herzog von Anjou aus, der die Hand darauf drückte.
»In Gegenwart Gottes,« sprach der Herzog, »gelobe ich meinem Volke, unsere heilige Religion aufrecht zu halten und zu ehren, wie es sich dem Allerchristlichsten König und ältesten Sohne der Kirche geziemt. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium!«
»Amen!« antworteten einstimmig alle Anwesende.
»Amen!« wiederholte eine Art von Echo, das aus den Tiefen der Kirche zu kommen schien.
Der Herzog von Guise, der, wie gesagt die Funktionen des Connetable verrichtete, stieg die drei Stufen des Altars hinauf und legte vor dem Tabernakel sein Schwert nieder, das der Kardinal segnete.
Der Kardinal zog es nun aus der Scheide, nahm es bei der Klinge und reichte es dem König, der es beim Griffe fasste.
»Sire,« sprach er, »nehmt dieses Schwert, das Euch mit dem Segen des Herrn gegeben ist, damit Ihr durch dasselbe und durch die Kraft des heiligen Geistes allen Euren Feinden zu widerstehen, die heilige Kirche und das Euch anvertraute Reich zu beschützen und zu verteidigen vermöget. Nehmt dieses Schwert, damit Ihr mit seiner Hilfe Gerechtigkeit übt, Witwen und Waisen beschirmt, Unordnungen schlichtet, damit Ihr, Euch durch alle Eure Tugenden mit Ruhm bedeckend, mit demjenigen zu regieren verdient, dessen Ebenbild auf Erden Ihr seid, und der regiert mit dem Vater und dem heiligen Geiste durch alle Jahrhunderte.«
Der Herzog senkte das Schwert so, dass die Spitze den Boden berührte, und gab es, nachdem er es Gott dargeboten, dem Herzog von Guise zurück.
Der Chorknabe brachte ein Kissen, legte es vor den Herzog von Anjou nieder, und dieser kniete darauf.
Dann öffnete der Kardinal das kleine Kästchen von Vermeil und zog mit der Spitze einer goldenen Nadel einen kleinen Teil von dem heiligen Öle heraus, das er auf dem Kelchdeckel ausbreitete.
Den Kelchdeckel in der linken Hand, sprach er zwei Gebete über den Herzog.
Dann nahm er das heilige Chrisam mit dem Daumen, zog ein Kreuz oben auf dem Haupt des Herzogs und sprach:
»Ungo te in regem de oleo sanctificato, in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.«
Beinahe in demselben Augenblick trocknete der Chorknabe die Salbung mit einem goldgestickten Sacktuch ab.
Dann nahm der Kardinal die Krone mit beiden Händen und senkte sie auf das Haupt des Prinzen nieder, doch ohne sie ihm aufzusetzen.
Sogleich näherten sich der Herzog von Guise und der Herzog von Mayenne und hielten die Krone von beiden Seiten.
Und der Kardinal, der sie nun auch mit der linken Hand hielt, sprach, den Prinzen mit der rechten segnend:
»Gott krönt Dich mit der Krone des Ruhmes und der Gerechtigkeit.«
Dann sie dem Prinzen auf das Haupt setzend:
»Empfange diese Krone im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.«
Bleich und zitternd, fühlte der Herzog von Anjou, wie sich die Krone auf sein Haupt drückte, und griff instinktartig darnach.
Dann erscholl das Glöckchen des Chorknaben, und es beugten sich die Stirnen aller Anwesenden.
Bald aber erhoben sich diese wieder, schwangen die Schwerter und riefen, »Es lebe Franz III.«
»Sire,« sprach der Kardinal zu dem Herzog von Anjou, »Ihr regiert von heute an über Frankreich, denn Ihr seid von Papst Gregor XIII., dessen Stellvertreter ich bin, geheiligt.«
»Gottes Donner! welch ein Unglück, dass ich keinen Kropf habe!« murmelte Chicot.
»Meine Herren,« sprach der Herzog, sich stolz und majestätisch erhebend, »ich werde nie die Namen der dreißig Edelleute vergessen, die mich zuerst für würdig gehalten haben, über sie zu regieren. Und nun lebt wohl, meine Herren, Gott bleibe Euer Schutz und Schirm!«
Der Kardinal verbeugte sich und ebenso der Herzog von Guise; Chicot aber, der sie von der Seite sah, bemerkte, dass die zwei lothringischen Prinzen, während der Herzog von Mayenne den neuen König zurückführte, ein ironisches Lächeln austauschten.
»Oho!« sagte der Gascogner, »was bedeutet dies und wozu dient das Spiel, wenn Jedermann betrügt?«
Während dieser Zeit hatte der Herzog die Treppe der Gruft wieder erreicht, und bald verschwand er in der Finsternis der unterirdischen Kirche, wohin ihm einer nach dem anderen alle Anwesende folgten, die drei lothringischen Prinzen ausgenommen, welche in die Sakristei zurückkehrten, während der Bruder Pförtner die Kerzen des Altars auslöschte.
Der Chorknabe schloss die Gruft hinter ihnen, und die Kirche war von jener Lampe erleuchtet, welche, allein unauslöschlich, ein unbekanntes Symbol, nur zu den Auserwählten einer geheimnisvollen Einweihung zu sprechen schien.
Drittes Kapitel
Wie Chicot, während er einen Kurs in der Geschichte zu machen glaubte, einen Kurs in der Genealogie machte
Chicot stand in seinem Beichtstuhle auf, um seinen steif gewordenen Beinen wieder Geschmeidigkeit zu verleihen. Er hatte alle Ursache, zu glauben, diese Sitzung wäre die letzte, und da es beinahe zwei Uhr Morgens war, so beeilte er sich, seine Anordnungen für den Rest der Nacht zu treffen. Doch zu seinem größten Erstaunen kamen die drei lothringischen Prinzen, als sie den Schlüssel der Gruft zweimal hatten knirschen hören, abermals aus der Sakristei hervor; nur hatten sie diesmal die Kutte abgelegt und wieder ihre gewöhnlichen Kleider genommen.
Zu gleicher Zeit, als der Chorknabe sie erscheinen sah, brach er in ein so lustiges und treuherziges Gelächter aus, dass Chicot, dadurch angesteckt, ebenfalls zu lachen anfing, ohne zu wissen, warum.
Der Herzog von Mayenne näherte sich rasch der Treppe und sagte:
»Lacht nicht so geräuschvoll, meine Schwester, sie sind kaum weggegangen und könnten Euch hören.«
»Seine Schwester,« sprach Chicot, von einem Erstaunen zum andern übergehend, zu sich selbst, »sollte zufällig dieses Mönchlein eine Frau sein?«
Der Novize warf wirklich seine Kapuze zurück und entblößte den geistreichsten und reizendsten Frauenkopf den je Leonardo da Vinci, der doch die Joconde9 gemalt, auf die Leinwand übertragen hatte.
Es waren schwarze, von Bosheit funkelnde Augen, welche jedoch, wenn sie ihre Pupillen erweiterten und ihren ebenholzfarbigen Kreis ausdehnten, einen durch ihren Ernst beinahe furchtbaren Ausdruck annahmen. Es war ein kleiner, frischroter, zarter Mund, eine mit strenger Korrektheit gezeichnete Nase, es war ein gerundetes Kinn, welches das vollkommene Oval eines etwas bleichen Gesichts schloss, worauf eine trefflich geformte, rabenschwarze, doppelte Augenbraue hervortrat.
Kurz es war die Schwester der Herren von Guise, Frau von Montpensier, eine gefährliche Sirene, welche geschickt unter dem dicken Rocke des kleinen Mönches die so sehr getadelte Unvollkommenheit einer etwas hohen Schulter und die unzierliche Krümmung ihres rechten Beines verbarg, das sie leicht hinken machte.
In Folge dieser Unvollkommenheit hatte sich die Seele eines Dämons in diesen Körper, dem Gott den Kopf eines Engels gegeben, einquartiert.
Chicot erkannte sie, denn er hatte sie wohl zwanzigmal der Königin Louise von Vaudemont, ihrer Base, den Hof machen sehen, und es wurde ihm ein großes Geheimniß durch ihre Gegenwart und die ihrer drei Brüder enthüllt, welche so beharrlich am Platze blieben, nachdem alle Welt weggegangen war.
»Ah! mein Bruder Kardinal,« sagte die Herzogin in krampfhafter Heiterkeit, »welch einen heiligen Mann spielt Ihr, und wie sprecht Ihr so gut von Gott! Einen Augenblick machtet Ihr mir bange, denn ich glaubte, Ihr nähmt die Sache im Ernste; … und er, der sich salben und krönen ließ! Oh! was für ein abscheuliches Gesicht hatte er unter der Krone!«
»Gleichviel,« erwiderte der Herzog, »wir haben, was wir haben wollten, und Franz kann sich nun nicht mehr lossagen; der Monsoreau, der ohne Zweifel dabei irgend ein dunkles Interesse hatte, trieb die Sache so weit, dass wir nun sicher sind, dass er uns nicht verlassen wird, wie er es La Mole und Coconnas mitten auf dem Wege zum Schafott getan hat.«
»Oho!« sagte Mayenne, »das ist ein Weg, den man nicht so leicht Prinzen von unserem Geschlechte nehmen lässt, und es wird immer näher vom Louvre nach der Sainte-Geneviève-Abtei, als vom Rathause auf den Grève-Platz sein.«
Chicot begriff, dass man mit dem Herzog von Anjou ein Spiel getrieben hatte, und da er den Prinzen hasste, so hätte er gern für diese Mystifikation die Guisen umarmt, Mayenne ausgenommen, für den er sodann bei Frau von Montpensier ein Doppeltes getan haben würde.
»Kommen wir wieder auf unsere Angelegenheiten, meine Herren,« sagte der Kardinal. »Nicht wahr, es ist Alles gut geschlossen?«
»Oh! ich flehe Euch dafür,« versetzte die Herzogin, »übrigens kann ich nachsehen.«
»Nein,« entgegnete der Herzog, »Ihr müsst müde sein, mein lieber, kleiner Chorknabe.«
»Meiner Treue, ich bin es nicht, denn es war zu belustigend.«
»Mayenne, Ihr sagt, er sei hier?« fragte der Herzog.
»Ja.«
»Ich habe ihn nicht bemerkt.«
»Ich glaube es wohl, er ist verborgen.«
»Wo dies?«
»In einem Beichtstuhle.«
Diese Worte erschollen in den Ohren von Chicot wie die hundert tausend Trompeten der Apokalypse.
»Wer ist denn in dem Beichtstuhle verborgen?« fragte er sich, zitternd in seinem engen Gehäuse, »bei Gott, ich sehe Niemand.«
»Dann hat er Alles gesehen und Alles gehört.«
»Gleichviel; ist er nicht uns?«
»Bringt ihn mir, Mayenne,« sagte der Herzog.
Mayenne stieg eine von den Treppen des Chors hinab und schien sich zuerst der Örtlichkeit versichern zu wollen, dann wandte er sich in gerader Linie nach dem von dem Gascogner bewohnten Beichtstuhle.
Chicot war mutig; doch diesmal klapperten seine Zähne vor Angst und ein kalter Schweiß fing an von seiner Stirne auf seine Hände zu träufeln.
»Ah!« sagte er zu sich selbst, während er seinen Degen von den Falten seiner Kutte loszumachen suchte, »ich will nicht wie ein feiger Schuft in diesem Kasten sterben. Gehen wir der Gefahr entgegen! Und da die Gelegenheit sich bietet, töten wir wenigstens ihn, ehe wir sterben.«
Um dieses mutige Vorhaben in Ausführung zu bringen, streckte Chicot, der endlich den Griff seines Degens gefunden hatte, bereits die Hand nach der Türklinke aus, als die Stimme der Herzogin erscholl.
»Nicht in diesem, Mayenne,« rief sie, »nicht in diesem, im andern, links, ganz hinten.«
»Ah! sehr gut,« sprach der Herzog, der dem Beichtstuhle von Chicot so nahe war, dass er ihn bereits mit dem Finger berühren konnte, und nun auf den Zuruf seiner Schwester sich rasch nach dem entgegengesetzten Beichtstuhle umwandte.
»Uff!« sagte der Gascogner, einen Seufzer ausstoßend, um den ihn Gorenflot beneidet hätte, »es war Zeit; doch wer Teufels ist in dem andern?«
»Kommt heraus, Meister Nicolas David,« sprach Mayenne, »wir sind allein.«
»Hier bin ich, Monseigneur,« antwortete ein Mann, aus dem Beichtstuhle hervortretend.
»Gut,« murmelte der Gascogner, »du fehltest noch zum Feste, Meister Nicolas; ich suchte dich überall, und nun endlich in dem Augenblick, wo ich dich nicht mehr suchte, finde ich dich.«
»Nicht wahr, Ihr habt Alles gesehen und Alles gehört?« sprach der Herzog von Guise.
»Ich habe kein Wort von dem, was geschehen ist, verloren, und werde, seid unbesorgt, Monseigneur, nicht den geringsten Umstand vergessen.«
»Ihr könnt also Alles dem Abgesandten Seiner Heiligkeit Gregor XIII. berichten?« fragte der Balafré10.
»Alles, ohne irgend etwas wegzulassen.«
»Nun sagt mir mein Bruder Mayenne, Ihr habet Wunder für uns getan. Lasst hören, was habt Ihr getan?«
Der Kardinal und die Herzogin näherten sich neugierig; die drei Prinzen und ihre Schwester bildeten nun eine einzige Gruppe.
Durch die Lampe in voller Beleuchtung, stand Nicolas David etwa drei Fuß von ihnen.
»Ich habe getan, was ich versprochen, Monseigneur,« antwortete Nicolas David, »ich habe nämlich das Mittel gefunden, Euch ohne Widerspruch den Thron von Frankreich einnehmen zu lassen.«
»Er auch!« murmelte Chicot. »Ah! es will also die ganze Welt König von Frankreich werden. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«
Man sieht, dass die Heiterkeit in dem Geiste des braven Chicot wiedererstanden war. Diese Heiterkeit entsprang drei Umständen.
Einmal entging er auf eine unerwartete Weise einer drohenden Gefahr; sodann entdeckte er eine gute Verschwörung, und in dieser guten Verschwörung fand er das Mittel, seine zwei großen Feinde, den Herzog von Mayenne und den Advokaten Nicolas David, zu Grunde zu richten.
»Lieber Gorenflot,« murmelte er, als sich alle diese Gedanken ein wenig in seinem Kopfe geordnet hatten, »welch ein Abendbrot werde ich Dir morgen für die Vermietung Deiner Kutte bezahlen!«
»Ist die Usurpation zu unleugbar, so wollen wir uns dieses Mittels enthalten,« sprach Heinrich von Guise. »Ich will nicht alle Könige der Christenheit, welche von göttlichem Rechte ausgehen, auf dem Rücken haben.«
»Ich habe an dieses Bedenken von Monseigneur gedacht,« sagte der Advokat, sich vor dem Herzoge verbeugend und mit sicherem Auge das Triumvirat anschauend. »Ich bin nicht allein geschickt in der Fechtkunst, Monseigneur, wie meine Feinde gern ausgebreitet hätten, um mir Euer Vertrauen zu entziehen; in Studien der Theologie und der Gesetzeskunde aufgezogen, habe ich, wie es ein guter Casuist und gelehrter Jurist tun muss, die Annalen und Dekrete befragt, welche meiner Behauptung in Betreff unsrer Gebräuche und Gewohnheiten bei der Thronfolge Gewicht verleihen. Die Legitimität gewinnen, heißt Alles gewinnen, und ich habe etndeckt, meine Herren, dass Ihr die gesetzlichen Erben seid, und dass die Valois nur ein schmarotzerischer und usurpatorischer Zweig sind.«
Das Vertrauen, mit dem Nicolas David diese kleine Rede sprach, veranlasste eine lebhafte Freude bei Frau von Montpensier, eine große Neugierde bei dem Kardinal und dem Herzog von Mayenne, und entrunzelte beinahe die ernste Stirne des Herzogs von Guise.
»Das allerdings sehr erhabene Haus Lothringen vermag übrigens nur schwer einen Vorrang vor den Valois zu behaupten,« sagte der Herzog von Guise.
»Es ist dies jedoch bewiesen,« erwiderte Meister Nicolas, indem er seine Kutte aufhob, um aus seinen weiten Hosen ein Pergament hervorzuziehen, und durch die Bewegung den Griff eines langen Degens entblößte.
Der Herzog nahm das Pergament aus den Händen von David und fragte diesen:
»Was ist dies?«
»Der Stammbaum des Hauses Lothringen.«
»Und der Stamm selbst ist?«
»Karl der Große, Monseigneur.«
»Karl der Große!« riefen die drei Brüder mit einer ungläubigen Miene, die jedoch nicht ganz von einer gewissen Befriedigung frei war, »das ist unmöglich. Der erste Herzog von Lothringen war ein Zeitgenosse von Karl dem Großen, doch er hieß Reginar und war keines Wegs ein Verwandter des großen Kaisers.«
»Wartet doch, Monseigneur,« versetzte Nicolas, »Ihr begreift, dass ich durchaus nicht eine von jenen Fragen hervorgesucht habe, welche man durch eine einfache Verneinung abschneidet und die der erste Wappenkönig zunichte macht. Was Ihr braucht, ist ein guter Prozess, der lange dauert, der das Volk und das Parlament beschäftigt, und während dessen Dauer Ihr nicht das Volk, das Euch zugetan ist, sondern das Parlament verführen könnt. Seht doch, Monseigneur, es ist so: Reginar, der erste Herzog von Lothringen, ein Zeitgenosse von Karl dem Großen.
»Giselbert, sein Sohn, ein Zeitgenosse von Ludwig dem Frommen.
»Heinrich, der Sohn von Giselbert, ein Zeitgenosse von Karl dem Kahlen.«
»Aber,« sagte der Herzog von Guise.
»Ein wenig Geduld, Monseigneur, wir sind bald dabei. Bona? ….«
»Ja,« sagte der Herzog, »die Tochter von Rikuinus, dem zweiten Sohne von Reginar.«
»Gut,« versetzte der Advokat, »an wen verheiratet?«
»Bona? …«
»Ja.«
»An Karl von Lothringen, Sohn von Ludwig IV, König von Frankreich.«
»An Karl von Lothringen, Sohn von Ludwig IV., König von Frankreich,« wiederholte David. »Fügt nun bei: der Krone Frankreichs beraubt durch den Usurpator Hugo Capet auf Ludwig V.«
»Oh! oh!« machten gleichzeitig der Herzog von Mayenne und der Kardinal.
»Fahrt fort,« sprach der Balafré, »es liegt ein Schein hierin.«
»Karl von Lothringen beerbte seinen Bruder Lothar bei der Erlöschung seines Geschlechts. Das Geschlecht von Lothar ist aber erloschen, und Ihr, meine Herren, seid die einzigen Erben der Krone Frankreichs.«
»Mord und Tod!« sagte Chicot, »das Tier ist noch giftiger, als ich dachte.«
»Was sagt Ihr hierzu, mein Bruder?« fragten gleichzeitig der Kardinal und der Herzog von Mayenne.
»Ich sage,« antwortete der Balafré, »dass es leider in Frankreich ein Gesetz gibt, welches man das salische nennt und das alle unsere Ansprüche zu nichte macht.«
»Hierbei erwartete ich Euch, Monseigneur,« rief David mit der Anmaßung der befriedigten Eitelkeit, »was ist das erste Beispiel des salischen Gesetzes?«
»Die Thronbesteigung von Philipp von Valois zum Nachtheil von Eduard von England.«
»Um welche Zeit fand diese Thronbesteigung statt?« Der Balafré suchte in seinen Erinnerungen.
»1328,« sagte ohne zu zögern der Kardinal von Guise.
»Das heißt, 341 Jahre nach der Usurpation von Hugo Capet, 240 Jahre nach Erlöschung des Geschlechts von Lothar. Eure Vorfahren hatten seit 240 Jahren Rechte auf die Krone, als das salische Gesetz erfunden wurde. Jedermann aber weiß, dass das Gesetz keine rückwirkende Kraft hat.«
»Ihr seid ein geschickter Mann, Meister Nicolas David,« sprach der Balafré, den Advokaten mit einem Staunen anschauend, in das sich etwas Verachtung mischte.
»Das ist sehr geistreich,« bemerkte der Kardinal.
»Das ist sehr schön,« sagte Mayenne.
»Das ist sehr bewunderungswürdig,« sprach die Herzogin, »ich bin nun königliche Prinzessin und will nur einen Kaiser von Deutschland zum Gemahl haben.«
»Mein Gott und Herr,« sagte Chicot, »Du weißt, dass ich stets nur eine Bitte an Dich gerichtet habe: Nec nos inducas in tentationem et libera nos ab avocatibus.«
Der Herzog von Guise allein war nachdenkend bei der allgemeinen Begeisterung geblieben.
»Und solche Ränke sollen für einen Mann von meiner Gestalt notwendig sein!« murmelte er. »Und wenn man bedenkt, dass die Völker Pergamente wie dieses anschauen, statt den Adel des Mannes in den Blitzen seiner Augen oder seines Schwertes zu lesen! …«
»Ihr habt Recht, Heinrich, zehnmal Recht. Und wenn man sich begnügte, in das Gesicht zu sehen, so wäret Ihr König unter den Königen, denn die andern Fürsten erscheinen als Pöbel gegen Euch. Doch um den Thron zu besteigen, ist das Wesentliche, wie Meister Nicolas David bemerkte, ein guter Prozeß, und wenn wir hierzu gelangt sind, so wird, wie Ihr selbst gesagt habt, das Wappen unseres Hauses nicht zu sehr die anderen über den Thronen Europas aufgehängten Wappen verunstalten.«
»Dann ist diese Genealogie gut,« sprach seufzend Heinrich von Guise »und hier sind die zweihundert Goldthaler, welche mein Bruder Mayenne für Euch verlangt hat, Meister Nicolas David.«
»Und hier sind noch zweihundert weitere,« sprach der Kardinal zu dem Advokaten, dessen Augen voll Wohlbehagen funkelten, während er das Geld in seine weiten Beinkleider steckte, »ich gebe sie Euch für die neue Sendung, mit der wir Euch beauftragen werden.«
»Sprecht, Monseigncur, ich bin ganz zu Befehlen Eurer Eminenz.«
»Wir können Euch nicht beauftragen, selbst nach Rom an unsern heiligen Vater Gregor XIII. diese Genealogie zu überbringen, der er notwendig seine Billigung geben muss. Ihr seid ein zu kleiner Kamerad, um Euch die Türe des Vatikans öffnen zu lassen.«
»Ach!« sagte Nicolas David, »ich habe allerdings viel Herz, bin jedoch von armer Geburt. Ah! wenn ich nur ein einfacher Edelmann wäre!«
»Willst du wohl schweigen, Landstreicher?« murmelte Chicot.
»Doch Ihr seid es nicht,« fuhr der Kardinal fort, »und das ist ein Unglück. Wir sind also genötigt, mit dieser Sendung Peter von Gondy zu beauftragen.«
»Erlaubt, mein Bruder,« sprach die Herzogin, welche wieder ernst geworden war, »die Gondy sind allerdings Leute von Geist, doch wir haben keine Gewalt über sie. Ihr Ehrgeiz allein bürgt uns für dieselben, und sie können eben so gut für diesen Ehrgeiz Befriedigung bei König Heinrich, als bei dem Hause Guise finden.«
«Meine Schwester hat Recht,« sagte der Herzog von Mayenne mit seiner gewöhnlichen Rohheit, »und wir können uns nicht Peter von Gondy anvertrauen, wie wir uns Nicolas David anvertrauen, der uns gehört und den wir hängen lassen, wann es uns beliebt.«
Diese Naivität des Herzogs, dem Advokaten unmittelbar in das Gesicht geschleudert, brachte eine seltsame Wirkung auf den unglücklichen Gesetzkundigen hervor; er schlug ein krampfhaftes Gelächter auf, das den größten Schrecken andeutete.
»Mein Bruder Karl scherzt,« sagte Heinrich von Guise zu dem erbleichenden Advokaten, »man weiß, dass Ihr unser Getreuer seid, denn Ihr habt es uns in vielen Angelegenheiten bewiesen.«
»Besonders in der meinigen,« dachte Chicot, seinem Feinde, oder vielmehr seinen beiden Feinden die Faust weisend.
»Beruhigt Euch, Karl; beruhigt Euch, Catharine; alle meine Vorsichtsmaßregeln sind bereits getroffen: Peter von Gondy wird diese Genealogie nach Rom bringen, jedoch vermischt mit andern Papieren und ohne zu wissen, was er bei sich trägt. Der Papst wird billigen oder missbilligen, ohne dass Gondy diese Billigung oder Missbilligung kennt. Gondy wird endlich, stets ohne zu wissen, was er überbringt, mit dieser gebilligten oder gemissbilligten Genealogie nach Frankreich zurückkehren. Ihr, Nicolas David, reist beinahe zu derselben Zeit, wie er, ab und erwartet ihn in Châlons, in Lyon, oder in Avignon, je nachdem Ihr von uns Weisung bekommt, in der einen oder in der andern von diesen drei Städten anzuhalten. Ihr allein also werdet das wahre Geheimnis dieses Unternehmens in Händen haben. Ihr erseht hieraus, dass Ihr immer der Mann unseres Vertrauens seid.«
David verbeugte sich.
»Du weißt, unter welcher Bedingung,« murmelte Chicot, »unter der Bedingung, gehenkt zu werden, wenn du einen Querschritt machst. Doch sei unbesorgt, ich schwöre dir bei der heiligen Genoveva, welche hier in Gips, in Marmor oder in Holz, vielleicht sogar in Knochen gegenwärtig ist, dass du dich in diesem Augenblick zwischen zwei Galgen befindest, dass aber der nächste derjenige ist, welchen ich dir vorbehalte.«
Die drei Brüder drückten sich die Hand und umarmten ihre Schwester, die Herzogin, welche ihnen ihre in der Sakristei zurückgelassenen drei Mönchsgewänder überbracht hatte; nachdem sie denselben beim wieder Anziehen der beschützenden Kutten geholfen, schlug sie ihre Kapuze auf ihre Augen herab, und ging den drei Prinzen zu der Halle voran, wo sie der Bruder Pförtner erwartete, und durch welche sie, gefolgt von Nicolas David, dessen Goldthaler bei jedem Schritte klangen, verschwanden.
Hinter ihnen schob der Bruder Pförtner die Riegel vor, kehrte in die Kirche zurück und löschte die Lampe des Chors aus.
Sogleich bemächtigte sich eine gedrängte Finsternis der Kapelle und erneuerte den geheimnisvollen Schrecken, der bereits mehr als einmal die Haare von Chicot sich sträuben gemacht hatte.
In dieser Finsternis entfernte sich das Geräusch der Sandalen des Mönches auf den Platten der Kapelle, wurde immer schwächer und verlor sich am Ende gänzlich.