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Kitabı oku: «Die Flucht nach Varennes», sayfa 3

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IV

Ein uraltes Sprichwort sagt: »Jupiter, nimmt Denen die er ins Verderben stürzen will, den Verstand.«

Jupiter hatte dem König und der Königin von Frankreich die ruhige Ueberlegung genommen. Gegen den Rath des Grafen von Bouillé, welcher zwei gewöhnliche Postkutschen will, läßt die Königin einen auffallend großen Reisewagen bauen. Statt einen Courier in einer einfachen Livrée oder auch ohne Livrée zu haben, läßt man drei Leibgardisten in die Livrée des Prinzen Condé stecken. Statt drei Männer zu wählen, welche den Weg genau kennen, verläßt man sich auf Leute, welche den Weg nie gemacht haben; der Eine von ihnen weiß sich nicht einmal in Paris zurecht zu finden und führt die Königin irre. Statt einen kleinen Kamm in die Tasche zu stecken, um ihren Kopfputz zu ordnen, läßt sich die Königin einen prächtigen Reisenecessaire machen, an welchem die Goldarbeiter zwei Monate zu thun haben. Statt den König, welcher die Rolle des Kammerdieners der Baronin Korff übernommen, in einem andern Wagen zu verbergen, setzt sie ihn in den großen Reisewagen. Statt zwei leichte Wagen mit zwei oder vier Pferden zu bespannen. Fährt man sechsspännig, ohne nur zu bedenken, daß der König allein dazu berechtigt ist. Statt die Leibgardisten bis an dies Zähne zu bewaffnen, gibt man ihnen kleine Hirschfänger, die Pistolen und Kugelbüchsen werden sammt dem rothengoldgestickten Rock, den der König in Cherbourg trug, in die Reisekoffer gepackt. Statt den entschlossenen und mit dem Wege genau bekannten d’Agoult, für welchen der Graf von Bouillé bürgt, als Reisegefährten zu nehmen, nimmt man Madame de Tourzel, die Gouvernante der Kinder von Frankreich, welche im Namen der Etikette auf ihrem Recht beharrte, und sie trägt über d‘Agoult, welcher sein Leben zu wagen bereit ist, den Sieg davon.

Abgesehen von diesen Mißgriffen sind alle Vorkehrungen getroffen. Das Schwierigste war, unbemerkt aus den Tuilerien zu kommen. Die königliche Familie war wirklich in Gefangenschaft, Lafayette bürgte der Nationalversammlung dafür. Sechshundert Nationalgardisten bezogen jeden Tag und jede Nacht die Wache in den Tuilerien. Vor den äußern Thoren hielten beständig zwei Gardisten zu Pferde. An allen Thüren standen Schildwachen.

Die innern Gänge waren noch sorgfältiger bewacht. Die Leibgarde war entlassen worden, und die königliche Familie verließ die Tuilerien nie ohne Begleitung einiger Offiziere von der Nationalgarde.

Ueberdies waren viele Spione unter der Dienerschaft. Wir haben schon gesagt, welche Vorsicht gegen Madame de Rochereuil, die Kammerfrau des Dauphin, beobachtet wurde.

Wie sollte man einer so strengen Ueberwachung entgehen?

– Die Königin hatte nach langem Besinnen folgendes Auskunftsmittel gefunden. Madame de Rochereuil, welche bis zum 12. Dienst hatte, bewohnte ein kleines Zimmer, dessen Thür in eine seit sechs Monaten leere Wohnung führte. Der frühere Bewohner, Marquis von Villequier, erster Kammerherr, war ausgewandert.

Diese im Erdgeschosse befindliche Wohnung hatte zwei Ausgänge: in den sogenannten Prinzenhof und in den Königshof. Das Zimmer der Frau von Rochereuil stand zugleich mit dem Zimmer der jungen Prinzessin in Verbindung.

Kaum hatte Frau von Rochereuil am 11. ihren Dienst verlassen, so besuchten der König und die Königin ihr Zimmer. Unter dem Vorwande, die Wohnung der kleinen Prinzessin zu vergrößern, erklärte die Königin, daß sie dieses Zimmer in Anspruch nehme; die Kammerfrau des Dauphin sollte künftig in den Gemächern einer Ehrendame wohnen.

Der Schloßinspector übergab dem Könige auf dessen Verlangen am 13. Juni den Schlüssel zu der leeren Wohnung.

Vor dieser seit mehren Monaten verschlossenen Wohnung standen keine Schildwachen. Ueberdies war der Dienst im Schlosse um 11 Uhr-Abends zu Ende und die Schildwachen in den Höfen waren gewohnt viele Leute auf einmal fortgehen zu sehen. Man konnte daher nach 11 Uhr ohne große Gefahr durch die leere Wohnung gehen und sich aus den Tuilerien entfernen.

Für das weitere Fortkommen der königlichen Familie sollte Herr von Fersen sorgen. Er sollte, als Kutscher verkleidet, mit einem Fiaker vor dem äußern Thore warten und die Flüchtlinge zu der Barriere Clichy führen, wo der Reisewagen im Hause eines Engländers Namens Crawford wartete.

Die drei Leibgardisten sollten in einem Fiaker folgen. Die beiden Kammerfrauen sollten sich zu Fuß aus den Pont-Royal begeben; dort sollten sie einen bereitstehenden, zweispännigen Wagen besteigen und nach Claye fahren, um daselbst die Königin zu erwarten. Der König sollte, wie gesagt, als Intendant verkleidet das Schloß verlassen. Diese Verkleidung bestand in einem grauen Frack, einer Atlasweste, einer grauen Kappe, grauen Strümpfen und Schnallenschuhen. Seine Haare waren geflochten und oben aus dem Kopf durch einen elfenbeinernen Kamm zusammengehalten.

Der Kammerdiener Hue, welcher von derselben Größe war, wie der König, ging in derselben Kleidung und zu derselben Stunde, wo der König das Schloß verlassen sollte, eine Woche lang jeden Abend fort, um die Schildwachen an das Erscheinen des grau gekleideten Mannes zu gewöhnen. – Der Dauphin sollte in Mädchenkleidern folgen.

Während der Herzog von Choiseul mit Léonard um neun Uhr Abends abreiste, begaben sich die drei Leibgardisten in das Cabinet des Königs.

Um halb zehn Uhr erhielt die Königin ein Schreiben von Bailly. Der Mathematiker wollte den galanten Chevalier spielen: er schickte der Königin einen Brief der Frau von Rochereuil, welche ihm anzeigte, daß die königliche Familie in der Nacht abreisen werde.

Um zehn Uhr wurde der General Lafayette gemeldet. Man konnte ihn nicht abweisen. Er erschien in Begleitung seiner Adjutanten Gouvion und Romeuf. Madame de Rochereuil, die Geliebte Gouvion’s, hatte ihm angezeigt, daß die königliche Familie alle Vorbereitungen zur Flucht treffe.

Die Königin und Madame Elisabeth hatten Abends, natürlich mit Escorte, eine Spazierfahrt gemacht. Lafayette erkundigte sich mit der ihm eigenen Höflichkeit, ob die Spazierfahrt angenehm gewesen sey; aber er setzte lächelnd hinzu:

»Eure Majestät hätten nicht so spät zurückkehren sollen.«

»Warum denn nicht?« fragte die Königin.

»Weil der Abendnebel Ihrer Gesundheit schaden könnte.«

»Der Abendnebel im Juni,« erwiederte die Königin lachend. »Sie glauben wohl, wir bestellten den Nebel, um unsere Flucht zu verbergen? denn mich dünkt, daß man noch immer von unserer Abreise faselt.«

»In der That, Madame,« antwortete der General,»man spricht mehr als je davon; man hat mich sogar diesen Abend gewarnt.«

»Wirklich?« sagte die Königin; »ich wette, daß Sie diese interessante Nachricht von Herrn von Gouvion erhalten haben.«

»Warum denn von mir, Madame?« fragte der junge Offizier erröthend.

»Ich weiß nicht,« erwiederte die Königin; »vielleicht haben Sie gute Bekannte im Schlosse. Herr von Romeuf wird gewiß gern für uns bürgen.«

»Es wäre kein großes Verdienst, Madame,« entgegnete Romeuf, »der König hat ja der Nationalversammlung sein Wort gegeben, Paris nicht zu verlassen.«

Das Gespräch wurde abgebrochen. – Um halb elf Uhr entfernte sich der General Lafayette mit seinen Adjutanten.

Als der General fort war, riefen der König, die Königin und Madame Elisabeth ihre Dienerschaft und ließen sich wie gewöhnlich auskleiden und entließen Alle um elf Uhr. Sobald die Thüren geschlossen waren, wurde Toilette gemacht. Die Königin und Madame Elisabeth halfen einander beim Ankleiden; sie trugen sehr einfache Kleider und Hüte mit breitem Rande, welche ihre Gesichter ganz verbargen.

Kaum waren sie mit ihrer Verkleidung fertig, so erschien der König in seinem grauen Rocke. Man holte die drei Leibgardisten aus ihrem Verstecke und begab sich in die Wohnung der kleinen Prinzessin.

Madame Royal war reisefertig, aber der Dauphin noch nicht. Man hatte ihn in seinem ersten Schlafe geweckt, und er hatte sich geweigert die für ihn bestimmten Mädchenkleider anzulegen; endlich hatte er sich durch die Versicherung, daß man Komödie spielen wolle, überreden lassen.

Man gab den Leibgardisten die letzten Weisungen. Bis Bondy wollte man mit den Pferden des Herrn von Fersen reisen, von Bondy wollte man Extrapost nehmen. Malden und Moustier sollten auf dem Bock Platz nehmen und die Postillone bezahlen. Letztere sollten dreißig Sous erhalten; gewöhnlich gab man nur fünfundzwanzig, aber wegen der Schwere des Wagens wollte man fünf Sous mehr bezahlen. Wenn die Postillone sehr gut fahren würden, wollte man ihnen zehn Sous mehr geben; in keinem Falle aber sollten sie mehr als vierzig Sous bekommen, denn nur der König pflegte einen Thaler zu bezahlen.

Man hoffte in dreizehn bis vierzehn Stunden in Châlons zu seyn. Jedermann versprach, die Weisungen genau zu befolgen.

Man ging leise auf die Thür zu und lauschte. Alles war still.

Man öffnete die Thür. Madame Elisabeth ging mit der kleinen Prinzessin voran. Frau von Tourzel folgte mit dem Dauphin und einem Leibgardisten.

Eine Schildwache, welche den beiden Prinzessinnen begegnete, stand still.

»Ach, Tante!« sagte Madame Royale, »wir sind verloren! Der Soldat hat uns erkannt.«

Madame Elisabeth antwortete nicht und ging weiter.

Madame Royale irrte sich, sie war nicht erkannt, oder wenigstens war der Soldat ein Freund, denn er kehrte ihnen den Rücken zu und ließ sie ungehindert weiter gehen.

Fünf Minuten nachher saßen die beiden Prinzessinnen, der Dauphin und Frau von Tourzel in dem Fiaker, der sie außerhalb des Gitterthores erwartete.

Herr von Fersen war so gut verkleidet, daß ihn die Prinzessinnen nicht erkannten. Er sprang vom Bock, öffnete den Wagenschlag und ließ sie einsteigen.

In dem Augenblicke, als Herr von Fersen die Wagenthür zuschlug, kam ein leerer Fiaker. Der Kutscher, welcher einen Cameraden sah, hielt an, und begann mit Herrn von Fersen ein Gespräch.

Dieser spielte seine Rolle vortrefflich, er zog eine hölzerne Dose aus der Tasche und bot seinem Cameraden eine Prise. Der Letztere labte sich an dem schlechten Tabak und fuhr weiter.

Nun kam der König mit langsamen, gemächlichen Schritten, mit den Händen in der Tasche. Der zweite Leibgardist folgte ihm.

Unterwegs war eine seiner Schuhschnallen losgegangen. Er hatte sich nicht aufgehalten, aber der Gardist hatte die Schnalle aufgenommen.

Herr von Fersen trat auf ihn zu.

»Wo ist die Königin, Sire?« fragte er.

»Sie folgt uns auf dem Fuße,« antwortete der König und stieg ebenfalls ein.

Man erwartete die Königin. Nach einer halben Stunde war sie noch nicht da

Man war in angstvoller Spannung. Was konnte diese Verzögerung bedeuten?

Die Königin hatte sich verirrt; sie hatte trotz der Gegenvorstellungen ihres Führers, des dritten Gardisten, behauptet, die Gitterthür befinde sich rechts. Der Gardist, welcher Paris kaum kannte, war seiner Sache nicht ganz gewiß, und fügte sich. So war die Königin an die Seine gekommen und über die Brücke gegangen. Endlich hatte sie ihren Irrthum eingesehen, aber sie wußte den Weg so wenig zu finden, wie ihr Begleiter. Der Gardist mußte sich den Weg zu dem Gitterthor an der Rue de l’Echelle zeigen lassen. Man mußte noch einmal über den Carrouselplatz gehen Als die Königin unter die Einfahrt kam, befand sie sich unerwartet vor zwei Lakeien, welche Fackeln trugen, und vor einem eben abfahrenden Wagen. Um nicht überfahren zu werden, mußte sie sich gegen die Wand drücken Sie erkannte den General Lafayette.

Der Gardist trat vor sie hin, um sie zu verbergen; aber sie schob ihn zur Seite, schlug mit dem Stäbchen, welches die Damen zu jener Zeit zu tragen pflegten, auf das Wagenrad und sagte: »Geh’, Kerkermeister, ich bin nicht mehr in deiner Gewalt!

Dies ist nur eine Sage. Der Gardist hingegen behauptet in seiner Erzählung, die Königin habe sich so gefürchtet, daß sie seinen Arm verlassen und die Flucht genommen habe; er sey ihr nachgelaufen und habe ihren Arm wieder genommen. Man ging rasch über den Carrouselplatz. Endlich bemerkte man den Fiaker vor dem Gitterthore an der Rue de l’Echelle.

Herr von Fersen eilte aus sie zu, und hob sie in den Wagen.

Fersen hatte für die drei Leibgardisten einen Fiaker besorgt; sie stiegen ein und befahlen dem Kutscher, dem ersten Wagen zu folgen.

Vor der Barriere von Clichy stiegen die Leibgardisten ab und bezahlten ihren Fiaker, welcher wieder in die Stadt zurückkehrte.

Der Reisewagen war bereit; die Flüchtlinge stiegen sogleich ein. Fersen führte seinen Fiaker in einen Graben und warf ihn um; einer seiner Leute setzte sich auf das Sattelpferd, und der Reisewagen fuhr rasch ab.

In Bondy fand man die beiden Kammerfrauen, welche in Claye warten sollten; sie hatten sich in der Erwartung, Extrapost zu finden, im Cabriolet nach Bondy begeben. Da sie sich in ihrer Erwartung getäuscht sahen, so kauften sie von dem Postmeister ein Cabriolet um tausend Franken.

Hier mußte Fersen Ihre Majestäten verlassen; er sollte in Oesterreich mit ihnen zusammentreffen. Er begab sich nach Paris zurück, um zu erfahren, was sich zugetragen hatte; dann reiste er nach Brüssel ab.

Der Mensch denkt und Gott lenkt. Fersen sollte später in einem Aufstande zu Stockholm umkommen, und die Königin —! Glücklicherweise war die Zukunft durch eine Wolke verhüllt; man schied voll Hoffnung.

Valory bestieg ein Curierpferd, und eilte voraus, um frische Pferde zu bestellen.

Malden und Moustier setzten sich auf den Bock. Das Cabriolet folgte dem Reisewagen.

Fersen schaute dem Wagen nach, und als die Staubwolke verschwunden war, als man nur noch das ferne Rasseln der Räder hörte, setzte er sich in seinen Wagen, den er Tags zuvor nach Bondy geschickt hatte. Sein Kutscheranzug, den er nicht ablegte, machte natürlich Aufsehen. Dies war eine neue Unbesonnenheit, welche den bereits erwähnten hinzuzufügen ist.

V

Wir haben jetzt zu erzählen, was sich in Paris zutrug, während die erlauchten Flüchtlinge in Bondy Postpferde nahmen. Wir werden sie in Montmirail wieder finden, wo der Tragriemen des Wagens riß und sie zwang, sich eine Stunde aufzuhalten.

Dieses mal entnehmen wir die näheren Umstände dem Tagebuche des Jacobiners Camille Desmoulins. Er kam gegen elf Uhr aus dem Club mit Danton, Freron und andern Patrioten. Noch nie, sagt er, habe er Paris so ruhig gesehen. Er sah auf dem ganzen Wege nicht eine einzige Patrouille. Er sprach seine Verwunderung darüber aus.

»Mir fällt etwas ein,« sagte Freron; »lies was man mir geschrieben hat.«

Er gab Desmoulins und Danton einen vor wenigen Stunden erhaltenen Brief, in welchem man ihm anzeigte, daß der König in der Nacht fliehen werde.

Sie sahen den Wagen Lafayettes aus dem Louvre kommen, und wahrscheinlich ging die Königin zwanzig Schritte vor ihnen vorüber.

Dies war noch nicht Alles. Ein Perrückenmacher, Namens Bureby, in der Rue de Bourbon wohnhaft, hatte Abends einen Freund besucht, der in den Tuilerien auf Wache war, und es war ihm Alles zu Ohren gekommen, was von der Flucht des Königs und der königlichen Familie gesprochen wurde. Zu Hause hatte er seiner Frau Alles wieder erzählt, aber diese hatte die Achseln gezuckt. Das Gerücht war ja schon seit drei Monaten in Umlauf.

Der Perrückenmacher stimmte seiner Frau bei, er kleidete sich aus, und legte sich schlafen. Aber kaum war er im Bett, so grübelte er über die Wachstubenerzählungen nach; es ließ ihm keine Ruhe; er kleidete sich an und weckte seinen Nachbar, den Bäcker Hucher welcher Sapeur in der Nationalgarde war.

Hucher theilte seine Besorgnisse; er war sogar noch eifriger als der Perrückenmacher; er sprang aus dem Bette und eilte in der Unterhose – vielleicht gab er dadurch Anlaß zu dem Namen sans-coulotte – auf die Straße, klopfte an die Thüren und weckte seine Nachbarn.

Bald hatten sich etwa dreißig Patrioten zusammengerottet und begaben sich, von Hucher und Bureby geführt, zu dem Hotel des General Lafayette.

Der General war eben nach Hause gekommen. In jenen bewegten Zeiten mußten sich der Bürgermeister von Paris und der Befehlshaber der Nationalgarde derlei Störungen gefallen lassen. Lafayette ließ Bureby und Hucher sogleich vor.

Diese stellten ihm vor, daß der König in der Nacht abzureisen gedenke, und forderten ihn auf, diese Abreise zu verhindern.

Lafayette lachte und versicherte, der König und die Königin würden streng bewacht, er stehe für Alles, die beiden Patrioten möchten nur ruhig zu Bett gehen.

Aber Hucher und Bureby waren mit dieser Versicherung nicht zufrieden; sie begaben sich in die Tuilerien, wo sie durchaus keine ungewöhnliche Bewegung bemerkten; nur die vielen Fiakerkutscher, welche in den Krambuden vor dem Carrouselplatze tranken, fielen ihnen auf.

Sie machten die Runde um das Schloß bis zur Reitschule, wo die Nationalversammlung tagte: aber sie bemerkten nichts Verdächtiges und gingen nach Hause.

Fersen kam gegen sechs Uhr Früh wieder nach Paris. Ehe er nach Brüssel abreiste, wollte er wissen, ob die Flucht des Königs bekannt geworden sey. Er begab sich zuerst zum Stadthause, dann zur Mairie, wo Bailly wohnte, dann zum Hotel des General Lafayette. Ueberall herrschte die vollkommenste Ruhe. Fersen stieg daher wieder in den Wagen und reiste nach Brüssel ab.

Um dieselbe Zeit riß der Tragriemen an dem königlichen Reisewagen vor dem Thore von Montmirail; man mußte zwei Stunden in der Stadt verweilen.

Dann kam eine steile Anhöhe, welche der König zu Fuß ersteigen wollte. Dadurch ging wieder eine halbe Stunde verloren.

Es schlug halb fünf auf dem Thurm der Cathedrale, als der Reisewagen in Châlons ankam und vor dem Posthause anhielt.

Valory trat an den Wagen.

»François,« sagte die Königin, »es geht Alles gut. Mich dünkt, die Gefahr ist jetzt vorüber, man wird uns nicht mehr anhalten.«

Die Königin lehnte sich bei diesen Worten aus dem Wagen. Der König zeigte sich ebenfalls. Der Postmeister erkannte ihn. Einer der Zuschauer, die sich aus Neugierde versammelt hatten, erkannte ihn auch.

»Sire,« sagte der Postmeister leise, »zeigen Sie sich nicht, Sie setzen sich sonst der größten Gefahr aus.«

Dann sagte er zu den Postknechten:

»Ihr Faullenzer, Ihr solltet die Reisenden, welche dreißig Sous Trinkgeld bezahlen, besser bedienen.«

Er legte selbst mit Hand ans Werk und half die Pferde einspannen.

»Fort! rief der Postmeister, als der Wagen bespannt war. —

Der erste Postillon will seine beiden Pferde in Trab setzen, aber die Pferde stürzen. Sie stehen wieder auf, aber auch das Sattelpferd und das Handpferd stürzen. Man treibt sie mit Peitschenhieben wieder auf; der Postillon setzt sich wieder in den Sattel, der Wagen fährt ab.

Die Reisenden athmen tief auf. Aber die Warnung des Postmeisters läßt eine Gefahr fürchten, und Valory reitet nicht voraus, sondern galoppirt neben dem Wagen.

Das Stürzen der Pferde erregt bange Ahnungen bei der Königin. Aber die Gefahr geht glücklich vorüber. Der Mann, welcher sich aus der Zuschauermenge entfernt hat, ist zum Maire geeilt; aber der Maire ist Royalist; der Angeber versichert vergebens, er habe den König und die königliche Familie erkannt; er erwiedert, es sey nicht möglich, und als er sich nicht mehr zu helfen weiß, begibt er sich endlich zum Posthause. Der Reisewagen ist seit fünf Minuten fort.

Die Postillone fuhren rasch; die Königin und Madame Elisabeth riefen einstimmig »Wir sind gerettet!«

Aber bald darauf erscheint ein Reiter an der Wagenthür und ruft den Reisenden zu:

»Eure Maßregeln sind schlecht genommen … Ihr werdet verhaftet werden!«

Man hat nie erfahren, wer der Reiter war und woher er kam.

Zum Glück war man nur noch vier Lieues von Pont-Somme-Vesle, wo der Herzog von Choiseul mit seinen vierzig Husaren warten sollte. Vielleicht hätte man Valory vorausschicken sollen, aber die letzte Warnung hatte die Angst der Königin verdoppelt und sie wollte alle ihre Beschützer bei sich behalten.

Man treibt die Postknechte zur Eile an. Die vier Lieues werden in einer Stunde zurückgelegt. Vergebens späht man nach dem Herzoge von Choiseul und seinen Husaren; der Meierhof, die wenigen Bauernhäuser, die umliegenden Felder sind leer, es ist kein Husar zu sehen.

Was war denn geschehen? Warum war das Piket nicht auf seinem Posten?

Wir haben gesehen, wie der Herzog von Choiseul in Begleitung des widerstrebenden Léonard Paris verließ. Der Friseur war außer sich; nur die Versicherung des jungen Cavaliers, daß er ihn nur ein paar Meilen fortschleppe, beruhigte ihn einigermaßen.

Als daher das Cabriolet vor dem Posthause anhielt, wollte Léonard aussteigen. Zu seinem Erstaunen aber erfuhr er, daß nur frische Pferde genommen werden sollten.

»Wir reisen also noch weiter?« fragte er.

»Ja.«

»Wohin denn?«

»Was kann Ihnen daran liegen, lieber Léonard?« erwiederte der junge Cavalier, »wenn Sie nur morgen Früh wieder in Paris sind.«

»Aber um zehn Uhr,« erwiederte Léonard, »muß ich in den Tuilerien seyn, um die Königin zu frisiren.«

»Beruhigen Sie sich nur, lieber Leonard, es geht Alles gut.«

Die Pferde standen schon bereit, denn der Herzog von Choiseul hatte seinen Diener als Courier vorausgeschickt. Die Reise wurde daher ohne Aufenthalt fortgesetzt.

Als in Claye wieder die Pferde gewechselt wurden, wurde der arme Friseur wieder unruhig und begann sein altes Klagelied.

»Hören Sie, Léonard,« sagte Choiseul, einen ernsten Ton annehmend, »es ist wirklich Zeit, daß Sie erfahren, wohin wir reisen. Wir fahren ohne anzuhalten bis an die Grenze.«

Leonard wurde weiß wie seine Cravate, faltete die Hände und sah seinen Begleiter mit Entsetzen an.

»Bis an die Grenze?« stammelte er.

»Ja, ich soll dort bei meinem Regimente einen sehr wichtigen Brief an die Königin finden, und da ich ihn nicht persönlich übergeben kann, so brauchte ich einen Boten, um das Schreiben zu übersenden Ich bat Ihre Maiestät, mir eine zuverlässige Person vorzuschlagen, und ihre Wahl fiel auf, Sie, weil sie am meisten Vertrauen zu Ihnen hat.«

»Die Königin erweist mir allerdings eine große Ehre,« erwiederte Leonard, »aber wie soll ich denn wieder zurückreisen? Ich bin in seidenen Hosen und weißen Strümpfen, und habe weder reine Wäsche noch Geld bei mit.«

»Sie vergessen,« sagte Choiseul, »daß Sie für drei bis vier Millionen Diamanten bei sich haben.«

»Ja, aber diese Diamanten gehören der Königin, und ich würde nicht einen einzigen davon weggeben, wenn ich auch verhungern müßte.«

»Beruhigen Sie sich, lieber Freund,« sagte Choiseul, der den armen Teufel bedauerte, »ich habe Kleider, Wäsche, Stiefel, Geld im Wagen, es soll Ihnen an nichts fehlen.«

»Ja wohl, bei Ihnen, gnädiger Herr, wird mir’s an nichts fehlen; aber mein armer Bruder, dessen Hut und Mantel ich genommen, und die Dame, die ich nicht frisiren kann … Mein Gott, wie wird das enden!«

Choiseul sah wohl ein, daß er nicht im Stande war, Léonard zu trösten, und kümmerte sich nicht mehr um sein Jammern und Händeringen.

In Montmirail wurde das Abendessen genommen, und Choiseul erklärte seinem Reisegefährten, er habe ein paar Stunden Zeit zu ruhen.

Um drei Uhr Früh hielt ein Wagen vor dem Posthaus an.

Choiseul eilte in die Hausthüre. Zwei Männer in Nationalgardeuniform verlangten frische Pferde.

Der Wagen des Herzogs von Choiseul war bespannt.

»Bekommen die eben angekommenen Reisenden frische Pferde?« fragte er den Postillon.

»Ja, Excellenz.

»Laßt diesen Wagen voraus fahren, aber folget ihm, ohne ihn aus den Augen zu lassen.«

Dann ließ er seinen Reisegefährten rufen.

Léonard erschien ganz schlaftrunken.

Die beiden Nationalgardisten hatten inzwischen frische Pferde bekommen und fuhren weiter.

»Geschwind!« sagte Choiseul und schob Léonard in den Wagen. »Postillon, Ihr dürft nicht weiter als zehn Schritte hinter dem Wagen zurückbleiben.«

Dann stieg er ebenfalls ein. Das Cabriolet folgte dem ersten Wagen.

Sobald Choiseul seinen Platz an Léonards Seite eingenommen hatte, untersuchte er die in den Seitentaschen steckenden Pistolen. Léonard sah mit einem an Entsetzen grenzenden Erstaunen zu.

So wurden anderthalb Lieues zurückgelegt. Aber zwischen Etoge und Chaintry fuhren die beiden Nationalgardisten in eine Seitenstraße. Choiseul, der wohl sah, daß er sie mit Unrecht im Verdacht königsmörderischer Absichten gehabt hatte, setzte seinen Weg fort.

Gegen zehn Uhr Morgens kam er nach Châlons, um elf Uhr nach Pont-Somme-Vesle. Er erkundigte sich, die Husaren waren noch nicht da. Er stieg vor dem Posthause ab, ließ sich ein Zimmer anweisen und legte seine Uniform an.

Léonard war Zeuge dieser Vorkehrungen, welche seine Unruhe noch vermehrten.

Choiseul hatte Mitleid mit ihm.

»Lieber Léonard,« sagte er zu ihm, »es ist Zeit, daß Sie Alles erfahren.»

»Weiß ich denn noch nicht Alles?«

»Nein, aber ich will Ihnen sagen, was Sie noch nicht wissen … Sie sind der königlichen Familie treu ergeben, nicht wahr, lieber Léonard?«

»Bis in den Tod!«

»So hören Sie. Der König, die Königin, die Kinder Frankreichs werden in zwei Stunden hier seyn; in zwei Stunden sind sie gerettet.«

Der arme Léonard weinte Freudenthränen.

»In zwei Stunden hier!« sagte er; »wissen Sie das gewiß?«

»Ja, sie müssen um elf oder halb zwölf Uhr Abends die Tuilerien verlassen haben; um Mittag müssen sie nach Châlons gekommen seyn. Angenommen, sie legen die vier Lieues von Châlons bis hierher in anderthalb Stunden zurück, so treffen sie längstens in einer Stunde hier ein. Ich erwarte ein Detachement Husaren, welches mir Herr von Goguelat zuführen soll.«

Choiseul öffnete das Fenster.

»Sehen Sie, dort kommen die Husaren … Es geht Alles gut.«

Der junge Cavalier winkte mit seinem Hute aus dem Fenster.

Ein Reiter setzte sein Pferd in Galopp. Der Herzog von Choiseul ging hinunter.

Der Reiter war Goguelat. Die beiden jungen Cavaliere trafen mitten auf der Landstraße zusammen. Goguelat übergab dem Herzoge ein Packet von Bouillé.

Das Packet enthielt sechs Blankette von Vollmachten und eine Abschrift des vom Könige an alle Offiziere der Armee ertheilten Befehls, dem Herzoge von Choiseul zu gehorchen.

Die Husaren kamen an. Choiseul befahl ihnen, die Pferde auf Piket zu stellen, und ließ Brot und Wein vertheilen.

Goguelat brachte schlechte Nachrichten; er hatte überall große Aufregung gefunden; das seit einem Jahre verbreitete Gerücht von der Abreise des Königs fand mehr Glauben als je zuvor; die in Dun, Varennes, Clermont und St. Ménehould aufgestellten oder durch marschirenden Truppen hatten Verdacht errregt, und in einem Dorfe an der Landstraße hatte man sogar Sturm geläutet.

Der Herzog von Choiseul hatte ein Mittagessen bestellt. Die beiden Offiziere setzten sich zu Tische und ließen die Husaren unter dem Befehle des Lieutenant Boudet.

Nach einer halben Stunde glaubte Choiseul ein Geräusch vor der Thier zu hören. Er ging hinaus. Die Bauern aus den umliegenden Dörfern begannen sich um die Husaren zu versammeln.

Unglücklicherweise hatten die Bauern einer nahen Herrschaft, welche der Madame d’Elboeuf gehörte, einige Tage vorher die Bezahlung der Abgaben verweigert, und man hatte mit Militärexcecution gedroht. Die Bauern der benachbarten Dörfer hatten versprochen ihnen beizustehen, wenn sich ein einziger Soldat blicken ließe.

Als die vierzig Husaren erschienen, glaubten die Bauern der Madame d’Elboeuf, es sey die angedrohete Militärexcecution; sie schickten Eilboten in die benachbarten Dörfer, um die Verbündeten an ihr Versprechen zu erinnern. Die nächsten Nachbarn hatten sich bereits eingefunden.

Choiseul glaubte, die Neugierde habe sie hierher gelockt, und ohne sich viel zu kümmern, begab er sich auf eine Anhöhe, wo er die Landstraße übersehen konnte. Aber es zeigte sich weder Courier noch Reisewagen.

So vergingen einige Stunden. Die Flüchtlinge sollten um ein Uhr in Pont-Somme-Vesle eintreffen; aber sie verloren zu viel Zeit, und kamen, wie schon erwähnt, erst um halb fünf Uhr nach Châlons.

Choiseul war unruhig, Léonard in Verzweiflung.

Gegen drei Uhr strömten immer mehr Bauern herbei; ihre Haltung wurde immer drohender; man begann Sturm zu läuten.

Die Husaren waren unter allen Truppen am meisten verhaßt; die Bauern verhöhnten sie und sangen improvisirte Spottlieder. Einige besser unterrichtete Personen begannen zu munkeln, die Husaren seyen nicht als Executionstruppen erschienen, sondern erwarteten den König und die Königin. Die Sache erschien nun noch bedenklicher.

Um halb fünf waren die Husaren von einer so dichtgedrängten Schaar umzingelt, daß die drei Offiziere sich über die zu ergreifenden Maßregeln beriethen. Man konnte sich offenbar nicht länger halten, denn die größtenteils bewaffneten Bauern waren mehr als dreihundert an der Zahl. Die vierzig Mann wären nicht im Stande gewesen, den König und die Königin zu beschützen

Choiseul las noch einmal die erhaltenen Befehle. Es hieß darin: »Es sind die geeigneten Anstalten zu treffen, daß der Wagen des Königs die Reise ungehindert fortsetzen könne.«

Die Anwesenheit der vierzig Husaren und der drei Offiziere war eben ein Hinderniß. Es war daher das Beste, sich zu entfernen.

Aber dazu bedurfte es wenigstens eines Vorwandes.

Der Herzog von Choiseul bemerkte unter der neugierigen Schaar den Postmeister. Er rief ihn zu sich.

»Wir sind hierher gekommen, um eine Geldsendung zu escortiren. Der Wagen kommt nicht. Haben Sie vielleicht erfahren, ob in diesen Tagen Geld nach Metz gesandt wurde?«

»Diesen Morgen,« antwortete der Postmeister, »hat der Postwagen hunderttausend Thaler befördert; er war von zwei Gendarmen begleitet.«

Die Antwort des Postmeisters kam wie gerufen.

Choiseul wandte sich zu Goguelat und sagte:

»Das Ministerium wird diese Art der Absendung vorgezogen haben. Unsere Anwesenheit ist nicht mehr nothwendig, wir können uns entfernen. Trompeter, zum Aufsitzen geblasen!«

Die Husaren waren sogleich im Sattel und ritten davon.

Es war fünf Uhr.

Jenseits des nächsten Dorfes schlug das Detachement einen Seitenweg ein, um St. Ménehould zu umgehen; denn Goguelat hatte die Stadt Vormittags in großer Aufregung gefunden.

So kam es, daß bei der Ankunft des Königs zu Pont-Somme-Vesle keine Escorte mehr war.

Die Straße war frei, die Pferde wurden rasch gewechselt und der Reisewagen fuhr ungehindert weiter.

Aber die Königin verlor den Muth, als die erwartete Escorte nicht da war, und sie sprach die prophetischen Worte: »Wir sind verloren!«