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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 14

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Sechstes Kapitel
Bruder Borromée

Als Chicot, den ehrwürdigen Prior unterstützend, in den Hof der Priorei kam, war der Anblick genau da einer ungeheuren Kaserne in voller Thätigkeit.

In zwei Banden, jede von hundert Mann, getheilt, warteten die Mönche, die Hellebarde, die Pike oder die Muskete bei Fuß, wie Soldaten auf die Erscheinung ihres Commandanten.

Fünfzig ungefähr, von den Stärksten und Eifrigsten hatten ihre Köpfe mit Helmen oder Pickelhauben bedeckt; ein Gürtel befestigte an ihren Hüften ein langes Schwert; es fehlte ihnen durchaus nichts, als ein Schild, um den alten Medern, oder zurückgeschlagene Haare, um den modernen Chinesen zu gleichen.

Andere brüsteten sich stolz in gewölbten Panzern, woraus sie mit Vergnügen einen eisernen Handschuh klirren ließen.

Wieder Andere übten sich, in Armschienen und Beinschienen eingeschlossen, ihre durch diese theilweise Umschalung der Elasticität beraubten Gelenke zu biegen.

Bruder Borromée nahm einen Helm aus den Händen eines Novizen und setzte sich denselben auf den Kopf, mit einer Bewegung, so rasch und so regelmäßig, als es nur ein Reiter oder ein Lanzknecht hätte thun können.

Während er das Sturmband befestigte, konnte Chicot nicht umhin, den Helm anzuschauen, und während er ihn anschaute, lächelte sein Mund, und während er lächelte, drehte er sich rings um Borromée als wollte er ihn vor allen Seiten bewundern.

Er that noch mehr, er näherte sich dem Säckelmeister und fuhr mit der Hand über eine von den Ungleichheiten des Helmes.

»Ihr habt da eine schöne Sturmhaube Bruder Borromée,« sagte er, »wo habt Ihr sie gekauft, mein lieber Prior?«

Gorenflot konnte nicht antworten, weil man ihm in diesem Augenblick einen Panzer umband, der, obwohl geräumig genug, um einen Farnesischen Hercules aufzunehmen, doch die üppigen Wogungen des Fleisches vom würdigen Prior schmerzlich drückte.

»Gottes Tod! bindet nicht so fest,« rief Gorenflot, »preßt nicht so gewaltig, ich würde ersticken, ich hätte keine Stimme mehr. Genug! genug!«

»Ihr fragtet, glaube ich, den ehrwürdigen Prior, wo er meinen Helm gekauft habe?« sagte Borromée.

»Ich fragte dies den ehrwürdigen Prior und nicht Euch,« erwiederte Chicot, »denn ich nehme an, daß in diesem Kloster, wie in den anderen, Alles nur auf den Befehl des Superior geschieht.«

»Allerdings geschieht hier nichts ohne meinen Befehl,« sagte Gorenflot, »was fragt Ihr, lieber Herr Briquet?«

»Ich frage den Bruder Borromée, ob er wisse, woher dieser Helm komme.«

»Er gehörte zu einer Anzahl Rüstungen, die der ehrwürdige Prior gestern kaufte, um das Kloster zu bewaffnen.«

»Ich?« versetzte Gorenflot.

»Eure Herrlichkeit hat befohlen, sie erinnert sich dessen, daß man mehrere Heime und verschiedene Panzer hierher bringe, und man hat die Befehle Eurer Herrlichkeit vollzogen.«

»Es ist wahr, es ist wahr,« rief Gorenflot.

»Alle Wetter!« sagte Chicot, »mein Helm war also sehr anhänglich an seinen Herrn, daß er mich, nachdem er mich in das Hotel Guise geführt, nun wie ein verlorener Hund in der Priorei der Jacobiner aufsucht.«

In diesem Augenblick bildeten sich auf ein Zeichen von Bruder Borromée regelmäßige Linien, und es trat Stille in den Reihen ein.

Chicot setzte sich auf seine Bank, um nach seiner Bequemlichkeit den Manoeuvres beizuwohnen.

Gorenflot blieb stehen und hielt das Gleichgewicht auf seinen zwei Beinen wie auf zwei Pfosten.

»Habt Acht!« sagte ganz leise Bruder Borromée.

Dom Modeste zog einen riesigen Säbel aus seiner eisernen Scheide, schwang ihn in der Luft und schrie mit seiner Stentorstimme:

»Habt Acht!«

»Eure Ehrwürden würde sich vielleicht mit dem Commandiren ermüden,« sprach nun Bruder Borromée mit sanfter Zuvorkommenheit, »Eure Ehrwürden war diesen Morgen leidend; wenn es ihr gefiele, ihre kostbare Gesundheit zu schonen, so würde ich heute bei der Uebung, commandiren.«

»Ich will es,« erwiederte Dom Modeste, »in der That, ich bin leidend, ich ersticke, geht.«

Borromée verbeugte sich und stellte sich wie ein Mensch, der an solche Einwilligungen gewöhnt ist, vor die Front der Truppe.

»Welch ein gefälliger Diener,« sprach Chicot, »dieser Bursche ist eine wahre Perle.«

»Er ist entzückend, ich sagte es Dir wohl,« erwiederte Dom Modeste.

»Ich bin überzeugt, daß er Dir dasselbe alle Tage thut.«

»Oh! alle Tage… er ist unterwürfig wie ein Sklave; ich mache ihm nur seine Zuvorkommenheiten zum Vorwurf. Die Demuth besteht nicht in der Knechterei,« fügte Gorenflot spruchreich bei.

»So daß Du wahrhaftig nichts hier zu thun hast und auf beiden Ohren schlafen kannst: Bruder Borromée wacht für Dich!«

»Oh! mein Gott, ja.«

»Das wollte ich wissen,« sagte Chicot, der seine Aufmerksamkeit Borromée allein zuwandte.

Es war wunderbar anzuschauen, wie, einem Schlachtroß ähnlich, unter dem Harnisch der Säckelmeister des Mönche sich aufrichtete.

Sein erweitertes Auge schleuderte Flammen, sein kräftiger Arm verlieh dem Schwerte so geschickte Bewegungen, daß man hätte glauben sollen, ein Meister in den Waffen fechte vor einem Peloton Soldaten. So oft Bruder Borromée eine Erläuterung machte, wiederholte sie Gorenflot und fügte bei:

»Borromée hat Recht; aber ich habe es Euch schon gesagt; erinnert Euch doch meiner gestrigen Lection. Nehmt das Gewehr von einer Hand in die andere… haltet die Pike aufrecht, haltet sie aufrecht, das Eisen in der Höhe des Auges… Haltung, beim heiligen Georg! mit den Knieen nicht gewankt; halb links um ist gerade dasselbe wie halb rechts um, nur ganz das Gegentheil.«

»Alle Wetter!« sagte Chicot, »Du bist ein geschickter Demonstrator.«

»Ja, ja,« machte Gorenflot, sein dreifaches Kinn streichelnd, »ich verstehe das Manoeuvre ziemlich gut.«

»Und Du hast an Borromée einen vortrefflichen Zögling.«

»Er begreift mich, er ist äußerst einsichtsvoll.«

Die Mönche führten den militärischen Lauf, eine Art von Manoeuvre, welches damals sehr üblich war, die Angriffe mit dem Schwert, mit der Pike und die Uebungen im Feuer aus.

Als man bei den letzteren war, sagte der Prior zu Chicot:

»Du wirst meinen kleinen Jacques sehen.«

»Wer ist Dein kleiner Jacques?«

»Ein artiger Junge, den ich mir beigesellen wollte, weil er ein ruhiges Aeußeres und eine kräftige Hand besitzt, und bei dem Allem die Lebhaftigkeit des Salpeters hat.«

»Ah! wahrhaftig? Und wo ist er denn, der reizende Junge?«

»Warte, warte, ich will ihn Dir zeigen, dort, siehst Du, derjenige, welcher eine Muskete in der Hand hält und zuerst zu feuern sich anschickt.«

»Und er schießt gut?«

»Auf hundert Schritte fehlt er einen Rosenobel nicht.«

»Das ist ein Bursche, der vortrefflich bei der Messe dienen muß; doch warte ebenfalls.«

»Was denn?«

»Ja, ja, nein, nein.«

»Du kennst meinen kleinen Jacques?«

»Nicht im Geringsten.«

»Aber Du glaubtest ihn Anfangs zu kennen?«

»Ja, es kam mir vor, als hätte ich ihn in einer gewissen Kirche gesehen, an einem Tage, oder vielmehr in einer Nacht, wo ich in einem Beichtstuhl eingeschlossen war… Doch nein, ich täuschte mich, er ist es nicht.«

Diesmal, wir müssen es gestehen, standen die Worte von Chicot nicht ganz mit der Wahrheit im Einklang. Chicot war ein zu guter Physiognomiker, als daß er ein Gesicht, das er einmal gesehen, je wieder vergessen hätte.

Während er, ohne es zu vermuthen, der Gegenstand der Aufmerksamkeit des Priors und seines Freundes war, lud der kleine Jacques, wie ihn Gorenflot nannte, eine schwere Muskete, welche so lang war, als er; nachdem er sie geladen, stellte er sich stolz hundert Schritte von Ziel auf, zog sein rechtes Bein mit einer ganz militärischen Pünktlichkeit zurück und schlug an.

Der Schuß ging los und die Kugel traf zum großer Beifall der Mönche mitten in den Zweck.

»Alle Wetter! das ist gut visirt,« sagte Chicot, »und bei meinem Wort, es ist ein hübscher Junge.«

»Ich danke, mein Herr,« erwiederte Jacques, dessen bleiche Wangen sich mit der Röthe des Vergnügens färbten.

»Du handhabst die Waffen geschickt, mein Kind,« versetzte Chicot.

»Ich studire, mein Herr,« sprach Jacques.

Bei diesen Worten legte er seine Muskete, welche ihm nach dieser Probe seiner Geschicklichkeit unnütz geworden, bei Seite, nahm eine Pike aus den Händen seines Nachbars und machte damit eine Radschwingung, die Chicot vortrefflich ausgeführt fand.

Chicot erneuerte seine Complimente.

»Mit dem Degen zeichnet er sich besonders aus,« sagte Dom Modeste. »Diejenigen, welche sich darauf verstehen, halten ihn für sehr stark; es ist wahr, der Junge hat eiserne Kniebeugen, stählerne Faustgelenke und spielt vom Morgen bis zum Abend mit dem Schwerte.«

»Ah! laßt das sehen,« versetzte Chicot.

»Wollt Ihr seine Stärke versuchen?« fragte Borromée.

»Ich möchte wohl einen Beweis davon haben,« erwiederte Chicot.

»Oh!« sprach Borromée, »außer mir vielleicht ist Niemand hier, der mit ihm zu fechten im Stande wäre; seid Ihr von einer gewissen Stärke, mein Herr?«

»Ich bin nur ein armer Bürger,« entgegnete Chicot den Kopf schüttelnd, »früher habe ich meinen Raufdegen geführt, aber heute zittern meine Beine, wackelt mein Arm und ist mein Kopf nicht mehr sehr gegenwärtig.«

»Doch Ihr übt es immer noch?« sagte Borromée.

»Ein wenig,« antwortete Chicot indem er Gorenflot welcher lächelte, einen Blick zuwarf, der den Lippen von diesem den Namen Nicolas David entriß.

Doch Borromée sah das Lächeln nicht; Borromée hörte diesen Namen nicht und befahl mit einer Miene voll Ruhe Rappiere und Fechtmasken zu bringen.

Funkelnd vor Freude, unter seiner kalten, düsteren Hülle, hob Jacques seinen Rock bis zum Knie auf und stellte seine Sandale mit einem Appel auf dem Sande fest. Chicot aber sprach:

»Da ich weder Mönch noch Soldat bin, so habe ich seit langer Zeit mich nicht mehr in den Waffen geübt; wollt Ihr, ich bitte Euch, Ihr, Bruder Borromée, der Ihr nichts als Muskeln und Sehnen seid, dem Bruder Jacques die Lection geben. Willigt Ihr ein, lieber Prior?« fragte Chicot Dom Modeste.

»Ich befehle es!« declamirte der Prior, stets entzückt, dieses Wort anzubringen.

Borromée nahm seinen Helm ab; Chicot streckte eiligst seine Hände aus, und der in seine Hände gelegte Helm erlaubte seinem ehemaligen Herrn abermals seine Identität zu erkennen; während unser Bürger diese Prüfung vornahm, befestigte der Säckelmeister seinen Rock an seinem Gürtel und schickte sich an.

Vom Corpsgeist beseelt, bildeten sämtliche Mönche einen Kreis um den Zögling und den Professor.

Gorenflot neigte sich an das Ohr seines Freundes und sagte naiv:

»Nicht wahr, es ist auch belustigend, Vesper zu singen?«

»Das sagen die Chevaulegers,« antwortete Chicot mit derselben Naivität.

Die zwei Kämpfenden legten sich aus; spröde und nervig, hatte Borromée den Vortheil des Wuchses, er hatte auch den, welchen Aplomb und Erfahrung verleihen.

Das Feuer stieg in lebendigen Lichtern in die Augen von Jacques und färbte seine Wangen mit einer fieberhaften Röthe.

Man sah allmälig die religiöse Maske von Borromée fallen, der, das Rappier in der Hand, fortgerissen durch die so gewaltige Wirkung des Kampfes der Geschicklichkeit, sich in einen Fechtmeister verwandelte; er mischte in jeden Stoß eine Ermahnung, einen Rath, einen Vorwurf; aber oft siegten die Kraft, die Behendigkeit, das Ungestüm von Jacques über die guten Eigenschaften seines Lehrers, und Bruder Borromée empfing einen tüchtigen Stoß auf die volle Brust.

Chicot verschlang dieses Schauspiel mit den Augen und zählte die treffenden Stöße.

Als der Kampf beendigt war, oder vielmehr als die Fechtenden eine erste Pause machten, hatte Jacques sechsmal, Borromée neunmal getroffen, das ist hübsch für den Schüler, aber nicht genug für den Lehrer.

Ein Blitz, der, mit Ausnahme von Chicot, für Jedermann unbemerkt blieb, zuckte in den Augen von Borromée und enthüllte einen neuen Zug seines Charakters.

»Gut,« dachte Chicot, »er ist stolz.«

»Mein Herr,« sprach Borromée mit einer Stimme, die er nur mit großer Mühe süßlich zu machen im Stande war, »die Waffenübung ist sehr hart für Jedermann und besonders für arme Mönche, wie wir sind.«

»Gleichviel,« erwiederte Chicot entschlossen, Bruder Borromée bis in seine letzten Verschanzungen zu treiben, »der Lehrer darf nicht weniger als die Hälfte Vortheil über seinen Zögling haben.«

»Ah! Herr Briquet,« versetzte Borromée, der ganz bleich wurde und sich auf die Lippen biß, »Ihr seid sehr absolut, wie mir scheint.«

»Gut, er ist zornmüthig,« dachte Chicot »zwei Todsünden; man sagt, eine genüge, um einen Menschen ins Verderben zu stürzen: ich habe ein schönes Spiel!«

Dann fuhr er laut fort:

»Und hätte Jacques mehr Ruhe, so bin ich sicher, daß die Partie gleich stünde.«

»Ich glaube nicht,« entgegnete Borromée.

»Nun, ich bin dessen sicher.«

»Herr Briquet, der das Fechten kennt,« sprach Borromée mit bitterem Tone, »sollte vielleicht die Stärke von Jacques selbst versuchen; er könnte sich dann besser Rechenschaft darüber geben.«

»Oh! Ich bin alt,« sagte Chicot.

»Ja, aber unterrichtet,« entgegnete Borromée.

»Ah! Du spottest,« dachte Briquet, »warte, warte.«

Aber,« fuhr er fort, »es gibt einen Umstand, der meiner Bemerkung von ihrem Werthe benimmt.«

»Welcher Umstand?«

»Der, daß Bruder Borromée als würdiger Lehrer, davon bin ich überzeugt, Jacques ein wenig aus Gefälligkeit hat treffen lassen.«

»Ah! ah!« machte Jacques, ebenfalls die Stirne faltend.

»Nein, gewiß nicht,« erwiederte Borromée, an sich haltend, im Grunde aber im höchsten Maaße erbost, »ich liebe Jacques sicherlich, aber ich verderbe ihn nicht durch dergleichen Gefälligkeiten.«

»Das ist zum Erstaunen,« versetzte Chicot »entschuldigt mich, ich hatte es geglaubt.«

»Aber Ihr, der Ihr sprecht, versucht es doch einmal,« sagte Borromée.

»Oh! schüchtert mich nicht ein!«

»Seid unbesorgt, mein Herr, man wird Nachsicht mit Euch haben. Man kennt die Gesetze der Kirche.«

»Heide!« murmelte Chicot.

»Nun, Herr Briquet, nur einen Gang.«

»Versuche es,« sagte Gorenflot, »versuche es.«

»Ich werde Euch nicht wehe thun, mein Herr,« sprach Jacques, der nun ebenfalls die Partie seines Lehrmeisters nahm und seinerseits ein wenig zu beißen wünschte, »ich habe eine sehr sanfte Hand.«

»Ein liebes Kind,« murmelte Chicot, indem er auf den jungen Mönch einen unbeschreiblichen Blick heftete, der in einem stillen Lächeln endigte.

»Nun denn,« sagte er, »da es Jedermann will…«

»Ah! Bravo!« riefen die Betheiligten mit dem Appetit nach Triumph.

»Nur sage ich Euch zum Voraus, das ich nicht mehr als drei Gänge annehme,« sprach Chicot.

»Wie es Euch beliebt,« erwiederte Jacques.

Langsam erhob sich Chicot von der Bank, auf die er sich wieder niedergesetzt hatte, schloß sein Wamms, zog seinen Fechthandschuh an und befestigte seine Maske mit der Schnelligkeit einer Schildkröte, welche nach Fliegen schnappt.

»Wenn dieser auf Deine geraden Stöße zur Parade kommt,« flüsterte Borromée Jacques zu, »so thue ich keinen Gang mehr mit Dir, das sage ich Dir.«

Jacques machte ein Zeichen mit dem Kopf, begleitet von einem Lächeln, welches bedeutete:

»Seid unbesorgt, Meister.«

Chicot nahm stets mit derselben Langsamkeit und Umsicht seine Stellung, und streckte seine langen Arme und Beine aus, die er durch ein Wunder von Genauigkeit so richtete, daß er ihre ungeheure Federkraft und unberechenbare Entwickelung verbarg.

Siebentes Kapitel
Die Lection

Die Fechtkunst war zu der Zeit, von der wir nicht nur die Ereignisse zu erzählen, sondern auch die Sitten und Gebräuche zu schildern versuchen, nicht das, was sie heute ist. Die zweischneidigen Degen machten, daß man beinahe eben so oft stieß, als hieb, und daraus erfolgte eine Menge von Wunden, welche bei einem wirklichen Kampf ein mächtiges Motiv der Aufregung wurden. Aus achtzehn Wunden sein Blut verlierend, hielt sich Quelus noch aufrecht, kämpfte noch fort, und er wäre nicht gefallen, hätte ihn nicht eine neunzehnte Wunde auf das Lager geworfen, das er nur mit dem Grabe vertauschte.

Aus Italien gebracht, doch noch in ihrer Kindheit begriffen, bestand die Fechtkunst in jener Zeit in einer Anzahl von Evolutionen, die den Fechter bedeutend aus seiner Stellung rückten und bei einem durch den Zufall gewählten Terrain auf eine Menge von Hindernissen stoßen mußten.

Es war nicht selten, daß man den Fechter sich verlängern, sich verkürzen, rechts springen, links springen, eine Hand auf den Boden stützen sah; da die Behendigkeit nicht nur der Hand, sondern auch der Beine und des ganzen Körpers eine der ersten Bedingungen der Kunst sein mußte.

Chicot schien die Fechtkunst nicht in dieser Schule gelernt zu haben; es war im Gegentheil, als hätte er eine Ahnung von der gegenwärtigen Kunst gehabt, deren ganze Erhabenheit, deren ganze Anmuth in der Behendigkeit der Hände und in einer beinahe völligen Unbeweglichkeit des Körpers liegt. Er stellte sich gerade und fest auf das eine und das andere Bein, mit einem zugleich geschmeidigen und nervigen Faustgelenke, mit einem Degen, der von der Spitze bis zur Hälfte der Klinge ein biegsames Rohr zu sein schien und vom Stichblatt bis zur Mitte ein unbiegsamer Stahl war.

Als er diesen ehernen Mann vor sich sah, dessen Faustgelenke allein lebendig zu sein schien, trat bei Jacques eine Ungeduld mit dem Degen ein, welche auf Chicot keine andere Wirkung hervorbrachte, als daß sie seinen Arm und sein Bein bei der geringsten Blöße abspannte, die er in dem Spiel seines Gegners wahrnahm, und man begreift, daß bei der Gewohnheit, zu stechen und zu hauen, diese Blößen häufig vorkamen. Bei jeder derselben verlängerte sich dieser große Arm um drei Fuß und traf die Mitte der Brust des Bruders mit einem so methodischen Kopfstoße, als ob ein Mechanismus ihn geleitet hätte, und nicht ein ungleiches und ungewisses Organ von Fleisch.

Bei jedem von diesen Stößen machte Jacques, roth vor Zorn und Wetteifer einen Sprung rückwärts.

Zehn Minuten lang entwickelte der junge Mensch alle Mittel seiner wunderbaren Behendigkeit; er stürzte vor wie eine Tigerkatze, er bog sich zurück mir eine Schlange, er schlüpfte unter die Brust von Chicot sprang rechts und links; aber dieser erfaßte, mit seiner ruhigen Miene und seinem langen Arm, die geeignete Zeit, drückte das Rappier seines Gegners auf die Seite und sandte stets den furchtbaren Knopf an seine Adresse.

Bruder Borromée erbleichte durch das Zurückströmen aller Leidenschaften, die ihn kurz zuvor übermäßig aufgereizt hatten.

Endlich drang Jacques zum letzten Male auf Chicot ein, der, da er ihn durchaus nicht lothrecht auf seinen Beinen sah, ihm eine Blöße bot, damit er gänzlich ausfiele. Jacques verfehlte nicht, dies zu thun, und Chicot der steif parirte, brachte den armen Zögling dergestalt von der Linie des Gleichgewichte ab, daß er die Haltung verlor und fiel.

Unbeweglich wie ein Fels, war Chicot auf derselben Stelle geblieben.

Bruder Borromée zernagte sich die Finger bis auf‘s Blut.

»Ihr sagtet nicht, Ihr wäret ein Pfeiler des Fechtsaales, mein Herr,« sprach er.

»Er,« rief Gorenflot verwundert, aber aus einem leicht begreiflichen Gefühle der Freundschaft triumphirend, »er, was denkt Ihr?«

»Ich, ein armer Bürger,« sagte Chicot, »ich, Robert Briquet, ein Pfeiler des Fechtsaales, oh! Herr Säckelmeister!«

»Aber, mein Herr,« rief Bruder Borromée, »um einen Degen zu handhaben, wie Ihr es thut, muß man ungeheuer geübt sein.«

»Ei! mein Gott, ja, mein Herr,« erwiederte Chicot treuherzig, »ich habe in der That hie und da den Degen geführt; doch wenn ich ihn führte, sah ich immer ein Ding.«

»Daß für denjenigen, welcher ihn führt, der Stolz ein schlechter Rathgeber und der Zorn ein schlechter Gehilfe ist. Nun hört, mein kleiner Jacques,« fügte er bei, »Ihr habt ein hübsches Faustgelenke, doch Ihr habt weder Beine, noch Kopf es gibt beim Fechten drei wesentliche Dinge: den Kopf zuerst, dann die Hand und endlich die Beine; mit dem ersten kann man sich vertheidigen, mit dem ersten und der zweiten kann man siegen, vereinigt man aber alle drei, so siegt man immer.«

»Oh! mein Herr,« sprach Jacques, »fechtet einmal, mit Bruder Borromée, das ist gewiß hübsch anzuschauen.«

Chicot wollte den Vorschlag verächtlich zurückweisen, doch er bedachte, daß der stolze Säckelmeister vielleicht einen Vortheil daraus ziehen würde.

»Es sei,« sagte er, »wenn Bruder Borromée einwilligt, bin ich zu Befehl!«

»Nein, mein Herr,« erwiederte der Säckelmeister, »ich würde geschlagen, ich will es lieber anerkennen, als die Probe machen.«

»Oh! wie bescheiden, wie liebenswürdig ist er!« sagte Gorenflot.

»Du täuschest Dich,« entgegnete ihm der unbarmherzige Chicot in‘s Ohr, »er ist verrückt vor Eitelkeit; hätte ich in seinem Alter eine solche Gelegenheit gefunden, ich würde auf den Knieen um die Lection gebeten haben, welche Jacques so eben zu Theil geworden ist.«

Hiernach nahm Chicot wieder seinen gekrümmten Rücken, seine Circumslerbeine und seine ewige Grimasse an und setzte sich auf seine Bank.

Jacques folgte ihm; die Bewunderung trug bei dem jungen Mann den Sieg über die Schmach der Niederlage davon.

»Gebt mir doch Lection, Herr Robert,« sagte er, »der erwürdige Herr Prior wird es erlauben, nicht war?«

»Ja, mein Kind, mit Vergnügen,« antwortete Gorenflot.

»Ich will Eurem Lehrer keinen Vorzug abzugewinnen suchen,« sagte Chicot – und er verbeugte sich vor Borromée.

»Ich bin nicht der einzige Lehrer von Jacques,« entgegnete Borromée, »ich unterrichte nicht allein im Fechten hier, und da ich nicht allein die Ehre habe, so erlaubt mir, auch nicht allein die Niederlage auf mich zu nehmen.«

»Wer ist denn sein anderer Professor?« fragte hastig Chicot, als er bei Borromée die Röthe wahrnahm, welche die Furcht, eine Unklugheit begangen zu haben, enthüllte.

»Niemand, Niemand,« erwiederte Borromée.

»Doch, doch,« sagte Chicot, »ich habe vollkommen gut gehört. Wer ist denn Euer anderer Lehrer, Jacques?«

»Ja, ja, ein kurzer, dicker Mann,« rief Gorenflot. »Ihr habt ihn mir vorgestellt, und er kommt zuweilen hierher; ein gutes Gesicht … trinkt auch ganz angenehm.«

»Ich erinnere mich seines Namens nicht mehr,« sagte Borromée.

Bruder Eusèbe, mit seiner glückseligen Miene und seinem Messer im Gürtel, trat einfältig vor und sprach:

»Ich weiß es.«

Borromée machte ihm vielfache Zeichen, die er nicht bemerkte.

»Es ist Meister Bussy-Leclerc, der Professor der Fechtkunst in Brüssel war,« fuhr er fort.

»Alle Wetter!« sagte Chicot, »Meister Bussy-Leclerc,« meiner Treue, eine gute Klinge.«

Und während er dies mit aller Naivität der er fähig war, sprach, fing Chicot den wüthenden Blick auf, welchen Borromée auf den zur Unzeit Gefälligen schoß.

»Ah! es war mir nicht bekannt, daß er Bussy-Leclerc hieß. Man vergaß, mich davon zu unterrichten,« – versetzte Gorenflot.

»Ich wußte nicht, daß der Name Eure Herrlichkeit im Geringsten interessirte,« sprach Borromée.

»In der That!« rief Chicot, »mag dieser oder jener der Fechtmeister sein, gleichviel, wenn er nur gut ist.«

»In der That, gleichviel, wenn er nur gut ist,« wiederholte Gorenflot.

Und hiernach schlug er, geleitet von der allgemeinen Bewunderung, den Weg nach der Treppe seiner Wohnung ein.

Die Uebung war beendigt.

Am Fuße der Treppe wiederholte Jacques, zum größten Mißvergnügen von Borromée seine Bitte bei Chicot; dieser aber antwortete:

»Ich verstehe nicht zu unterrichten; ich habe mich ganz allein durch Nachdenken und Uebung gebildet; mach es wie ich; jedem gesunden Geiste nützt das Gute.«

Borromée befahl eine Bewegung, welche alle Mönche den Gebäuden, zur Rückkehr zuwandte. Gorenflot stützte sich auf Chicot und stieg majestätisch die Treppe hinauf.

»Ich hoffe, das ist ein dem Dienste Gottes geweihtes und zu etwas taugliches Haus!« sprach er stolz.

»Pest! ich glaube es wohl,« erwiederte Chicot. »Man sieht schöne Dinge, ehrwürdiger Prior, wenn man zu Euch kommt.«

»Dies Alles in einem Monat, in weniger als ein Monat sogar.«

»Und durch Euch gemacht?«

»Durch mich gemacht, durch mich allein, wie Ihr seht,« antwortete Gorenflot, sich ausrichtend.

»Das ist mehr als ich erwartete, und wenn ich auf meiner Sendung zurückkomme, Freund…«

»Ah! es ist wahr, lieber Freund; sprechen wir von Eurer Sendung…«

»Um so lieber, als ich vor meiner Abreise eine Botschaft oder vielmehr einen Boten an den König zu schicken habe.«

»An den König, lieber Freund? einen Boten? Ihr korrespondiert also mit dem König?«

»Unmittelbar.«

»Und Ihr braucht einen Boten, sagt Ihr?«

»Ich brauche einen Boten.«

»Wollt Ihr einen von unseren Brüdern? Es wäre eine Ehre für das Kloster, wenn einer von unsern Brüdern den König sehen würde.«

»Gewiß.«

»Ich will zwei unserer besten Beine zu Eurer Verfügung stellen; doch erzählt mir, Chicot, wie der König, der Euch für todt hielt…«

»Ich habe Euch gesagt, es war nur eine Lethargie, und im gegebenen Augenblick bin ich auferstanden.«

»Um wieder in Gunst zu kommen?« fragte Gorenflot.

»Mehr als je.«

»Dann könnt Ihr dem König wohl Alles sagen, was wir in seinem Interesse thun?«

»Ich werde es nicht unterlassen, mein Freund, seid unbesorgt.«

»Ah! theurer Chicot,« rief Gorenflot, der sich schon als Bischof sah.

»Zuvor habe ich Euch jedoch um zwei Dinge zu bitten.«

»Sprecht.«

»Zuerst um Geld, das Euch der König zurückgeben wird.«

»Geld,« rief Gorenflot höflich aufstehend, »meine Kassen sind voll.«

»Ihr seid, meiner Treue! glücklich.«

»Wollt Ihr tausend Thaler?«

»Nein, das ist viel zuviel; ich bin bescheiden in meinen Ansprüchen, demüthig in meinen Wünschen; mein Titel als Botschafter macht mich nicht stolz, und ich verberge ihn eher, als daß ich mich damit brüste. Hundert Thaler genügen mir.«

»Hier sind sie. Und das Zweite?«

»Ein Stallmeister.«

»Ein Stallmeister?«

»Ja, um mich zu begleiten; ich liebe die Gesellschaft.«

»Ah! mein Freund, wenn ich noch frei wäre, wie einst…« sagte Gorenflot, einen Seufzer ausstoßend.

»Ja, aber Ihr seid es nicht mehr.«

»Die Größe fesselt,« murmelte Gorenflot.

»Ach! man kann nicht Alles zugleich haben,« erwiederte Chicot, »da ich mich nicht Euerer ehrenwerthen Gesellschaft erfreuen kann, theuerster Prior, so werde ich mich mit dem kleinen Bruder Jacques begnügen.«

»Mit dem kleinen Bruder Jacques?«

»Ja, er gefällt mir.«

»Und Du hast Recht, Chicot, es ist ein seltener Mensch, der es weit bringen wird.«

»Ich will ihn zuerst zwei hundert Meilen weit führen wenn Du es erlaubst?«

»Er gehört Dir, mein Freund.«

Der Ritter schlug auf eine Glocke, bei deren Klang ein Laienbruder herbeilief.

»Man lasse den Bruder Jacques und den mit den Gängen in der Stadt beauftragten Bruder heraufkommen.«

Zehn Minuten nachher erschienen Beide auf der Schwelle.

»Jacques,« sagte Gorenflot, »ich gebe Euch eine außerordentliche Sendung.«

»Mir, Herr Prior?« fragte der junge Mensch erstaunt.

»Ja, Ihr werdet Herrn Robert Briquet auf einer großen Reise begleiten.«

»Oh!« rief mit nomadischer Begeisterung der junge Bruder, »ich auf die Reise mit Herrn Robert Briquet, ich in frischer Luft, ich in Freiheit! Ah! Herr Robert Briquet, nicht wahr, wir werden jeden Tag fechten?«

»Ja, mein Kind.«

»Und ich darf meine Büchse mitnehmen?«

»Du wirst sie mitnehmen.«

Jacques sprang und stürzte mit einem, Freudengeschrei aus dem Zimmer.

»Was den Auftrag betrifft,« sagte Gorenflot, »so bitte ich Euch, Eure Befehle zu geben. Tretet vor, Bruder Panurgos.«

»Panurgos,« versetzte Chicot, bei dem dieser Name Erinnerungen rege machte, welche nicht frei von Schmerz waren, »Panurgos?«

»Ach! ja,« erwiederte Gorenflot »ich habe diesen Bruder gewählt, welcher wie der Andere Panurgos heißt, um ihn die Gänge machen zu lassen, die der Andere, machte.«

»Unser alter Freund ist also außer Dienst?«

»Er ist todt, er ist todt.«

»Oh!« rief Chicot mitleidig, »allerdings mußte er sich alt machen.«

»Neunzehn Jahre, mein Freund, er war neunzehn Jahre alt.«

»Das ist ein merkwürdig hohes Alter,« sprach Chicot, »nur die Klöster bieten solche Beispiele.«

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06 aralık 2019
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