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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 3

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Viertes Kapitel
Die Loge auf der Grève von Seiner Majestät dem König Heinrich III

Wenn wir nur bis zur Grève, wohin er ausmündet, diesem bevölkerten Wege des Quartiers Saint-Antoine folgen würden, so fänden wir wieder unter der Menge vieler von unsern Bekannten. Doch während diese armen Bürgersleute, minder weise als Robert Briquet, gestoßen, gedrängt, gequetscht hinter einander gehen, ziehen wir es mittels des Privilegiums, das uns unsere Geschichtsschreiberflügel geben, vor, uns auf den Platz selbst zu versetzen, und wenn wir das ganze Schauspiel mit einem Blicke umfaßt haben, auf kurze Zeit zur Vergangenheit zurückzukehren, um die Ursache zu ergründen, nachdem wir die Wirkung betrachtet haben.

Man darf wohl sagen, daß Meister Friard recht hatte, wenn er zu hundert tausend Menschen wenigstens die Zahl der Zuschauer berechnete, welche sich auf dem Platze der Grève und in der Umgegend zusammenfinden würden, um das Schauspiel zu genießen, das sich daselbst vorbereitete. Ganz Paris hatte sich Rendezvous beim Stadthause gegeben, und Paris ist sehr pünktlich. Paris versäumt kein Fest, und es ist ein Fest, sogar ein außerordentliches Fest, der Tod eines Menschen, wenn er so viele Leidenschaften zu erregen gewußt hat, daß die Einen ihn verfluchen und die Andern ihn loben, während ihn die Mehrzahl beklagt.

Der Zuschauer, dem es gelang, auf den Platz hinaus zu kommen, sei es über den Quai bei der Schenke zum Bilde unser lieben Frau, sei es durch die Halle der Place Beaudoyer, erblickte zuerst auf der Grève die Bogenschützen des Lieutenants vom Stadtgericht Tanchon, und eine große Anzahl von Schweizern und Chevauxlegers, welche ein kleines, ungefähr vier Fuß hohes Schaffot umgaben.

So niedrig, daß es nur für diejenigen sichtbar war, welche es umgaben, oder für die Leute, welche an einem Fenster Platz zu finden das Glück hatten, erwartete dieses Schaffot den Missetäter, dessen sich die Mönche seit dem Morgen bemächtigt hatten, und nach dem energischen Ausdrucke des Volkes, die Pferde entgegenharrten, um ihn die große Reise machen zu lassen.

Unter dem Wetterdache des ersten Hauses nach der Rue du Mouton, auf dem Platze, stampften wirklich vier kräftige Pferde, vom Perche, mit prallen Kreuzen, weißen Mähnen, langhaarigen Füßen ungeduldig das Pflaster und bissen einander wiehernd zum großen Schrecken der Frauen, die diesen Platz freiwillig gewählt hatten, oder durch die Gewalt auf die Seite gedrängt wurden.

Die Pferde waren neu; kaum einige Male hatten sie in den grasreichen Ebenen ihrer Heimath auf ihrem breiten Rückgrat das pausbackige Kind eines bei der Rückkehr vom Felde, wenn die Sonne unterging, verspäteten Bauer getragen.

Aber nach den wiehernden Pferden und dem leeren Schafott, war dasjenige, was am Beständigsten die Blicke der der Menge anzog, das mit rotem Samt und Gold ausgeschlagene Hauptfenster des Stadthauses über dessen Balkon ein mit dem königlichen Wappenschild verzierter Teppich von Samt herabhing.

Dieses Fenster war in der That die Loge des Königs.

Es schlug halb ein Uhr aus Saint-Jean-en-Grève, als dieses Fenster, der Einlassung eines Gemäldes ähnlich, sich mit Personen füllte, die sich in einen Rahmen stellten.

Zuerst kam Heinrich III., bleich, beinahe kahl, obgleich er zu dieser Zeit erst vierunddreißig bis fünf und dreißig Jahre alt war, das Auge eingesunken in seine schwarzblaue Höhle und den Mund ganz zitternd von Nervenzuckungen.

Er erschien düster, den Blick starr, zugleich majestätisch und wankend, seltsam in seiner Haltung, seltsam in seinem Gang, mehr ein Schatten als ein Lebender, mehr ein Gespenst, als ein König, ein für seine Untertanen stets unbegreifliches und von ihnen nicht begriffenes Geheimnis, denn wenn sie ihn erscheinen sahen, wußten sie nicht, ob sie: »Es lebe der König!« rufen oder für seine Seele beten sollten.

Heinrich war in ein schwarzes Wams mit schwarzen Posamenten gekleidet; er hatte weder Orden noch Edelsteine; ein einziger Diamant, der als Agraffe für drei kurze, krause Federn diente, glänzte an seinem Toquet. Er trug in seiner linken Hand ein schwarzes Hündchen, das ihm seine Schwägerin, Maria Stuart, aus ihrem Gefängnis geschickt hatte, und auf dessen seidenem Fell seine feinen, weißen Finger wie alabasterne Finger glänzten.

Hinter ihm kam Catharina von Medici, schon vom Alter gekrümmt, denn die Königinmutter war damals sechsundsechzig bis sieben und sechzig Jahre alt; doch den Kopf trug sie noch fest und gerade; unter ihrer gewohnheitsmäßig zusammengezogenen Stirn schleuderte sie einen scharfen Blick, aber trotz dieses Blickes war ihre Erscheinung unter ihren ewigen Trauerkleidern matt und kalt wie ein Wachsbild.

In derselben Linie zeigte sich das schwermütige und sanfte Antlitz der Königin Luise von Lothringen, der scheinbar bedeutungslosen, in Wirklichkeit aber getreuen Gefährtin seines geräuschvollen und unglücklichen Lebens.

Die Königin Catharina von Medici ging einem Triumph entgegen.

Die Königin Luise wohnte einer Hinrichtung bei.

König Heinrich behandelte eine Angelegenheit.

Eine dreifache Nuance, die man auf der hochmütigen Stirn der ersten, der ergebenen der Zweiten und auf der bewölkten und gelangweilten des Dritten lesen konnte.

Hinter den erhabenen Personen, die das Volk bewunderte, kamen zwei hübsche junge Leute: der eine von kaum zwanzig, der andere von höchstens fünfundzwanzig Jahren.

Sie hielten sich am Arm, trotz der Etikette, die verbietet, daß die Menschen vor den Königen aneinander zu hängen scheinen.

Sie lächelten:

Der jüngere mit unaussprechlicher Traurigkeit, der ältere mit bezaubernder Anmut; sie waren schön, sie waren groß, sie waren Brüder.

Der jüngere hieß Henri von Joyeuse, Graf du Bouchage, der andere Herzog Anne von Joyeuse. Noch vor kurzem war er bei Hofe nur unter dem Namen d’Arques bekannt; aber der König liebte ihn über alles und hatte ihn ein Jahr zuvor, die Vicomte Joyeuse zu einem Herzogtum und zur Pairie erhebend, zum Pair gemacht.

Das Volk hegte gegen diesen Günstling keinen Haß, wie einst gegen Maugiron, Quelus, Schomberg, einen Haß, den Épernon allein geerbt.

Es empfing also den Fürsten und die beiden Brüder mit bescheidenem, aber schmeichelhaftem Zurufe.

Heinrich grüßte das Volk ernst und ohne zu lächeln, dann küßte er seinen Hund auf den Kopf.

Er wandte sich gegen die jungen Leute um und sagte zu dem Älteren:

»Lehnt Euch an die Tapete an, Anne; ermüdet Euch nicht dadurch, daß Ihr stehenbleibt; es wird vielleicht lange dauern.«

»Ich hoffe es,« unterbrach ihn Catharina, »lange und gut, Sire.«

»Ihr glaubt also, Salcède werde sprechen, meine Mutter?«

»Gott wird hoffentlich unseren Feinden diese Verwirrung geben. Ich sage unseren Feinden, denn es sind auch Eure Feinde, meine Tochter,« fügte sie bei, indem sie sich an die Königin wandte, welche erbleichte und ihr sanftes Auge senkte.

Der König schüttelte den Kopf mit einer Gebärde des Zweifels.

Dann wandte er sich wieder zu Joyeuse um und sagte, als er sah, daß dieser trotz seiner Aufforderung immer noch stand:

»Nun, Anne, tut, was ich gesagt habe, lehnt Euch mit dem Rücken an die Wand oder stützt Euch mit den Ellenbogen auf meinen Stuhl.«

»Eure Majestät ist in der Tat zu gut, und ich werde nur von der Erlaubnis Gebrauch machen, wenn ich wirklich müde bin.«

»Und wir werden nicht warten, bis Du es bist, nicht wahr, mein Bruder,« sagte Henri ganz leise.

»Seid unbesorgt,« erwiederte Anne mehr mit den Augen als mit der Stimme.

»Mein Sohn, sehe ich nicht ein Getümmel dort an der Ecke des Quai?« fragte Catharina.

»Welch ein scharfes Gesicht, meine Mutter! In der Tat, ich glaube, Ihr habt recht. Oh! wie schlimm sind meine Augen, und ich bin doch nicht alt.«

»Sire,« sagte Joyeuse, »dieser Tumult rührt vom Zurückdrängen des Volkes durch die Kompagnie der Bogenschützen her. Sicherlich kommt der Verurteilte.«

»Wie schmeichelhaft ist es für Könige, einen Menschen vierteilen zu sehen, der in seinen Adern einen Tropfen königlichen Blutes hat,« sagte Catharina von Medicis.

Und bei diesen Worten ließ sie ihren Blick auf Luise ruhen.

»Oh! Madame, verzeiht, schont mich,« versetzte die junge Königin mit einer Verzweiflung, die sie vergebens zu verbergen suchte, »nein, dieses Ungeheuer gehört nicht zu meiner Familie, und Ihr wolltet nicht sagen, es sei von derselben.«

»Gewiß nicht,« sagte der König, »ich bin überzeugt, daß meine Mutter dies nicht sagen wollte.«

»Ei!« erwiderte Catharina mit Bitterkeit, »er hält zu den Lothringern, und die Lothringer sind die Eurigen, Madame; ich denke es wenigstens. Dieser Salcède berührt Euch also an und zwar ziemlich nahe.«

»Das heißt,« unterbrach sie Joyeuse mit einer ehrenhaften Entrüstung, die der hervorstechende Zug seines Charakters war und bei jeder Veranlassung gegen denjenigen, welcher sie gereizt, wer es auch sein mochte, losbrach, das heißt, »er berührt vielleicht Herrn von Guise, aber keineswegs die Königin von Frankreich.«

»Ah! Ihr seid da, Herr von Joyeuse,« sagte Catharina mit unbeschreiblichem Hochmut und mit einer Demüthigung einen Widerspruch zurückbezahlend. »Ah! Ihr seid da? Ich hatte Euch nicht gesehen.«

»Ich bin da, nicht nur mit Bewilligung, sondern auf Befehl des Königs, Madame,« antwortete Joyeuse, Heinrich mit dem Blick befragend. »Es ist nicht so ergötzlich, einen Menschen vierteilen zu sehen, daß ich zu einem solchen Schauspiel kommen sollte, wenn ich nicht dazu genötigt wäre.«

»Joyeuse hat recht, Madame,« sagte Heinrich, »es handelt sich hier nicht um Lothringer, nicht um Guise und besonders nicht um die Königin; es handelt sich darum, Herrn von Salcède, einen Mörder, der meinen Bruder töten wollte, in vier Stücke zerreißen zu sehen.«

»Ich habe heute wenig Glück,« sagte Catharina, plötzlich nachgebend, was ihre geschickteste Taktik war, »ich mache, daß meine Tochter weint, und Gott verzeihe mir, ich glaube, ich bewirke auch, daß Herr von Joyeuse lacht.«

»Ah! Madame,« rief Luise, Catharinas Hände ergreifend, »ist es möglich, daß sich Eure Majestät so in meinem Schmerze täuscht?«

»Und in meiner tiefen Ehrfurcht?« fügte Anne von Joyeuse bei und verbeugte sich auf den Arm des königlichen Lehnstuhles.

»Es ist wahr, es ist wahr,« versetzte Catharina, einen letzten Pfeil in das Herz ihrer Schwiegertochter abdrückend. »Ich sollte wissen, wie peinlich es Euch ist, mein liebes Kind, die Complotte Eurer Verwandten von Lothringen enthüllen zu sehen, und obgleich Ihr nichts dafür könnt, leidet Ihr doch durch diese Verwandtschaft.«

»Ah! Was das betrifft, meine Mutter, das ist ein wenig wahr,« sagte der König, der Jedermann in Einklang zu bringen suchte, »denn diesmal wissen wir, woran wir uns in Beziehung auf die Theilnahme von Herrn von Guise an dem Complott zu halten haben.«

»Aber Sire,« sprach Louise von Lothringen, kühner, als sie es bis jetzt gethan hatte, »Eure Majestät weiß wohl, daß ich, als ich Königin von Frankreich wurde, meine Verwandten ganz unten am Throne gelassen habe.«

»Oh!« rief Anne von Joyeuse, »Ihr seht wohl, daß ich mich nicht täuschte, Sire, der Missetäter erscheint auf dem Platz. Teufel! welch ein gemeines Gesicht!«

»Er hat Angst,« sagte Catharina, »er wird sprechen.«

»Wenn er die Kraft dazu hat,« entgegnete der König. »Seht doch, meine Mutter, sein Kopf wankt wie der eines Leichnams.«

»Ich wiederhole,« versetzte Joyeuse, »er ist abscheulich.«

»Wie soll ein Mensch schön sein, dessen Inneres so häßlich ist? Habe ich Euch nicht die geheimen gegenseitigen Beziehungen des Physischen und Moralischen erklärt, Anne, wie Hippokrates und Galenus dieselben verstanden und erklärten?«

»Ich sage nicht nein, Sire, aber ich bin kein Jünger von Eurer Stärke, und ich habe zuweilen gesehen, daß äußerst häßliche Menschen sehr tapfere Soldaten waren. Nicht wahr, Henri?«

Anne wandte sich nach seinem Bruder um, als wollte er dessen Beifall zu Hilfe rufen; doch Henri schaute ohne zu sehen, horchte, ohne zu hören; er war in tiefe Träumerei versunken, der König antwortete daher für ihn.

»Ei, mein Gott! mein lieber Anne,« rief er, »wer sagt, daß jener dort nicht tapfer sei? Er ist es wie ein Bär, wie ein Wolf, wie eine Schlange. Erinnert Ihr Euch nicht seiner Manieren? Er hat in seinem Hause einen normannischen Edelmann, seinen Feind, verbrannt. Er hat sich zehnmal geschlagen und drei von seinen Gegnern getötet; man hat ihn beim Falschmünzen ertappt und deshalb zum Tode verurteilt.«

»Wobei er sodann durch die Vermittelung des Herrn Herzog von Guise, Eures Vetters, meine Tochter, begnadigt worden ist,« sagte Catharina de Medicis.

Diesmal war Louise von Lothringen mit ihren Kräften zu Ende; sie vermochte nur einen Seufzer auszustoßen.

»Das ist ein wohlerfülltes Dasein, welches bald sein Ende erreichen wird,« sagte Joyeuse.

»Herr von Joyeuse, ich hoffe im Gegenteil, es wird so langsam wie möglich endigen,« sagte Catharina.

»Madame,« erwiderte Joyeuse, den Kopf schüttelnd, »die Pferde, die ich dort unter jenem Wetterdache sehe, kommen mir so kräftig und ungeduldig vor, ganz unbeschäftigt stehen bleiben zu sollen, daß ich nicht an einen sehr langen Widerstand der Muskeln, Nerven und Sehnen des Herrn von Salcède glaube.«

»Ja, wenn man nicht für den Fall vorhersehen würde,« versetzte Catharina mit jenem Lächeln, das nur ihr angehörte, »doch, mein Sohn ist barmherzig, er wird den Knechten Befehle geben, daß sie sachte ziehen.«

»Aber, Madame,« warf die Königin schüchtern ein, »ich habe Euch diesen Morgen zu Frau von Mercœur sagen hören, dieser Unglückliche würde nur zwei Züge auszuhalten haben.«

»Von Herzen gern, wenn er sich gut benimmt,« erwiderte Catharina, »dann wird er so rasch wie möglich abgefertigt werden; doch Ihr versteht, meine Tochter, und ich wollte, Ihr würdet es ihm sagen lassen, da Ihr Euch für ihn interessiert, er halte sich gut, das ist seine Sache.«

»Madame,« sprach die Königin, »Gott hat mir nicht wie Euch die Stärke verliehen, und ich habe somit nicht viel Muth, leiden zu sehen.«

»So werdet Ihr es nicht anschauen.«

Louise schwieg.

Der König hatte nichts gehört; er war ganz Auge, denn man beschäftigte sich damit, den Missethäter vom Karren zu nehmen, der ihn gebracht hatte, um ihn auf das kleine Schaffot zu legen.

Während dieser Zeit hatten die Hellebardiere, die Bogenschützen und die Schweizer den Raum beträchtlich erweitert, und es herrschte nun rings um das Schafott eine Leere, welche groß genug war, daß alle Blicke Salcèdes trotz der geringen Erhöhung des Blutgerüstes unterscheiden konnten.

Salcède mochte ungefähr vierunddreißig bis fünf und dreißig Jahre alt sein, er war stark und kräftig; seine bleichen Gesichtszüge, worauf einige Schweiß- und Blutstropfen perlten, belebten sich, wenn er umherschaute, durch einen unbeschreiblichen Ausdruck bald der Hoffnung, bald der Angst.

Gleich Anfangs warf er seine Blicke nach der königlichen Loge; aber sein Auge verweilte nicht hier, als hätte er begriffen, daß ihm aus derselben statt der Rettung der Tod zukam.

Er ging auf die Menge über; im Schoße dieses stürmischen Meeres wühlte er mit seinen glühenden Augen und mit seiner am Rande seiner Lippen zitternden Seele.

Die Menge schwieg.

Salcède war kein gemeiner Mörder, Salcède war vor allem von guter Geburt; da Catharina de Medicis, welche sich um so mehr auf die Genealogie verstand, als sie pfui darüber zu machen schien, einen Tropfen königlichen Blutes in seinen Adern entdeckt hatte; dabei war er ein Kapitän von einigem Rufe gewesen. Nun durch einen schmählichen Strick gebunden, hatte diese Hand einst mutig das Schwert geführt; dieser bleiche Kopf, auf dem sich die Schrecknisse des Todes abmalten, Schrecknisse, die der Missetäter ohne Zweifel in der tiefsten Tiefe seiner Seele verschlossen haben würde, wenn die Hoffnung nicht zu viel Platz eingenommen hätte, dieser bleiche Kopf hatte großartige Pläne beherbergt.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß Salcède für viele Zuschauer ein Held war; für viele andere ein Opfer; wohl betrachteten ihn Einige als einen Mörder, aber die Menge hat stets Mühe in ihrer Verachtung in die Reihen gemeiner Mörder diejenigen zuzulassen, welche große Morde versucht haben, die das Buch der Geschichte gleichzeitig mit dem der Justiz einträgt.

Man erzählte sich in der Menge, Salcède sei aus einem Kriegergeschlechte geboren; sein Vater habe heftig den Kardinal von Lothringen bekämpft, was ihm in der Metzelei in der Bartholomäusnacht einen glorreichen Tod eingetragen, der Sohn aber habe, diesen Tod vergessend oder vielmehr seinen Haß einem Ehrgeize opfernd, für den der große Haufe immer eine gewisse Sympathie hegt, einen Vertrag mit Spanien und mit den Guisen eingegangen, um in Flandern die wachsende Souveränität des bei den Franzosen so sehr verhaßten Herzogs von Anjou zu vernichten.

Man sprach ferner von seiner Verbindung mit Baza und Balouin, den angeblichen Urhebern des Komplotts, das den Herzog Franz, den Bruder Heinrichs III., beinahe das Leben gekostet hätte; man führte die Gewandheit an, welche Salcède bei diesem ganzen Prozesse entwickelt hatte, um dem Rade, dem Galgen oder dem Scheiterhaufen zu entgehen, worauf noch das Blut seiner Genossen rauchte; allein hatte er durch falsche, sehr künstliche Geständnisse, sagten die Lothringer, seine Richter so sehr geködert, daß der Herzog von Anjou, um mehr zu erfahren, für den Augenblick sein Leben verschonte und ihn in nach Frankreich führen ließ, statt ihn in Antwerpen oder Brüssel enthaupten zu lassen; allerdings gelangte er am Ende zu demselben Resultat; aber auf der Reise, die der Zweck seiner Geständnisse war, hoffte Salcède von seinen Parteigängern befreit und entführt zu werden; zu seinem Unglück hatte er ohne Herrn von Bellièvre gerechnet, der, mit dieser kostbaren Verwahrung betraut, so gut Wache hielt, daß weder die Spanier, noch die Lothringer, noch die Liguisten sich des Gefangenen eine Meile nähern konnten.

Salcède hoffte im Gefängnis, Salcède hoffte auf der Folter; Salcède hoffte auf dem Karren; er hoffte noch auf dem Schafott. Nicht als hätte es ihm an Muth oder Resignation gefehlt; aber er gehöhrte zu den lebhaften Wesen, die sich bis zum letzten Athemzuge mit der Hartnäckigkeit und der Stärke wehren, welche die menschliche Kraft nicht immer bei den Geistern von untergeordnetem Werthe erreicht.

Dem König entging so wenig wie dem Volk dieser beständige Gedanke von Salcède.

Catharina studierte ängstlich jede, auch die geringste Bewegung des unglücklichen jungen Mannes; aber sie war zu weit von ihm entfernt, um der Richtung seiner Blicke zu folgen und ihr fortwährendes Spiel zu bemerken.

Bei der Ankunft des Missethäters erhoben sich wie durch einen Zauber Stockwerke von Männern, Frauen und Kinder; so oft ein neuer Kopf über diesen beweglichen, aber schon von dem wachsamen Auge von Salcède gewesenen Niveau erschien, analysirte er ihn völlig in einer Prüfung von einer Secunde, welche wie eine Prüfung von einer Stunde dieser übermäßig gereizten Organisation genügte, in der die so kostbare Zeit alte Fähigkeiten verzehnfachtes oder vielleicht verhundertfachte.

Nach diesem Blick, nach diesem auf das unbekannte und neue Gesicht geschleuderten Blitz, wurde Salcède wieder düster und wandte seine Aufmerksamkeit einer andern Seite zu.

Der Henker fing indessen an, sich seiner zu bemächtigen, und band ihn mitten um den Leib auf den Mittelpunkt des Schaffots.

Auf ein Zeichen von Meister Tranchon, dem Lieutenant vom Stadtgericht und Comrnandanten der Hinrichtung, waren schon zwei Bogenschützen durch die Menge gedrungen, um die Pferde zu holen.

Unter anderen Umständen oder in einer anderen Absicht hätten die Bogenschützen nicht einen Schritt in dieser kompacten Masse machen können, aber die Menge wußte, was die Bogenschützen thun wollten, und sie schloß sich noch enger an und gab Raum, wie man auf einem überfüllten Theater stets den mit wichtigen Rollen beauftragten Schauspielern Platz macht.

In diesem Augenblick entstand ein Geräusch an der Thüre der königlichen Loge, und den Vorhang aufhebend meldete der Huissier Ihren Majestäten, der Präsident Brisson und vier Räthe, von denen der eine der Berichterstatter des Prozesses, wünschten die Ehre zu haben, mit dem König über den Gegenstand der Hinrichtung eine kurze Unterredung zu pflegen.

»Das ist wunderbar,« sagte der König.

Dann sich gegen Catharina umwendend, fuhr er fort:

»Meine Mutter, Ihr werdet befriedigt werden.«

Catharina machte ein leichtes Zeichen mit dem Kopf, womit sie ihre Billigung bezeugte.

»Laßt die Herren eintreten,« sagte der König.

»Sire, eine Gnade,« sprach Joyeuse.

»Laß hören,« erwiederte der König, »vorausgesetzt, es ist nicht die Begnadigung des Verurtheilten.«

»Seid unbesorgt, Sire.«

»Nun?«

»Sire es ist ein Ding, was besonders das Gesicht meines Bruders und hauptsächlich auch das meinige verletzt: die rothen Roben und die schwarzen Roben; Eure Majestät wolle also die Güte haben, uns zu erlauben, daß wir uns zurückziehen.«

»Wie, Ihr interessiert Euch so wenig für meine Angelegenheiten, Herr von Joyeuse, daß Ihr Euch in einem solchen Augenblick entfernen zu dürfen verlangt?« rief Heinrich.

»Glaubt das nicht, Sire, Alles, was Eure Majestät berührt, ist von tiefem Interesse für mich; aber ich bin von einer erbärmlichen Organisation und die schwächste Frau ist in diesem Punkte stärker als ich. Ich kann keine Hinrichtung sehen, ohne auf acht Tage krank zu werden. Da nun aber nur ich noch bei Hofe lache, seit dem mein Bruder, ich weiß nicht warum, nicht mehr lacht, so bedenkt, was aus dem armen, jetzt schon so trübseligen Louvre werden wird, wenn es mir einfällt, ihn noch trübseliger zu machen. Habt also Gnade, Sire…«

»Du willst mich verlassen, Anne?« sagte Heinrich mit einem Ausdruck unbeschreiblicher Traurigkeit.

»Seht, Sire, Ihr fordert sehr viel; eine Hinrichtung auf der Grève, das heißt die Rache und das Schauspiel, und zwar ein Schauspiel, auf das Ihr, ganz im Gegensatze zu mir, äußerst begierig seid, die Rache und das Schauspiel genügen Euch nicht, und Ihr müßt Euch noch zugleich an der Schwäche Eurer Freunde weiden.«

»Bleibe, Joyeuse, bleibe; Du wirst sehen, daß es interessant ist.«

»Ich zweifle nicht daran; ich befürchte sogar, wie ich Eurer Majestät gesagt habe, das Interesse dürfte sich auf einen Grad steigern, wo ich es nicht mehr auszuhalten vermöchte. Ihr erlaubt mir also, Sire, nicht wahr?«

Und er machte eine Bewegung gegen die Thüre.

»Gehe,« sagte Heinrich III. seufzend, »halte es nach Deiner Phantasie, es ist mein Loos allein zu leben.«

Und der König wandte sich die Stirne gefaltet gegen seine Mutter, denn er befürchtete, sie könnte das Gespräch gehört haben, das zwischen ihm und seinem Günstling stattgefunden.

Das Gehör von Catharina war eben so fein als ihr Gesicht, wenn sie aber nicht hören wollte, so war kein Ohr härter als das ihrige.

Mittlerweilen neigte sich Joyeuse an das Ohr seines Bruders und sagte zu ihm:

»Geschwinde, geschwinde, du Bouchage, während die Räthe eintreten, schlüpfe hinter ihren großen Roben hinaus und laß uns wegschleichen; der König sagt, jetzt ja, in fünf Minuten wird er nein sagen.«

»Ich danke, mein Bruder,« erwiederte der junge Mann, »ich war wie Du, es drängte mich, wegzugehen.«

»Vorwärts, die Roben erscheinen, verschwinde zarte Nachtigall.«

Man sah in der That hinter den Herren Räthen wie zwei rasche Schatten die zwei jungen Leute entfliehen.

Hinter ihnen fiel der Vorhang mit seinen schweren Flügeln herab.

Als der König den Kopf umwandte, waren sie schon verschwunden.

Heinrich stieß einen Seufzer aus und küßte seinen kleinen Hund.

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06 aralık 2019
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