Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 42
Remy schritt nach dem Punkte des Hügels vor, der sich in der Richtung der Feuer ausstreckte, kam dann zurück und sagte, er glaube ungefähr tausend Schritte von der Stelle, wo man Fuß gefaßt, beginne eine Art von Steindamm, der in gerader Linie auf die Feuer zulaufe.
Was Remy an einen Damm, oder wenigstens an seinen Weg glauben ließ, war eine doppelte, gerade und regelmäßige Linie von Bäumen.
Henri machte auch seine Bemerkungen, sie standen mit denen von Remy im Einklang, aber man mußte unter diesen Umständen viel dem Zufall anheimstellen.
Auf der Abhängigkeit der Fläche fortrollend, hatte sie das Wasser links von ihrer Straße geworfen und einen beträchtlichen Winkel beschreiben lassen. Dem wahnsinnigen Laufe ihrer Pferde beigefügt, benahm ihnen dieses Abweichen jedes Mittel, sich zu orientiren.
Wohl kam der Tag, aber wolkig und ganz mit Nebeln beladen; bei hellem Wetter, bei einem reinen Himmel hätte man den Glockenthurm von Mecheln gesehen, wovon man nur noch zwei Meilen entfernt sein konnte.
»Nun, Herr Graf,« fragte Remy, »was denkt Ihr von diesen Feuern?«
»Diese Feuer, die ein gastliches Obdach zu bieten scheinen, kommen mir drohend vor, ich mißtraue ihnen.«
»Und warum dies?«
»Remy,« sprach Henri die Stimme dämpfend, »seht alle diese Leichname: es sind lauter Franzosen, nicht einer ist ein Flamänder; sie kündigen uns ein großes Unglück an; die Dämme sind durchbrochen worden, um die französische Armee vollends zu vernichten, wenn sie besiegt worden ist, um die Wirkung ihres Sieges zu zerstören, wenn sie triumphirt hat; warum sollten diese Feuer nicht ebensowohl von den Feinden als von den Freunden angezündet sein, oder warum wären sie nicht ganz einfach eine List, welche die Flüchtlinge anzulocken bezweckte?«
»Doch wir können nicht hier bleiben,« entgegnet Remy; »die Kälte und der Hunger würden meine Gebieterin tödten.«
»Ihr habt Recht, Remy,»sprach der Graf; »bleib hier bei ihr, ich werde den Hafendamm zu erreichen suche und Euch Nachricht bringen.«
»Nein, Herr,»sagte die Dame, »Ihr sollt Euch nicht allein der Gefahr aussetzen: wir haben uns an einander gerettet und werden mit einander sterben. Remy Euren Arm, ich bin bereit.«
Jedes von den Worten dieses seltsamen Geschöpfes hatte einen unwiderstehlichen Ausdruck einer Macht, da Niemand auch nur einen Augenblick sich zu widersetzen den Gedanken hatte.
Henri verbeugte sich und ging voran.
Die Ueberschwemmung war ruhiger, der Damm, der auf den Hügel zulief, bildete eine Art von Bucht, worin das Wasser still stand. Alle drei stiegen in das kleine Schiff, und dieses wurde abermals mitten unter die schwimmenden Trümmer und Leichname getrieben.
Eine Viertelstunde nachher landeten sie an den Damm.
Sie befestigten die Kette des Fahrzeugs am Fuße eines Baumes, stiegen abermals an’s Land, folgten dem Damme ungefähr eine Stunde lang, kamen zu einer Gruppe flamändischer Hütten, in deren Mitte, auf einem mit Linden bepflanzten Platz, um ein großes Feuer zwei bis dreihundert Soldaten versammelt waren, über denen die Falten eines französischen Banners flatterten.
Plötzlich belebte die Schildwache, welche ungefähr hundert Schritte vom Bivouak stand, die Lunte ihrer Muskete und rief:
»Wer da?«
»Frankreich,« antwortete Du Bouchage.
Dann wandte er sich gegen Diana um und sprach:
»Nun, Madame, seid Ihr gerettet; ich erkenne die Standarte der Gendarmen von Aunis, eines Corps von Edelleuten, bei welchem ich Freunde habe.«
Bei dem Rufe der Schildwache und der Antwort des Grafen liefen in der That einige Gendarmen den Ankömmlingen entgegen, welche doppelt gut inmitten dieses gräßlichen Unglückes aufgenommen wurden, einmal weil sie es überlebten, und dann, weil es Landsleute waren.
Henri gab sich sowohl persönlich, als dadurch zu erkennen, daß er seinen Bruder nannte. Er wurde eifrig befragt, und er erzählte auf welch eine wunderbare Weise er dem Tode entgangen war, doch ohne etwas Anderes zu sagen.
Remy und seine Gebieterin setzten sich schweigsam in eine Ecke; Henri ging zu ihnen, um sie aufzufordern, sich dem Feuer zu nähern.
Beide troffen noch von Wasser.
»Madame,« sagte er, »man wird Euch hier ehren wie in Eurem eigenen Hause; ich habe mir erlaubt, Euch eine meiner Verwandtinnen zu nennen, verzeiht mir.«
Und ohne den Dank derjenigen abzuwarten, welchen er das Leben gerettet hatte, kehrte er zu den Officieren zurück, die seiner harrten.
Remy und Diana wechselten einen Blick, der, wenn ihn der Graf gesehen hätte, der so wohl verdiente Dank für sein so muthiges und zartes Benehmen gewesen wäre.
Die Gendarmen von Aunis, von denen unsere Flüchtlinge Gastfreundschaft verlangten, hatten sich in guter Ordnung, nachdem die verworrene Flucht begonnen, und nach dem: Es rette sich, wer sich retten kann, ihrer Führer, zurückgezogen.
Ueberall, wo eine Gleichartigkeit der Lage, eine Identität des Gefühls und die Gewohnheit, mit einander zu leben, stattfinden, trifft man nicht selten die Freiwilligkeit des Handelns nach der Einheit des Gedankens.
Als sie sahen, wie ihre Führer sie verließen und die andern Regimenter durch verschiedene Mittel und Wege sich zu retten suchten, schauten sie sich gegenseitig an, schlossen ihre Reihen, statt sie zu brechen, setzten ihre Pferde in Galopp, schlugen unter Anführung von einem ihrer Fähnriche, den sie wegen seines Muthes ungemein liebten und wegen seiner Geburt in gleichem Maße achteten, den Weg nach Brüssel ein.
Wie alle Personen dieser furchtbaren Scene, sahen sie alle Fortschritte der Ueberschwemmung und wurden verfolgt von dem wüthenden Gewässer; doch das Glück wollte, daß sie auf ihrem Wege den erwähnten Flecken, eine zugleich gegen die Menschen und gegen die Elemente starke Stellung, fanden.
Die Einwohner hatten, da sie wußten, daß sie in Sicherheit waren, ihre Häuser nicht verlassen, mit Ausnahme der Frauen, der Greise und der Kinder, die sie in die Stadt schickten; die Gendarmen von Aunis fanden auch bei ihrer Ankunft Widerstand; doch der Tod brüllte hinter ihnen; sie griffen als Verzweifelte an, besiegten alle Hindernisse, verloren zehn Mann beim Angriff der Chaussée, quartierten sich aber ein und zwangen die Flamänder auszuziehen.
Eine Stunde nachher war der Flecken völlig vom Wasser umschlossen, mit Ausnahme der Chaussée, an der wir Henri und seine Gefährten haben landen sehen. Dies war es, was die Gendarmen von Aunis Du Bouchage erzählten.
»Und der Rest der Armee?« fragte Henri.
»Schaut,« erwiederte der Fähnrich, »jeden Augenblick kommen Leichname vorüber, die Eure Frage beantworten.«
»Aber… mein Bruder?« stammelte Du Bouchage mit erstickter Stimme.
»Ach! Herr Graf, wir können Euch keine sichere Nachricht von ihm geben; er hat sich geschlagen wie ein Löwe, dreimal haben wir ihn aus dem Feuer gerissen. Es ist gewiß, daß er die Schlacht überlebt hat, doch ob er auch die Ueberschwemmung überlebte, können wir Euch nicht sagen.«
Henri neigte das Haupt versank in bittere Betrachtungen.
»Und der Herzog!« fragte er plötzlich.
Der Fähnrich trat näher zu Henri und erwiederte mit leiser Stimme:
»Graf, der Herzog war einer der Ersten, die sich flüchteten. Er ritt ein weißes Pferd, ohne irgend einen andern Flecken als einen schwarzen Stern auf der Stirne. Nun haben wir so eben das Pferd unter einem Haufen von Trümmern vorüberkommen sehen; das Bein eines Reiters wurde im Steigbügel festgehalten und schwamm in der Höhe des Sattels.
»Großer Gott!« rief Henri.
»Großer Gott!« murmelte Remy, der bei den Worten des Grafen: und der Herzog! aufgestanden war, die Erzählung gehört hatte, und rasch nach seiner bleichen Gefährtin blickte.
»Hernach?« fragte der Graf.
»Ja, hernach?« stammelte Remy.
»Nun! bei dem Wirbel, den das Wasser an der Ecke dieses Dammes bildete, wagte sich einer von meinen Leuten vor, um die schwimmenden Zügel des Pferdes zu ergreifen; er erreichte es und hob das todte Thier in die Höhe. Wir sahen nun den weißen Stiefel und den goldenen Sporn, den der Herzog trug, erscheinen. Doch in demselben Augenblick schwoll das Wasser an, als wäre es entrüstet, sich seine Beute entreißen zu sehen. Mein Gendarme ließ das Pferd los, um nicht fortgerissen zu werden; Alles verschwand. Wir werden nicht einmal den Trost haben, unserem Prinzen ein christliches Begräbniß zu geben.«
»Todt! er ist auch todt! der Erbe der Krone, welch ein Unglück!«
Remy wandte sich gegen seine Gefährtin um sprach mit einem unbeschreiblichen Ausdruck:
»Ihr seht, Madame, er ist todt.«
»Der Herr sei gelobt, daß er mir ein Verbrechen erspart,« erwiederte sie indem sie zum Zeichen des Dankes die Augen und die Hände zum Himmel erhob.
»Ja, doch er entzieht uns die Rache,« erwiederte Remy.
»Gott hat stets das Recht, sich zu erinnern. Die Rache gehört nur dem Menschen, wenn Gott vergißt.«
Der Graf sah mit einer Art von Schrecken die Exaltation dieser seltsamen Menschen, die er vom Tode errettet hatte; er beobachtete sie und suchte vergebens, um sich eine Idee von ihren Wünschen Befürchtungen zu machen, ihre Geberden und den Ausdruck ihrer Physiognomie zu erklären.
Die Stimme des Fähnrichs entriß ihn seiner Betrachtung.
»Doch Ihr selbst, Graf,« fragte dieser, »was gedenkt Ihr zu machen?«
Der Graf bebte.
»Ich?« sagte er.
»Ja, Ihr.«
»Ich werde hier warten, bis der Körper meines Bruders an mir vorüberkommt,« erwiederte der junge Mann im Tone düsterer Verzweiflung, »dann werde ich ihn auch an das Land zu ziehen suchen, um ihm ein christliches Begräbniß zu geben, glaubt mir, wenn ich ihn einmal habe, verlasse ich ihn nicht mehr.«
Diese finsteren Worte wurden von Remy gehört, und er richtete an den jungen Mann einen Blick voll liebevoller Vorwürfe.
Die Dame aber hörte nicht mehr, seitdem der Fähnrich den Tod des Herzogs von Anjou verkündigt hatte, sie betete.
Drittes Kapitel
Verklärung
Nachdem sie gebetet, erhob sich die Gefährtin von Remy so schön und so strahlend, daß dem Grafen ein, Ausruf des Erstaunens und der Bewunderung entschlüpfte.
Sie schien aus einem langen Schlafe zu erwachen, dessen Träume ihr Gehirn ermüdet, die Heiterkeit ihrer Züge gestört hätten, aus einem bleiernen Schlaf, der der feuchten Stirne des Schläfers die chimären Qualen seines Traumes aufprägt.
Oder es war des Jairi Tochter, wie sie an ihrem Grabe vom Tod erweckt wurde, und sich schon geläutert und für den Himmel bereit von ihrem Sterbelager erhob.
Aus dieser Lethargie hervorgehend, ließ die junge Frau einen so sanften, so milden Blick, einen Blick voll so engelischer Güte umhergehen, daß sich Henri, leichtgläubig wie alle Liebende, einbildete, er sehe, wie sie endlich von seinen Leiden erweicht werde und einem Gefühle, wenn nicht des Wohlwollens, doch wenigstens der Dankbarkeit des Mitleids nachgebe.
Während die Gendarmen nach ihrem einfachen Mahl da und dort unter dem Schutte schliefen, während auch Remy sich dem Schlummer hin gab sein müdes Haupt auf den Querbalken einer Schranke stützte, an welche seine Bank angelehnt war, stellte sich Henri zu der jungen Frau und sprach mit einer so tiefen und so sanften Stimme, daß es das Gemurmel des Windes zu sein, schien.
»Edle Frau, Ihr lebt! Oh! laßt mich Euch die Freude aussprechen, die aus meinem Herzen überströmt, da ich Euch hier in Sicherheit sehe, nachdem ich Euch dort auf der Schwelle des Grabes gesehen.«
»Es ist wahr, mein Herr,« erwiederte die Dame, »ich lebe durch Euch; und,« fügte sie mit einem traurigen Lächeln bei, »und ich möchte Euch sagen können, ich sei dankbar.«
»Nun, Madame,« sprach Henri mit einer erhabenen Anstrengung der Liebe und der Selbstverleugnung, »wenn es mir nur gelungen wäre, Euch zu retten, um Euch denjenigen zurückzugeben, welche Euch lieben.«
»Was sagt Ihr?« fragte die Dame.
»Denjenigen, zu welchen Ihr Euch durch so viele Gefahren begeben wolltet.«
»Mein Herr, die Menschen« die ich liebte, sind todt; diejenigen zu welchen ich mich begeben wollte, sind es auch.«
»Oh! Madame,« flüsterte der junge Mann, indem er sachte auf seine Kniee sank, »werft Eure Augen auf mich, der ich so viel gelitten, auf mich, der ich Euch so sehr geliebt. Oh! wendet Euch nicht ab, Ihr seid jung, Ihr seid schön wie ein Engel des Himmels. Leset in meinem Herzen, das ich Euch öffne, und Ihr werdet sehen, daß es nicht ein Atom der Liebe enthält, wie sie die anderen Menschen verstehen. Ihr glaubt mir nicht! Prüft die vergangenen Stunden, wägt sie ab, eine nach der andern, welche hat mir die Freude gegeben? welche die Hoffnung? dennoch habe ich ausgeharrt. Ihr habt mich weinen gemacht, ich habe meine Thränen getrunken; Ihr habt mich leiden gemacht, ich habe meine Schmerzen verschlungen; Ihr habt mich zum Tode getrieben, ich ging auf ihn zu, ohne mich zu beklagen. Selbst in diesem Augenblick, wo Ihr den Kopf abwendet, wo jedes meiner Worte, so glühend es auch sein mag, wie ein Tropfen eiskaltes Wasser auf Euer Herz zu fallen scheint, ist meine Seele von Euch erfüllt, und ich lebe nur, weil Ihr lebt. War ich nicht so eben nahe daran, neben Euch zu sterben? Was habe ich verlangt? nichts. Habe ich Euere Hand berührt? nie anders, als um Euch einer Todesgefahr zu entreißen. Ich hielt Euch in meinen Armen, um Euch den Wellen abzuringen, habt Ihr den Druck meiner Brust gefühlt? nein. Ich bin nur noch eine Seele und alles Andere ist in dem verzehrenden Feuer meiner Liebe geläutert worden.«
»Oh! Herr, habt Mitleid, sprecht nicht so.«
»Auch aus Mitleid verdammt mich nicht. Man hat mir gesagt, Ihr liebet Niemand; oh! wiederholt mir diese Versicherung: es ist eine seltsame Gunst, nicht wahr, für einen Menschen, der liebt, sagen zu hören, er werde nicht geliebt? Doch ich ziehe das vor, da Ihr mir zugleich sagt, Ihr seid unempfindlich für Alle. Oh! Ihr, die Ihr die einzige Anbetung meines Lebens seid, antwortet mir.«
Trotz des Drängens von Henry, war ein Seufzer die einzige Antwort der jungen Frau.
»Ihr sagt mir nichts,« fuhr der Graf fort. »Remy hatte wenigstens mehr Mitleid mit mir, als Ihr; er suchte mich wenigstens zu trösten! Ah! ich sehe, Ihr antwortet mir nicht, weil Ihr mir nicht sagen wollt, Ihr habet in Flandern Einen aufgesucht, der glücklicher als ich, der ich doch so jung bin; als ich, der ich in meinem Leben einen Theil der Hoffnungen meines Bruders trage; als ich, der ich zu Euren Füßen sterbe, ohne daß Ihr zu mir sagt: »»Ich habe geliebt, aber ich liebe nicht mehr; oder wohl ich liebe, aber ich werde zu lieben aufhören.««
»Herr Graf,« erwiederte die junge Frau mit einer majestätischen Feierlichkeit, »sagt mir nicht solche Dinge, wie man sie einer Frau sagt; ich bin ein Wesen einer andern Welt und lebe nicht in dieser; hätte ich nicht für Euch im Grunde meines Herzens das zärtliche, süße Lächeln einer Schwester für ihren Bruder, so würde ich zu Euch sprechen: »»Steht auf, Herr Graf, und belästigt nicht mehr Ohren, welche einen Abscheu vor jedem Liebeswort haben.«« Doch ich werde nicht so zu Euch sprechen, denn es schmerzt mich, Euch leiden zu sehen. Mehr noch: nun, da ich Euch kenne, nehme ich Eure Hand, lege sie auf mein Herz, und sage Euch freiwillig: »»Seht, mein Herz schlägt nicht mehr; lebt bei mir, wenn Ihr wollt, und wohnt Tag für Tag, wenn es Euch Freude macht, der schmerzlichen Zerstörung eines durch die Martern der Seele getödteten Körpers bei.«« Doch dieses Opfer, das Ihr als ein Glück hinnehmen würdet, ich bin es fest überzeugt. . .«
»Oh! ja,« rief Henri.
»Wohl! dieses Opfer muß ich zurückweisen; es hat etwas heute sich in meinem Leben verändert, und ich habe nicht mehr das Recht, mich auf irgend einen Arm der Welt zu stützen, nicht einmal auf den dieses edlen Geschöpfes, dieses hochherzigen Freundes, der dort ruht und sich einen Augenblick des Glückes, zu vergessen, erfreut. Ach! armer Remy,« fuhr sie fort, indem sie ihrer Stimme die erste Biegung des Gefühls gab, welche Henri bei ihr wahrgenommen hatte, »armer Remy, Dein Erwachen wird auch traurig sein; Du folgst nicht den Fortschritten meines Gedankens, Du liesest nicht in meinen Augen, Du weißt nicht, daß Du, aus Deinem Schlummer erwachend, Dich allein auf Erden finden wirst, denn allein muß ich zu Gott aufsteigen.«
»Was sagt Ihr?« rief Henri, »denkt Ihr denn auch daran, zu sterben?«
Durch den schmerzlichen Schrei des jungen Grafen aufgeweckt, erhob Remy den Kopf und horchte.
»Ihr habt mich beten sehen?« fuhr die junge Frau fort.
Henri machte ein bejahendes Zeichen.
»Dieses Gebet war mein Abschied von der Erde; die Freude die Ihr auf meinem Antlitz wahrgenommen, die Freude, die mich in diesem Augenblick überströmt, ist dieselbe, die Ihr an mir wahrnehmen würdet, wenn der Engel des Todes zu mir spräche: »»Erhebe Dich, Diana, und folge mir zu den Füßen Gottes!««
»Diana! Diana!« flüsterte Henri, »ich weiß nun, wie Ihr heißt … Diana, ein theurer, ein angebeteter Name!…«
Und der Unglückliche legte sich zu den Füßen der jungen Frau nieder, wiederholte diesen Namen mit der Trunkenheit eines unsäglichen Glückes.
»Oh! stille,« sprach die junge Frau mit ihrem feierlichen Tone, »vergeßt diesen Namen, der mir entschlüpft ist; kein Lebendiger hat das Recht, mir ihn aussprechend das Herz zu durchbohren.«
»Oh! Madame,« rief Henri; »nun, da ich Euren Namen weiß, sagt mir nicht, daß Ihr sterben wollt.«
»Ich sage das nicht,« erwiederte die junge Frau; »ich sage, daß ich diese Welt der Thränen, des Hasses, finsterer Leidenschaften, gemeiner Interessen und namenloser Begierden verlassen werde, ich sage, daß ich nichts mehr zu thun habe unter den Geschöpfen, welche Gott als meines Gleichen geschaffen hatte; ich habe keine Thränen mehr in den Augen, das Blut macht mein Herz nicht mehr schlagen, mein Kopf erzeugt nicht einen einzigen Gedanken mehr, seitdem der Gedanke, der ihn ganz und gar erfüllte, todt ist; ich bin nur noch ein werthloses Opfer, da ich, nichts mehr opfere, weder Wünsche noch Hoffnungen, indem ich auf diese Welt verzichte; doch so, wie ich bin, biete ich mich dem Herrn: er wird mich barmherzig aufnehmen, er, der mich so viel hat leiden lassen, der nicht wollte, daß ich meinem Leiden unterliege.«
Remy, der diese Worte gehört hatte, stand auf, ging gerade auf seine Gebieterin zu und fragte mit düsterem Tone:
»Ihr verlaßt mich?«
»Um zu Gott zu gehen,« erwiederte Diana, und hob zum Himmel ihre Hand, so bleich und abgemagert wie die der Magdalena, empor.
»Es ist wahr,« sprach Remy und ließ sein Haupt auf seine Brust fallen, »es ist wahr.«
Und als Diana ihre Hand senkte, nahm er sie in seine Arme und drückte sie an seine Brust, wie er es mit der Reliquie einer Heiligen gethan hätte.
»Oh! was bin ich gegen diese zwei Herzen,« seufzte der junge Mann mit dem Schauer der Angst.
»Ihr seid,« erwiederte Diana, »Ihr seid das einzige menschliche Geschöpf, auf das ich zweimal meine Augen geheftet, seitdem ich meine Augen sich für immer zu schließen verurtheilt habe.«
Henri kniete nieder sprach:
»Ich danke, edle Frau, Ihr habt Euch mir ganz gar geoffenbart; ich danke, ich sehe klar meine Bestimmung; von dieser Stunde an sollen kein Wort mehr von meinem Munde, kein Athemzug meines Herzens in mir denjenigen verrathen, welcher Euch liebte. Ihr gehört dem Herrn, edle Frau, auf Gott bin ich nicht eifersüchtig.«
Er sprach es erhob sich, durchdrungen von dem wiedergebährenden Zauber, der jeden großen und unerschütterlichen Entschluß begleitet, als auf der noch mit Dünsten, die sich immer mehr aufklärten, bedeckten Ebene der Lärm entfernter Trompeten erscholl.
Die Gendarmen sprangen nach ihren Waffen und waren zu Pferde, ehe man den Befehl gegeben.
Henri horchte.
»Meine Herren,« rief er, »es sind die Trompeten des Admirals, mein Gott und Herr! ich erkenne sie, möchten sie meinen Bruder verkünden.«
»Ihr seht wohl, daß Ihr noch etwas wünscht,« sagte Diana zum Grafen, »und daß Ihr noch Einen liebt; warum solltet Ihr denn die Verzweiflung wünschen, Kind, wie diejenigen, welche nichts mehr wünschen und verlangen, wie diejenigen, welche Niemand mehr lieben.«
»Ein Pferd!« rief Henri, »man leihe mir ein Pferd!«
»Aber wo wollt Ihr denn hinaus, da uns das Wasser von allen Seiten umgibt?« fragte der Fähnrich.
»Ihr seht wohl, daß die Ebene zugänglich ist; Ihr seht, daß sie marschiren, da ihre Trompeten erschallen.«
»Steigt oben auf die Chaussée Herr Graf,« sagte der Fähnrich, »das Wetter hellt sich auf, und Ihr könnt vielleicht sehen.«
»Ich gehe,« sprach der junge Mann.
»Henri begab sich wirklich nach der von dem Fähnrich bezeichneten Anhöhe; die Trompeten erschollen immer noch in Zwischenräumen, ohne sich zu nähern oder zu entfernen.
Remy hatte wieder seinen Platz bei Diana eingenommen.