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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 41

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»Oh! mein Leben, mein Leben ist nichts.«

»Es ist im Gegentheil Alles, gnädige Frau, wenn das Leben einen Zweck hat.«

»Nun! was schlagt Ihr vor? Denkt und handelt für mich Remy; Ihr wißt, daß mein Geist nicht auf dieser Erde ist.«

»Dann bleiben wir hier, wenn Ihr mir glauben wollt,« sprach der Diener, »ich sehe viele Häuser, welche ein sicheres Obdach bieten können; ich habe Waffen, wir werden uns vertheidigen oder uns verbergen, je nach dem ich uns für stark genug oder für zu schwach schätzen werde.«

»Nein, Remy, nein, ich muß weiter gehen, nichts soll mich aufhalten,« erwiederte die Dame den Kopf schüttelnd, »ich würde nur für Euch Furcht bekommen, wenn ich mich überhaupt fürchten könnte.«

»Vorwärts also…« sagte Remy.

Und er ritt weiter ohne ein Wort beizufügen.

Die unbekannte Dame folgte ihm, und Henri Du Bouchage, der zu gleicher Zeit mit ihm angehalten hatte, setzte sich mit ihnen wieder in Marsch.

12tes – 15tes Bändchen

Erstes Kapitel
Das Wasser

Je mehr die Reisenden vorrückten, desto seltsamer war der Anblick des Landes.

Es sah aus, als wären die Felder Triften, verlassen wie der Flecken die Dorfes.

In der That, nirgends weideten mehr Kühe auf den Wiesen, nirgends hing die Ziege an den Seiten des Berges oder erhob sich an den Hecken, um die grünen Knospen der Brombeerstauden oder der Jungfernreben zu erreichen, nirgends waren die Herde und ihr Hirte zu sehen, nirgends der Pflug und sein Arbeiter, kein Handelsmann mehr mit dem Ballen auf dem Rücken von einer Gegend, in die andere ziehend, kein Kärrner mehr, das rauhe Lied des Mannes aus dem Norden singend, eine geräuschvolle Peitsche in der Faust neben seinem plumpen Karten einherschlendernd.

So weit sich der Blick über diese herrlichen Ebenen, an den kleinen Abhängen hin, im hohen Grase, am Saume der Wälder erstreckte, keine menschliche Gestalt, keine Stimme.

Man hätte glauben sollen, die Natur stehe am Vorabend des Tages, wo die Menschen und Thiere geschaffen wurden.

Als die Dämmerung eintrat, verlangte Henri, von Staunen ergriffen, von der Luft, von den Bäumen, von den fernen Horizonten, von den Wolken sogar die Erklärung dieses unheilschwangeren Phänomens.

Die einzigen Personen, welche diese düstere Einsamkeit belebten, waren, sich von der purpurnen Tinte der untergehenden Sonne abhebend, Remy seine Gefährtin, welche sich neigte, um zu horchen, ob nicht ein Geräusch zu ihnen käme; dann hinten, hundert Schritte von ihnen die Gestalt von Henri, der beständig dieselbe Entfernung dieselbe Haltung behauptete.

Die Nacht senkte sich finster kalt herab, der Nordostwind pfiff durch die Luft erfüllte diese Verödung mit einem Geräusch, das drohender erschien, als das Stillschweigen.

Remy hielt seine Gefährtin zurück, indem er die Hand an die Zügel ihres Pferdes legte.

»Gnädige Frau,« sagte er, »Ihr wißt, ob ich unzugänglich für die Furcht bin, Ihr wißt, ob ich einen Schritt rückwärts thun würde, um mein Leben zu retten; diesen Abend aber geht etwas Seltsames in mir vor, eine unbekannte Betäubung fesselt meine Sinne, lähmt mich verbietet mir, weiter zu gehen. Nennt es Furcht, Verzagtheit, Schrecken sogar, Madame, ich gestehe Euch, zum ersten Mal in meinem Leben habe ich… Angst.«

Die Dame wandte sich um; vielleicht waren ihr alle diese drückenden Vorzeichen entgangen, vielleicht hatte sie nichts gesehen.

»Ist er immer noch da?« fragte sie.

»Oh! von ihm ist nicht mehr die Rede,« entgegnete Remy, »ich bitte Euch, denkt nicht mehr an ihn; er ist allein ich bin wohl einem einzelnen Menschen gewachsen: Nein, die Gefahr, die ich befürchte, oder die ich vielmehr fühle, die ich ahne, mehr mit einem instinctartigen Gefühl, als mit Hilfe meiner Vernunft, diese Gefahr, welche herannaht, uns bedroht, uns vielleicht umgibt, diese Gefahr ist eine andere; sie ist unbekannt deshalb nenne ich sie eine Gefahr.«

Die Dame schüttelte den Kopf.

»Hört,« sprach Remy, »sehr Ihr dort die Weidenbäume, die ihre schwarzen Gipfel beugen?«

»Ja.«

»Neben diesen Bäumen erblicke ich ein kleines Haus; ich bitte, laßt uns dahin gehen; ist es bewohnt, so können wir leicht Gastfreundschaft verlangen; ist es nicht bewohnt, so bemächtigen wir uns desselben; oh! macht keine Einwendung, ich flehe Euch an!«

Die Bewegtheit von Remy, seine zitternde Stimme, das scharf Ueberredende seiner Worte bestimmten seine Gefährtin, nachzugeben.

Sie wandte ihr Pferd in der von Remy angegebenen Richtung.

Einige Minuten nachher klopften die Reisenden an die Thüre des unter einer Gruppe von Weidenbäumen erbauten Hauses.

Ein Bach, der sich in die Nethe, ein ungefähr eine Viertelmeile entferntes Flüßchen, ergoß, ein Bach zwischen Schilfrohr grünen Rasen bespühlte mit seinem murmelnden Wasser den Fuß der Weiden; hinter dem aus Backstein gebauten mit Ziegeln bedeckten Haus lag ein kleiner Garten mit einer lebendigen Hecke umfriedet.

Dies Alles war öde, leer, verlassen.

Niemand antwortete auf das verdoppelte Klopfen der Reisenden.

Remy zögerte nicht, er zog sein Messer schnitt einen Zweig von einem Weidenbaume ab, schob ihn zwischen die Thüre das Schloß drückte auf den Riegel.

Die Thüre öffnete sich.

Remy trat rasch ein; er ging seit einer Stunde bei Allem mit der Thätigkeit eines Menschen zu Werke, den das Fieber schüttelt. Das Schloß, ein plumpes Erzeugnis der Industrie eines benachbarten Schmiedes, hatte beinahe ohne Widerstand nachgegeben.

Remy führte feine Gefährtin hastig in das Haus, schlug die Thüre hinter ihr zu, schob einen schweren Riegel vor, athmete so verschanzt, als ob er das Leben gewonnen hätte.

Nicht zufrieden, seine Gebieterin unter Obdach gebracht zu haben, quartierte er sie in die einzige Stube des ersten Stockes ein, wo er tappend tastend ein Bett, einen Stuhl einen Tisch fand.

Ueber sie ein wenig beruhigt, stieg er wieder in das Erdgeschoß hinab beobachtete durch einen etwas geöffneten Laden durch das vergitterte Fenster die Bewegungen des Grafen, der, als er sie in das Haus eintreten sah, sich demselben sogleich näherte.

Die Betrachtungen von Henri waren finsterer Natur standen im Einklang mit denen von Remy.

»Sicherlich,« sagte er zu sich selbst, »schwebt eine uns unbekannte, aber den Bewohnern bekannte Gefahr über dem Lande; der Krieg verheert die Gegend, die Franzosen haben Antwerpen genommen oder werden es nehmen; vom Schrecken ergriffen haben die Bauern eine Zuflucht in den Städten gesucht.

Diese Erklärung hatte den Anschein der Wahrheit, befriedigte aber den jungen Mann nicht.

Sie führte ihn übrigens zu einer andern Ordnung, von Gedanken zurück.

»Was machen Remy und seine Herrin hier?« fragte er sich. »Welche gebieterische Nothwendigkeit treibt sie dieser Gefahr entgegen? Oh! ich werde es erfahren, denn der Augenblick, zu sprechen allen meinen Zweifeln ein Ende zu machen, ist nun gekommen. Nirgends hat sich noch eine so schöne Gelegenheit gezeigt.«

Und er ging auf das Haus zu.

Doch plötzlich blieb er stehen sagte mit jenem Zögern, das bei den Herzen von Liebenden so häufig bemerkbar ist:

»Nein, nein, ich werde bis zum Ende Märtyrer sein. Ist sie nicht überdies Herrin ihrer Handlungen und weiß sie, welche Fabel über sie von dem elenden Remy geschmiedet worden ist? Oh! ihm, ihm grolle ich, ihm, der mich versicherte, sie liebe Niemand. Doch wir wollen gerecht sein, durfte dieser Mensch mir zu Liebe, den er nicht kannte, die Geheimnisse seiner Gebieterin verrathen? Nein, nein! mein Unglück ist gewiß, das Schlimmste bei meinem Unglück ist, daß es von mir allein herrührt, und daß ich die Last Niemand aufbürden kann. Was ihm noch fehlt, ist die völlige Enthüllung der Wahrheit, diese Frau in das Lager kommen, ihre Arme um den Hals eines Edelmanns schlingen zu sehen und sie sagen zu hören: »»Sieh, was ich gelitten habe begreife, wie sehr ich Dich liebe.«« Nun! ich werde ihr bis dahin folgen; ich werde denjenigen sehen, welchen ich zu sehen zittere, und dann sterben; das wird der Kanone und der Muskete die Mühe ersparen. Ach! mein Gott, Du weißt es,« fügte Henri mit einer von jenen Aufschwingungen bei, wie er sie zuweilen in seinem religiösen, liebevollen Gemüthe fand, »ich suchte diese äußerste Herzensangst nicht; ich ging lächelnd einem überlegten, ruhigen, glorreichen Tod entgegen. Ich wollte auf dem Schlachtfelde fallen, mit einem Namen; auf den Lippen, dem Deinigen, mein Gott! mit einem Namen im Herzen, dem ihrigen, Du hast es nicht gewollt, Du bestimmst mich einem verzweifelten Tod voll Galle und Qualen, sei gepriesen, ich nehme ihn an.«

Dann erinnerte er sich der Tage des Wartens und der Nächte voll Bangigkeit, die er vor dem unerbittlichen Hause zugebracht hatte, fand, daß im Ganzen, abgesehen von dem Zweifel, der sein Herz zernagt, seine Lage minder grausam war, als in Paris, denn er sah sie zuweilen, er hörte den Ton ihrer Rede, den er nie gehört, und wenn er in ihrem Gefolge ritt, kamen einige von den lebhaften Aromen, welche der Frau entströmen, die man liebt, mit dem Winde zu ihm und umspielten sein Gesicht.

Die Augen auf die Hütte geheftet, wo sie eingeschlossen war, fuhr er dann fort:

»Doch in Erwartung dieses Todes und während sie in diesem kleinen Hause ruht, nehme ich die Bäume zum Obdach und beklage mich, ich, der ich ihre Stimme hören kann, wenn sie spricht, ich, der ich ihren Schatten hinter dem Fenster erblicken kann! Oh! nein, nein, ich beklage mich nicht, Herr! Herr! ich bin noch zu glücklich.«

Und er legte sich unter die Weiden, deren Zweige das Haus bedeckten und horchte mit einem unbeschreiblich schwermüthigen Gefühl auf das Gemurmel des Wassers, das an seiner Seite hinfloß.

Plötzlich bebte er, der Lärm der Kanonen erscholl auf der Nordseite und zog vom Winde getragen vorüber.

»Ah!« sagte er zu sich selbst, »ich werde zu spät kommen, man greift Antwerpen an.«

Der erste Entschluß von Henri war, aufzustehen, wieder zu Pferde zu steigen und, vom Lärmen geleitet, dahin zu eilen, wo man sich schlug; aber zu diesem Behufe mußte er die unbekannte Dame verlassen und im Zweifel sterben.

Hätte er sie nicht auf der Straße getroffen, so wäre Henri seinem Wege gefolgt, ohne einen Blick rückwärts, ohne einen Seufzer über die Vergangenheit, ohne ein Bedauern für die Zukunft; indem er sie aber getroffen, war der Zweifel in seinen Geist eingedrungen und mit dem Zweifel die Unentschlossenheit.

Er blieb.

Zwei Stunden lang lag er auf der Erde, horchte auf das auf einander folgende donnerähnliche Krachen, das sein Ohr erreichte, und fragte sich, was für ein unregelmäßiges, stärkeres Krachen es sein könnte, das von Zeit zu Zeit das andere durchschnitt.

Er vermuthete entfernt nicht, dieses Krachen werde von den in die die Luft springenden Schiffen seines Bruders verursacht.

Endlich gegen zwei Uhr wurde Alles ruhig.

Der Lärm des Geschützes war, wie es scheint, nicht in das Innere des Hauses gedrungen, oder wenn dies auch geschehen, so waren doch die einstweiligen Bewohner desselben dagegen unempfindlich geblieben.

»Zu dieser Stunde,« sagte Henri zu sich selbst, »ist Antwerpen genommen und mein Bruder ist Sieger; aber nach Antwerpen wird Gent kommen; nach Gent Brügge, und es wird mir nicht an Gelegenheit fehlen, glorreich zu sterben. Doch bevor ich sterbe, will ich wissen, was diese Frau im Lager der Franzosen sucht.

Und als nach allen diesen Bewegungen, welche die Luft erschüttert hatten, die Natur in ihre Ruhe zurückgekehrt war, kehrte auch Joyeuse, in seinen Mantel gehüllt in seine Unbeweglichkeit zurück.

Er war in jene Art von Schlaftrunkenheit versunken, der gegen das Ende der Nacht der Wille des Menschen nicht widerstehen kann, als sein Pferds das einige Schritte von ihm weidete, die Ohren spitzte und traurig wieherte.

Henri öffnete die Augen.

Aufrecht aus seinen vier Beinen, den Kopf in einer andern Richtung, als der des Körpers, athmete das Thier den Wind ein, der, da er sich gegen Morgen gedreht hatte, von Südost kam.

»Was gibt es, mein gutes Roß?« sagte der jung- Mann, indem er aufstand und seinem Pferde den Hals streichelte, »hast du eine Otter vorüberkommen sehen, die dich erschreckt, oder sehnst du dich nach dem Obdach eines guten Stalles?«

Das Thier, als hätte es die Frage verstanden und als wollte es daraus antworten, machte eine freie, lebhafte Bewegung in der Richtung von Lier und horchte, das Auge starr und die Nüstern weit geöffnet.

»Ah! ah!« murmelte Henri, »es ist ernster, wie es scheint: eine Truppe Wölfe, welche dem Heere folgt, um die Leichname zu verzehren.«

Das Pferd wieherte, senkte den Kopf und ergriff dann mit einer Bewegung rasch wie der Blitz die Flucht gegen Westen.

Doch indeß es entfloh, kam es im Bereiche der Hand seines Herrn vorüber, der es beim Zaume packte und aufhielt.

Ohne die Zügel zusammenzunehmen, faßte es Henri bei der Mähne und schwang sich in den Sattel; einmal hier, machte er sich, da er ein guter Reiter war, zum Herrn seines Pferdes und hielt es fest. Aber was das Pferd gehört hatte, fing Henri nach einem Augenblick auch an zu hören, und der Mensch erschrack, als er den Schrecken, den das rohe Thier empfunden, auch fühlte.

Ein langes Gemurmel, dem eines zugleich scharfen und schweren Windes ähnlich, erhob sich von den verschiedenen Punkten eines Halbkreises, der sich von Süden nach Norden auszudehnen schien; Stöße einer frischen wie von Wassertheilchen beladenen Brise klärten in Zwischenräumen dieses Gemurmel, das dem Geräusch steigender Fluthen auf den mit Kieselsteinen bedecktem sandigen Ufern ähnlich wurde.

»Was ist denn das?« fragte Henri, »sollte es der Wind sein? nein, denn der Wind führt mir dieses Geräusch zu, diese zwei Töne kommen mir unterschieden vor. Eine Armee auf dem Marsch vielleicht; doch nein; (er neigte sein Ohr auf die Erde); ich würde die gleichförmigen Schritte, das klirren der Rüstungen, den Lärmen der Stimmen hören. Ist es das Prasseln eines Brandes? ebenfalls nicht; denn man sieht keinen Schimmer am Horizont und der Himmel scheint sich sogar zu verdüstern.«

Das Geräusch verdoppelte sich wurde deutlich: es war das unablässige, dumpfe Rollen, wie es tausend in der Ferne auf einem sonoren Pflaster geschleppte Kanonen hervorbringen würden.

Henri glaubte einen Augenblick den Grund dieses Geräusches gefunden zu haben, indem er es der von uns erwähnten Ursache zuschrieb. Alsbald aber sagte er:

»Unmöglich, es gibt keine gepflasterte Chaussée in dieser Gegend, es gibt keine tausend Kanonen bei der Armee.«

Der Lärmen kam immer näher.

Henri setzte sein Pferd in Galopp und sprengte einer Anhöhe zu.

»Was sehe ich?« rief er, als er den Gipfel erreichte.

Was der junge Mann sah, hatte sein Pferd vor ihm gesehen, denn er hatte es nicht in dieser Richtung vorwärts bringen können, ohne ihm die Flanken mit seinen Sporen zu zerreißen, und als es den Gipfel des Hügels erreicht hatte, bäumte es sich, daß es seinen Reiter beinahe abwarf.

Was Roß Reiter sahen, war am Horizont ein blasses, ungeheures, endloses, einem Niveau ähnliches Band, das auf der Ebene vorrückte, einen unermeßlichen Kreis bildete und nach dem Meere zu ging.

Und dieses Band erweiterte sich Schritt für Schritt vor den Augen von Henri, wie ein Stoffband, das man entrollt.

Der junge Mann schaute abermals unentschlossen das seltsame Phänomen an, als er, nach dem Platze zurückblickend, den er verlassen, bemerkte, daß der Wiesgrund sich mit Wasser schwängerte, daß der kleine Fluß überströmte und unter seine ohne eine sichtbare Ursache aufgehobene Oberfläche die Rohre tauchte, welche eine Viertelstunde zuvor noch frei an seinen beiden Ufern empor gestanden waren.

Das Wasser rückte ganz sachte gegen das Haus heran.

»Ich unselig Wahnsinniger, der ich bin!« rief Henri, »ich errieth es nicht, es ist das Wasser! es ist das Wasser! die Flamänder haben ihre Dämme durchbrochen!«

Henri sprengte sogleich nach dem Hause fort, klopfte wüthend an die Thüre und rief:

»Oeffnet, öffnet!«

Niemand antwortete.

»Oeffnet, Remy,« schrie der junge Mann, wahnsinnig vor Schrecken, »ich bin es, Henri Du Bouchage, öffnet.«

»Oh! Ihr braucht Euch nicht zu nennen, Herr Graf,« erwiederte Remy aus dem Innern des Hauses, »ich habe Euch längst erkannt, doch ich sage Euch nur, wenn Ihr diese Thüre sprengt, so findet Ihr mich hinter derselben, in jeder Hand eine Pistole.«

»Du verstehst mich also nicht, Unglücklicher!« rief Henri im Tone der Verzweiflung, »das Wasser! das Wasser! es ist das Wasser!i«

»Keine Fabeln, keine Vorwände, keine schmähliche List, Herr Graf. Ich sage Euch, daß Ihr über meinen Leichnam schreiten müßt, um hereinzukommen.«

»Dann werde ich darüber schreiten, aber hineinkommen,« rief Henri. »Im Namen des Himmels, im Namen Gottes, – im Namen Deines Heils und des Heils Deiner Gebieterin, willst Du öffnen?«

»Nein.«

Der junge Mann schaute umher und erblickte einen von den homerischen Steinen, wie sie Ajax Telamonios auf seine Feinde wälzte; er hob ihn in seine Arme, von da aus seinen Kopf, lief gegen das Haus und schleuderte ihn gegen die Thüre.

Die Thüre zersprang in tausend Stücke.

Zu gleicher Zeit pfiff eine Kugel am Ohr von Henri vorüber, jedoch ohne ihn zu berühren.

Henri stürzte auf Remy los.

Remy drückte seine zweite Pistole ab, doch nur das Zündkraut fing Feuer.

»Du siehst wohl, daß ich keine Waffen habe rief Henri; »wehre Dich nicht mehr gegen einen Mann, der Dich nicht angreift schau’ nur, schau!«

Und er zog ihn nach dem Fenster, das er mit einem Faustschlag zerschmetterte.

»Nun,« sagte er, »siehst Du nun?«

Und er deutete auf die ungeheure Wassermasse, welche weiß am Horizont erschien und, während sie wie die Fronte eines riesigen Heeres vorrückte, ein dumpfes Murren und Brausen vernehmen ließ.

»Das Wasser!« murmelte Remy.

»Ja, das Wasser! das Wasser!« rief Henri; »es rückt heran; sieh zu unseren Füßen: der Fluß tritt aus, er steigt, in fünf Minuten kann man nicht mehr von hier weg.«

»Madame!« rief Remy, »Madame!«

»Kein Geschrei, keine Angst, Remy, halte die Pferde bereit, rasch, rasch.«

»Er liebt sie,« dachte Remy, »er wird sie retten.«

Remy lief in den Stall.

Henri stürzte nach der Treppe.

Bei dem Rufe von Remy hatte die Dame ihre Thüre geöffnet.

Der junge Mann hob sie in seine Arme, als wäre es ein Kind.

Aber sie glaubte, es sei Verrath oder man wolle, Gewalt brauchen, und sträubte sich aus Leibeskräften und klammerte sich an den Wänden an.

»Sage ihr doch,« rief Henry, »sage ihr doch, daß ich rette.«

Remy hörte den Ruf des jungen Mannes in dem Augenblick, wo er mit den beiden Pferden zurückkehrte.

»Ja! ja!« rief er, »ja, Madame, errettet Euch, oder vielmehr, er wird Euch retten; kommt! kommt!«

Zweites Kapitel
Die Flucht

Ohne Zeit zu verlieren, um die Dame zu beruhigen, trug sie Henri aus dem Hause und wollte sie mit sich aus sein Pferd setzen.

Doch mit einer Bewegung unüberwindlichen Widerstrebens schlüpfte sie aus diesem lebendigen Ring und wurde von Remy empfangen, der sie auf das Pferd hob, das für sie bereit stand.

»Oh! was macht Ihr denn, Madame,« sagte Henri, »und wie versteht Ihr mein Herz? Glaubt mir, es ist bei mir nicht die Rede von dem Vergnügen, Euch in meine Arme zu schließen, Euch an meine männliche Brust zu pressen, obgleich ich für diese Gunst mein Leben zu opfern bereit wäre; es handelt sich darum, so schnell wie der Vogel zu fliehen. Seht Ihr, seht Ihr, wie die Vögel fliehen.«

In der kaum entstehenden Dämmerung sah man wirklich Schaaren von Tauben und Wettervögeln die Luft mit raschem, scheuem Fluge durchschneiden, und in der Nacht, dem gewöhnlichen Gebiete der schweigsamen Fledermaus, hatte dieser durch den Wind begünstigte Flug etwas unheilvolles für das Ohr, etwas Blendendes für die Augen.

Die Dame antwortete nichts; als sie aber im Sattel war, trieb sie ihr Pferd vorwärts, ohne den Kopf umzuwenden.

Doch seit zwei Tagen zu marschiren genöthigt, waren ihr Pferd und das von Remy abgemattet.

Jeden Augenblick wandte sich Henri um, und als er sah, daß sie ihm nicht folgen konnte, rief er:

»Seht, Madame, wie mein Pferd dem Eurigen voraneilt, ich halte es doch mit beiden Händen zurück; laßt Euch erbitten, Madame, während es noch Zeit ist, ich verlange nicht mehr, Euch in meinen Armen zu halten, aber nehmt mein Pferd und laßt mir das Eurige.«

»Ich danke, mein Herr.« erwiederte die Reisende mit ihrer ruhigen Stimme, und ohne daß sich die geringste Gemüthsbewegung in ihrem Tone verrieth.

»Aber, Madame,« rief Henri, indem er verzweifelte Blicke rückwärts warf, »das Wasser erreicht uns, hört Ihr, hört Ihr?«

Man vernahm in der That in diesem Augenblick ein furchtbares Krachen; es war dies der Damm eines Dorfes, den die Ueberschwemmung durchbrochen hatte… Bohlen, Stützen, Terrasse hatten nachgegeben, eine doppelte Reihe von Grundpfählen war mit einem donnerähnlichen Lärmen zerschmettert worden, und über alle diese Trümmer hinrollend, fing das Wasser an, einen Eichenwald zu stürmen, dessen Gipfel man beben sah, dessen Aeste man krachen hörte, als ob eine Schaar von Dämonen über das Blätterwerk hinzöge.

Die entwurzelten Bäume schlugen an den Pfählen aneinander, die eingestürzten hölzernen Häuser schwammen an der Oberfläche des Wassers; das Gewieher und das entfernte Geschrei von Menschen und Pferden, welche von der Ueberschwemmung fortgerissen wurden, bildeten ein Concert von so seltsamen, so traurigen Tönen, daß der Schauer, der Henri ergriffen, bis zu dem unempfindlichen, unbezähmbaren Herzen der Unbekannten überging. Sie stachelte ihr Pferd, und dieses, als fühlte es selbst die drohende Gefahr, verdoppelte seine Anstrengungen, um ihr zu entgehen.

Doch das Wasser rückte immer weiter und weiter fort, und es mußte offenbar, ehe zehn Minuten vergingen, die Reisenden erreichen.

Jeden Augenblick hielt Henri an, um auf seine Gefährtin zu warten, und er rief ihr dann zu:

»Schneller, Madame, schneller, schneller, das Wasser kommt herbei, es läuft, hier ist es.«

Es kam in der That, schäumend, wirbelnd, brausend; es trug wie eine Feder das Haus fort, in welchem Remy seine Gebieterin untergebracht hatte; es hob wie einen Strohhalm die an dem Ufer des kleinen Flusses angebundene Barke auf, und majestätisch, ungeheuer, seine Ringe wie die einer Schlange rollend, rückte es einer Mauer ähnlich hinter den Pferden von Remy der Unbekannten heran.

Henri stieß einen Schrei des Schreckens aus und kehrte gegen das Wasser zurück, als wollte er es bekämpfen.

»Ihr seht doch, daß Ihr verloren seid,« brüllte er in Verzweiflung. »Vorwärts, Madame, vielleicht ist es noch Zeit; steigt ab, kommt mit mir, kommt.«

»Nein, mein Herr,« sprach sie.

»In einer Minute wird es zu spät sein, schaut, schaut doch.«

Die Dame wandte den Kopf um, das Wasser war ihr bis auf fünfzig Schritte nahe gekommen.

»Mein Schicksal geht in Erfüllung,« sprach sie; »Ihr, mein Herr, flieht, flieht!«

Erschöpft sank das Pferd auf seine zwei Vorderbeine und konnte sich trotz der Anstrengung seines Reiters nicht mehr erheben.

»Rettet! reitet sie! und geschehe es wider ihren Willen,« rief Remy.

Und zu gleicher Zeit, während er sich von den Steigbügeln losmachte, stürzte das Wasser wie ein riesiges Monument auf das Haupt des treuen Dieners.

Bei diesem Anblick stieß seine Gebieterin einen gräßlichen Schrei aus und sprang von ihrem Rosse, entschlossen mit Remy zu sterben.

Henri aber, als er ihre Absicht wahrnahm, sprang zu gleicher Zeit zu Boden; er umschlang ihren Leib mit einem rechten Arm, stieg wieder auf sein Pferd schoß wie ein Pfeil fort.

»Remy! Remy!« rief die Dame, ihre Arme nach diesem ausstreckend, »Remy!«

Ein Schrei antwortete ihr; Remy war wieder an die Oberfläche des Wassers gekommen, und mit der unbezähmbaren, obwohl wahnsinnigen Hoffnung, welche den Sterbenden bis an das Ende seines Todeskampfes begleitet, schwamm er von einem Balken gehalten.

Neben ihm war sein Pferd, das voll Verzweiflung mit seinen Vorderfüßen das Wasser schlug, während die Woge das Roß seiner Gebieterin erreichte vor der, Woge auf kaum zwanzig Schritte Henri seine Gefährtin auf dem dritten vor Angst wahnsinnigen Pferde nicht ritten, sondern flogen.

Remy beklagte nicht mehr den Verlust des Lebens, da er sterbend hoffte, diejenige, welche er allein liebte, wäre gerettet.

»Gott befohlen, edle Frau, Gott befohlen!« rief er; »ich gehe zuerst werde demjenigen, welcher uns erwartet, sagen, daß Ihr lebt, um. . .«

Remy vollendete nicht, ein Wasserberg schoß über seinem Kopfe hin und stürzte unter den Füßen des Pferdes von Henri nieder.

»Remy, Remy,« rief die Dame; »Remy, ich will mit Dir sterben. Mein Herr, ich will ihn erwarten. Ich will zu Boden steigen; ich will es, im Namen des lebendigen Gottes.«

Sie sprach diese Worte mit so viel Energie, mit einer solchen Macht, daß der junge Mann seine Arme löste und sie zu Boden gleiten ließ.

»Gut, Madame, wir werden alle drei hier sterben und ich danke Euch, daß Ihr mir diese Freude gewährt, auf die ich nicht gehofft hatte.«

Und während er diese Worte sprach, erreichte ihn das springende Wasser, wie es Remy erreicht hattet doch durch eine letzte Anstrengung der Liebe, hielt er am Arm die, junge Frau zurück, welche den Fuß auf die Erde gesetzt hatte. Das Wasser überwältigte sie, die wüthende Woge wälzte sie einige Secunden lang, durcheinander mit anderen Trümmern fort.

Sie bot ein erhabenes Schauspiel, die Kaltblütigkeit dieses so jungen so ergebenen Mannes, dessen ganze Büste die Wellen überragte, während er seine Gefährtin mit der Hand unterstützte, und seine Kniee, das verscheidende Pferd in seinem letzten Streben lenkend, selbst noch die äußersten Anstrengungen seines Todeskampfes zu benützen suchten.

Es war ein Augenblick furchtbaren Kampfes, wobei die Dame, durch die rechte Hand von Henri gehalten, beständig mit dem Kopf das Niveau des Wassers zu überragen suchte, während Henri mit der linken Hand die schwimmenden Balken und die Leichname, deren Stoß sein Pferd unter das Wasser getaucht oder zerschmettert hätte, auf die Seite schob.

Einer von diesen schwimmenden Körpern rief oder seufzte vielmehr, als er an ihnen vorüberkam:

»Gott befohlen, edle Frau, Gott befohlen!«

»Beim Himmel!« rief der junge Mann, »es ist Remy! Auch Dich werde ich retten.«

Und ohne die durch diesen Zuwachs an Gewicht entstehende Gefahr zu berechnen, ergriff er Remy am Aermel, zog ihn auf seinen linken Schenkel und ließ ihn frei athmen.

Doch erschöpft durch die dreifache Last sank zu gleicher Zeit das Pferd bis an den Hals, dann bis an die Augen unter, seine gelähmten Kniee bogen sich unter ihm und es verschwand gänzlich.

»Wir müssen sterben!« sprach Henri. »Mein Gott! nimm mein Leben, es war rein. Ihr, edle Frau, empfangt meine Seele, sie gehörte Euch!« fügte er bei.

In diesem Augenblick fühlte Henri, daß ihm Remy entschlüpfte, er leistete keinen Widerstand, um ihn zurückzuhalten; jeder Widerstand wurde nun vergeblich.

Es war seine einzige Sorge die Dame über dem Wasser zu halten, damit sie wenigstens zuletzt stürbe und er sich in seinem letzten Augenblick sagen könnte, er habe Alles gethan, was ihm möglich gewesen, um sie dem Tode streitig zu machen.

Plötzlich, und als er nur noch an das Sterben dachte, erscholl ein Schrei an seiner Seite.

Er wandte sich um sah Remy, der eine Barke erreicht hatte.

Diese Barke war die des kleinen Hauses, das wir vom Wasser haben aufheben sehen; das Wasser hatte sie fortgerissen, und Remy hatte sich, da er seine Kräfte durch die Unterstützung von Henri wiedererlangte, als er sie in seinem Bereiche vorüberkommen sah, keuchend von der Gruppe losgerissen, war schwimmend rasch zu ihr gelangt.

Ihre zwei Ruder waren an ihrem Bord angebunden, ein Bootshaken rollte auf dem Boden.

Er reichte den Haken Henri, der ihn ergriff und die Dame nach sich zog, die er sodann über seine Schultern erhob, wo sie Remy aus seinen Händen nahm.

Dann packte er selbst die Randleiste der Barke und stieg zu ihnen ein.

Als die ersten Strahlen des Tages am Himmel hervorbrechen, zeigten sie die überschwemmten Ebenen und die Barke, welche sich wie ein Atom auf diesem ganz mit Trümmern bedeckten Ocean schaukelte.

Ungefähr zweihundert Schritte von ihnen erhob sich links ein kleiner Hügel, der, ganz von Wasser umgeben, eine Insel inmitten des Meeres zu sein schien.

Henri ergriff die Ruder steuerte auf den Hügel zu, gegen den sie überdies die Strömung des Wassers trieb.

Remy faßte den Bootshaken und war, auf dem Vordertheile stehend, bemüht, die Balken und Bohlen wegzuschieben, an denen sich die Barke stoßen konnte.

Durch die Stärke von Henri, durch die Geschicklichkeit von Remy landete man, oder wurde man vielmehr an den Hügel geworfen.

Remy sprang zu Boden faßte die Kette der Barke, die er nach sich zog.

Henri schritt vor, um die Dame in seine Arme zu nehmen, aber sie streckte ihre Hand aus, stand allein auf und sprang ebenfalls zu Boden.

Henri stieß einen Seufzer aus; einen Augenblick, hatte er den Gedanken, sich wieder in den Abgrund zu werfen und vor ihren Augen zu sterben; doch ein unwiderstehliches Gefühl fesselte ihn an das Leben, so lange er diese Frau sah, nach deren Gegenwart er sich so viele Tage gesehnt hatte, ohne sie je zu erlangen.

Er zog die Barke auf Land und setzte sich zehn Schritte von der Dame und von Remy, leichenbleich, von einem Wasser triefend, das schmerzlicher als das Blut aus seinen Kleidern floß.

Sie waren von der dringendsten Gefahr, das heißt, vom Wasser errettet; die Ueberschwemmung, so stark sie auch war, würde nie bis zur Höhe des Hügels steigen.

Henri sah dieses rasche, brausende Wasser vorüberkommen, das Haufen von französischen Leichnamen, ihre Waffen, ihre Pferde an ihnen vorüberführte.

Remy fühlte einen heftigen Schmerz an seiner Schulter; ein schwimmender Balken hatte ihn in dem Augenblick, wo sein Pferd unter ihm versank, getroffen.

Seine Gefährtin hatte keine Wunde, sie wurde nur von der Kälte geschüttelt: Henri hatte sie vor Allem bewahrt, was er von ihr abzuwenden im Stande gewesen war.

Henri war sehr erstaunt, als er sah, daß diese zwei so wunderbar dem Tode entgangenen Wesen nur ihm dankten, und keinen Ausdruck des Dankes für Gott, den ersten Urheber ihrer Rettung, hatten.

Die junge Frau stand zuerst auf; sie bemerkte, daß man am Hintergrunde des Horizonts im Westen etwas wie Feuer durch den Nebel wahrnahm.

Es versteht sich, daß diese Feuer auf einem erhabenen Punkte brannten, den die Ueberschwemmung nicht hatte erreichen können.

So viel man bei der kalten Morgendämmerung, welche auf die Nacht folgte, beurtheilen konnte, waren diese Feuer ungefähr eine Meile entfernt.

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06 aralık 2019
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