Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 48
Zwölftes Kapitel
Die zwei Gevattern
Chicot hatte sich bei dieser Ankündigung wieder gesetzt; er wandte seiner Gewohnheit gemäß unverschämter Weise den Rücken der Thüre zu, und sein halb verschleierter Blick versenkte sich in eine von jenen inneren Betrachtungen, die bei ihm so häufig stattfanden, als die ersten Worte, die der Bote der Herren von Guise sprach, ihn beben machten.
Dem zu Folge öffnete er die Augen wieder.
Zum Glück oder zum Unglück schenkte der König, mit dem Ankömmling beschäftigt, dieser bei Chicot stets erschreckenden Kundgebung keine Aufmerksamkeit.
Der Bote stand zehn Schritte von dem Lehnstuhle, in den Chicot gekauert war, da das Profil kaum über die Garnitur des Stuhles hervorragte, so sah das Auge von Chicot den Boten gänzlich, während der Bote nur, das Auge von Chicot sehen konnte.
»Ihr kommt von Lothringen?»fragte der König den Boten, dessen Wuchs ziemlich edel, dessen Miene ziemlich kriegerisch war.
»Nein, Sire, von Soissons, wo mir der Herr Herzog, der diese Stadt seit einem Monat nicht verlassen hat, den Brief übergab, den ich zu den Füßen Eurer Majestät niederzulegen die Ehre habe.«
Das Auge von Chicot funkelte verlor nicht eine Geberde des Ankömmlings, wie seinen Ohren keines seiner Worte entging.
Der Bote öffnete sein mit silbernen Agraffen geschlossenes Koller und zog aus einer mit Seide gefütterten ledernen Tasche, welche an seinem Herzen ruhte, nicht einen, sondern zwei Briefe hervor, denn der eine zog den andern nach, an den er sich durch das Wachs seines Siegels angehängt hatte, so daß, als der Kapitän nur einen ziehen wollte, nichtsdestoweniger der zweite auf den Boden fiel.
Das Auge von Chicot folgte diesem Briefe im Flug, wie das Auge der Katze dem Vogel im Fluge folgt.
Er sah auch, wie bei dem unerwarteten Fall dieses Briefes sich eine Röthe auf den Wangen des Boten verbreitete, und wie er in Verlegenheit gerieth, um den ersten dem König zu geben und den andern aufzuheben.
Doch Heinrich sah nichts. Heinrich, ein Muster des Vertrauens – es war seine Stunde – merkte auf nichts. Er öffnete nur denjenigen von den zwei Briefen, welchen man ihm bot, las denselben.
Als der Bote den König in das Lesen vertieft sah, vertiefte er sich in die Betrachtung des Königs, auf dessen Gesicht er den Nester aller Gedanken, welche die interessante Lesung in seinem Geiste entstehen machen konnte, zu suchen schien.
»Ah! Meister Borromée! Meister Borromée!« murmelte Chicot, während er seinerseits mit den Augen jeder Bewegung des Getreuen den Herrn von Guise folgte. »Ah! Du bist Kapitän, und Du gibst dem König nur einen Brief, während Du zwei in Deiner Tasche hast; warte, mein Kind, warte.«
»Es ist gut! es ist gut!« sagte der König, indem er jede Zeile des Briefes des Herrn von Guise mit sichtbarer Zufriedenheit zum zweiten Male las, »geht, Kapitän, geht und sagt dem Herzog, ich sei ihm dankbar für sein Anerbieten.«
»Eure Majestät beehrt mich nicht mit einer geschriebenen Antwort?« fragte der Bote.
»Nein, ich werde ihn in einem Monat oder in sechs Wochen sehen, und ihm folglich selbst danken, geht.«
Der Kapitän verbeugte sich und verließ das Gemach.
»Du siehst wohl, Chicot,« sagte nun der König zu seinem Gefährten, den er immer noch in seinem Lehnstuhle glaubte, »Du siehst wohl, Herr von Guise ist rein von jeder Machination. Dieser brave Herzog, er hat die Sache von Navarra erfahren: er befürchtet, die Hugenotten könnten keck werden und das Haupt erheben, denn es ist ihm zu Ohren gekommen, die Deutschen wollen schon dem König von Navarra Verstärkung schicken. Was thut er nun? Errathe, was er thut.«
Chicot antwortete nicht: Heinrich glaubte, er erwarte seine Erklärung, fuhr fort:
»Er bietet mir die Armee an, die er in Lothringen angeworben hat, und meldet mir, in sechs Wochen werde diese Armee mit ihrem General ganz gar zu meiner Verfügung stehen. Was sagst Du dazu, Chicot?«
Völliges Stillschweigen von Seiten des Gascogners.
»In der That, mein lieber Chicot,« sprach der König, »Du hast das Alberne, daß Du halsstarrig bist wie ein spanisches Maulthier, und daß Du, wenn man das Unglück hat, Dich von einem Irrthum zu überzeugen, was häufig vorkommt, schmollst, ah! ja Du schmollst wie ein Dummkopf.«
Nicht ein Hauch widersprach Heinrich in der Meinung, die er auf eine so offenherzige Weise über seinen Freund geäußert hatte.
Es gab etwas was Heinrich noch mehr mißfiel, als der Widerspruch, dies war das Stillschweigen.
»Ich glaube, dieser Bursche hat die Frechheit gehabt, einzuschlafen,« sagte er. »Chicot,« fuhr er fort, indem er auf den Lehnstuhl zuschritt, »Dein König spricht mit Dir, willst Du antworten?«
Doch Chicot konnte nicht antworten, in Betracht, daß er nicht da war. Heinrich fand den Stuhl leer.
Seine Augen durchliefen das ganze Zimmer; der Gascogner war eben so wenig im Zimmer, als im Stuhl. Seine Haube war verschwunden wie er und mit ihm.
Der König wurde von einem abergläubischen Schauer ergriffen; es kam ihm zuweilen der Gedanke, Chicot sei ein übermenschliches Wesen, eine teuflische Incarnation, allerdings der guten Art, aber dennoch teuflisch.
Er rief Nambu.
Nambu hatte nichts mit Heinrich gemein.
Es war im Gegentheil ein starker Geist, wie es in der Regel diejenigen sind, welche die Vorzimmer der Könige hüten.
Er, der so viel gesehen, glaubte an Erscheinungen und Verschwindungen, doch an Erscheinungen und Verschwindungen von menschlichen Wesen, und nicht von Gespenstern.
Nambu versicherte Seine Majestät auf das Bestimmteste, er habe Chicot fünf Minuten vor dem Abgang des Gesandten von Monseigneur dem Herzog von Guise hinausgehen sehen. Nur sei er mit der Leichtigkeit und Vorsicht eines Menschen hinausgegangen, der nicht wolle, daß man ihn weggehen sehe.
»Offenbar,« sprach Heinrich, während er in sein Betzimmer ging, »offenbar ärgerte sich Chicot, weil er Unrecht hatte. Mein Gott! wie erbärmlich sind doch die Menschen! Ich sage das in Beziehung auf alle, selbst auf die geistreichsten.«
Nambu hatte Recht; seine Sturmhaube auf dem Kopf und sein langes Schwert an der Seite, durchschritt Chicot geräuschlos die Vorzimmer; aber so vorsichtig er auch war, mußte er doch die Sporen auf den Stufen klirren lassen, welche von den Gemächern nach der Pforte des Louvre führten, dieses Geräusch veranlaßte viele Leute, sich umzudrehen, und trug Chicot viele Verbeugungen ein, denn man kannte die Stellung von Chicot beim König, viele verbeugten sich tiefer vor Chicot, als sie es vor dem Herzog von Anjou gethan hätten.
In einer Ecke der Pforte blieb Chicot stehen, als wollte er einen Sporn befestigen.
Der Kapitän von Herrn von Guise ging, wie gesagt, kaum fünf Minuten nach Chicot weg, dem er keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er stieg die Stufen hinab und durchschritt die Höfe stolz und entzückt zugleich; stolz, weil er im Ganzen kein Soldat von schlimmem Aussehen war, weil er sich darin gefiel, seinen Anstand vor den Schweizern und den Leibwachen Seiner allerchristlichsten Majestät paradiren zu lassen; entzückt, weil ihn der König auf eine Weise empfangen hatte, aus der hervorging, daß er keinen Verdacht gegen Herrn von Guise hegte. In dem Augenblick, wo er aus der Pforte des Louvre trat und über die Zugbrücke schritt, wurde er durch ein Geklirre von Sporen erweckt, welche das Echo der seinigen zu sein schienen.
Er wandte sich um, weil er dachte, der König schicke ihm Jemand nach, und war nicht wenig erstaunt, als er unter der Sturmhaube das leutselige Gesicht und die gleißnerisch freundliche Physiognomie des Bürgers Robert Briquet erkannte.
Man erinnert sich, daß die erste Regung dieser beiden Männer in Beziehung auf einander nicht gerade eine Regung der Sympathie gewesen war.
Borromée öffnete seinen Mund auf einen halben Quadratfuß, wie Rabelais sagt, als er zu sehen glaubte, daß derjenige, welcher ihm folgte, mit ihm zu sprechen wünsche, hemmte er seinen Gang, so daß ihn Chicot mit zwei Schritten eingeholt hatte.
Man weiß übrigens, wie diese Schritte von Chicot beschaffen waren.
»Ah! mein Gott!« sagte Borromée.
»Alle Wetter!« rief Chicot.
»Mein sanfter Bürgersmann!«
»Mein ehrwürdiger Vater!«
»Mit dieser Sturmhaube!«
»Unter diesem Koller!«
»Es ist mir sehr lieb, daß ich Euch sehe.«
»Es gereicht mir zur Zufriedenheit, daß ich Euch treffe.«
Und die zwei Eisenfresser schauten sich ein paar Secunden mit dem feindlichen Zögern zweier Hähne an, welche kämpfen wollen, um einander einzuschüchtern, sich auf ihren Spornen erheben.
Borromée war der erste, der vom Ernsten zum Sanften überging.
Die Muskeln seines Gesichtes spannten sich ab, und er sagte mit einer Miene kriegerischer Offenherzigkeit und liebenswürdiger Freundlichkeit:
»Gottes Leben! Ihr seid ein schlauer Gerechter, Meister Robert Briquet.«
»Ich, mein Ehrwürdiger?« erwiederte Chicot, »ich bitte, aus welcher Veranlassung sagt Ihr mir das?«
»Aus Veranlassung des Klosters der Jacobiner, wo Ihr mich glauben machtet, Ihr wäret nur ein einfacher Bürger. Ihr müßt in der That zehnmal verschlagener und muthiger sein, als ein Procurator und ein Kapitän zusammen.«
Chicot fühlte, daß das Compliment mit den Lippen und nicht mit dem Herzen gemacht war.
»Ah! ah!« erwiederte er mit gutmüthigem Tone, »was sollen wir von Euch sagen, Seigneur Borromée?«
»Von mir?«
»Ja, von Euch.«
»Und warum?«
»Daß Ihr mich glauben machtet, Ihr wäret nur ein Mönch. Ihr müßt in der That zehnmal schlauer als der Papst selbst sein; und wenn ich dies sage, setze ich Euch nicht herab, Gevatter, denn der gegenwärtige Papst ist ein tüchtiger Luntenriecher, wie Ihr zugestehen müßt.«
»Denkt Ihr, was Ihr sagt?« fragte Borromée.
»Alle Wetter! lüge ich je?«
»Nun wohl, so nehmet sie.«
Und er reichte Chicot die Hand.
»Ah! Ihr habt mich im Kloster schlecht behandelt, Bruder Kapitän,« sagte Chicot.
»Ich hielt Euch für einen Bürgersmann, Meister, und Ihr wißt wohl, was wir Kriegsleute uns um die Bürger bekümmern.«
»Es ist wahr,« versetzte Chicot lachend, »es ist gerade wie um die Mönche, und dennoch habt Ihr mich in der Falle gefangen.«
»In der Falle?«
»Allerdings; denn unter dieser Verkleidung stelltet Ihr eine Falle. Ein braver Kapitän, wie Ihr, vertauscht nicht ohne eine wichtige Ursache seinen Panzer gegen eine Kutte.«
»Gegen einen Kriegsmann werde ich keine Geheimnisse haben,« erwiederte Borromée. »Nun wohl! ja, ich habe gewisse persönliche Interessen im Kloster der Jacobiner; doch Ihr?«
»Ich auch,« antwortete Chicot, »doch stille!«
»Plaudern wir ein wenig von dem Allem, wollt Ihr?«
»Bei meiner Seele, ich brenne vor Begierde.«
»Liebt Ihr den Wein?«
»Ja, wenn er gut ist.«
»Nun! ich kenne eine kleine Schenke, welche in Paris meiner Ansicht nach nicht ihres Gleichen hat.«
»Ei, ich kenne auch eine,« sagte Chicot, »wie heißt die Eurige?«
»Das Füllhorn.«
»Ah! ah!« machte Chicot bebend.
»Was ist Euch denn?«
»Nichts.«
»Habt Ihr etwas gegen diese Schenke?«
»Nein, im Gegentheil.«
»Ihr kennt sie?«
»Nicht im Geringsten, darüber wundere ich mich.«
»Ist es Euch genehm, daß wir dahin gehen, Gevatter?«
»Auf der Stelle.«
»Vorwärts!«
»Wo ist sie denn?«
»In der Gegend der Porte Bourdelle. Der Wirth ist ein alter Weinkoster, der gar wohl den Unterschied zu schätzen weiß, welcher zwischen dem Gaumen eines Mannes wie Ihr und der Gurgel eines Gastes stattfinden, den zufällig der Durst zu ihm führt.«
»Wir können dort nach unserem Gefallen plaudern?«
»Im Keller, wenn wir wollen.«
»Und ohne gestört zu werden?«
»Wir schließen die Thüren.«
»Vorwärts also,« sagte Chicot, »ich sehe, Ihr seid ein Mann von Mitteln, eben so wohl gelitten in den Schenken, als in den Klöstern.«
»Solltet Ihr etwa glauben, ich stehe im Einverständniß mit dem Wirthe?«
»Das sieht mir ganz so aus.«
»Meiner Treue, nein, diesmal seid Ihr in einem Irrthum begriffen; Meister Bonhomet verkauft Wein an mich, wann ich will, ich bezahle ihn, wann ich will, das ist es.«
»Bonhomet,« sagte Chicot, »bei meinem Wort das ist ein Name, der etwas verspricht.«
»Und etwas hält. Kommt, Gevatter, kommt.«
»Oh! oh!« sagte Chicot zu sich selbst, während er dem falschen Mönche folgte, »hier mußt Du eine Wahl unter Deinen besten Grimassen treffen, Freund Chicot, denn wenn Dich Bonhomet sogleich erkennt, ist es um Dich geschehen, und Du bist nur ein Dummkopf.«
Dreizehntes Kapitel
Das Füllhorn
Der Weg, den Borromée Chicot machen ließ, ohne, zu vermuthen, daß Chicot ihn so gut als er kannte, erinnerte unsern Gascogner an seine schönen Jugendtage.
Wie oft war er in der That, den Kopf leer, die Beine geschmeidig, die Arme hängend oder schlenkernd, unter einem Strahle der Wintersonne oder im frischen Schatten des Sommers nach dem Wirthshause zum Füllhorn gewandert, in das ihn in diesem Augenblick ein Fremder führte.
Damals machten ihn ein paar Goldstücke oder sogar Silberstücke, welche in seiner Bügeltasche klangen, glücklicher als einen König; er überließ sich der kostbaren Wonne des Nichtsthuns, so viel es ihm gut dünkte, ihm, der weder eine Frau zu Hause, noch Kinder vor der Thüre, noch argwöhnische, mürrische Verwandte hinter dem Fenster hatte.
Damals setzte sich Chicot sorglos auf die hölzerne Bank oder auf einen Stuhl der Schenke; er erwartete Gorenflot oder er fand ihn vielmehr pünktlich bei den ersten Dämpfen des bereiteten Mahles.
Da belebte sich Gorenflot sichtbar, und stets verständig, stets Beobachter, stets Anatomist, studirte Chicot jeden Grad seiner Trunkenheit, indem er diese seltsame Natur durch den feinen Dunst einer vernünftigen Aufregung zu erforschen suchte, unter dem Einfluß eines guten Weines, der Wärme und der Freiheit stieg die Jugend glänzend, siegreich voll Tröstungen in sein Gehirn.
Als Chicot am Carrefour Bussy vorüber kam, erhob er sich auf den Fußspitzen, um nach dem Hause zu schauen, das er der Fürsorge von Remy empfohlen hatte, aber die Straße war gekrümmt, einen Halt machen wäre keine gute Politik gewesen; er folgte also dem Kapitän Borromée mit einem kleinen Seufzer.
Bald erschien die Rue Saint-Jacques vor seinen Augen, dann das Kloster Saint-Benoît, und beinahe dem Kloster gegenüber das Wirthshaus zum Füllhorn, ein wenig gealtert, ein wenig fettig, ein wenig von Sprüngen und Rissen überzogen, aber immer noch außen von Platanen und Kastanienbäumen beschattet und innen mit seinen blanken zinnernen Kannen und mit seinen glänzenden Casserolen ausgestattet, was die Fictionen von Gold und Silber der Trinker Feinschmecker sind, in der That jedoch das wahre Gold und das wahre Silber in der Tasche der Wirthe aus sympathetischen Gründen verfälschen, über die man die Natur um Rechenschaft fragen muß.
Nachdem Chicot von der Thürschwelle einen Blick auf das Aeußere und in das Innere geworfen hatte, machte er sich einen hohen Rücken, verlor noch sechs Zoll von seiner Gestalt, die er schon in Gegenwart des Kapitäns verkleinert hatte, fügte eine Satyrngrimasse bei, welche von seinem offenen Wesen seinen ehrlichen Augen sehr verschieden war, und bereitete sich vor, der Gegenwart seines alten Wirthes, Meister Bonhomet, Trotz zu bieten.
Borromée ging indessen voran, um ihm den Weg zu zeigen, und beim Anblick dieser zwei Sturmhauben gab sich Meister Bonhomet nur die Mühe, denjenigen zu erkennen, welcher vorausging.
Hatte die Facade des Füllhornes Sprünge Risse bekommen, so war die Facade des würdigen Schenkwirthes den Verheerungen der Zeit auch nicht entgangen.
Außer den Runzeln, die auf dem menschlichen Gesicht den Sprüngen entsprechen, welche die Zeit auf der Stirne der Baudenkmale erzeugt, hatte Meister Bonhomet die Manieren eines gewaltigen Mannes angenommen, die ihn für jeden Andern, als für Leute vom Kriegerstande, sehr unzugänglich machten sein Gesicht gleichsam verhärteten.
Meister Bonhomet achtete stets das Schwert; das war seine Schwäche; er hatte diese Gewohnheit in einem Quartiere angenommen, welches sehr fern von aller municipalen Ueberwachung lag und unter dem Einfluß friedlicher Benedictiner stand.
Wenn sich in dieser herrlichen Schenke unglücklicher Weise ein Streit erhob, so hatte, ehe man bei der Contrescarpe die Schweizer oder die Bogenschützen der Scharwache geholt, der Degen schon gespielt, zwar so gespielt, daß mehrere Wämmser durchlöchert waren; dieser Unfall war Meister Bonhomet sieben oder achtmal widerfahren und hatte ihn jedes Mal hundert Livres gekostet; er respektiert also den Degen nach diesem System: Furcht macht Respect.
Was die übrigen Kunden des Füllhornes betrifft, – Studenten, Schreiber, Mönche und Kaufleute – so hielt sie Meister Bonhomet allein in Ordnung; er hatte eine gewisse Berühmtheit dadurch erlangt, daß er den widerspänstigen oder unredlichen Zahlern einen großen bleiernen Eimer auf den Kopf setzte, diese Execution brachte stets auf seine Seite gewisse Stammgäste der Schenke, die er sich aus den kräftigsten Ladendienern der Nachbarschaft ausgewählt hatte.
Man kannte übrigens seinen Wein, den Jeder selbst im Keller zu holen das Recht hatte, als so gut so rein, man wußte so sehr, wie langmüthig er in Beziehung auf gewisse an seinem Zahltisch accredirte Kunden war, daß Niemand über seine phantastischen Launen murrte.
Einige alte Stammgeiste schrieben diese Launen einem Kummer zu, den Meister Bonhomet in seiner Ehe gehabt haben sollte.
Dies waren wenigstens die Erläuterungen, welche Borromée Chicot über den Wirth, dessen Gastfreundschaft sie zu versuchen im Begriffe waren, geben zu müssen glaubte.
Die Menschenfeindlichkeit von Bonhomet hatte einen ärgerlichen Erfolg für die Ausschmückung und den Comfort des Wirthshauses gehabt. Der Wirth, der – dies war wenigstens seine Meinung – hoch über seinen Kunden stand – verwandte durchaus keine Sorgfalt auf die Verschönerung seiner Schenke, und so kam es, daß sich Chicot, als er in die gemeinschaftliche Stube eintrat, sogleich auskannte; nichts hatte sich verändert, wenn nicht die rauchige Farbe des Plafond, welche von Grau in Schwarz übergegangen war.
In jenen seligen Zeiten hatten die Wirthshäuser noch nicht den so widrigen Geruch des verbrannten Tabaks angenommen, mit dem sich heut zu Tage die Tapeten und das Täfelwerk der Säle schwängern, einen Geruch, den Alles, was porös und schwammicht ist, einschluckt.
Folge hiervon war, daß der Saal des Füllhorns, trotz seiner ehrwürdigen Fettigkeit und seiner scheinbaren Traurigkeit, keines Wegs den tief in jedes Atom der Anstalt eingedrungenen weinichten Miasmen durch erotische Ausdünstungen entgegen trat, so daß ein wahrer Trinker Vergnügen fand in diesem Tempel des Gottes Bacchus, denn er athmete nur das Aroma und den Weihrauch ein, die diesem Gott am liebsten waren.
Chicot kam, wie gesagt, hinter Borromée und wurde von dem Wirth zum Füllhorn durchaus nicht gesehen oder vielmehr durchaus nicht erkannt.
Er kannte die dunkelste Ecke der gemeinschaftlichen Stube und wollte sich, als hätte er keine andere gekannt, darin einquartieren, als ihn Borromée zurückhielt und zu ihm sagte:
»Alles schön und gut, Freund, doch hinter diesem Verschlag ist ein kleiner Winkel, wo zwei Menschen insgeheim mit einander plaudern können, wenn sie getrunken haben, und selbst während sie trinken.«
»Gehen wir dahin,« sprach Chicot.
Borromée machte dem Wirth ein Zeichen, durch das er fragen wollte:
»Gevatter, ist das Cabinet frei?«
Bonhomet antwortete durch ein anderes Zeichen:
»Es ist frei!«
»Kommt,« sagte Borromée.
Und er führte Chicot, der sich den Anschein gab, als stieße er sich an allen Ecken der Hausflur, in den kleiner Winkel, der denjenigen von unsern Lesern, welche ihre Zeit mit der Lecture der Dame von Monsoreau zu verlieren die Güte hatten, so wohl bekannt ist.
»Erwartet mich hier, »sagte Borromée, »ich will von einem Vorrecht Gebrauch machen, das den Vertrauten der Anstalt bewilligt ist, und das Ihr ebenfalls benützen werdet, wenn Ihr genauer hier bekannt seid.«
»Welches Vorrecht meint Ihr?«
»Ich will selbst in den Keller gehen und den Wein auswählen, den wir trinken werden.«
»Oh! oh!« machte Chicot, »ein schönes Vorrecht, geht.«
Borromée ging hinaus.
Chicot folgte ihm mit dem Auge; sobald die Thüre sich hinter ihm geschlossen hatte, nahm er von der Wand ein Bild ab, das die Ermordung von Credit darstellte, der von den schlechten Zahlern getödtet wird, welches Bild in einen Rahmen von schwarzem Holz eingefügt und ein Seitenstück von einem andern war, worauf man ein Dutzend arme Tröpfe erblickte, die den Teufel am Schweif zogen.
Hinter diesem Bild war ein Loch durch dieses Loch konnte man in die große Stube sehen, ohne gesehen zu werden.
Chicot kannte dieses Loch, denn es war ein Loch von seiner Art.
»Ah! ah!« sagte er, »Du führst mich in eine Schenke, deren Stammgast Du bist; ah! Du treibst mich in einen Winkel, wo Du glaubst, ich könne nicht gesehen werden, wo Du denkst, ich könne nicht sehen, und in diesem Winkel ist ein Loch, in Folge dieses Loches machst Du nicht eine Geberde, die ich nicht sehe. Oh! mein Kapitän, Du bist nicht zu stark!«
Und während er diese Worte mit einer Miene der Verachtung sprach, die nur ihm eigenthümlich war, hielt er sein Auge an den künstlich durchbohrten Verschlag.
Durch das Loch erblickte er Borromée der zuerst vorsichtig seinen Finger auf seine Lippen legte sodann mit Bonhomet sprach, welcher in seine Wünsche durch ein olympisches Zeichen des Kopfes einwilligte.
Aus der Bewegung der Lippen des Kapitäns erriet Chicot, der in solchen Dingen sehr bewandert war, da die von ihm ausgesprochenen Worte sagen wollten:
»Bedient uns in jenem Winkel und kommt nicht herein, welches Geräusch Ihr auch hören möget.«
Hiernach nahm Borromée eine Lampe, welche ewig auf einem Schranke brannte, hob eine Fallthüre auf und stieg selbst in den Keller hinab, das kostbarste Vorrecht benützend, das den Stammgästen der Anstalt bewilligt war.
Sogleich klopfte Chicot auf eine eigenthümliche Weise an den Verschlag.
Als Bonhomet auf diese Art, welche eine tief in seinem Herzen eingewurzelte Erinnerung in ihm wiedererwecken mußte, klopfen hörte, bebte er, schaute er in die Luft und horchte.
Chicot klopfte zum zweiten Male und wie ein Mensch der sich wundert, daß man einem ersten Rufe nicht gehorcht hat.
Bonhomet eilte in den Winkel und sah Chicot aufrecht mit drohendem Gesicht.
Bei diesem Anblick stieß Bonhomet einen Schrei aus; er hielt Chicot, wie Jedermann, für todt und dachte, er stehe seinem Gespenst gegenüber.
»Was soll das heißen, Meister,« sagte Chicot, »seit wann laßt Ihr Leute meines Schlages zweimal rufen?«
»Oh! theurer Herr Chicot,« erwiederte Bonhomet, »seid Ihr es, oder ist es Euer Schatten?«
»Ob ich es bin oder ob es mein Schatten ist, ich hoffe, daß Ihr mir, sobald Ihr mich erkennt, Punkt für Punkt gehorchen werdet.«
»Ah! gewiß, mein lieber Herr, befehlt nur.«
»Welches Geräusch Ihr auch in diesem Cabinet hören möget, und was auch vorgeht, Ihr werdet hoffentlich warten, bis ich Euch herbeirufe.«
»Dies wird mir um so leichter sein, Herr Chicot, als mir das, was Ihr mir befehlt, gerade auch von Eurem Gefährten befohlen worden ist.«
»Ja, aber er wird nicht rufen, versteht Ihr mich wohl, Herr Bonhomet, sondern ich werde rufen; und wenn er ruft, hört Ihr, wird es sein, als ob er nicht rufen würde.«
»Abgemacht, Herr Chicot.«
»Gut; und nun entfernt alle Eure anderen Kunden unter irgend einem Vorwand, und in zehn Minuten müssen wir frei und eben so vereinzelt sein, als ob wir gekommen wären, um am Charfreitag hier zu fasten.«
»Ja, zehn Minuten, edler Herr Chicot, wird mit Ausnahme Eures ergebensten Dieners keine Katze mehr im ganzen Wirthshause sein.«
»Geht, Bonhomet, geht, Ihr habt Euch meine ganze Achtung erhalten,« sprach Chicot mit einer majestätischen Geberde.
»Oh! mein Gott! mein Gott! was wird in meinem armen Hause vorfallen?« sagte Bonhomet, während er sich entfernte.
Und da er rückwärts ging, stieß er auf Borromée der mit zwölf Flaschen aus dem Keller zurückkam.
»Du hast gehört,« sagte dieser, »in zehn Minuten keine Seele mehr im ganzen Wirtshaus.«
Bonhomet machte mit seinem, sonst so hochmüthigen, Kopfe ein Zeichen des Gehorsams, begab sich in seine Küche, um über die Mittel zu träumen, wie er der doppelten Einschärfung seiner zwei furchtbaren Kunden Folge leisten sollte.
Borromée kehrte in seinen Winkel zurück und fand Chicot, der ihn, das Bein vorwärts gestreckt und ein Lächeln auf den Lippen, erwartete.
Wir wissen nicht, wie sich Bonhomet hierbei benahm, als aber die zehnte Minute abgelaufen war, trat der letzte Schüler über die Schwelle seines Hauses und sagte zum letzten Schreiber, dem er den Arm reichte:
»Ho! ho! das Wetter steht heute auf Sturm bei Meister Bonhomet; machen wir uns aus dem Staub, oder es trifft uns der Hagel.«