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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 5

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»Mein Bruder,« sagte der junge Mann, die Hand von Joyeuse mit einem fieberhaften Drucke umschließend, »mein Bruder,« sprach er so leise, daß sein Hauch kaum an das Ohr des Aelteren gelangte, »so wahr mich Gott hört, ich weiß nicht, ob es ein Geschöpf dieser Welt ist.«

»Beim Papst!« erwiederte Anne, »Du würdest mir Angst machen, wenn ein Joyeuse je Angst haben könnte.«

Dann fügte er bei, indem er seine Heiterkeit wieder zu gewinnen suchte.

»Doch immerhin ist es gewiß, daß sie geht, daß sie weint, und daß sie Küsse gibt; Du hast es mir selbst gesagt, und dies ist, wie mir scheint, ein sehr gutes Vorzeichen, mein theurer Freund; aber das ist nicht Alles; sprich, hernach, hernach?«

»Hernach kommt nur noch wenig: ich folgte ihr also, sie suchte sich mir nicht einmal zu entziehen, den Weg zu verändern, einen falschen Weg einzuschlagen; sie schien nicht einmal hieran zu denken.«

»Nun! wo wohnte sie?«

»Ein der Gegend der Bastille, in der Rue de Lesdiguières; vor ihrer Thüre wandte sich ihr Begleiter um und sah mich.«

»Du machtest ihm sodann ein Zeichen, um ihm zu verstehen zu geben, daß Du mit ihm zu sprechen wünschest.«

»Ich wagte es nicht; was ich Dir da sage, ist lächerlich, aber der Diener imponirte mir beinahe eben so sehr als die Gebieterin.«

»Gleichviel, Du tratst in das Haus?«

»Nein, mein Bruder.«

»In der That, Henri, ich habe große Lust, zu leugnen, daß Du ein Joyeuse bist; doch Du gingst wenigstens am andern Tag wieder dahin?«

»Ja, aber vergebens, vergebens nach der Gypecienne, vergebens in die Rue de Lesdiguières.«

»Sie war verschwunden.«

»Wie ein Schatten, der entflohen.«

»Du hast Dich jedoch erkundigt?«

»Die Straße hat wenig Bewohner, keiner konnte mich befriedigen; ich lauerte auf den Diener, um ihn zu befragen, er erschien nicht wieder; doch ein Licht, das ich am Abend durch die Jalousien glänzen sah, tröstete mich, indem es mir andeutete, sie wäre immer noch da. Ich wandte hundert Mittel an, um in das Haus zu dringen: Briefe, Boten, Blumen, Geschenke, Alles scheiterte. Eines Abends verschwand das Licht ebenfalls und erschien nicht wieder; ohne Zweifel meiner Verfolgungen müde, hatte die Dame die Rue des Lesdiguières verlassen; Niemand kannte ihre neue Wohnung.«

»Du hast sie jedoch wiedergefunden, die schöne Spröde?«

»Der Zufall gestattete es: ich bin ungerecht, mein Bruder, es ist die Vorsehung, welche nicht will, daß man das Leben hinschleppe. Höre, es ist in der That seltsam! Ich ging vor vierzehn Tagen um Mitternacht durch die Rue de Bussy… Du weißt, mein Bruder, daß die Feuerverordnungen sehr streng vollzogen werden; nun wohl! ich sah nicht nur Feuer an den Scheiben eines Hauses, sondern einen wahren Brand, der im zweiten Stocke ausbrach.

»Ich klopfte kräftig an die Thüre, ein Mann erschien am Fenster.

»»Es brennt bei Euch!«« rief ich.

»»Stille, habt Mitleid,«« erwiederte er, »»stille, ich bin eben beschäftigt, zu löschen.««

»»Soll ich die Wache rufen?««

»»Nein, nein, um des Himmels willen, ruft Niemand.««

»»Aber wenn man Euch helfen kann?««

»»Wollt Ihr? so kommt und Ihr leistet mir einen Dienst, für den ich Euch mein ganzes Leben dankbar sein werde.««

»»Und wie soll ich kommen?««

»»Hier ist der Schlüssel zur Thüre.««

»Und er warf mir aus dem Fenster einen Schlüssel zu.

»Ich stieg rasch die Treppe hinauf und trat in das Zimmer, das der Schauplatz des Brandes war.

»Der Boden brannte; ich befand mich in dem Laboratorium eines Chemikers; als er irgend einen Versuch machte, hatte sich eine entzündbare Flüssigkeit auf der Erde ausgebreitet, wodurch der Brand entstanden war.

»Bei meinem Eintritt war er schon Meister des Feuers, so daß ich mir ihn anschauen konnte.

»Es war ein Mann von acht und zwanzig bis dreißig Jahren, wenigstens schien er mir dieses Alter zu haben; eine furchtbare Narbe durchfurchte die Hälfte der Wange, eine andere den Schädel; sein buschiger Bart verbarg den Rest des Gesichtes.

»»Ich danke Euch, mein Herr, aber Ihr seht. Alles ist vorbei; seid Ihr ein so artiger Mann, als sich aus Eurem Aussehen schließen läßt, so habt die Güte, Euch zu entfernen, denn meine Gebieterin kann jeden Augenblick eintreten, und sie dürfte ärgerlich werden, wenn sie zu dieser Stunde einen Fremden bei mir oder vielmehr bei sich sehen würde.

»Der Ton dieser Stimme lähmte, erschreckt mich. Ich öffnete den Mund, um ihm zuzurufen: »»Ihr seid der Mann der Gypecienne, der Mann der Rue de Lesdiguières, der Mann von der unbekannten Dame,«« denn Du erinnerst Dich, mein Bruder, daß er mit einer Kutte bedeckt war, daß ich sein Gesicht nicht gesehen, daß ich nur seine Stimme gehört hatte. Ich war im Begriff, ihm dies zu sagen, ihn zu befragen; als sich plötzlich eine Thüre öffnete und eine Frau eintrat.

»»Was gibt es denn, Remy?«« fragte sie, indem sie majestätisch auf der Thürschwelle stehen blieb, »»und warum dieser Lärmen?««

»Oh! mein Bruder, sie war es, noch schöner im sterbenden Feuer des Brandes, als sie mir in den Strahlen des Mondes geschienen hatte; sie war es, die Frau, deren beständiges Andenken mir das Herz zernagt.

»Bei dem Schrei, den ich ausstieß, schaute mich der Diener ebenfalls aufmerksamer an.

»»Ich danke, Herr, ich danke,«« sagte er noch einmal, »»Ihr seht, das Feuer ist gelöscht, Geht, ich bitte Euch, geht.««

»»Mein Freund,«« erwiederte ich, »»Ihr verabschiedet mich sehr hart.«

»»Madame,«« sagte der Diener, »»er ist es.««

»»Wer?«« fragte sie.

»»Der junge Cavalier, den wir im Garten der Gypecienne trafen, und der uns nach der Rue de Lesdiguières folgte.««

»Sie heftete nun ihren Blick auf mich, und aus diesem Blick konnte ich schließen, daß sie mich zum ersten Male sah.

»»Mein Herr,«« sprach sie, »»habt die Güte, entfernt Euch.««

»Ich zögerte, ich wollte sprechen, bitten; aber die Worte fehlten meinen Lippen; ich blieb unbeweglich und stumm und schaute sie nur an.

»»Nehmt Euch in Acht, mein Herr,«« sagte der Diener mehr traurig als streng, »»nehmt Euch in Acht, Ihr würdet Madame zwingen, zum zweiten Male zu fliehen.««

»»Oh! Gott verhüte es,«« erwiederte ich, mich verbeugend, »»aber Madame, ich beleidige Euch doch nicht.«««

»Sie antwortete mir nicht. So unempfindlich, so stumm, so eisig, als ob sie mich nicht gehört hätte, wandte sie sich um, und ich sah sie allmälig im Schatten verschwinden und die Stufen einer Treppe hinabgehen, auf der ihr Tritt nicht mehr scholl, als wenn es der eines Gespenstes gewesen wäre.«

»Und das ist Alles?« fragte Joyeuse.

»Das ist Alles. Der Diener geleitete mich zur Thüre zurück und sprach:

»»Mein Herr, vergeßt im Namen Jesu und der Jungfrau Maria, ich flehe Euch an, vergeßt!««

»Ich entfloh betrübt, verwirrt, albern, preßte meinen Kopf zwischen meinen beiden Händen und fragte mich, ob ich nicht ein Narr würde.

»Seitdem gehe ich jeden Abend in diese Straße, und deshalb wandten sich meine Schritte, als wir das Stadthaus verließen, ganz natürlich nach dieser Seite; jeden Tag, sagte ich, gehe ich in diese Straße, ich verberge mich an der Ecke eines Hauses dem ihrigen gegenüber, unter einem Balcon, dessen Schatten mich gänzlich umhüllt; einmal unter zehnmal sehe ich Licht in dem Zimmer, das sie bewohnt; dort ist mein Leben, dort ist mein Glück!«

»Welch ein Glück!« rief Joyeuse.

»Ach! ich verliere es, wenn ich ein anderes zu erlangen wünsche.«

»Aber wenn Du Dich mit dieser Resignation zu Grunde richtest?«

»Mein Bruder,« sprach Henri mit einem traurigen Lächeln, »was willst Du? ich fühle mich so glücklich.«

»Das ist unmöglich.«

»Das Glück ist immer beziehungsweise; ich weiß, daß sie dort ist, daß sie dort lebt, daß sie dort athmet; ich sehe sie durch die Mauer, oder es kommt mir vielmehr vor, als erblickte ich sie; wenn sie dieses Haus verließe, wenn ich abermals vierzehn Tage zubrächte, wie die, welche ich zubrachte, als ich sie verloren hatte, so würde ich ein Narr, mein Bruder, oder ich ginge in ein Kloster, um Mönch zu werden.«

»Nein, bei Gott! es ist schon genug mit einem Narren und einem Mönch in der Familie; bleiben wir hierbei, mein theurer Freund.«

»Keine Bemerkungen, Anne, keinen Spott; die Bemerkungen wären unnütz, der Spott würde nichts bewirken.«

»Wer spricht von Bemerkungen und Spott?«

»Schon gut. Doch…«

»Laß mich Dir nur Eines sagen.«

»Was?«

»Du hast Dich benommen wie ein Freischüler.«

»Ich habe weder Combinationen, noch Berechnungen gemacht, ich habe mich nicht benommen, ich habe mich einer Sache hingegeben, welche stärker war als ich. Wenn ein Strom uns fortreißt, ist es besser, ihm zu folgen, als dagegen zu kämpfen.«

»Und wenn er zu einem Abgrund führt?«

»So muß man versinken, mein Bruder.«

»Das ist Deine Ansicht?«

»Ja.«

»Es ist nicht die meinige, und an Deiner Stelle…«

»Was hättest Du gethan, Anne?«

»Gewiß genug um ihren Namen, ihr Alter zu erfahren, an Deiner Stelle…«

»Anne, Anne, Du kennst sie nicht.«

»Nein, aber ich kenne Dich. Wie, Henri, Du hattest fünfzig tausend Thaler, die ich Dir von den hundertausend gegeben, welche mir der König an seinem Namenstage zum Geschenk machte.«

»Sie sind noch in meiner Kasse, Anne, nicht einer fehlt.«

»Gottes Tod! desto schlimmer. Lägen sie nicht mehr in Deiner Kasse, so wäre die Frau in Deinem Alkoven.«

»Oh! mein Bruder.«

»Es gibt kein oh! mein Bruder, ein gewöhnlicher Diener verkauft sich für zehn Thaler, ein guter für hundert, ein vortrefflicher für tausend, ein wunderbarer für drei tausend. Nehmen wir nun einen Phönix von einem Diener an, träumen wir von einem Gott der Treue, und mit zwanzig tausend Thalern gehört er beim Papst! Dir… es blieben Dir somit hundert und dreißig tausend Livres um den durch den Phönix der Diener ausgelieferten Phönix der Frauen zu bezahlen. Henri mein Freund, Du bist einfältig.«

»Anne,« erwiederte Henri seufzend, »es gibt Leute, die sich nicht verkaufen; es gibt Herzen, die ein König sogar zu bestechen nicht reich genug ist.«

Joyeuse besänftigte sich.

»Nun wohl! ich pflichte dem bei,« sagte er, »aber es finden sich keine, die sich nicht ergeben.«

»Das mag sein.«

»Nun was hast Du gethan, daß sich das Herz dieser schönen Unempfindlichen sich Dir ergebe?«

»Ich lebe der Ueberzeugung, Anne, daß ich Alles gethan habe, was ich thun konnte.«

»Graf du Bouchage, Ihr seid ein Narr. Ihr seht eine traurige, verschlossene, weinende Frau, und Ihr macht Euch trauriger, verschlossener, seufzender, das heißt schwerfälliger, als sie selbst ist. In der That, Ihr sprecht auf eine sehr gewöhnliche Manier von der Liebe und Ihr seid alltäglicher als ein Viertelsmeister. Sie ist allein, leistet ihr Gesellschaft; sie ist traurig, seid heiter; sie beklagt, tröstet sie und ersetzt.«

»Unmöglich, mein Bruder!«

»Hast Du es versucht?«

»Warum dies?«

»Bei Gott! und wäre es nur, um es zu versuchen. Du bist verliebt, sagst Du?«

»Ich kenne keine Worte, um meine Liebe auszudrücken.«

»Wohl in vierzehn Tagen sollst Du Deine Geliebte haben.«

»Mein Bruder.«

»So wahr ich Joyeuse heiße. Ich denke, Du bist nicht hoffnungslos?«

»Nein, denn ich habe nie gehofft.«

»Um welche Stunde siehst Du sie?«

»Um welche Stunde?«

»Allerdings.«

»Ich habe Dir gesagt, daß ich sie nicht sehe, mein Bruder.«

»Nie?«

»Nie.«

»Nicht einmal an ihrem Fenster.«

»Nicht einmal ihren Schatten, sage ich Dir.«

»Das muß endigen. Sprich, hat sie einen Liebhaber?«

»Mit Ausnahme des Remy, von dem ich Dir gesprochen, habe ich nie einen Mann in ihr Haus eintreten sehen.«

»Wie ist das Haus beschaffen?«

»Zwei Stockwerke, kleine Thüre über einer Stufe, Terrasse oberhalb des zweiten Fensters.«

»Kann man nicht über diese Terrasse hineinkommen?«

»Sie ist von den anderen Häusern abgesondert.«

»Und was ist gegenüber?«

»Ein anderes, beinahe ähnliches Haus, obgleich etwas höher, wie mir scheint.«

»Von wem wird dieses Haus bewohnt?«

»Von einem Bürger.«

»Von böser oder guter Laune?«

»Von guter, denn ich höre ihn zuweilen ganz allein lachen.«

»Kaufe ihm sein Haus ab.«

»Wer sagt Dir, daß es verkäuflich ist?«

»Biete ihm das Doppelte von seinem Werthe.«

»Und wenn mich die Dame dort sieht?«

»Nun!«

»So wird sie abermals verschwinden, während ich, meine Gegenwart verbergend, sie früher oder später wiederzusehen hoffe.«

»Du wirst sie diesen Abend sehen.«

»Ich?«

»Stelle Dich um acht Uhr unter ihren Balkon.«

»Ich werde dort sein, wie ich es alle Tage bin, aber ohne mehr Hoffnung, als an den anderen Tagen.«

»Doch sage mir die Adresse ganz genau.«

»Zwischen der Porte Bussy und dem Hotel Saint-Denis, beinahe an der Ecke der Rue des Augustins, zwanzig Schritte von einem großen Gasthof mit dem Schilde: Zum Schwerte des kühnen Ritters

»Sehr gut, um acht Uhr diesen Abend.«

»Aber was willst Du machen??«

»Du wirst es sehen, Du wirst es hören. Mittlerweile kehre nach Hause zurück, lege Deine schönsten Kleider an, nimm Deine reichsten Juwelen, gieße auf Deine Haare Deine feinsten Essenzen: diesen Abend kommst Du in die Festung.«

»Gott höre Dich, mein Bruder.«

»Henri, wenn Gott taub ist, so ist es der Teufel nicht… Ich verlasse Dich, meine Geliebte erwartet mich, nein, ich will sagen, die Geliebte von Herrn von Mayenne… Beim Papst! diese ist kein Zieraffe.«

»Mein Bruder.«

»Verzeih, schöner Liebesritter; ich mache keine Vergleichung zwischen den zwei Damen; sei hiervon überzeugt, obschon ich nach dem, was Du mir sagst, die meinige mehr liebe, – oder vielmehr die unsrige… Doch sie erwartet mich und ich will sie nicht warten lassen. Gott befohlen, Henri, diesen Abend.«

»Diesen Abend, Anne.«

Die zwei Brüder drückten sich die Hand und trennten sich.

Nach zweihundert Schritten hob der Eine den Klopfer eines schönen beim Parvis Notre-Dame liegenden gothischen Hauses muthig auf und ließ ihn geräuschvoll wieder fallen.

Der Andere vertiefte sich schweigsam in einer von den krummen Straße, welche nach dem Palaste ausmünden.

Siebenten Kapitel
Worin das Schwert des kühnen Ritters gegen Amors Rosenstock Recht behält

Während des von uns erzählten Gespräches war die Nacht gekommen und hatte mit ihrem feuchten Nebelmantel die zwei Stunden zuvor noch so geräuschvolle Stadt umhüllt.

Sobald Salcède todt war, kehrten die Zuschauer zu Ihren Lagern zurück, und man sah auf den Straßen nur noch zerstreute Häufchen, statt der ununterbrochenen Kette der Neugierigen, welche am Tage einem Punkte zugeströmt waren.

Bis in die entferntesten Quartiere der Grève fanden sich Reste von Bebungen, welche nach der langen Aufregung des Tages leicht zu begreifen waren.

Bei der Porte Bussy zum Beispiel, wohin wir uns zu dieser Stunde versetzen müssen, um einigen Personen zu folgen, die wir am Anfang dieser Geschichte in Scene gebracht haben, und um die Bekanntschaft von neuen Personen zu machen, bei diesem Stadtende, sagen wir, hörte man, wie einen Bienenstock bei Sonnenuntergang, ein gewisses rosenfarbig angestrichenes und mit blauen und weißen Malereien verziertes Haus summen, welches das Haus zum Schwerte des kühnen Ritters genannt wurde, und doch nichts Anderes war, als ein Gasthof von riesigen Verhältnissen, den man in jüngster Zeit in diesem neuen Quartier eingerichtet hatte.

Damals besaß Paris nicht ein einziges gutes Gasthaus, das nicht sein siegreiches Schild gehabt hätte. Das Schwert des kühnen Ritters war eine von den herrlichen Ankündigungen, bestimmt, alle Geschmacksrichtungen zu vereinigen, alle Sympathie zusammenzufassen.

Man sah auf dem Schilde den Kampf eines Erzengels oder eines Heiligen gegen einen Drachen gemalt, der, wie das Ungeheuer von Hippolyt, Ströme von Flammen und Rauch ausspie. Durch ein heroisches und zugleich frommes Gefühl beseelt, hatte der Maler dem vollständig gerüsteten kühnen Ritter in seine Hände nicht ein Schwert, sondern ein ungeheures Kreuz gegeben, womit er besser als mit der schärfsten Klinge den unglücklichen Drachen entzwei schnitt, von dem die Stücke blutend auf dem Boden umherlagen.

Man sah auf dem Hintergrunde des Schildes oder vielmehr des Gemäldes, denn das Schild verdiente gewiß diesen Namen, eine Menge von Zuschauern, welche ihre Arme in die Luft emporhoben, während am Himmel die Engel über den Helm des kühnen Ritters Lorbeerzweige und Palmblätter ausstreckten.

Gierig, zu beweisen, daß er alle Genres malte, hatte der Künstler im Vordergrunde Kürbisse Trauben, Käfer, Eidechsen, eine Schnecke auf einer Rose und endlich zwei Kaninchen, das eine weiß, das andere grau, gruppirt, welche Kaninchen, trotz der Verschiedenheit der Farben, was eine Verschiedenheit der Meinungen hätte andeuten können, beide sich an der Nase kratzten, ohne Zweifel aus Freude über den merkwürdigen Sieg, den der kühne Ritter über den parabolischen Drachen davon getragen, der kein Anderer war, als Satan.

Entweder war der Eigenthümer des Schildes von sehr schwer zu befriedigendem Charakter, oder mußte er mit der Gewissenhaftigkeit des Malers sehr zufrieden sein. Der Künstler hatte in der That nicht eine Linie vom Raum verloren, und wenn man hätte eine Milbe beifügen müssen, so würde es an Platz gefehlt haben.

Gestehen wir nur Eines, und dieses wenn auch peinliche Geständniß ist unserem Geschichtsschreiber-Gewissen auferlegt. Aus dem schönen Schilde ging nicht hervor, daß das Wirthshaus wie dieses an den guten Tagen gefüllt war, im Gegentheil aus Gründen, die wir sogleich erklären wollen, und die das Publikum begreifen wird, gab es, wir sagen nicht zuweilen, sondern beinahe immer, große Leeren im Gasthofe zum kühnen Ritter.

Das Haus war jedoch, wie man in unseren Tagen sagen würde, groß und comfortabel; viereckig gebaut, durch breite Unterlagen an den Boden angeklammert, streckte es stolz über seinem Schilde vier Thürmchen empor, ven denen jedes ein achteckiges Zimmer enthielt, das Ganze allerdings von Holz gebaut, aber zierlich und geheimnisvoll, wie jedes Haus sein muß, das den Männern und besonders den Frauen gefallen will; doch hierin lag das Uebel.

Man kann nicht Jedermann gefallen.

Doch das war nicht die Ueberzeugung von Dame Fournichon, der Wirthin zum kühnen Ritter. In Folge ihrer Ueberzeugung hatte sie ihren Mann bewogen, ein Badehaus zu verlassen, in welchem sie in der Rue Saint-Honoré vegetirten, um zu Gunsten der Verliebten bei der Porte Bussy und aus anderen Quartieren von Paris den Bratspieß drehen zu lassen und Wein zu zapfen. Zum Unglück für die Bestrebungen von Dame Fournichon lag ihr Gasthaus etwas zu nahe beim Pré-aux-Clercs, weshalb, zugleich durch die Nachbarschaft und das Schild angelockt, so viele zum Schlagen bereite Paare in das Schwert des kühnen Ritters kamen, daß die anderen minder kriegerischen Paare wie die Pest das arme Wirthshaus aus Furcht vor dem Lärmen und den Degenstichen flohen. Die Verliebten sind friedliche Leute, welche sich nicht gern stören lassen, so daß man sich genöthigt sah, in die so zierlichen Thürme nur Kriegsknechte einzuquartieren, und daß alle im Innern von dem Künstler des Schildes in die hölzernen Füllungen gemalte Cupidos mit Schnurrbärten und anderen mehr oder minder anständigen Zuthaten durch die Kohle der Stammgäste verziert worden waren.

Dame Fournichon behauptete auch, es ist nicht zu leugnen, bis dahin nicht ohne Grund, das Schild habe dem Hause Unglück gebracht, und sie versicherte, wenn man sich hätte auf ihre Erfahrung verlassen und statt des kühnen Ritters und des häßlichen Drachen, welche Jedermann zurückstießen, etwas Galantes malen wollen, wie zum Beispiel Amors Rosenstock mit entflammten Herzen statt der Rosen, so hätten alle zarte Seelen ihr Haus zum Wohnsitz gewählt.

Unfähig, zu gestehen, daß er seinen Gedanken bereue und den Einfluß beklage, den dieser Gedanke auf sein Schild geübt habe, nahm leider Meister Fournichon keine Rücksicht auf die Bemerkungen seiner Ehehälfte und erwiederte die Achseln zuckend, daß er, ein ehemaliger Trabant von Herrn Dauville, natürlich seine Kundschaft unter Kriegsleuten suchen müsse; er fügte bei, ein Reiter, der nur an das Trinken zu denken habe, trinke wie sechs Verliebte, und wenn er auch nur die Hälfte der Zeche bezahle, so gewinne man doch noch dabei, da die verschwenderischsten Liebesleute nie bezahlen wie drei Reiter.

»Ueberdies,« schloß er, »ist der Wein moralischer als die Liebe.«

Bei diesen Worten zuckte Dame Fournichon ebenfalls die Achseln, welche fett genug waren, daß man auf eine boshafte Weise ihre Ansichten über Moralität auslegen konnte.

Die Angelegenheiten in der Haushaltung der Fournichon hatten diesen schismatischen Zustand erreicht, und die Ehegatten vegetirten im Carrefour Bussy, wie sie in der Rue Saint-Honoré vegetirt hatten, als ein unvorhergesehener Umstand das Angesicht der Dinge veränderte und der Meinung von Meister Fournichon den Triumph verlieh… zum Ruhm und zur Ehre des würdigen Schildes, worauf jedes Reich der Natur seinen Repräsentanten hatte.

Einen Monat vor der Hinrichtung vom Salcède befanden sich, nach einigen militärischen Uebungen, welche auf dem Pré-aux-Clercs stattgefunden hatten, Dame Fournichon und ihr Gatte, ihrer Gewohnheit gemäß, jedes in einem Thürmchen ihrer Anstalt, Beide müßig, träumerisch und kalt, weil alle Tische und alle Zimmer des Wirthshauses zum kühnen Ritter völlig leer waren.

Amors Rosenstock hatte an diesem Tage keine Rosen gebracht.

Das Schwert des kühnen Ritters hatte an diesem Tag in’s Wasser geschlagen.

Die beiden Gatten schauten also traurig nach der Ebene, wo, sich an der Fähre der Tour de Nesle einschiffend, um nach dem Louvre zurückzukehren, die Soldaten verschwanden, welche ein Kapitän hatte manoeuvriren lassen, und während sie schauten und über den militärischen Despotismus seufzten, der nach ihrer Wachstube zurückzukehren die Soldaten zwang, welche natürlich sehr durstig sein mußten, sahen sie diesen Kapitän sein Pferd in Trab setzen und allein mit einem Mann Ordonnanz nach der Porte Bussy reiten.

Dieser ganz befiederte, ganz stolz auf seinem Schimmel sitzende Officier, dessen Degen mit der vergoldeten Scheide einen schönen Mantel von flandrischem Tuch emporhielt, war in zehn Minuten vor dem Gasthaus.

Da er sich aber nicht in das Gasthaus begeben wollte, war er im Begriff, vorüberzureiten, ohne nur das Schild bewundert zu haben, denn er schien sehr sorgenvoll und in Gedanken vertieft, dieser Kapitän, als Meister Fournichon, dem das Herz beinahe bei dem Gedanken brach, daß er den ganzen Tag kein Geld lösen sollte, sich aus seinem Thürmchen neigte und ausrief:

»Das ist ein schönes Pferd, Frau!«

Welchem Madame Fournichon, als übereinstimmende Wirthin die Erwiederung ergreifend, beifügte:

»Und wie schön ist der Reiter!«

Der Kapitän, der für das Lob, von welcher Seite es auch kam, nicht unempfindlich zu sein schien, schaute empor, als ob er plötzlich erwachte. Er sah den Wirth, die Wirthin und das Wirthshaus, hielt sein Pferd an, und rief seiner Ordonnanz.

Dann betrachtete er, immer noch im Sattel, sehr aufmerksam das Haus und das Quartier.

Fournichon rumpelte zu vier und vier Stufen seine Treppe hinab und stellte sich, seine Mütze in den Händen zusammengerollt, vor die Thüre.

Der Kapitän dachte einen Augenblick nach und stieg dann ab.

»Ist Niemand hier?« fragte er.

»Für den Augenblick nicht, mein Herr.« antwortete der gedemüthigte Wirth.

Er wollte eben beifügen:

»Es ist dies jedoch nicht gewöhnlich so in meinem Hause.«

Aber Dame Fournichon war, wie beinahe alle Frauen, scharfsichtiger als ihr Mann; sie rief daher eiligst von ihrem Fenster aus:

»Sucht der Herr die Einsamkeit, so wird er sich bei uns vortrefflich finden.«

Der Kapitän richtete seine Augen in die Höhe, und als er das gute Gesicht sah, nachdem er die gute Antwort gehört hatte, erwiederte er:

»Für den Augenblick, ja, das ist es gerade, was ich suche, meine gute Frau.«

Dame Fournichon eilte sogleich dem Fremden entgegen, indem sie sich sagte:

»Diesmal gibt Amors Rosenstock Geld zu lösen und nicht das Schwert des kühnen Ritters

Der Kapitän, der zu dieser Stunde die Aufmerksamkeit der Gatten in Anspruch nahm, und zugleich die des Lesers zu erregen verdient, dieser Kapitän war ein Mann von dreißig bis fünf und dreißig Jahre, während er erst acht und zwanzig Jahre alt zu sein schien, so viel Sorge verwandte er auf seine Person.

Er war groß, gut gewachsen, von einer ausdrucksvollen und feinen Physiognomie; bei näherer Prüfung hätte man vielleicht etwas Affectation in seinem großartigen Wesen gefunden, doch affectirt oder nicht, sein Wesen blieb immerhin großartig.

Er warf in die Hände seines Begleiters den Zaum eines herrlichen Pferdes, das mit einem Fuß die Erde stampfte, und sagte zu ihm:

»Führe das Pferd auf und ab und erwarte mich hier.«

Der Soldat nahm den Zaum und gehorchte.

Sobald er sich im großen Saale des Wirthshauses befand, blieb er stehen und sagte, einen Blick der Zufriedenheit umher werfend:

»Oh! Oh! ein so großer Saal und kein einziger Zecher! Sehr gut!«

Meister Fournichon schaute ihn mit Erstaunen an, während ihm Madame Fournichon mit Einverständniß zulächelte.

Der Kapitän fuhr fort:

»Es ist also etwas in Eurem Benehmen oder in Eurem Hause, was die Gäste von Euch entfernt?«

»Gott sei Dank, weder das Eine, noch das Andere, mein Herr,« erwiederte Madame Fournichon. »Das Quartier ist nur neu, und was die Kunden betrifft, so wählen wir.«

»Ah! sehr gut,« sagte der Kapitän.

Meister Fournichon billigte während dieser Zeit mit dem Kopfe die Antworten seiner. Frau.

»Zum Beispiel,« fügte sie mit einem gewissen Blinzeln der Augen bei, das den Urheber des Planes mit Amors Rosenstock offenbarte, »zum Beispiel für einen Kunden wie Eure Herrlichkeit ließe man gerne zwölf gehen.«

»Das ist artig, meine hübsche Wirthin, und ich danke.«

»Will der gnädige Herr Wein kosten?« fragte Fournichon mit seiner am Mindesten heiseren Stimme.

»Will der gnädige Herr die Wohnungen besichtigen?« sagte Madame Fournichon mit ihrer süßesten Stimme.

»Das Eine und das Andere mit Eurer Erlaubniß.« erwiederte der Kapitän.

Fournichon stieg in den Keller hinab, während seine Frau ihrem Gaste die nach den Thürmchen führende Treppe zeigte, auf der sie ihm voran ging, wobei sie ihren Rock zierlich etwas aufhob und auf jeder Stufe einen wahren Pariserin-Schuh krachen ließ.

»Wie viel Personen könnt Ihr hier quartieren?« fragte der Kapitän, als er im ersten Stock angelangt war.

»Dreißig Personen, worunter zehn Herren.«

»Das ist nicht genug, schöne Wirthin,« entgegnete der Kapitän.

»Warum, mein Herr?«

»Ich hatte einen Plan, sprechen wir nicht mehr davon.«

»Ah! mein Herr, Ihr werdet sicherlich nichts Besseres finden, als Amors Rosenstock

»Warum Amors Rosenstock

»Den kühnen Ritter, wollte ich sagen, und wenn man nicht den Louvre und seine Zugehör hat…«

Der Fremde heftete einen seltsamen Blick auf sie.

»Ihr habt Recht,« sagte er, »wenn man nicht den Louvre und seine Zugehör hat.«

Dann fuhr er bei Seite fort:

»Warum nicht, das wäre bequemer und minder theuer.«

»Ihr sagt also, meine gute Dame,« sprach er laut, »Ihr könntet hier dreißig Personen zum Wohnen aufnehmen?«

»Ja, gewiß.«

»Aber für einen Tag?«

»Oh! für einen Tag vierzig und sogar fünf und vierzig.«

»Fünf und vierzig, Parfandious! das ist gerade meine Zahl.«

»Wirklich! seht, wie glücklich sich das trifft.«

»Und ohne daß es auswärts Lärm macht?«

»Sonntags haben wir oft achtzig Soldaten hier.«

»Und keine Zusammenrottung vor dem Hause, kein Spion unter den Nachbarn?«

»Oh! mein Gott, nein; wir haben keinen andern Nachbar, als einen würdigen Bürgersmann, der sich nie in eines Dritten Angelegenheiten mischt, und keine andere Nachbarin, als, eine Dame welche so zurückgezogen lebt, daß ich sie in den drei Wochen, die sie hier wohnt, noch gar nicht zu Gesicht bekommen habe; alle Uebrigen sind unbedeutende Leute.«

»Das sagt mir vortrefflich zu.«

»Ah! desto besser.«

»Und von heute in einem Monat,« fuhr der Kapitän fort, »behaltet das wohl, Madame, von heute in einem Monat.«…

»Am 26. October also?«

»Am 26. October.«

»Nun?«

»Am 26. October miethe ich Euer ganzes Gasthaus.«

»Das ganze?«

»Das ganze. Ich will einigen Landsleuten eine Ueberraschung bereiten… Officieren oder wenigstens Kriegsmännern der Mehrzahl nach, welche in Paris ihr Glück suchen; bis dahin erhalten sie Nachricht, daß sie bei Euch absteigen sollen.«

»Und wie erhalten sie diese Nachricht, da Ihr ihnen eine Ueberraschung bereiten wollt?« fragte unkluger Weise Madame Fournichon.

»Ah!« erwiederte der Kapitän, durch diese Frage sichtbar in Verlegenheit gebracht, »ah! wenn Ihr neugierig oder indiscret seid…. Parfandious!«

»Nein, nein, mein Herr,« rief hastig und erschrocken Madame Fournichon.

Fournichon hatte theilweise gehört, bei den Worten: Officiere oder Kriegsmänner schlug sein Herz vor Wohlbehagen.

Er lief herbei.

»Mein Herrn.« rief er, »Ihr werdet hier Meister, Despot des Hauses sein, und zwar ohne Frage; mein Gott! alle Eure Freunde sind willkommen.«

»Mein Braver, ich sagte nicht meine Freunde,« erwiederte hochmüthig der Kapitän, »ich sagte meine Landsleute.«

»Ja, ja, die Landsleute Eurer Herrlichkeit; ich täuschte mich.«

Dame Fournichon drehte ärgerlich den Rücken; die Liebesrosen hatten sich in Hellebardenbündel verwandelt.

»Ihr werdet ihnen Abendbrod geben,« fuhr der Kapitän fort.

»Sehr wohl.«

»Mit einem Worte Ihr werdet Euch ohne die geringste Frage ganz ihrer Discretion anheimgeben.«

»Abgemacht.«

»Hier sind dreißig Livres Angeld.«

»Der Handel ist abgeschlossen; Eure Landsleute sollen als Könige behandelt werden, und wenn Ihr Euch, den Wein kostend, versichern wollt…«

»Ich danke, ich trinke nie.«

Der Kapiteln näherte sich dem Fenster und rief den Hüter der Pferde.

Meister Fournichon stellte mittlerweile eine Betrachtung an.

»Gnädigster Herr,« sagte er (seit dem Empfang der so großmüthig zum Voraus bezahlten drei Pistolen nannte Meister Fournichon den Fremden gnädigster Herr): »gnädigster Herr, wie soll ich die Herrn erkennen?«

»Parfandious! das ist wahr, das habe ich vergessen; gebt mir Wachs, Papier und Licht.«

Dame Fournichon brachte Alles.

Der Kapitän drückte auf das siedende Wachs die Gravur eines Ringes, den er an der linken Hand trug.

»Ihr seht dieses Bild?« sagte er.

»Meiner Treue, eine schöne Frau.«

»Ja, es ist eine Cleopatra; nun wohl! jeder von meinen Landsleuten wird Euch einen ähnlichen Abdruck bringen, und Ihr beherbergt den Inhaber eines solchen Abdrucks, das ist abgemacht, nicht wahr?«

»Wie lange?«

»Ich weiß es noch nicht; Ihr werdet meine Befehle hierüber erhalten.«

»Wir werden sie erwarten.«

Der schöne Kapitän stieg wieder die Treppe hinab, schwang sich in den Sattel und ritt in scharfem Trabe fort.

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