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Kitabı oku: «Die Holländerin», sayfa 13

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10

Es war Zeit. Tristan ließ Herrn Mametin zur Ader, worauf er einige Minuten später die Augen wieder aufschlug.

– Dank! war das erste Wort des Greises.

– Wo ist Louise? war das zweite.

– Madame hat sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Als ich ankam, schien sie mir so ergriffen, daß Sie den Anblick Ihrer Ohnmacht nicht hätte ertragen können.

– Das liebe Kind! sprach der Doctor.

– Jetzt kann ich ihr wohl sagen lassen, daß sie komme?

Wollten Sie es ihr selbst sagen; ich habe mit ihr zu reden.

– Ich fürchte, daß es Sie zu sehr anstrengt.

– Ich werde mich in Acht nehmen; aber ich muß sie durchaus sprechen. Als Tristan in Louise’s Zimmer trat, fand er sie betend auf den Knien.

– Nun? fragte sie den jungen Mann.

– Es wird keine Folgen haben.

– Habe Dank, mein Gott, rief Louise, Du hast mich erhört!

– Sie sind ein Engel! sprach Tristan, indem er seiner Frau die Hand reichte.

– Sie verzeihen mir dieses Gebet, nicht wahr? antwortete Louise, Gott würde mir ja verziehen haben, wenn ich vielleicht vorhin einen Gedanken gehegt hätte.

– Herr Mametin fragt nach Ihnen; lassen Sie ihn nicht zu viel reden, die Anstrengung könnte ihm schaden. Louise ging nach dem Zimmer des Doctors. Als der Greis sie eintreten sah, lächelte er ihr mit Augen und Mund entgegen.

– Wie geht es Ihnen, mein Freund? fragte Louise.

– Gut, mein Kind; schließe doch die Fenster, ich bedarf der frischen Luft nicht, und dann höre mich an. Louise setzte sich neben das Bett.

– Erinnerst Du Dich, mein Kind, begann Herr Mametin, daß ich Dir einst gesagt, ich habe, ohne es zu wollen, eine schlechte Handlung in meinem Leben vollbracht? Es würde ein großes Unglück für mich sein, wenn ich aus dieser Welt scheiden müßte, ohne sie gut gemacht zu haben. Der Zufall von diesem Morgen ist ein Fingerzeig des Himmels, daß ich nicht lange mehr zu leben habe, und ich habe Dich rufen lassen, damit Du statt meiner in diesem Falle handeln könntest, wenn mich der Tod vielleicht daran hindern sollte.

– Warum diese Furcht, mein würdiger Freund? Sie sind ja gerettet.

– Ich fürchte nicht, mein Kind, ich berechne. Höre mich an. Ich habe nie von dem gesprochen, was ich Dir jetzt sagen will, und was auch immerhin geschehe, schwöre mir, das zu thun, was ich von Dir verlange, ohne irgend einer Person etwas davon zu sagen.

– Ich schwöre es Ihnen, sprach Louise.

– Nimm diesen Schlüssel, fuhr der Greis fort, indem er Louise einen kleinen Schlüssel reichte, den er aus seiner Tasche gezogen hatte; nimm ihn und öffne jenen Secretair.

Louise gehorchte.

– Es ist geschehen, sprach sie, als sie geöffnet hatte.

– Suche in dem mittelsten Fache. Du findest zwei Briefe darin, nicht wahr?

– Ja.

– Nimm sie; der eine ist für Dich, sprach der Greis, darum behalte ihn, er enthält meinen letzten Willen. Der andere ist für jemand, den Du nicht kennst, den Du aber in spätestens zwei Tagen kennen lernen wirst; behalte auch diesen Brief, diesen Abend oder morgen, wenn ich anders einer Nachricht glauben kann, wird sich hier ein Mann einstellen. In meinem Alter muß man nie sicher auf den nächsten Morgen bauen. Stellt sich nun der Mann ein, und ich sollte nicht mehr leben, mein Kind, so gieb ihm diesen Brief, und Du wirst als dann erfahren, wer er ist. Lebe ich noch, so führst Du ihn zu mir, ohne ihm etwas zu sagen, und die Erklärung, welche ich ihm geben muß, wird in Deiner Gegenwart stattfinden.

– Doch warum dieses Geheimnißvolle, womit Sie sich umgeben, mein bester Freund? Kann Ihr Leben, denn eine Handlung enthalten, die so ungerecht wäre? Was Sie auch immerhin gethan haben, müssen Sie es mir, Ihrer besten Freundin, verbergen?

– Mein Kind, antwortete der Greis, ich bedarf dieses Geheimnißvollen, womit ich mich umgebe. Die Person, welche ich erwarte, habe ich nie gesehen; ich weiß, wer sie ist, aber ich weiß nicht, wie sie ist. Das, was ich für diese Person zu thun gedenke, hängt von dem bisher geführten Lebenswandel derselben ab. Ist er untadelhaft, wie ich hoffe, so wirst Du die Freundin derselben und wirst sie lieben, denn sie wird dessen bedürfen, daß sie geliebt werde; finde ich aber nicht, was ich erwarte, so wird sie nie erfahren, was ich ihr mitzutheilen habe, und in diesem Falle will ich auch nicht, daß Du es wissest, weil Dein gutes Herz mich vielleicht zu etwas bewegen würde, wozu ich mich dann nicht mehr verpflichtet erachte.

– Dieser geheimnißvolle Fremde wird aber in dem Falle, wo Sie selbst nicht mit ihm reden können, durch den Brief, den ich ihm überreiche, erfahren, was Sie mir nicht sagen wollen.

– Weil der Tod, der keine Reue mehr gestattet, das vollbringen muß, was« das Leben unterlassen hat; weil meine Religion mir gebietet, eher das Gute als das Böse zu glauben, da ich im Tode nicht wissen kann, ob dieser Mensch gut oder böse ist, und weil mir Gott meinen Zweifel nicht verzeihen würde.

– Das ist wahr, antwortete die junge Frau; ich werde Ihnen hierin gehorchen, wie ich Ihnen in allem gehorche. Haben Sie mir noch andere Befehle zu ertheilen?

– Befehle, mein Kind! Bist Du nicht die Gebieterin, bin ich nicht Dein Sclave? Umarme mich und schicke mir Tristan.

Einige Augenblicke später fand Tristan an dem Bette des Greises.

– Nun, Doctor, fragte Herr Mametin lächelnd, was ordonnieren Sie mir jetzt? Ruhe, nicht wahr?

– Ganz gewiß.

– Dann bitte ich Sie, zu Louise zu gehen und dafür zu sorgen, daß sich das arme Kind nicht zu sehr langweilt. Ich will zu schlafen versuchen.

– Erlauben Sie, daß ich Madame Mametin einen meiner besten Freunde, der bei mir wohnt, vorstelle? Es ist Wilhelm, den Sie kennen.

– Er wohnt bei Ihnen?

– Ja.

Tristan erzählte nun dem Doctor mit wenig Worten die Geschichte von Wilhelm und Euphrasia.

– Gewiß, stellen Sie ihr diesen armen Menschen vor.

– Nun ruhen Sie, lieber Doctor, sprach, Tristan, indem er die Hand des Herrn Mametin ergriff, Sie haben Fieber, die geringste Anstrengung kann gefährlich werden.

Nachdem Tristan die Vorhänge des Fensters und die des Bett’s geschlossen hatte, damit das Licht dem Kranken nicht lästig werden konnte, holte er Wilhelm und stellte ihn Louise vor.

Der Tag verging. Die beiden jungen Leute blieben zu Tische bei Madame Mametin. Da Letztere fürchtete, daß die erwartete Person während Tristan’s und Wilhelm’s Anwesenheit eintreffen möchte, so entließ sie schon frühzeitig ihre beiden Gäste unter dem Vorwande, daß sie der Ruhe bedürfe.

Louise zog sich auch wirklich, nachdem sie sich überzeugt, daß Herr Mametin schlief, in ihr Zimmer zurück, und Tristan, der sich in seinem Zimmer befand, sah wie gewöhnlich ihr Fenster erhellt.

– Nun, sprach Wilhelm, wie ist es mit der Geschichte, die Sie mir erzählen wollten?

– Ich dachte so eben daran.

– Wollen Sie sie mir immer noch mittheilen?

– Ja. Wie finden Sie Madame Mametin?

– Liebenswürdig im höchsten Grade.

– Nicht wahr? fragte Tristan in einem gewissen scherzenden Tone.

– Nun? antwortete Wilhelm in einem bedeutungsvollen Tone.

– Hören Sie mich an, sprach Tristan.

In dem Augenblicke, als er beginnen wollte, sah er, daß sich Louise’s Fenster öffnete.

– Setzen Sie sich in den Schatten, sprach er zu Wilhelm. Und in der That, das Fenster war offen, und der allabendliche Kuß ward an seine Adresse befördert.

Einige Augenblicke später erlosch das Licht.

– Sie ist zu Bett gegangen, sprach Tristan.

– Was soll das alles heißen? fragte Wilhelm.

– Setzt Sie das in Verlegenheit?

– Etwas —

– Denken Sie sich – begann Tristan.

– Verzeihung, wenn ich Sie unterbreche, sprach Wilhelm; aber sehen Sie einmal jenen Mann in einen Mantel gehüllt, er scheint eine Hausnummer in dieser Straße zu suchen. Tristan sah hin und gewahrte in der That einen Mann, der vor jedem Hause stehen blieb, die Nummer desselben betrachtete und dann seinen Weg fortsetzte, nachdem er sich überzeugt, daß er noch nicht da war, wohin er wollte.

– Ich möchte ihm rathen, bald das Haus zu finden, das er sucht, denn, wenn es das des Herrn Mametin nicht ist, kommt er in das Feld.

Der nächtliche Spaziergänger blieb vor Herrn Mametin’s Thür stehen, zog langsam die Glocke, hüllte sich fester in seinen Mantel und wartete.

Einige Augenblicke später öffnete sich die Thür, und Louise, ein Licht in der Hand tragend, ließ den geheimmißvollen Fremden eintreten.

– Wie, sprach Wilhelm zu Tristan, war das nicht Madame Mametin? Tristan antwortete nicht.

– Sieh, sieh, sieh! fuhr Wilhelm fort, Herr Mametin thut wohl, daß er krank ist.

– Was wollen Sie damit sagen? fragte Tristan mit zitternder Stimme.

– Ich will damit sagen, daß Madame während dieser Zeit ganz bequem ihren Galan empfangen kann.

– Glauben Sie, daß dieser Mensch Louise’s Liebhaber sei?

– Ich möchte tausend gegen eins verwetten! Eine Dame, die um diese Stunde, und noch dazu während der Krankheit ihres Mannes, einem in einen Mantel gehüllten Manne selbst die Thür öffnet, läuft große Gefahr, von denen, die sie sehen, beargwöhnt zu werden.

– Das ist nicht möglich! murmelte Tristan.

– Was?

– Was Sie so eben sagten.

– Was kümmert das Sie?

– O sehr viel.

– Warum?

– Weil Madame Mametin meine Frau ist. Das ist die Geschichte, die ich Ihnen erzählen wollte.

Diese Geschichte kam dem Handlungsbeflissenen so unvermuthet, daß er rücklings auf einen Stuhl fiel.

Während dieser Zeit führte Louise den, den sie so eben eingelassen, nach dem Zimmer des Herrn Mametin. An der Thür bat sie ihn, ein wenig zu warten, dann trat sie allein ein.

Leise näherte sie sich dem Bette des Greises, und als sie sah, daß er schlief, zögerte sie, ihn zu wecken. Da sie sich aber erinnerte, daß Herr Mametin ein großes Gewicht auf diesen Besuch legte, ergriff sie die Hand des Kranken und weckte ihn.

– Mein Freund, sprach sie, als er die Augen öffnete, die Person ist da, welche Sie erwarten.

– Laß sie eintreten, antwortete Herr Mametin bewegt, und bleibe bei uns.

Louise ging; nach einem Augenblicke kehrte sie in Begleitung des geheimnißvollen Fremden zurück.

Jedenfalls, sprach Tristan in diesem Augenblicke bei sich selbst, jedenfalls waltet hier ein Geheimniß ob, und ich werde es morgen schon erfahren; daß Louise aber einen Liebhaber hat, ist unmöglich.

Nun erzählte er Wilhelm, der von der sonderbaren Neuigkeit noch ganz betäubt war, die Einzelheiten der Geschichte, die wir bereits kennen.

11

Am nächsten Morgen stattete Tristan seiner Frau einen Besuch ab, den er mit der Krankheit des Herrn Mametin motivierte. Zuerst erkundigte er sich nach dem Zustande des Kranken, und dann, nachdem er erfahren hatte, daß er sich besser befände, ließ er Madame Mametin sagen, er habe mit ihr zu reden.

Louise erschien im Garten, wo die Tristan, ihrer harrend, vorfand.

– Louise, sprach der junge Mann, indem er an ihrer Seite einen Spaziergang durch den Garten machte, es ist wohl unmöglich, mehr Vertrauen, mehr Reue und mehr Discretion zu zeigen, als ich unter den sonderbaren Verhältnissen, die seit einiger Zeit unter uns obwalten, an den Tag lege.

– Es ist wahr, mein Freund; deshalb auch bringt Ihnen jeder Tag die Verzeihung einer verfehlten Vergangenheit.

– So arges Unrecht ich auch immerhin begangen haben möge, so erlauben Sie mir wohl, für diese Unterwürfigkeit, eine Frage an Sie zu richten.

– Es kommt darauf an, was die Frage enthält.

– Ich werde Sie nur um die Wahrheit über einen Vorfall Ihres Lebens fragen.

– Die Geschichte meines Lebens gehört ganz Ihnen und ich bin bereit zu antworten. Fragen Sie.

– Gestern Abend ist ein Mann in dieses Haus gekommen, nicht wahr?

– Ja.

– Wer ist dieser Mann?

– Ich weiß es nicht.

– Das ist unmöglich!

– Warum?

– Sie selbst haben ihm die Thür geöffnet, anstatt dieses Geschäft einem Domestiken zu überlassen; Sie haben ihn erkannt, sonst hätten Sie ihn nicht so geheimnisvoll in das Haus eintreten lassen. Wer ist dieser Mann?

– Ich wiederhole Ihnen, daß ich es nicht weiß.

– Dann erlauben Sie mir, alles vorauszusetzen.

– Nur das Schlechte nicht.

– Das Schlechte ist aber das Wahrscheinlichste.

– Sie scherzen, mein Freund, oder ich verstehe Sie nicht mehr.

– Was wollte der Mann hier?

– Er wollte mit Herrn Mametin reden.

– Um diese Stunde! Die Sache war wohl sehr wichtig?

– Ja.

– Und Sie selbst haben diesem Manne die Thür geöffnet?

– Ich selbst.

– Wird dieser Mann nicht wiederkehren?

– Er wird wiederkehren.

– Heute?

– Diesen Abend.

– Und immer so geheimnißvoll?

– Immer.

– Werden Sie ihm wieder die Thür öffnen?

– Wie gestern.

– Sie wollen mit diesem Vertrauen meinen Argwohn abwenden, Louise. Dieser Mann ist Ihr Liebhaber.

– Sie sind ein Narr.

– Wollen Sie mir nicht sagen, was dieser Mann hier zu thun hat?

– Nein.

– So weiß ich, was mir zu thun bleibt.

– Was wollen Sie damit sagen?

– Daß ich es erfahren werde.

– Nur keine Unklugheit, mein Freund, eine Kleinigkeit kann uns verderben. Louise’s große Ruhe machte unsern Helden irre.

– Auf diesen Abend, sprach er, indem er sich entfernte.

Louise stand im Begriffe, Tristan zurückzurufen; es mochte aber ein Gedanke in ihr aufsteigen, der sie davon abhielt, denn sie ging langsam in das Haus zurück.

Als Tristan in sein Zimmer trat, fand er Wilhelm, der einen Brief schrieb.

Der Handlungsdiener ward feuerroth, als er sah, daß er überrascht ward.

– Ich störe. Sie wohl? fragte Tristan.

– Nein, ich schrieb.

– Schreiben Sie, bester Freund, ich gehe.

– Nein, nein, bleiben Sie. Wilhelm hätte gern gesehen, wenn Tristan ihn um das gefragt, was er schrieb; aber Tristan, der es vielleicht errieth, fragte ihn nicht.

– An wen glauben Sie wohl, daß ich schreibe? sprach Wilhelm nach einem Augenblicke.

– Ich weiß es nicht.

– An Euphrasia. Wilhelm erseufzte tief und schwer.

– Was fällt Ihnen ein?

– Ich beantworte einen Brief, den ich vorhin empfangen habe.

– Und was sagt dieser Brief?

– Daß mein Verdacht ungegründet sei, daß sie nach Paris reise, und daß sie mich vor ihrer Abreise noch einmal sehen wolle.

– Was antworten Sie darauf?

– Daß es unmöglich ist.

Wilhelm erseufzte noch einmal

Es war ersichtlich, daß die Furcht, Tristan möchte sich lustig über ihn machen, ihm die Antwort dictirt hatte, und daß er so schnell als möglich zu Euphrasia geeilt wäre, wenn er nur auf sein Herz gehört.

Tristan begriff dies alles.

– Warum bringen Sie ihr die Antwort nicht selbst? fragte er.

Wie es schien, hatte Wilhelm diese Erlaubniß erwartet, denn ein Strahl der Freude leuchtete aus seinen Augen.

– Wozu wäre das gut? Es ist ja jetzt alles vorbei, fügte er gleichgültig hinzu, denn er hoffte, seinen Freund immer noch zu täuschen.

– Hören Sie mich an, lieber Wilhelm: es handelt sich in dieser Sache einzig und allein nur um Sie, und Sie thun unrecht, wenn Sie Ihrer Neigung Zwang an legen. Das Leben ist kurz und nicht immer heiter, das weiß ich besser, als irgend jemand, und meine Ansicht ist, daß man das thun muß, was glücklich macht, ohne sich darum zu kümmern, was die andern dazu sagen.

– Sie sagen mir das in einem fast verdrießlichen Tone.

– Durchaus nicht, ich spreche, wie ich es meine; meine Privatsorgen haben auf das, was ich Ihnen sage keinen Einfluß.

– Ach, ich liebte diese Frau unendlich, fuhr Wilhelm fort, der fürchtete, das Gespräch möchte eine andere Wendung nehmen und ihm entginge die Gelegenheit, Euphrasia zu sehen.

– Nun, so gehen Sie doch zu ihr, sprach Tristan.

– Rathen Sie es mir?

– Ja.

– Werden Sie mir auch deshalb nicht böse sein?

– Nein.

– Ich will sie ja nur noch einmal sehen, um ihr zu sagen, daß mein Entschluß, mich in Zukunft fern von ihr zu halten, fest stehe.

Der verliebte Wilhelm ergriff leise seinen Hut, als ob er fürchtete, das geringste Geräusch könne die Empfindsamkeit Tristan’s wieder wecken; dann trat er zu ihm, ergriff die Hand seines Freundes und sprach: .

– Sie sind mir also nicht böse? Ich will sie nur noch ein einziges Mal sehen, und dann ist alles aus, das schwöre ich Ihnen.

– Gehen Sie, mein bester Freund, und thun Sie, was Ihnen gut scheint. Bin ich denn Ihr Herr geworden? Bin ich nicht mehr. Ihr Freund? Habe ich nicht stets gethan, was in meinen Kräften stand, um Ihr Glück nicht zu zerstören? Gehen Sie denn zu ihr, aber, ich bitte kommen Sie vor Einbruch der Nacht wieder zurück, es könnte sein, daß ich Ihrer bedarf.

– Seien Sie ohne Sorge, schon in einer Stunde bin ich wieder hier. Mein Geschäft ist bald abgethan. Weil ich daran denke, fuhr Wilhelm fort, der jetzt die Unterhaltung ändern zu können glaubte, da ihm erlaubt war zu gehen, wie steht es mit dem Manne von gestern Abend? Wer ist er?

– Diesen Abend werde ich Ihnen alles erzählen, doch kommen Sie um acht Uhr zurück.

– In einer Stunde, wie ich Ihnen gesagt.

Wilhelm verschwand mit der Eile eines Schülers, der glaubte, den ganzen Tag zu Hause bleiben zu müssen und um Mittag plötzlich die Erlaubniß erhält, auszugehen.

Tristan stattete einen zweiten Besuch bei Herrn Mametin ab, den er immer noch im Bette fand. Eine gewisse innere Zufriedenheit schien vortheilhafter auf die Gesundheit des Greises gewirkt zu haben, als die Ruhe, die er genossen.

Louise war ausgegangen.

Tristan, der wußte, daß Wilhelm länger als eine Stunde ausbleiben würde, hielt sich so lange im Hause des Herrn Mametin auf, als es ihm möglich war. Gegen vier Uhr entfernte er sich; Louise war immer noch nicht zurückgekehrt.

In dem Augenblick, als er die Thür des Hauses schloß, sah er seine Frau zurückkommen. Er ging zu ihr.

– Woher kommen Sie? fragte er in einem ziemlich heftigen Tone.

– Ich habe zwar niemandem Rechenschaft über mein Thun und lassen abzulegen, da Sie es aber durchaus wissen wollen, so hören Sie: ich habe der Person, die Sie gestern Abend gesehen, einen Gegenbesuch abgestattet.

– Louise, sagen Sie mir, wer ist dieser Mann? Hüten Sie sich, daß ich die Sache nicht zum Eclat bringe, denn ich bin der lächerlichen Lage müde, in die mich meine Liebe zu Ihnen seit drei Wochen versetzt hat. – Nein. Da Sie wahrscheinlich begreifen, daß dadurch Ihre Lage noch lächerlicher werden würde, werden Sie sich wohl ruhig verhalten. Außerdem liegt dieser ganzen Angelegenheit nichts Böses zum Grunde, und Sie würden herzlich über Ihren Verdacht lachen, wenn Sie näher davon unterrichtet wären.

– Nun, so versprechen Sie mir eins!

– Was?

– Empfangen Sie heute Abend diese Person nicht.

– Ich war so eben bei ihr, antwortete Louise lächelnd, um ihr zu sagen, daß sie kommen solle.

– Und dann wird sie wohl einen Theil der Nacht bei Ihnen zubringen?

– Vielleicht die ganze Nacht. Beunruhigt Sie das, Eifersüchtiger?

– Es soll mich nicht lange mehr beunruhigen.

– Was soll das heißen?

– Daß ich weiß, was mir zu thun bleibt.

– Seien Sie klug; ich wiederhole es Ihnen zum zweiten Male.

– Ich danke für den Rath, Madame.

– Auf morgen! sprach Louise.

– Vielleicht auf diesen Abend!

»Man baue nur auf die Liebe der Frauen,« sprach Tristan bei sich selbst.

Louise ging in ihre Wohnung und Tristan in die seinige.

Wilhelm war noch nicht zurückgekehrt.

– Man glaube nur an die Freundschaft der Männer! rief unser Heros, als Wilhelm’s Rückkehr sich immer noch verzögerte. Doch Geduld, mein Herr Unbekannter, Sie sollen mir für alles zahlen. Louise hat Recht, wenn sie sich über mich lustig macht, denn es gehört in der That eine große Portion Dummheit dazu, das zu ertragen, was ich seit drei Wochen ertragen habe, und, um meine Frau wieder zu besitzen, den Tod eines Greises abzuwarten, den ich in seiner Krankheit pflege und dessen Leben zu erhalten ich für meine Pflicht erachte!

Um sechs Uhr kam Wilhelm zurück.

– Ich erwartete Sie nicht mehr, sprach Tristan.

– Glauben Sie mir, mein Freund, antwortete der Commis mit feierlicher, ernster Stimme, ich konnte nicht früher zurückkehren.

– Was ist denn geschehen?

– Sie sehen, daß ich noch ganz bewegt bin.

– Und was ist der Grund dieser Bewegung?

– Etwas, das ich nicht erwartete. Euphrasia empfing mich mit einer großen Würde; sie gestand ihr Unrecht ein, gab als Entschuldigung meine Abwesenheit an, und schloß mit der Erklärung, daß sie sich meiner Liebe unwürdig halte, und daß sie mich meiden wolle, um ihre Scham zu verbergen, die sie nicht würde ertragen können, wenn sie mit mir in einem und demselben Lande bliebe. Dann erbot sie sich, mir meine Briefe zurückzugeben, sie fügte aber hinzu, daß diese in der Ferne ihr einziger Trost sein würden, und ich hatte nicht den Muth, die ihr zu nehmen. Morgen reist sie nach Frankreich, schloß Wilhelm seine Rede, sank erschöpft auf einen Stuhl und stützte den Kopf in seine Hand wie ein Mensch, der nicht mehr weiß, was er im Leben beginnen soll.

– Nun, mein Freund, so müssen Sie mit ihr reisen, sprach Tristan in einem Tone, als ob er sagen wollte: »Sie werden mir mit der Zeit entsetzlich lästig.«

– Unmöglich!

– Warum?

– Sie hat es mir verboten.

– Haben Sie ihr den Vorschlag dazu gemacht?

– Ja.

Wilhelm blickte zu Boden bei diesem Geständnisse.

In diesem Augenblicke trat die alte Frau ein.

– Wollen die Herren zu Mittag speisen? fragte sie.

– Ich nicht, antwortete Tristan.

– Auch ich nicht, sprach Wilhelm.

Die Alte ging, die beiden Freunde waren wieder allein.

– Sie sagten mir, daß Sie meiner bedürften, fuhr Wilhelm fort, dem einleuchtete, daß diese Liebesstreitigkeiten Tristan lästig werden mußten.

– Wenn Sie nichts zu thun haben.

– Sie wissen, daß ich stets für Sie zu allem bereit bin.

– Ich habe zu schreiben, lieber Wilhelm, und Sie wahrscheinlich auch. Gehe ein jeder von uns jetzt auf sein Zimmer, und wenn der Augenblick da ist, wo wir vereinigt sein müssen, werde ich Sie abholen.

– Tristan ging in sein Zimmer und schrieb einen langen Brief. Auf den Umschlag setzte er die Adresse:

»An Herrn Mametin.«

Während dieser Zeit war die Nacht eingebrochen, unser Held nahm seinen Platz am Fenster und erwartete den Mann vom verflossenen Abend.

Es währte nicht lange, so sah er den Schatten desselben, der sich auf der Mauer bildete, dem Hause des Doctors zu schweben.

Tristan ergriff eilig einen Hut, verließ sein Zimmer, öffnete Wilhelm’s Thür, indem er sprach: »Erwarten Sie mich,« und ging zum Hause hinaus.

In dem Augenblicke, als er über die Straße ging, hatte der Unbekannte Louise’s Haus erreicht. Tristan stellte sich zwischen ihn und die Thür.

– Wohin, mein Herr?" fragte Tristan.

– Dahin, wohin ich gehe, antwortete der Mann im Mantel.

Tristan bebte zusammen bei dem Tone dieser Stimme, denn ihm war, als ob er sie schon gehört hätte.

– Sie werden aber nicht dahin gehen, mein Herr, sprach Tristan, indem er sich beugte, um die Züge dieses Mannes unterscheiden zu können.

– Das wollen wir sehen, rief dieser, und entledigte sich seines Mantels, indem er ihn hinter sich warf In diesem Augenblicke trat der Mond hinter einer Wolke hervor und beleuchtete die Gesichter der beiden Männer.

– Tristan! rief der eine zurücktaumelnd.

– Henry von Saint-Ile! der andere, indem er wie Lott’s Salzsäule dastand.

– Wie, Sie sind es?

– Ich selbst!

– Zürnen Sie mir nicht mehr, lieber Tristan?

– Weshalb?

– Wegen Henriettes und des Degenstichs.

– Nein; Sie müssen mir aber sagen, was Sie hier zu thun haben.

– Sehr gern.

– Eins muß ich indes vorausschicken.

– Reden Sie.

– Sollten Sie der Liebhaber der Madame Mametin sein, so werden wir abermals beginnen, uns die Hälse zu brechen.

– Beruhigen Sie sich, ich bin es nicht. Aber welches Interesse können Sie an der Tugend dieser Dame nehmen? Ich muß Ihnen auch etwas vorausschicken: sollten Sie der Liebhaber der Madame Mametin sein, so werden wir uns ebenfalls die Hälse brechen.

– Ich bin es um nichts mehr, als Sie.

– Ihr Angriff muß aber doch einen Grund haben?

– So gut wie Ihre Besuche einen Grund haben.

– Ganz gewiß. Sagen Sie mir Ihren Grund, ich werde Ihnen den meinigen sagen.

– Werden Sie verschwiegen sein?

– Wie das Grab.

Henry raffte seinen Mantel wieder auf, Tristan ergriff Henry’s Arm und beide Männer gingen in der Straße auf und ab.

Louise, die sich zitternd an das Fenster gesetzt, als sie die beiden Stimmen gehört hatte, konnte sich den Ausgang dieser Scene nicht erklären.

– Sie wissen, sprach Tristan, wie ich den armen Karl am Tage unseres ersten Zusammentreffens getödtet habe?

– Ja.

– Sie könnten selbst, wenn es sein müßte, meine Unschuld bezeugen.

– Vollkommen.

– Sie wissen, daß ich eine Frau zurückließ?

– Sie haben es mir gesagt.

– Karl ist unter meinem Namen beerdigt.

– Durch wen?

– Durch den Doctor Mametin.

– Weiter.

– Meine Frau war Witwe.

– Recht.

– Und der Doctor hat sie geheirathet.

– Himmlisch!

– Demnach wache ich über sie, ohne weder ihr Mann, noch ihr Liebhaber zu sein. Da ich in Ihnen meinen Stellvertreter erblickte, wollte ich Sie tödten; verstehen Sie?

– Ich verstehe.

– Ich fragte Louise, was Sie hier machten.

– Hat sie es Ihnen gesagt?

– Nein.

– Herr Mametin hat es ihr verboten.

– Gehen Sie denn zu Herrn Mametin?

– Nur zu ihm.

– Erzählen Sie.

– Die Sache ist sehr einfach. Sie erinnern sich, daß ich Ihnen an dem Tage, wo wir uns das erste Mal sahen, sagte, ich habe meine Eltern nie gesehen.

– Ich erinnere mich.

– Dies war das größte Unglück meines Lebens. Nun zur Sache: Vor einigen Tagen erhalte ich also einen Brief von einem Notar aus Amsterdam, worin er mir schreibt, er sei beauftragt, mir meine Pension auszuzahlen und ich möge sie sobald als möglich abholen. Ich eile hierher. Der Notar sagt mir, daß ein gewisser Mametin, der mich schon seit langer Zeit suche, etwas von der größten Wichtigkeit mir mitzutheilen habe. Es war spät, deshalb wollte ich am nächsten Morgen dem Doctor meinen ersten Besuch abstatten; der Notar aber sagt mir, daß Herr Mametin wünsche, ich möge mich gleich bei meiner Ankunft ihm vorstellen. Ich ging also gestern Abend noch zu dem Doctor, und fand ihn im Bette. Er reichte mir die Hand, fragte mich über mein Leben, weinte bei meinen Leiden und schloß mit dem Geständnisse, daß ich der Sohn einer vornehmen Dame sei, die vor Kurzem gestorben und ihn im Sterben von dem Eide entbunden habe, den er ihrer Ehre wegen geschworen und wonach er mir nicht früher den Vater nennen solle, als bis sie todt sei. Dann schloß er mich in seine Arme, weinte und nannte mich einen Sohn.

– Ein sonderbares Abenteuer!

– Denken Sie sich meine Ueberraschung! Heute war ich nun bei dem Notar, wie mein Vater mir gesagt, und habe eine Acte von ihm anfertigen lassen, wonach er mich als einen Sohn anerkennt und mit seiner Frau zu seinem Erben einsetzt. Das ist meine Geschichte, mein Freund.

– Ihre Geschichte ist fröhlicher als die meinige.

– Heute Abend wird die Acte unterzeichnet. Die ganze Sache kommt mir um so gelegener, als ich in ein

reizendes junges Mädchen verliebt bin, um dessen Hand ich deswegen mich nicht bewarb, weil ich nicht wußte, wo meine Familie war. Jetzt aber kann ich meine Geliebte heirathen, sobald ich zurückkehre.

– Nun, mein Freund, so möge Ihnen der Himmel Glück verleihen, das ist alles, was ich Ihnen wünsche.

– Da fällt mir etwas ein, sprach Henry plötzlich, indem er sich an die Stirne schlug.

– und was?

– Mein Vater hat mir die Umstände nicht mitgetheilt, unter denen er sich verheirathet hat; er hat meine

Abenteuer angehört, ohne mir die seinigen zu erzählen.

– Nun?

– Ich erzählte ihm meinen Mordversuch im Walde von Boulogne und folglich auch unser Begegnen.

– Natürlich.

– Dann fragte er mich um Ihr Schicksal, und als ich ihm sagte, daß Sie nicht todt wären, schien er sehr

bewegt zu sein, so viel ich mich erinnere.

– War Louise gegenwärtig?

– Nein, sie hatte das Zimmer verlassen.

– Was sagte er hierauf?

– Nichts, das mir in jenem Augenblicke aufgefallen wäre. Ich besinne mich jedoch, daß er mich fragte, ob Sie in Mailand gewesen wären. Ich antwortete ihm, was ich erfahren, daß Sie der Tenor seien, der als Othello debütiert und dessen Verschwinden so viel Aufsehen erregt habe.

– Schien er nicht meine Anwesenheit in Amsterdam zu argwöhnen?

– Nein. Im ersten Augenblicke glaubte ich, daß die bloße Neugierde ihn veranlaßte, mich um Ihre Abenteuer zu fragen; nach dem aber, was Sie mir gesagt, fürchte ich, eine meiner gewöhnlichen Ungeschicklichkeiten verübt zu haben.

– Ich habe Herrn Mametin den ganzen Tag nicht besuchen können. Louise muß diesen Umstand nicht wissen, denn wäre er ihr bekannt, hätte sie ihn jedenfalls mir schon mitgetheilt. Und was war der Schluß aller dieser Fragen?

– Der ausdrückliche Auftrag, dem Notar zu sagen, daß er diesen Abend komme. Er wird mich wahrscheinlich schon erwarten.

– Bester Freund, sollten Sie etwas erfahren, so haben Sie wohl die Güte und theilen es mir mit.

– Auf der einen Seite klärt sich die Sache auf, auf der andern verwickelt sie sich wieder.

– Vor allen Dingen suchen Sie zu erfahren, ob Herr Mametin den Argwohn hegt, daß ich Louise’s Mann bin, und weiß er es, so sagen Sie ihm offen, daß wir deshalb geschwiegen, weil wir fürchteten, ihm Kummer zu bereiten.

– Tragen Sie keine Sorge, antwortete Henry, ich bin glücklich und werde alles aufbieten, um Ihnen nützlich zu werden. Das Glück macht überhaupt diejenigen gut, welche, wie ich, nicht gewohnt sind, glücklich zu sein.

Mit einem freundschaftlichen Handschlage trennten sich die beiden Männer.

Tristan ging zu Wilhelm, der so in seinen Schmerz vertieft war, daß er den Eintritt seines Freundes nicht hörte.

– Der ist nicht zu heilen, dachte Tristan, als er seinen Freund erblickte.

Henry zog die Glocke an der Thür des Doctors.

Louise öffnete wie Abends zuvor.

– Guten Abend, meine beste Mutter, sprach Henry.

– Guten Abend, antwortete Louise lächelnd.

– Ist der Notar da?

– Ja.

– Ist etwas Neues vorgefallen?

– Nichts, das ich wüßte.