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Kitabı oku: «Die Holländerin», sayfa 12

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7

Tristan mochte vielleicht fünf Minuten gewartet haben, als die Thür des Saals sich öffnete und Louise eintrat. Der junge Mann, dem sie in diesem Augenblicke schöner erschien als je, trat ihr einige Schritte entgegen. Das Lächeln, welches seine Lippen umschwebte, schien zu sagen: »Sie erwarteten mich wohl nicht? Nun, da bin ich, kommen Sie in meine Arme.«

Louise, welche sich von dem Gärtner die Person hatte beschreiben lassen, die sie erwartete und außerdem, seit sie auf dem Lande wohnte, jeden Augenblick ihren ersten Mann kommen zu sehen glaubte, war auf diesen Anblick vorbereitet, denn ihre Ahnung und die ungewöhnliche Anmeldung des Fremden hatte ihr den Namen desselben gemeint.

Als sie die Thür öffnete und ihren Mann erblickte, ward sie bleich wie der Tod; die junge Frau aber unterdrückte ihre Bewegung und sprach ernst und ruhig zu Tristan:

– Sie wünschen meinen Mann zu sprechen, mein Herr?

Wie vom Blitze getroffen stand Tristan da. Er glaubte die Beute eines Traumes zu sein, fuhr mit der Hand über seine Stirn und sah Louise mit starren Augen an; er fand aber dasselbe liebliche Gesicht, denselben lächelnden Mund, der diese sonderbare Frage an ihn gerichtet hatte.

– Ja, Madame, antwortete er, um zu sehen, wie weit sie den Scherz treiben würde.

– Er ist nicht zu Hause, mein Herr.

– Der Gärtner hat es mir bereits gesagt.

– Er wird auch sobald nicht zurückkehren, sprach Louise, die, weil sie selbst sich nicht setzte, auch Tristan keinen Platz anbot, die Hoffnung zu hegen schien, daß der Besuch ohne weitere Erklärung sich wieder entfernen würde.

– Das ist ärgerlich, entgegnete Tristan, denn ich habe über wichtige Sachen mit Herrn Mametin zu reden, fügte er betonend hinzu.

– So setzen Sie sich, mein Herr, vielleicht kommt er früher zurück, als ich denke.

Bei diesen Worten zeigte Louise auf einen Stuhl, wendete dann den Rücken dem Fenster zu, damit sie den Schatten im Gesicht hatte, und nahm ihrem Manne gegenüber Platz wie eine Frau, welche sich anschickt, so artig als möglich auf das zu hören, was ein Besuch, den sie nicht ablehnen konnte, sagen wird.

– Madame, sprach Tristan, man sagt, daß Herr Mametin. Sie über Alles liebt?

– Das ist wahr, mein Herr.

– Diese Frage, von einem Fremden ausgesprochen, muß Ihnen höchst seltsam erscheinen; aber so fremd ich Ihnen auch sein mag, vielleicht habe ich das Recht, diese Frage an Sie zu richten.

Louise antwortete nicht.

– Man sagt ferner, fuhr Tristan fort, daß Herr Mametin nichts unternimmt, ohne Sie zu Rathe gezogen zu haben?

– Herr Mametin ist ein Ehemann, wie man ihn nicht oft findet, ein Ehemann, mein Herr, der alles vermeidet, um mir auch nur eine Minute Langeweile zu verursachen, von Kummer kann demnach die Rede gar nicht sein.

– Folglich wird Ihnen Herr Mametin auch das mitgetheilt haben, was er so gütig war, mir anzutragen?

– Das hat er; ich muß selbst hinzufügen, daß er es auf meine Veranlassung gethan.

– Ist es möglich!

– Ja, mein Herr.

– Und wem habe ich dieses Glück zu danken?

– Nur dem Zufalle, mein Herr, denn nur der Zufall allein hat alles gefügt.

– Der Zufall?

– Ja, denn der Zufall hat gewollt, daß Ihr Name derselbe ist, den eine Person führte, die mir unendlicht heuer war.

– Und ist sie Ihnen jetzt nicht mehr theuer? fragte Tristan, dem bei jedem Worte, das Louise sprach, das Herz immer lauter klopfte.

– Nein, mein Herr! antwortete sie fest.

– Seit wie lange?

– Seit sechs Monaten.

– Und wie kam es, daß diese Person das Mißfallen einer so guten und liebenswürdigen Dame erregte?

– Weil er eine andere Frau liebte.

– So war es also Ihr —

– Es war mein erster Mann, mein Herr. Louise antwortete mit einer so großen Ruhe, daß es Augenblicke gab, wo Tristan zu träumen wähnte.

– Und Sie haben ihn geliebt? fuhr er fort.

– Wie keinen andern.

– Was ist aus diesem ersten Manne geworden?

– Seit meiner Wiederverheirathung ist er todt.

– Und wenn er es nicht wäre?

– Das ist unmöglich!

– Wenn es aber dennoch so wäre?

– Dann, antwortete Louise, würde ich mich damit nicht begnügen, ihn zu vergessen, ich würde ihn verachten.

– Und warum?

– Kann ein Mann, der eine Frau, die er zu lieben vorgiebt, in einer solchen Lage verläßt, worin mich mein Mann gelassen hat, der lebt und sich weder um das Glück, um die Liebe, noch um das Leben derselben kümmert, kann ein solcher Mann von dieser Frau etwas anderes als Haß und Verachtung erwarten? Und wenn die Umstände es fügten, daß er für todt gehalten wurde, wenn der Zufall ihn seiner Frau entgegenführt, die, da sie Witwe zu sein glaubte, sich wieder verheirathete, nicht aus Liebe, sondern aus Nothwendigkeit; wenn er selbst dem Manne dieser Frau eine Stellung verdankt, muß er die Vergangenheit derselben nicht vergessen, da ein einziges Wort sie verderben, ein einziges Zeichen die compromittieren kann? Das, mein Herr, ist die Pflicht eines Mannes, der sich in einer solchen Lage befindet, wenn ihm sonst noch einiges Zartgefühl im Herzen geblieben ist, das, mein Herr, ich bin davon überzeugt, würden Sie als ein Mann von Ehre ebenfalls thun, wenn Sie sich an der Stelle dieses Mannes befänden.

– Es ist wahr, Madame, antwortete Tristan, der das Schwierige seiner Lage und die Wahrheit von Louises Worten einsah, es ist wahr; wenn aber dieser Mann nicht so strafbar ist, als Sie glauben, wenn die Umstände allein ihn zwangen, sich zu entfernen und sich für todt halten Zu lassen, wenn eine Wunde ihn von seiner Frau fern hielt und es ihm unmöglich machte, auszugehen, sie folglich nicht sehen konnte – würde dieser Mann immer noch Haß und Verachtung verdienen?

– Wenn man nicht gehen kann, kann man schreiben.

– Wenn man nun geschrieben hat, und der Brief trotz aller Bemühungen, nicht an seine Adresse zu befördern gewesen, da diese selbst spurlos verschwunden war?

– So hätte er selbst Nachforschungen anstellen sollen.

– Wenn er aber eines Verbrechens wegen, an dem er unschuldig war, sich der Gefahr aussetzte, verhaftet zu werden?

– Ohne zu berücksichtigen, daß seine Rechtfertigung nicht ausbleiben konnte, hätte die Frau wohl verdient, daß er sich einer Verhaftung aussetzte. Ich würde ihm indeß immer noch verziehen haben, wenn er, anstatt mit einer Geliebten zu entfliehen, allein entflohen wäre, und wenn man, bei Ermittelung des Grundes seiner Flucht, neben der Gefahr, die er vor schützte, nicht auch eine neue Liebe bei ihm entdeckt hätte.

Tristan wußte nichts mehr zu antworten, bestürzt saß er da.

– Aber, Madame, fuhr er plötzlich fort, indem er eine Idee auffaßte, die ihm einen sichern Weg zu bahnen schien, warum hat Sie Ihr Mann verlassen?

– Um sich zu tödten.

– Und aus welchem Grunde wollte er sich tödten?

– Weil ich die Freiheit, die ich durch seinen Tod erlangte, zu einer zweiten Heirath benützen sollte, da diese mich vielleicht glücklicher, als die erste machte.

– Nun, Madame, mir scheint, daß diese Denkungsart denn doch etwas mehr werth wäre, als Haß und Verachtung.

– Aber der Tod war nicht am rechten Orte, und das Schweigen kann nicht entschuldigt werden.

– O, im Gegentheil, es kann nur zu gut entschuldigt werden.

– Und wie, mein Herr?

– Dieser Versuch, sich selbst zu tödten, hat ihn nicht reicher gemacht, er konnte Sie darum nicht wieder aufsuchen. Und nehmen wir an, er hätte Sie wieder gesehen, wäre nicht das wahrscheinliche Gefängniß ein weit größeres Elend für Sie und ihn gewesen, als das, was er durch den Selbstmord beseitigen wollte? Deshalb sprach der Mann bei sich selbst: »Indem ich mein Leben geheim halte, vollbringe ich das Opfer, das ich durch meinen Tod beabsichtigte. Louise wird mich vergessen, und gewiß wird sie früher oder später das Glück finden, das ich ihr nicht schaffen konnte.« Das sagte er, Madame, und deshalb verachten Sie ihn?

– Wenn das, was Sie mir sagen, mein Herr, die Gedanken meines Mannes sind – und ich glaube es – so wird er gewiß sehr glücklich sein, wenn er, indem er mich wiederfindet, sieht, daß seine Wünsche erfüllt sind. Ich habe ihn vergessen und den achtbaren Mann gefunden, dessen Fürsorge er mein Leben anzuvertrauen gedachte. Nehmen Sie meinen innigen Dank für das, was Sie mir gesagt, denn sollte ich ihn vielleicht wiedersehen, so werde ich meinem Unwillen Schweigen gebieten und ihm mit den Worten die Hand reichen: »ich danke Ihnen!«

Tristan war mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Es war unmöglich, eine unverschämtere Ruhe zu erheucheln, als Louise erheuchelte.

– Sie haben Recht, Madame, immer Recht, antwortete Tristan, indem er sich erschöpft auf einen Stuhl zurückwarf; Sie gebrauchen auf eine grausame Art Ihren Vortheil. So sind Sie also unbarmherzig?

– Nicht ich, Gott ist es, der alles so gefügt.

– Und Sie lieben Herrn Mametin?

– Wie eine Tochter ihren Vater liebt.

– Ist er nie Ihr Gatte gewesen?

Nur dem Namen nach, das schwöre ich bei meiner Mutter!

– Dann muß man ihm alles bekennen.

– Nie werde ich diesem Greise, der vielleicht noch zwei oder drei Jahre zu leben hat, seinen letzten Trost, seine letzte Lebensfreude entziehen. Vergleichen Sie die beiden Männer, und Sie werden finden, daß das, was Sie mir vorschlagen, eine Schändlichkeit ist.

– Aber was gedenken Sie zu thun? Wollen Sie denn, daß ich jetzt, wo ich Sie wiedergefunden, Sie, die ich noch immer liebe, wollen Sie denn, daß ich fern von Ihnen lebe? Das ist unmöglich!

– Und doch muß es sein.

– Wenn ich aber nicht einwillige?

– So gehen wir.

– und wenn ich das Gesetz zu Hilfe rufe?

– So werden Sie mich und sich selbst entehren, das ist alles. Kein Tribunal wird das, was wir aussagen würden, glauben. Sie sind noch jung, mein Freund, auch ich. Die Zukunft kann die traurige Vergangenheit uns vergessen machen, doch wünsche ich es nicht, denn ich müßte in derselben Zeit auch den Tod eines Mannes wünschen, den ich liebe und verehre.

– Was soll ich denn nun beginnen?

– Was Sie wollen. Sie finden Geschmack am Reisen – reisen Sie.

– Sie können scherzen, Louise, in einem solchen Augenblicke!

– Nun, so bleiben Sie bei uns, wenn Sie das lieber wollen. Betrachten Sie Herrn Mametin als einen Vater, der Sie lieben wird, und mich als eine treu ergebene Freundin; für das Uebrige lassen Sie Gott sorgen. Tragen Sie nicht selbst die Schuld, daß alles so kommen mußte?

– Es ist wahr, sprach Tristan mit gesenktem Haupte; werden Sie mir verzeihen?

– Ich verzeihe Ihnen, antwortete Louise, und werde Sie auch vielleicht – wieder lieben.

In diesem Augenblicke ertönte die Glocke am Gitterthor. Louise deutete Tristan an, sich zu setzen; sie selbst nahm dieselbe Stellung wieder ein wie bei dem Beginnen dieser Unterhaltung.

Einige Augenblicke später meldete ein Diener die Rückkunft des Herrn Mametin.

– Bitten Sie ihn, sprach Louise zu dem Diener, daß er in den Saal komme, Herr Tristan und ich, wir erwarteten ihn. Louise stand auf und legte ihre Hand an Tristan’s Lippen. Der junge Mann küßte diese Hand, wie an jenem Tage, als das junge Mädchen sie ihm zum ersten Male reichte.

Eine Minute später öffnete Herr Mametin die Thür des Saales. Tristan, der so bewegt war, daß er sich kaum zu fassen vermochte, stand auf; Louise eilte dem Greise entgegen und bot ihm ihre Stirn, auf welche er einen Kuß drückte.

8
Die beiden Fenster

Die Unterredung, welche Tristan mit Herrn Mametin hatte, ist für den Leser ohne Interesse, deshalb übergehen wir sie mit Stillschweigen; wir berichten nur, daß Ersterer jeden Augenblick närrisch zu werden glaubte, und daß er alles annahm, was sein neuer Schützer ihm anbot, ohne recht zu wissen, was er annahm.

Louise hatte die beiden Männer allein gelassen. Ihre Gegenwart war nicht allein unnütz, sie konnte selbst peinlich für sie werden.

Tristan that, als ob er seine Frau nicht wiedergefunden hatte, und so erfuhr er denn aus dem Gespräche, daß Herr Mametin Louise anbetete. Der Doctor war natürlich vertraulicher, als bei der ersten Unterredung mit Tristan, so daß er ihm erzählte, wie er Louise kennen gelernt. Tristan hatte sogar das Glück, eine Lobrede auf Louise’s ersten Mann zu hören, der, wie Herr Mametin meinte, sich einer so edlen Sache wegen getödtet hatte, und Gott müsse ihm schon, der Absicht wegen, diesen Selbstmord verzeihen.

Der Doctor lud unsern Tristan ein, mit ihm und Louise zu essen; dieser aber, wie man wohl denken kann, lehnte es höflich ab, indem er den Wechsel seiner Wohnung vorwandte. Er nahm also Abschied von dem Doctor und entfernte sich. Als unser Held im Freien war, athmete er hoch auf.

Der Luxus, welcher Louise umgab, ließ sie jetzt in Tristan’s Augen natürlich schöner erscheinen, als früher, und außerdem war auch die Frau, welche er wiederfand, wirklich nicht dieselbe, die er verlassen hatte. Es ist wahr, Tristan hatte Louise stets geliebt; das gemeinschaftliche Leben aber, und vorzüglich das Elend, hatte dieser Liebe den schönsten Reiz geraubt. Gezwungen, den geliebten Gegenstand jeden Tag, jede Stunde, jede Minute selbst zu sehen, hatte sich das Herz daran gewöhnt, die Sache, welche stets zu einer Verfügung stand, nicht mehr als einen Schatz zu betrachten; jetzt aber, da er sie nur als eine Freundin betrachten durfte, hegte er dieselbe Liebe wieder für sie als in jener Stunde, wo er bei der Mutter um ihre Hand warb, und wenn wir hinzufügen, daß er sie noch mehr liebte, glauben wir nicht zuviel gesagt zu haben. Tristan wählte das Zimmer, dessen Fenster nach der Straße hinausgingen und denen von Louise’s Zimmer gegenüber lagen, zu einem Schlafgemache.

Louise und Herr Mametin waren zur Stadt zurückgekehrt, denn Louise hatte es gewollt. Ungeachtet der dringenden Bitte des Doctors, in seinem Hause ein Zimmer zu bewohnen, blieb Tristan dennoch in dem seinigen, das er sich sorgfältig und mit vielem Geschmack eingerichtet hatte.

Jeden Tag aber besuchte der junge Mann den Doctor, der ihm vom ersten Augenblicke an sehr gewogen war und der Vorsehung dankte, ihm einen so liebenswürdigen Gesellschafter gesendet zu haben. Beide plauderten dann zusammen, oder gingen aus, um arme Kranke zu pflegen und zu heilen.

Der offene, ehrliche Charakter des Greises hatte unsern Helden bald so gefesselt, daß er ihm mit kindlicher Liebe zugethan war. Die Rolle, welche ihm Louise zugetheilt, fiel ihm nicht mehr schwer, er spielte sie sogar mit einer gewissen. Hingebung, die ihn glücklich machte.

Oft ging Herr Mametin nach dem Mittagessen aus, und Tristan blieb dann mit Louise allein; oder, war Herr Mametin ermüdet, so blieb er zu Hause und bat Tristan, seiner Frau den Arm zu reichen und sie spazieren zu führen. Seitdem der Doctor Louise kannte, hatte sie stets einen so reinen Lebenswandel geführt, daß er sie, ohne den geringsten Argwohn, dem Don Juan selbst anvertraut haben würde.

Die beiden Gatten, die beiden Freunde, die beiden Liebenden, oder wie man sie nennen will, gingen dann Arm in Arm eine Stunde lang in den Feldern spazieren und kehrten fröhlich nach Hause zurück, wo Herr Mametin sie lächelnd empfing. Dem jungen Manne reichte er die Hand und seiner Frau küßte er die Stirn.

Gegen zehn Uhr trennte man sich. Louise ging in ihr Schlafzimmer und der Doctor in das einige. Tristan verfügte sich in ein kleines Haus.

Nie zündete er eine Lampe oder ein Licht an; er setzte sich an das Fenster und betrachtete die hehre Majestät der Nacht, welche still und klar über dem Felde ausgebreitet lag. Von Zeit zu Zeit ertönte durch das nächtliche Schweigen eine liebliche Stimme, welche die Gedanken des Träumers harmonisch einwiegte. Verstummte die Stimme, so erschien an dem Fenster, auf welches Tristan fast immer die Augen gerichtet hatte, ein weißer Schatten. Dieser Schatten brachte seine Hand den Lippen näher, sandte schweigend einen Kuß seinem Nachbar zu und schloß das Fenster. Dann flimmerte hinter dem geschlossenen Fenstervorhange noch kurze Zeit ein Licht und Tristan, mit Augen und Seele dem Scheine dieses Lichtes folgend, das sein Stern geworden war, schloß nur dann erst sein Fenster, wenn das Louise’s in Dunkelheit zurücksank. Hieraus zog er den Schluß, daß seine Frau sich zur Ruhe begeben hatte und vielleicht von ihm träumte.

9

So waren fast drei Wochen verflossen, als Tristan eines Morgens Wilhelm zu sich in das Zimmer treten sah.

Der Handlungsdiener war bleich, ein Beweis, daß ihn ein drückendes Gefühl peinigte. Kaum war er in das Zimmer seines Nebenbuhlers getreten, als er den Kopf hängen ließ und Anstand nahm, Tristan die Hand zu reichen, denn er wußte nicht, ob dieser sie annehmen oder ausschlagen würde.

Tristan sah, was dem armen Menschen fehlte, und da auch er einer gewissen Bewegung nicht widerstehen konnte, ging er dem Commis mit offenen Armen entgegen.

Nun erfolgte eine Umarmung, in der Wilhelm unsern Tristan fast erdrücken wollte.

– Ei, ei, rief Tristan, sind Sie denn gekommen, um mich zu morden?

– Ach, mein bester Freund, rief Wilhelm, indem er ihm die Hand reichte, haben Sie mir verziehen?

– Ich bin Ihnen niemals böse gewesen.

– Wäre es möglich?

– Ich schwöre es Ihnen.

– Ach, ich war sehr ungerecht.

– Sagen Sie lieber sehr verliebt, mein armer Freund. Sie sind es doch nicht mehr, da Sie kommen, und mir die Hand reichen?

– Ich weiß alles.

– Wer hat es Ihnen erzählt?

– Herr Van-Dick.

– Mit allen Nebenumständen?

– Ja.

– Welch ein sonderbarer Mann!

– Nun, mein bester Tristan, was habe ich Ihnen gesagt? Habe ich nicht vorausgesehen, daß Euphrasia Sie lieben würde?

– Sie beurtheilen die Dame vielleicht ein wenig zu streng, antwortete Tristan, der sah, daß Wilhelm sehr betrübt war und ihn nicht ganz zu Boden schmettern wollte.

– O, jetzt ist alles vorbei! Ich kenne auch Ihr schönes Benehmen bei dieser ganzen Sache. Was haben Sie mit meinem Briefe gemacht?

– Ich habe ihn zerrissen.

– Danke, danke, mein edler Freund! Ein lauter Seufzer entstieg der gepreßten Brust des armen Wilhelm.

– Nein, nein, fuhr er fort, indem er mit Thränen in den Augen in dem Zimmer auf- und abschritt, nein, sprach er, als ob er einer innern Stimme antwortete, ich werde ihr nicht verzeihen, sie hat mich zu einer Schlechtigkeit verleitet. Und ich konnte an Ihnen zweifeln! Der Handlungsbeflissene, der einen Augenblick seine Thränen zurückgehalten hatte, überließ sich nun ganz seinem Schmerze; er warf sich auf Tristan’s Bett, bedeckte das Gesicht mit seinem Schnupftuche und begann laut zu weinen.

– Wilhelm, rief Tristan, indem er sich dem armen Menschen näherte, weinen. Sie doch nicht so! Sie thun mir weh, denn Ihr Schmerz ist meine Anklage.

Wilhelm richtete einen Kopf empor und trocknete sich die Augen.

– Ich muß Ihnen wohl sehr lächerlich erscheinen, sprach er; aber wenn man leidet, ist es eine Wohlthat, den so lange zurückgehaltenen Thränen freien Lauf zu lassen. Doch jetzt ist alles vorbei, fuhr er fort, indem er ein wenig Ruhe zu gewinnen suchte; mein Herz war voll Thränen, jetzt ist es ausgeleert, ich bin getröstet. Verzeihen Sie mir, daß ich Sie zum Zeugen meines törichten Schmerzes machte.

– dessen Ursache ich wahrscheinlich bin. Wilhelm drückte die Hand seines Freundes.

– Nun, sprach Tristan, indem er sich neben ihn setzte, erzählen Sie mir alles, was vorgefallen ist. Wann sind Sie zurückgekehrt?

– Gestern Abend erst.

– Was thaten Sie, als Sie ankamen?

– Sie wissen, welch einen ungerechten Groll ich gegen Sie hatte, Euphrasia’s Briefe schienen mir nicht alles zu enthalten, deshalb bat ich sie für denselben Abend um eine Zusammenkunft, um eine mündliche nähere Erklärung von ihr zu erhalten.

– Wie benahm sich Herr Van-Dick gegen Sie?

– Er umarmte mich mit lächelndem Gesicht.

– Fahren Sie fort, sprach Tristan.

– Euphrasia bewilligte mir diese Zusammenkunft, und Sie können wohl denken, daß ich nicht lange auf mich warten ließ, da ich diese Frau, die ich seit einem Monate nicht gesehen, zärtlich liebte. Um Mitternacht also stieg ich in ihr Zimmer. Die Treulose empfing mich, wie sie stets gethan, mit Schwüren ewiger Liebe und Treue, und dies befestigte meinen Glauben an die Schändlichkeiten, die sie Ihnen in ihren Briefen aufgebürdet hatte. Mein Haß wuchs mit der Liebe zu dieser Frau und nach einer selig durchwachten Nacht, leider die letzte dieser Gattung, hatte ich nur einen Gedanken, nämlich den, Sie aufzusuchen und mich mit Ihnen zu schlagen.

– O Sie Thor!

– Ja, ein großer Thor! Aber wozu ist nicht ein Kopf fähig, den die Einflüsterungen einer Frau, die man liebt, verdreht hat. Da ich nun zwar wußte, daß Sie das Haus verlassen hatten, aber nicht Ihre neue Wohnung, so ging ich zu Herrn Van-Dick und fragte ihn um Ihre Adresse. Dieser sagte mir nun, daß Sie ihn beauftragt hätten, Ihre Rechtfertigung bei mir zu übernehmen, und dann erzählte er mir Ihre Streitigkeiten mit Euphrasia und die Gründe derselben. Ich war wie versteinert, als Herr Van-Dick seine Erzählung geendet hatte; aber kaum hatte ich mich erholt, als ich zu Ihnen eilte, um Sie um Verzeihung zu bitten, und Sie zum Zeugen meines zwar lächerlichen, aber unbesiegbaren Schmerzes zu machen.

– Armer Freund, ich bin untröstlich, daß Ihnen Herr Van-Dick dieses alles erzählt hat. Es wäre mir lieber gewesen, Sie hätten mir einen Degenstich gegeben, als daß ich Sie so unglücklich sehen muß.

– O, ich werde diese unglückselige Leidenschaft schon zu verbannen wissen, antwortete Wilhelm, indem ihm eine große Thräne über die Wange rollte; diese Frau lebt für mich nicht mehr.

– Das wird nicht möglich sein, wenn Sie bei Herrn Van-Dick ferner bleiben.

– Ich bleibe nicht bei ihm, denn ich würde zu viel leiden müssen.

– Was wollen Sie beginnen?

– Ich weiß es nicht.

– Verzeihen Sie mir die Frage, mein bester Wilhelm: haben Sie schon einen andern Platz?

– Das nicht; aber ich besitze eine kleine Rente, von der ich leben kann.

– Mein armer Freund, wollen Sie bei mir wohnen?

– Bei Ihnen?

– Ja.

– Ach, Herr Tristan, dieses Glück würde mich toll machen!

– Und mir ein großes Vergnügen.

– Doch nein; ich würde Ihnen nur lästig werden.

– Durchaus nicht.

– Wenn Sie nun Besuch empfingen?

– Ich empfange keinen.

– Durchaus keinen? fragte der schmerzlich betrübte Wilhelm in einem ironischen Tone.

– Ich schwöre es.

– Nun, dann bin ich bereit. Wie viel Miethzins zahlen Sie?

– Warum?

– Weil ich die Hälfte davon tragen will.

– Sie sind ein Thor.

– Dann trete ich wieder zurück.

– Wir werden später davon sprechen.

– Nein, jetzt gleich.

– Sie wollen es durchaus?

– Ja.

Tristan nannte nun den Preis des Hauses und Wilhelm gab sich nicht eher zufrieden, als bis er seinem Freunde die Hälfte der Summe eingehändigt, welche dieser vorausbezahlt hatte.

– Und jetzt, begann Wilhelm wieder, werde ich meine Koffer packen.

– Haben Sie mit Madame Van-Dick gesprochen?

– Nein; Sie würden mir einen großen Dienst leisten, wenn Sie mich begleiteten, denn nur so würde ich eine Erklärung vermeiden, die ich vielleicht nicht den Muth hätte, ihr zu verweigern.

– Ich stehe zu diesem Dienste bereit, bester Freund. Arm in Arm, und einer den andern tröstend, verließen die beiden jungen Leute das kleine Haus. Herr Van-Dick empfing sie mit offenen Armen. Wilhelm ging in sein Zimmer und Tristan blieb bei Herrn Van-Dick zurück.

– Nun, sprach der Kaufmann, sind Sie versöhnt?

– Ja, mein bester Herr Van-Dick.

– Habe ich Ihren Auftrag gut besorgt?

– Vortrefflich!

– Wie es scheint, fuhr der Kaufmann in einem vertraulichen Tone fort, hat sich hier neuerdings ein Bruch ergeben.

– Ich fürchte.

– Euphrasia sagte mir, daß sie eine Reise unternehmen wolle.

– Reisen Sie mit ihr?

– Nein, sie reist allein. Sie will nach Frankreich zu jener Cousine Emilie, von der sie neulich sprach.

– Bald?

– Ich glaube.

– Um so besser! sprach Tristan, dem unwillkührlich diese Worte entschlüpfen.

– Das habe auch ich gesagt. Doch nun helfen Sie dem armen Wilhelm, denn ich fürchte, daß er sich in eine Erklärung einläßt. Jedenfalls verlassen Sie das Haus nicht, ohne Abschied von mir zu nehmen.

Tristan fand Wilhelm in seinem Zimmer – allein.

– Sie hat mir sagen lassen, ich solle zu ihr kommen, sprach der Commis.

– Werden Sie gehen?

– Ich weiß es nicht.

– Wie, Sie schwanken?

– Nein, ich werde nicht gehen.

– Haben Sie Ihre Koffer gepackt?

– Ich habe sie nur noch zu verschließen. So, jetzt bin ich fertig.

Wilhelm ging zu Herrn Van-Dick, um Abschied von ihm zu nehmen.

– Ich bin wirklich glücklich mit Ihnen gewesen, sprach der Kaufmann, und ich fürchte, mein bester Wilhelm, daß Ihr Nachfolger nicht das sein wird, was Sie mir waren.

Wilhelm stieß einen Seufzer aus.

– Leben Sie wohl, mein bester Herr Van-Dick, sprach er hastig, denn er fühlte, daß die Rührung ihn übermannte.

Wilhelm und Tristan reichten jeder dem Herrn Van-Dick eine Hand, welche dieser freundschaftlich drückte. Dann entfernten sie sich.

– Mein bester Wilhelm, sprach Tristan, jetzt, da wir bestimmt sind, mit einander zu leben, muß ich Ihnen etwas mittheilen.

– Und was?

– Eine Veränderung, die sich für mich vorbereitet.

– Wahrhaftig? Ist diese Veränderung eine glückliche?

– Ja.

– Erzählen Sie.

– Kann ich auf Ihre Discretion bauen?

– Wenn es nöthig ist, ja!

– Es ist ein großes Geheimniß.

– Ziehen Sie es vor, zu schweigen?

– Nein; früher oder später würden Sie doch etwas bemerken, und ich will lieber, daß Sie es von mir, als von dem Zufalle erfahren. Sind wir in unserm Zimmer, werde ich es Ihnen erzählen.

In dem Augenblicke, als die beiden Männer die Schwelle ihres Hauses überschreiten wollten, kam der Diener des Herrn Mametin und berührte Tristan’s Achsel. Er schien sehr bewegt zu sein.

– Ach, mein Herr, sprach er, kommen Sie doch sogleich zu uns.

– Was giebt es?

– Madame verlangt nach Ihnen.

– Was ist denn geschehen?

– Herr Mametin ist unwohl, deshalb gab mir Madame den Auftrag, Sie zu suchen; ich hatte Angst, Sie nicht zu Hause zu finden.

– Ich kehre bald zurück, sprach er zu Wilhelm; erwarten Sie mich. Mit einem Sprunge war er in dem Hause des Doctors.

In dem Vorzimmer traf er Louise. Sie war bleich und zitterte.

– Um des Himmels willen, rief Sie, eilen Sie, retten Sie ihn!

– Ohne Sorgen, antwortete Tristan, ich werde ihn retten. Louise und Tristan reichten sich die Hand, und nur sie allein konnten die edlen und würdigen Gedanken verstehen, welche sie in diesem Augenblicke hegten. Die junge Frau kehrte in ihr Zimmer zurück. Tristan eilte in das Zimmer des Herrn Mametin, wo man ihn bewußtlos auf sein Bett gelegt hatte.