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Kitabı oku: «Die Holländerin», sayfa 7

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13
Tristan Joseph und Euphrasia Potiphar

Tristan traf Madame Van-Dick in ihrem Schlafzimmer an.

Den Umstand, daß sie sich in ihrem Zimmer befand, hatte die Dame benutzt, um die Vorhänge zu schließen und in einem matten Roth zu erscheinen. Das Piano war geschlossen.

Auf dem Kamine, auf dem Tische, überall, wo nur eine Vase stehen konnte, öffneten Blumen ihren würzigen Kelch. Die geschlossenen Fenstervorhänge gestatteten nur wenigen Sonnenstrahlen den Eingang; neugierig drangen sie in den Schooß dieses Zimmers, um die Blumen zu suchen, die sie lieben. Von Zeit zu Zeit verhüllte eine Wolke, die am Himmel vorüberzog, diese Strahlen, so daß die Blumensträuße im Schatten fanden.

Sonne, Blumen und Vögel, zu einem poetischen Rahmen um ein bürgerliches Gemälde gebildet, hatte Madame Van-Dick zu ihrer letzten Hilfe herbeigerufen, sie zählte fest auf ihren Einfluß.

Nie verzeiht eine Frau einem Manne, wenn er sie verschmäht, und vorzüglich dann, wenn sie, wie Euphrasia, ihn allein zum Vertrauten ihrer Liebe gemacht hat.

Euphrasia war keine geistreiche Frau, wie wir bereits oft und vielleicht zu oft gesagt haben, aber sie war eine Frau, die, wenn die Leidenschaft der Sinne oder des Herzens sie einen Augenblick beherrschen oder in einen treulosen Zustand versetzen konnte, einmal zur Ueberlegung gekommen, nie wieder in dieselbe Lage zurückverfiel. Außerdem war sie für äußere Verführungen und physische Eindrücke sehr empfänglich, so daß wir uns nicht wundern können, die in diesem letzten Kampfe gegen den unverwundbaren Tristan mit solchen Waffen ausgerüstet zu erblicken.

Der Tag war schwül wie der Abend, der ihm voranging; aber so schwül auch jener Abend war, so stellte sich doch dann und wann ein kühles Lüftchen ein, das eine glühende Stirn erfrischen und eine gepreßte Brust beruhigen konnte, und so einsam Euphrasia in ihrem Garten auch war, so konnte sie doch von aller Welt überrascht werden, wie zum Beispiel von der dicken Lotte: jetzt aber war ihre Tugend vor den beiden Freunden des Abends gesichert, die frische Luft und die Zeugen konnten sie nicht erreichen. Sie war in ihrem Zimmer, wo niemand das Recht hatte, sie zu stören; die Fenstervorhänge waren geschlossen und das Zimmer athmete alle Düfte, welche im Stande sind, ein Verlangen vollständiger zu machen.

Die Dame selbst war weiß gekleidet und Hals, Busen und Arme deckte keine neidische Hülle. In dem matten Lichte, welches lüstern durch das Zimmer webte konnte sie Schultern und Arme mit Koketterie zur Schau tragen, denn alle Formen und Umrisse erschienen viel feiner, edler und aristokratischer und dabei athmete das Fleisch Leben und Frische. Madame Van-Dick war einer Najade zu vergleichen, wie sie die Dichter des achtzehnten Jahrhunderts schildern. Wir, die wir prosaischer sind und nur ein wahres Weib zu schildern uns bemühen, wir sagen ganz einfach, wie sie war: ein üppiges, verlangendes Weib.

Vor Aerger weinend, hatte Euphrasia den Saal verlassen. Nachdem sie ihre Augenlider von den unnützen und für ihre Augen selbst gefährlichen Thränen befreit, schloß sie sich in ihr Toilettenzimmer ein, enthüllte vor dem Spiegel die Reichthümer ihres Körpers, und besprengte ihn mit wohlriechendem Wasser. Lächelnd unter dem wollüstigen Dufte, den ihr ganzes Wesen aushauchte, hüllte sie denn diesen einbalsamierten Körper, verachtet, weil er unbekannt war, in den feinsten Battist. Nachdem diese Armirung geschehen, hatte sie Herrn Van-Dick, das Haus verlassen sehen, die Klingel gezogen und der Köchin den Auftrag ertheilt, ihren Feind zu rufen.

Tristan erwartete eine Scene voll Vorwürfe und Haß. Kaum war er eingetreten, als Euphrasia mit der süßesten Stimme von der Welt sprach:

– Das ist schön!

– Ich stand so eben im Begriffe, Madame, Sie um die Ehre eines Besuches bitten zu lassen.

– Nun, so setzen Sie sich, und plaudern wir ein wenig. Tristan nahm einen Stuhl und ließ sich in einer gewissen Entfernung von Euphrasia nieder.

– Fürchten Sie sich vor mir? fuhr sie fort. Rücken Sie doch näher. Tristan rückte näher.

– Also, sprach Madame Van-Dick, indem sie die Hand des Hauslehrers ergriff, auf diese Weise kommen Sie zu den Rendezvous, welche Sie geben.

– Welche ich gebe? konnte sich Tristan nicht erwehren zu fragen.

– Ja, welche Sie geben, oder welche man Ihnen giebt, wenn Sie das lieber wollen. In letzterem Falle ist es noch schlimmer, wenn Sie fehlen. Anfangs fürchtete ich, daß Sie krank wären; ich war sehr unruhig.

– - Madame —

– Haben Sie mich gehört?

– Sehr gut.

– Warum verharrten Sie denn in Ihrem Stillschweigen? Antworten Sie, mein Herr, wollen Sie noch einmal hören, daß man Sie liebt?

Tristan wollte reden.

– Ich weiß, was Sie sagen wollen, böser Mensch, irgend eine nichtige Entschuldigung. Die Furcht überrascht, oder nicht geliebt zu werden. Aber so sind die Männer. Es thäte wahrhaftig Noth, daß die Frau, die euch liebt, sich aller Scham begiebt, um zu eurem Herzen zu gelangen. Nun, Tristan, fuhr Madame Van-Dick fort, indem sie auch eine andere Hand ergriff, habe ich Ihnen nicht schon alles gesagt, was nur eine Frau sagen kann? Gehen Sie, Sie haben mir viel Schmerz verursacht. Ich verwünschte Sie und gab mir das heilige Versprechen, nie wieder mit Ihnen zu reden, Sie nie wieder zu sehen. Diesen Morgen vermochte ich nicht, meine Thränen zurückzuhalten; als ich Sie aber wiedersah, habe ich Ihnen verziehen.

Tristan’s Lage wurde gefährlich.

– Aber Madame, sprach Tristan, was die Liebe anbetrifft, welche man für eine Frau hegen kann, so giebt es oft ein Gefühl, das über diese unerlaubte Liebe den Sieg davontragen muß.

– Welches.

– Die Dankbarkeit.

– Was wollen Sie damit sagen?

– Ich will sagen, daß ich hier Gast des Herrn Van-Dick bin,und daß es die Gastfreundschaft dieses Mannes schlecht belohnen hieße, wenn ich es wagen wollte seine Frau zu lieben.

– Was kümmert Sie das? Außerdem wird er es nicht wissen.

– Aber ich werde es wissen.

– Und dann?

– Und solcher Läpperein stoßen Sie eine Frau zurück, welche Sie liebt? Jetzt ist es übrigens zu spät.

– Ganz gewiß. Denn wäre Lotte nicht dazwischen gekommen, würden Sie gestern schon dieser kostbare Gast geworden sein,fügte Euphrasia lächelnd hinzu.

– Vielleicht, Madame.

– In jenem Augenblicke überlegten Sie nicht.

– Aber ich habe seitdem überlegt.

– So, und das Resultat dieser Ueberlegung hat Sie wohl abgehalten, gestern Abend zu mir zu kommen? fragte Euphrasia verletzt.

– Ja, Madame.

– In diesem Falle haben Sie sich diese Nacht wohl recht lustig über mich gemacht?

– Wie können Sie glauben, Madame —

– Da Sie doch so delicat sind, hätten Sie dem Herrn Van-Dick antworten sollen, als er Sie rief, und mit ihm mir sagen können, daß ich aufhörte, das Ihnen nur allein bekannte Zeichen zu geben.

– Glauben Sie mir, Madame, nur ein Gefühl von Ehre ist der einzige Grund meines Schweigens.

– Wenn man in Ihrem Alter steht und einige Lebenserfahrung besitzt, läßt man sich von dergleichen Rücksichten nicht abhalten. Hat dieses Gefühl. Ihnen vielleicht auch die Worte dictiert, die Sie mir gestern Abend sagten? Wenigstens hätten Sie mich auf der Stelle es merken lassen sollen, anstatt mit einer armen Frau, die Sie liebt und die nur auf ihr Herz hört, Ihren Scherz zu treiben. Wahrhaftig, ich muß heute bei diesem Geständnisse meiner Liebe erröthen! Uebrigens werde ich die Demüthigung vergessen, die ich erlitten, aber nur unter der Bedingung, daß Sie mir den wahren Grund Ihres Betragens nennen, denn der törichte, den Sie mir vorhin angaben, kann es nicht sein.

Jetzt begann der Aerger in Madame Van-Dick’s Strategie die Oberhand zu gewinnen, und es war gar nicht schwer, das falsche Manöver zu erkennen, welchem sie sich hingab.

Es war übrigens selbst für eine geistreiche Frau nicht leicht, sich geschickt aus einem solchen Abenteuer herauszuwinden.

– Nun, Madame, fuhr Tristan fort, der durch einige Complimente das, was er gesagt hatte, zu mildern gedachte, erlauben Sie mir, frei und offen zu reden, wie es mir um das Herz ist?

– Ich höre.

– Nun denn, Madame, ja, ich liebe Sie! Ja, gestern hätte ich beinahe meinen Eid verletzt, den ich geschworen habe. Als ich Sie sah, war ich weder meiner Sinne, noch meines Herzens mächtig, ich vergaß mein gegebenes Wort. Glücklicherweise – verzeihen Sie mir diesen Ausdruck – brachte mich Lottes Stimme, die Sie rief, zur Wirklichkeit zurück.

– Man kann einer Frau immer sagen, daß man sie liebt, wenn man ihr später gute Gründe angeben kann, um sie nicht zu lieben, antwortete Euphrasia.

– Dann erlauben Sie, Madame, daß ich schweige.

– O nein, fahren Sie fort, mein Herr.

– Erinnern Sie sich noch der Zeit, wo ich das Vergnügen hatte, Ihr Portrait zu malen?

– Ja.

– Da war es, wo sich eine wirkliche Leidenschaft meiner bemächtigte. Und doch habe ich es Ihnen nie gestanden.

– Was sagen Sie da?

– Die Wahrheit.

– Wenn Sie mir diese Liebe nicht gestanden haben, so haben Sie wenigstens dafür gesorgt, daß ich sie merken konnte.

– Durchaus nicht.

– Sie sind ein unverschämter Lügner, mein Herr! rief Madame Van-Dick, welche abermals der Zorn zu beherrschen anfing.

Tristan fand auf.

– Bleiben Sie, mein Herr, ich will es. Als Sie mich fragten, wem dieses Portrait bestimmt sei, was habe ich Ihnen geantwortet?

– Daß Sie es mir nicht sagen wollten.

– Aber daß Sie es errathen könnten.

– Ja.

– Als es vollendet war, und nachdem sie aus tausend kleinen Anzeichen meine törichte Liebe hatten ermessen können, fragte ich Sie, ob Sie das Portrait dem eingehändigt hätten, dem es bestimmt sei. Was haben Sie mir da geantwortet?

– Daß ich es abgegeben habe.

– Nun, mein Herr, geben Sie mir dieses Portrait zurück und entfernen Sie sich aus meinem Zimmer!

– Madame, das Portrait ist nicht mehr in meinen Händen, antwortete Tristan, der jetzt auch die Geduld verlor.

– Wer hat es? fragte Madame Van-Dick, indem sie aufstand.

– Haben Sie mir nicht gesagt, daß es für einen Mann bestimmt sei, den Sie lieben?

– Nun?

– Ich habe es Ihrem Geliebten gegeben, Madame.

– Meinem Geliebten?

– Herrn Wilhelm.

– Und wer hat Ihnen gesagt, daß Herr Wilhelm mein Geliebter ist?

– Er selbst.

– Er hat gelogen, mein Herr, wenn er das gesagt hat, und Sie sind ein impertinenter Mensch, daß Sie es mir wiederholen. O, wie hat mich dieser Mensch genarrt und gedemüthigt! murmelte Madame Van-Dick. Ich werde mich aber zu rächen wissen, mein Herr Tristan!

– Verzeihung, Madame, antwortete Tristan, indem er seine vorige Ruhe wieder annahm, ich glaube, der Zorn läßt Sie die Wahrheit vergessen. Ich habe versucht, einem geleisteten Eide treu zu bleiben, und anstatt mir zu danken, daß ich Sie vor wahrscheinlichen Gewissensbissen sicher stellen will, behandeln Sie mich wie einen Bedienten.

– Welchen Eid haben Sie denn geleistet, mein Herr?

– Ich habe geschworen, Ihnen nie mehr als ein Freund zu sein.

– Und wem?

– Herrn Wilhelm, Madame.

– Was für ein Recht hat Herr Wilhelm, diesen Eid von Ihnen zu verlangen?

– Er hat mir gesagt, daß er Sie liebt, daß Sie schon seit langer Zeit eine Geliebte sind und daß er eifersüchtig auf mich ist. Auf dieses Geständniß habe ich ihm versprochen, Sie stets als eine geheiligte Schwester zu betrachten, und dieses Versprechen zu halten war um so schwieriger, da Sie schön sind, Madame, und da auch ich Sie liebe, wie ich Ihnen bereits mir zu sagen erlaubte.

– Und wer hat Sie gezwungen, dieses Versprechen abzugeben? fragte Euphrasia, die einsah, daß kein Mittel mehr vorhanden war, ihr Verhältniß zu Wilhelm in Abrede zu stellen.

– Eine unbeschreibliche Sympathie, welche ich für ihn empfand, die Achtung, welche ich vor einer ernsten Neigung hegte, und der feste Entschluß, mein Glück dem Glücke derjenigen zu opfern, die ich liebe.

– Narr! sprach Euphrasia.

– Nach dem, was vorgegangen, bleibt mir nichts mehr zu thun, als ein Haus zu verlassen, in welchem ich, ohne es gewollt zu haben, eine große Verwirrung angerichtet. Ich verlasse es, und wenn ich auch nicht Ihre Freundschaft, die mir stets theuer gewesen, mit mir nehmen kann, so können Sie mir doch wenigstens Ihre Achtung nicht versagen.

Tristan verbeugte sich, öffnete die Thür und verließ das Zimmer, ohne daß Madame Van-Dick ihn durch ein Wort oder durch einen Wink zurückzuhalten suchte. Als er sich auf dem Corridor befand, blieb er stehen und sprach bei sich: »Da bin ich nun!« – Dann fügte er hinzu: »Ich habe gethan, was ich thun mußte.« – O, der Elende! rief Euphrasia; wie er seinen Scherz mit mir treibt! Aber noch ist nicht alles vorbei, Herr Tristan, Sie sollen diesen Scherz theuer bezahlen.

Nachdem Madame Van-Dick die Thränen des Zornes getrocknet hatte, die ihre Augen näßten, öffnete sie ihren Secretair, ergriff Papier, Feder und Dinte und schickte sich an zu schreiben. In derselben Zeit trat Tristan in sein Zimmer, ging nachdenkend einige Augenblicke auf und ab, öffnete den Schiebkasten seines Tisches, nahm Federn und Papier her. aus und setzte sich wie ein Mensch an den Tisch, der einen Brief schreiben will.

14
Die beiden Briefe

Wilhelm war in Brüssel angekommen. Er säumte nicht, sich mit dem Geschäfte, das Haus Daniel betreffend, zu befassen; aber schon am ersten Tage gewann er die Ueberzeugung, daß er es vor drei Wochen nicht würde beendigen können. Gleich darauf erhielt er zwei Briefe. Auf dem Umschlage des einen erkannte er Tristans Handschrift, auf dem andern die Euphrasia’s.

Zunächst öffnete er das Siegel des letzteren, da er aber, trotz der Freundschaft, die er für den Hauslehrer empfand, eine größere Liebe zu seiner Freundin hegte, so schätzte er Euphrasia’s Brief höher und beschloß, um das Beste zuletzt zu genießen, zumal da er ihm stärker erschien, Tristan’s Brief zuerst zu lesen.

Wilhelm schloß ein Fenster, damit das Geräusch, das von der Straße herauf drang, seine zweifache Lectüre nicht stören konnte, dann küßte er entzückt den zurückgelegten Brief, warf sich nachlässig in einen großen Stuhl und las:

»Ich glaube kaum, mein bester Wilhelm, daß Sie ermessen können, wie unglücklich mich Ihre Abwesenheit macht. Ich wüßte nicht, was ich darum gäbe, wenn Sie hier wären. Zwar bin ich überzeugt, daß Sie meinen Kummer theilen, ich zweifle indeß, daß er dieselbe Ursache haben mag.

»In Bezug auf Sie ist in dem Hause keine Veränderung vorgegangen, nur für mich scheint der Horizont ein wenig trübe werden zu wollen. Wie mir scheint, werde ich aus Gründen, die ich Ihnen später mitzutheilen gedenke, Herrn Van-Dick verlassen müssen. In allem, was ich unternehme, habe ich Unglück, und wenn ich nicht von Zeit zu Zeit Trost aus Ihrer Freundschaft für mich schöpfte, ich würde an dem Leben verzweifeln.

»So oft ich mich bei Madame Van-Dick befand, haben wir von Ihnen gesprochen. Ich erlaube mir diesen Namen zu schreiben, da ich weiß, daß Sie klug sind und diesen Brief sorgfältig aufbewahren werden. Sie hat mir ihre Gedanken über Sie nicht verborgen und ich glaube, daß sie mein Leid über Ihre Abwesenheit, wenn auch in einem andern Sinne, theilt.

»Gestern, als sie von Ihnen zu mir sprach, habe ich fiel aufmerksam beobachtet; sie schien sehr bewegt zu sein, und ich glaube den Grund dieser Bewegung zu kennen. Es ist wohl nicht nöthig, daß ich Ihnen denselben mittheile; seien Sie glücklich, denn Sie verdienen es. Obgleich mich unerwartete Umstände sehr traurig gemacht haben, so bin ich doch stolz, mir sagen zu können, daß Sie einen Theil Ihrer jetzigen und zukünftigen Freuden mir zu verdanken haben.

»Ich hoffe, daß mich ein Brief von Ihnen noch in dem Hause am Prinzen-Kanal antreffen wird; sollte ich es vielleicht vor Ankunft desselben verlassen, so bleibt meine Adresse zurück, denn jedenfalls bleibe ich in der Stadt.

»Was auch geschehen möge, zweifeln Sie weder an meiner Freundschaft noch an meiner Ergebenheit.«

– Sonderbar, sprach Wilhelm, nachdem er gelesen, dieser Brief ist eben so geheimnißvoll als traurig. Warum will Tristan das Haus verlassen? Warum giebt er die Gründe seines Bruches mit Herrn Van-Dick nicht an? Was mag dem armen Menschen zugestoßen sein?

Ueber diesen Gedanken vergaß der Handlungsbeflissene auf einen Augenblick den Brief, den er in seiner linken Hand hielt.

– Ich werde später noch einmal lesen, dachte er, legte Tristan’s Brief auf den Kamin und öffnete den von Euphrasia mit wonnebebender Hand.

Sein Inhalt war folgender:

»Geliebter!«

»Du kannst Dir keinen Begriff machen, wie unglücklich Deine Euphrasia durch Deine Abreise geworden ist. Eine nicht zu verbannende Traurigkeit hat sich meiner bemächtigt. Und Du, bist auch Du traurig, mein Wilhelm? Ach, die Liebe ist ein furchtbares Ding, wenn man scheiden muß! Wenn ich voraussetze, daß Sie traurig sind, irre ich mich vielleicht, mein Herr, denn es ist ja möglich, daß Sie mich hintergehen; aber Sie wissen, wie eifersüchtig ich bin und daß mich der Gedanke, Sie lieben eine andere Frau, stets zittern läßt. Wilhelm, wenn das je geschehen sollte, sterbe ich!

– Wie sie mich liebt! rief Wilhelm, und fuhr mit Freudenthränen in den Augen zu lesen fort:

»Ach, ich bin sehr traurig! Gestern ließ ich das Fenster die ganze Nacht offen, als ob ich Dich immer noch erwartete. Aber Du kamst nicht! Ich habe kein Auge geschlossen. Um mich zu zerstreuen, setzte ich mich an mein Piano und um zwei Uhr Morgens mußte man mir sagen, daß ich das ganze Haus beunruhige. Indem ich nur an Dich dachte, hatte ich die Zeit vergessen. Mir war, als ob diese Musik auch Dich wachend finden müsse, wie Deine Euphrasia es war, daß Du ihren Namen unaufhörlich flüstertest, wie sie den Deinigen flüsterte.

»Du bist glücklicher, als ich, denn Du hast mein Portrait, mir giebt nur mein Herz Dein Bild zurück. Herr Tristan hat mir gesagt, daß er meinen Auftrag erfüllt und Dir das Portrait ausgehändigt habe, das ich, um Dir eine Ueberraschung zu bereiten, heimlich für Dich anfertigen ließ. Gefällt es Dir? Bist Du glücklich? O schreibe mir, mein angebeteter Wilhelm, und wiederhole mir oft, daß Du mich liebt. Dieses Wort ist so süß für eine Frau, die nie geliebt hat und endlich fühlt, daß sie liebt! Und dennoch muß ich Dir, trotz meiner Liebe für Dich, einen Kummer bereiten. Ich habe lange gezögert, ihn Dir mitzutheilen, aber ich fühle mich Deiner unwürdig, wenn mein Herz Dir etwas zu verbergen hat.

»Du bist so gut und kommt wohl nicht auf den Gedanken, daß man Dich betrügen könne. Ich war übrigens in demselben Irrthume befangen und muß bekennen, daß mich die Enttäuschung über einen Mann, den ich unsern Freund wähnte, sehr traurig gestimmt hat.«

– Was will sie damit sagen? flüsterte Wilhelm.

Er fuhr fort:

»Du weißt, wie gut und vertrauensvoll wir Herrn Tristan stets entgegengekommen sind, und ich selbst beging jetzt die Unklugheit, ihn zum Vertrauten unserer Liebe zu machen, indem ich von ihm mein Portrait malen ließ und ihn beauftragte, es Dir zu übergeben. Doch wie unrecht thaten wir, einem solchen Manne zu trauen!

»Gestern Abend nahm ich unschuldigerweise seinen Arm und machte mit ihm einen Spaziergang durch den Garten, vertraulich von Dir plaudernd. Anfangs antwortete er mir, später aber bemerkte ich, daß er mir nicht mehr antwortete, sondern stärker und immer stärker meinen Arm drückte. Ich wollte ihn zurückziehen, aber er hielt ihn fest. Als ich mich setzte, nahm er an meiner Seite Platz und ohne mir zu sagen, daß er mich liebte, ließ er es mich doch auf eine Weise merken, daß meine Lage sehr gefährlich geworden wäre, wenn Lotte mich nicht gerufen hätte. Obgleich ich mir vorgenommen, Dir von dieser Sache nichts mitzutheilen, um Dir Kummer zu ersparen, so nimmt sie doch jetzt einen so ernsten Charakter an, daß ich es für meine Pflicht erachte, Dich davon in Kenntniß zu setzen.«

– Entsetzlich! rief Wilhelm, und fuhr fort:

»Denke Dir, geliebter Freund, was mir diesen Morgen begegnet. Von einer übermäßigen Traurigkeit befallen, deren Grund ich wohl nicht nöthig habe, Dir anzugeben, sitze ich da, als Herr Van-Dick mich dergestalt peinigt, daß ich in Thränen ausbrach. Jetzt zweifele noch, daß ich Dich liebe!

– Kurz, ich flüchtete mich in mein Zimmer und weinte recht von Herzen. Herr Van-Dick war ausgegangen und ich wollte den Tag einsam in der Erinnerung an Dich verleben. Da stellt sich mir plötzlich Herr Tristan vor.

»Da ich nichts anderes vermuthen konnte, als daß er wegen seines Betragens vom vorigen Abend sich zu entschuldigen käme, so glaubte ich ihn empfangen zu müssen; aber ich werde Dir nie alles mittheilen können, was sich nun ereignete, ich würde erröthen, wenn ich Dir das sagen wollte, was mir dieser Mensch gesagt hat. Nur so viel wisse, daß er sich solche Worte erlaubte, die mir Thränen der Scham erpreßten, und nachdem ich ihn zur Thür hinausgeworfen, ihm die Weisung zukommen ließ, für immer das Haus des Herrn Van-Dick zu verlassen. In dem Augenblicke, wo ich Dir schreibe, bin ich noch so bewegt von dieser Scene, daß mir die Hand zittert. Ich wollte diesen Brief nicht mit der Erzählung von solchen Sachen beginnen, damit die ersten Worte, die Du von mir liefest, nicht eine schlechte Neuigkeit enthalten.

»Du begreift die Gründe, welche mich veranlassen, dieses alles Dir zu schreiben. Du liebst diesen Mann, und da er sehr schlau und fein ist, könnte er leicht eine Schlauheit und Deine Freundschaft benutzen, um Dir irgend eine Lüge auf meine Rechnung aufzubürden und mir so Deine Liebe und Achtung, zwei Sachen, die mir in der Welt am theuerten sind, entwenden.

»Schreibe ihm übrigens nicht, mache ihm durchaus keinen Vorwurf über das Geschehene und gewähre ihm das Vergnügen nicht, zu glauben, er habe Dir wehe gethan. O, welch ein schlechter Mensch! Schreibe mir so schnell als möglich, ob er Dir mein Portrait eingehändigt hat, denn ich zittere bei dem Gedanken, daß er es behalten und, wenn er einmal aus dem Hause ist, als ein Zeichen seines Sieges benützt.

»Lebe wohl, mein innigst geliebter Freund; schreibe oft, aber verstelle Deine Handschrift auf dem Umschlage des Briefes ein wenig, damit die Domestiken sie nicht erkennen. Noch einmal, lebe wohl! Tausend Küsse begleiten diesen Brief. Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen.«

Als Wilhelm diesen Brief gelesen, hätte man ihn für eine Marmor-Statue halten mögen.

Türler ve etiketler

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06 aralık 2019
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